Dienstag, 26. Februar 2013

Stoffspielerei im Februar: Schon wieder Alabama Chanin


Etwas verspätet und nicht unbedingt innovativ kommt hier meine Stoffspielerei im Februar – ich beschäftigte mich zum x-ten Mal mit den Applikationstechniken vonAlabama Chanin. Derzeit fehlt mir ein wenig die Muße, um mich auf Stoffspielereien einzulassen. Das ist weniger eine Zeitfrage, denn eine Kopffrage: wenn ich viel zu tun habe und davon gedanklich absorbiert werde, bleibt im Kopf kein Platz, dann suche ich mir besser etwas mit einer Anleitung. Das entlastet.


Da ich mir aber un-be-dingt (seit mindestens zwei Jahren) einen Jerseyrock mit Applikationen oder ausgeschnittenen Applikationen machen möchte, probierte ich im Februar die einfache Jersey-auf-Jersey-Applikation nach Alabama Chanin aus. Erstmal an einem Schal und mit dem denkbar einfachsten (aber selbst ausgedachten) Muster. Anders als bei meinem Versuch mit Jersey-auf-Baumwollvoile gefällt mir die Wirkung schon viel besser. Es ist bei dieser Technik wohl entscheidend, dass die beiden Schichten in Dicke, Festigkeit, Struktur ähnlich sind.


Der Untergrund ist ein altes weißes T-Shirt, unter den Armen durchgeschnitten und später an einer Seitennaht aufgeschnitten. Da ich wie üblich nicht sehr weit vorausplante, kam mir erst nach einiger Zeit die Idee, die Schalenden mit grauem Jersey (ein abgeschnittenes Trägerhemd) abzusetzen.
Die frei Hand ganz unregelmäßig geschnittenen Kreise aus Jerseyresten in blau, grau und rot habe ich mit dreifädigem rotem Sticktwist aufgenäht.


Hier noch einmal im Überblick: Das zweite Schalende ist noch fast unbearbeitet (und unverstürzt). Das kommt aber noch - diese Stickerei ist eine meditative Handarbeit, fast so wie stricken. 


Die Stoffspielereien sammelt diesmal frifris - vielen Dank dafür!

(Nächster Termin: 31. 3. bei Karen.)

Donnerstag, 21. Februar 2013

Parka oder Trench?

Ich brauche eine praktische Jacke. Wer mich im richtigen Leben kennt, weiß, dass ich nicht der Typ für praktische Jacken bin: Ich zelte nicht, ich mache keine ausgedehnten Wanderungen in der Wildnis, ich besitze weder richtige Turnschuhe noch Wanderschuhe und eben auch keine dieser hochtechnischen, superpraktischen, wind- und wasserdichten, atmungsaktiven und mit zahlreichen weiteren unverzeichtbaren Attributen (und tausend Taschen!) ausgestatteten Jacken. Lacht ruhig! Aber ich wohne nunmal in der Stadt, gegen Dauerregen gibt es Regenschirme, richtig starker Wind oder andere Wetterextreme kommen nur selten vor - warum also praktische Jacken tragen, wenn man nicht muss?

Nur ein einziges Mal vermisste ich in den letzten Jahren eine praktische Jacke, das war im Oktober an der Ostsee - da trug ich dann notgedrungen eine billige und hässliche rote Regenjacke und knisterte wie eine alte Plastiktüte. Seitdem hatte ich den Plan im Hinterkopf, mir doch einmal eine schöne und praktische Jacke oder einen Regenmantel oder sowas zu nähen (und, zugegeben, wenn man häufig in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kann man eine abwaschbare Jacke auch gut gebrauchen). 3,60 m einer dunkelkhakigrauen, wasserabweisenden Polyester-Baumwollmischung mit feinen hellen Streifen (die sich nur als Bildstörung fotografieren lässt) habe ich noch viel länger im Fundus.

Ich schwanke zwischen zwei Schnitten:      

Einmal dem Parka 129 aus Burdastyle 9/2012, den sich Andrea - lyaundich aus einem tollen roten Wollstoff beim Wintermantel-Sewalong genäht hatte.

Vorteile: die großen Taschen und die Kapuze. Außerdem mag ich die Taillierung und den geteilten Rücken mit Schlitz - anders als die meisten anderen Parkaschnittmuster sieht dieses hier nicht nach einem Sack mit Ärmeln aus. Außerdem reizt es mich, den Schnitt zu nähen, weil er einfach mal etwas ganz anderes ist, als das, was ich sonst nähe und trage. Einen passenden gemusterten Jersey für das Futter hätte ich auch.

Nachteile: Parkas waren in Berlin diesen Winter die beliebteste Bekleidung bei Menschen zwischen 15 und 35. Wie ich den Laden hier kenne, werden sich Parkas im nächsten Herbst und Winter in allen anderen Altersgruppen ebenso verbreiten. Auch wenn die Schnittdetails (siehe oben) diesen Parka ein wenig vom Durchschnitt abheben, nähe ich ja nicht, um am Ende das zu haben, was alle haben.
Stoffverbrauch: Das Schnittmuster verlangt 4,50 m Stoff - es könnte extrem sportlich werden, den Zuschnitt aus 3,60 m herauszuquetschen.  

 

Zum zweiten den Trenchcoat 118 aus Burdastyle 12/2011. Von vorne ganz schlicht und schmal, im Rückenteil gibt es eine große Kellerfalte, die sich zum Saum hin verbreitert.

Vorteile: Der Schnitt ist zeitlos, ich müsste mir keine Gedanken darüber machen, ob ich im derzeitigen Mode-Mainstream mitschwimme. Der Stoff reicht auf jeden Fall. Innen hat der Mantel ein Teilfutter, die sichtbaren Nahtzugaben werden mit Schrägband eingefasst - dort könnte ich mich mit ein bißchen Farbe austoben.

Nachteile: Ist das noch Fußball? Ist das noch eine praktische Jacke? Ich habe den Verdacht, dass ich mit dieser Schnittwahl wieder fast unmerklich auf ausgefahrene Gleise einschwenke. Wie ich schon sagte: ich bin nicht der Typ für praktische Jacken! Aber ist das schlimm?

Bis zum Wochenende hätte ich mich gerne entschieden. Plant ihr auch gerade Frühlingsjacken?

Mittwoch, 20. Februar 2013

Woche 7


1.  Street-Fashion-Trend-Report aus Berlin, der Hauptstadt des zweifelhaften Geschmacks: Diese norwegergemusterten Strickleggings sind hier gerade ungeheuer beliebt. Anderswo auch? Und kann mir das jemand erklären? Ist es der Wunsch nach Natur, Weite, Ursprünglichkeit und Stille wie in den Bergen oder an norwegischen Fjorden, der die junge Hauptstädterin zum gemusterten Strickbeinkleid greifen lässt? Ist es die ironisch gebrochene Sehnsucht nach Heimat? Ist es die Umsetzung des Strick-Trends für Menschen, die nicht stricken können? Was es auch ist - diese Leggings sind im Straßenbild zur Zeit unübersehbar. Und apropos "stricken": Ravelry verzeichnet zwar einige Anleitungen für Strickleggings für Erwachsene - aber keine mit buntem Einstrickmuster.  

2. Hachje.

3. Café-Entdeckung: Das two and two in der Pannierstraße 6 in Neukölln ist ein französisch- japanisches Gemeinschaftsprojekt. Neben süßem und salzigen Gebäck gibt es großartigen Kaffee und japanische Schreibwaren. Man sitzt da sehr nett in wunderbar klar möblierten Räumen und kann auf die Straße gucken. Die Quiches und Kuchen werden vom französischen Teil des Besitzerinnen-Duos in der kleinen Küche selbst zubereitet, der wie schon erwähnt wirklich großartige Kaffee kommt von Coffee Circle und ist bio und fair gehandelt. Im two and two-Blog gibt es noch viel mehr Bilder aus dem Café, und außerdem haben die Besitzerinnen dort die Ladensuche und die Renovierung dokumentiert - erstaunlich, was für ein Schmuckstück die beiden aus einem abgerockten Friseurladen gemacht haben.

4. Netzfundstück (via @antjeschrupp): Fräulein Tessas Artikel über die RTLII-Sendung "Extrem schön", die frauenverachtenden Schönheitsnormen, die solchen Sendeformaten zugrunde liegen, und darüber, was das mit uns anrichtet. "Die Vielfalt der Schönheit wird aus der Welt geschnitten. Sie wird nicht gesendet und nicht gedruckt." Aus dieser Perspektive finde ich es um so wichtiger, dass es mit dem Me-made-Mittwoch ein Forum gibt, in dem die Vielfalt einen Platz hat. Und in dunklen Momenten lese ich mir die über hundert Liebeserklärungen an den MMM durch, die ihr als Kommentare hier hinterlassen habt.

Montag, 18. Februar 2013

Ufo-Angriff, die letzte: wenigstens eins erlegt


Die vereinten Ufo-Bekämpferinnen treffen sich heute zum letzten Mal bei Miss Margerite. Ich fühle mich semi-erfolgreich: letztlich habe ich nur ein einziges Teil von der ursprünglichen Liste fertiggestellt, aber eines ist besser als keines, nicht wahr? Und das gilt noch viel mehr, da es sich ja nicht um ein Teil handelte, dass man mal eben an einem Nachmittag zusammentackert.

Mit dem Blazer bin ich nun so leidlich zufrieden - ich hatte mir ja vorgenommen, nicht mehr so viel an meinen Sachen herumzukritteln. Dass sich die Naht des rechten Ärmels etwas nach vorne dreht, übersehe ich deshalb einfach. Beim Nähen lernt man ja nie aus, es gibt so viele Möglichkeiten der Verarbeitung, die alle zum Ziel führen, jedes Material verhält sich anders, jeder Schnitt hat seine Besonderheiten - ich werde noch viele Blazer nähen und viel ausprobieren, ehe ich mich auf diesem Gebiet als Könnerin betrachten kann. Aber das ist völlig in Ordnung, denn dieser Lernprozess macht für mich das Hobby aus. Wo wäre denn da die Herausforderung, wenn sich alles einfach so runternähen ließe? Dass ich es mag, herausfordernde Dinge zu nähen, selbst wenn es länger dauert, habe ich bei diesem Projekt auch wieder gemerkt. Deshalb steht als nächstes herausforderndes Vorhaben auch eine Frühlingsjacke oder ein Frühlingsmantel auf der mentalen Liste.


Demnächst gibt es dann auch noch ein Bild mit Blazer und mir - so traurig auf dem Bügel hängend und bei den derzeitigen Lichtverhältnissen sieht der wirklich "nach nichts aus", wie man früher bei uns immer sagte. Beim Futter habe ich mich diesmal nicht großartig ausgetobt: es ist einfach neutral schwarz. Die grau-schwarzen Knöpfe sind schon älter und stammen aus dem Fundus. Der Blazerschnitt war die Nummer 110 aus Heft 8/2005, unverändert bis auf ein paar kleinere Passformänderungen.

Wie ist es wohl den anderen Ufo-Jägerinnen ergangen? Hier bei Miss Margerite sind sie versammelt

Dienstag, 12. Februar 2013

Woche 4 + 5+ 6


1. Immer wieder Schnee, immer wieder Dunkelheit - Winter, ich habe dich so satt.

2. Mein Strickzeug und ich, wir freuen uns auf morgen Abend, dann ist wieder MittwochsMasche, das offene Stricktreffen im Cafe Provinz. Und meine Strickjacke freut sich auf Ärmel.

3. Webfundstück 1 (via Hobbyschneiderin): Das Schnittquelle-Blog feiert ersten Geburtstag und zu diesem Anlass gibt es den Schnitt für das Jerseykleid Vichy kostenlos als Download.  

Webfundstück 2 (via FrauCrafteln): Die Stolperfallen (für beide Seiten!) im Verhältnis von Bloggern und Unternehmen, über die wir hier im Blog ja vor kurzem schon gemeinsam nachgedacht hatten,  fasst dieser Artikel im Blog einer Social-Media-Agentur sehr gut zusammen. Und die Entwicklungen bei Autoblogs und Techblogs werden früher oder später auch unsere DIY-Nische erreichen.

Montag, 11. Februar 2013

Ufo-Angriff 4 - Zwischenstand: die Hoffnung stirbt zuletzt und einige Gedanken über Passform und Selbernähen

Ich habe noch nicht aufgegeben. Nachdem der Angriff virenförmiger intergalaktischer Sturmtruppen auf mein Immunsystem (ich sprach an dieser Stelle schon fünf- bis zehnmal davon) mich die letzten zwei Wochen außer Gefecht gesetzt hatte (oh, eine Kriegsmetapher, tss), gibt es nun Fortschritte in Sachen Blazer zu vermelden.


Beim Einsetzen der Ärmel waren die Anleitungen von Lucia ungeheuer hilfreich, die sie anlässlich des Wintermantel-Sewalongs gemacht hatte: Armloch anpassen, das rückwärtige Armloch mit einem Schrägstreifen einhalten, den Vorderärmel stabilisieren. Das Verschmälern der Schultern um gut 1cm beseitigte wundersamerweise auch Falten über der Brust. Dennoch war ich Samstag Nacht nicht so hundertprozentig von der Passform überzeugt. Oder genauer gesagt, ich schwankte zwischen: entweder werfe ich es jetzt weg oder ich trenne alles nochmal auf und fange mit der Anpassung noch einmal ganz von vorne an.

Glücklicherweise gab ich keinem der beiden Impulse nach, sondern ging erstmal schlafen. Und Sonntag entdeckte ich die Geheimwaffe, die in meinem Schrank hing. Ich zog nämlich einen gekauften schwarzen Cordblazer an, einfach um mal zu sehen, wie so ein Blazer eigentlich richtig sitzen muss. Ich war vollkommen überzeugt, die Jacke werde prima passen, schließlich hatte ich sie im Geschäft anprobiert, ausgewählt und jahrelang zufrieden getragen. Aber jetzt war etwas anders. 
Um mit Sherlock Holmes zu sprechen: "Watson, Sie sehen, aber Sie beobachten nicht!" 

Ich war Watson. Wie hatte mir so lange entgehen können, dass die Schultern des Kaufblazers zu breit waren? Wie hatte ich die Falten von der Schulter zur Brust ignorieren können? Und die Tatsache, dass ich die Jacke über der Brust nur mit Mühe zuknöpfen konnte? Das Ding war ein einziger geballter Passformmangel, und das hatte ich jahrelang nicht erkannt. Aber mein halbfertiger, selbstgenähter Blazer hatte mir die Augen geöffnet.

Und damit brachte mich der Vergleich mit dem Kaufblazer wieder zurück auf den Boden der Tatsachen: Eine Maßschneiderin mit zehn Jahren Berufserfahrung könnte eine Jacke sehr wahrscheinlich noch sehr viel besser an meinen Körperbau anpassen. Aber ist es vernünftig, diesen Maßstab aufs Selbernähen anzuwenden? - Nein! Wir Hobbynäherinnen (das überlegte ich mir, während ich auf dem Boden herumkroch, um das Futter zuzuschneiden), haben es ja in vielerlei Hinsicht viel schwerer als Nähprofis: wir haben keine systematische Ausbildung. Es fehlt uns oft an technischen Voraussetzungen - ich sage nur Zuschneidetisch, Bügelanlage, Nähzimmer. Wir nähen in kurzen Etappen, mitten in der Nacht oder mit eineinhalb Augen bei quengelnden Kindern, oder irgendwann zwischendurch. Und wenn wir unter den Bedingungen Sachen produzieren, die locker mit jedem gekauften Teil konkurrieren können, können wir doch stolz auf uns sein, oder?

Eim zweiter Aspekt an der Sache ist ja auch noch, dass zu viel Anpassen auch nicht gut ist. Man steigert sich so in den Wunsch hinein, alle Falten zu eliminieren und findet dabei kein Ende, so dass das Ergebnis letztlich weder schmeichelhaft noch bequem ist. Im englischen gibt es für diesen Vorgang den Begriff "overfitting". Die deutsche Sprache lässt uns trotz ihrer Wortzusammensetzmöglichkeiten hier im Stich, und auch in der deutschen Näh-Literatur kommt das Phänomen meines Wissens nicht vor. Oder kennt jemand eine deutsche Bezeichnung? Wenn ich hier von "Überanpassung" spräche, dächte man wohl eher an ein sozialpsychologisches Problem, nicht an zu stark angepasste Kleidung.

Aber wie auch immer: das Bewusstmachen meiner begrenzten Möglichkeiten und Fähigkeiten, der Vergleich mit einem ganz passablen Kaufteil und das Wissen, dass Kleidungsstücke auch zu gut passen können, nämlich so gut, dass man sich in ihnen nicht mehr bewegen kann, führten dazu, dass ich meine eigenen Nähversuche zunächst einmal mit mehr Nachsicht betrachte. Das schließt ja nicht aus, dass man dazulernen und bei jedem Teil ein bißchen besser werden kann - aber Perfektion sollte nicht der Maßstab sein. Mit meiner neu erworbenen Lockerheit bin ich jedenfalls ganz optimistisch, dass ich bis zum Ufo-Finale am nächsten Montag das Futter in den Blazer nähen kann. Den aktuellen Zwischenstand der tapferen Ufo-Bekämpferinnen sammelt heute wie jeden Montag die furchtlose Miss Margerite.

Sonntag, 3. Februar 2013

Sofa-Nähen, ein fertiger Rock und eine Entdeckung

Ein Lebenszeichen aus der Sofaecke - fast unvorstellbar, dass es in diesem Haushalt mal eine Zeit ohne Husten, Schniefen, Röcheln gab. Ab Montag wird aber tapfer am Schreibtisch weitergehustet. Es ist noch nicht ganz, ganz gut, aber erträglich, und ich habe einiges aufzuholen. In nicht ganz 14 Tagen wollte ich meinem Professor etwas vorweisen, das mehr oder weniger einer fertigen Arbeit ähnelt. Denken wir lieber nicht daran, jedenfalls nicht jetzt! 

In der Zwischenzeit beschäftigte ich mich vor allem mit Näh-Ersatzhandlungen - tatsächliches Nähen wäre die meiste Zeit viel zu anstrengend gewesen. Ich blätterte ca. 1000 Hefte BurdaPramoOttobre durch, auf der Suche nach einem simplen Schnitt für ein schmales Jerseykleid mit langen Ärmeln, gerne mit etwas hochgesetzter Taille. Unnötig zu erwähnen, dass ich nichts dergleichen fand, dafür aber hundert andere Schnitte, die es auch wert wären, genäht zu werden. Ich dachte über Nähen nach Plan nach - sollte ich die potentielle Blamage in Kauf nehmen und für das Frühjahr hier auch einmal öffentlich Outfit- und Nähplanung betreiben? In anderen Blogs lese ich solche Posts sehr gerne, und natürlich führe ich für mich eine Liste, welche Schnitte und welche Teile ich in nächster Zeit herstellen möchte. Was die Umsetzung meiner Liste betrifft, befinde ich mich aber in guter Gesellschaft mit Oh-Mimmi: wie sie anlässlich ihres Januarkleids feststellte, kommt es oft anders, aus diesen oder jenen wichtigen Gründen, weswegen es sich empfiehlt, immer nur schön nebulös über Nähpläne zu schreiben.  

Burda 130 auf Heft 8/2005 ("Junge Avantgarde") von vorne...
... und von hinten
Mit fast übermenschlicher Anstrengung - der Futtersaum und 4 Knopflöcher standen noch aus - ist dieser Tage aber doch auch etwas fertig geworden: ein Rock nach Schnitt 130 aus Burda 8/2005 aus der damaligen Rubrik "Junge Avantgarde". Mit diesem Schnittmuster verbindet mich eine längere Geschichte. Dieses Burda-Heft hatte ich nämlich im August 2005 im Zeitschriftenladen durchgeblättert, diesen Schnitt gesehen, für gut befunden, und das Heft aus Gründen, an die ich mich nicht mehr erinnere, dann doch nicht gekauft, was ich ein paar Monate später zum ersten Mal bedauerte, als ich einen Rock 130 irgendwo im Netz sah. Damit hätte die Geschichte erledigt sein können, hätte ich nicht im letzten Jahr einen Stapel Burda-Anleitungsteile mit Schnittbögen geschenkt bekommen, darunter auch 8/2005. Und sobald ich dieses Heft aufblätterte und die Schnittzeichnung sah, war auch die Erinnerung wieder da.


Die Rock-Konstruktion ist wirklich außergewöhnlich, fast würde ich sagen: unvergesslich. Der Rock besteht aus vier vollkommen unterschiedlichen Teilen, die vier Nähte laufen schräg um den Körper herum. Aus nur 1,50 m Stoff (ich hatte sogar nur 1,20 m) entsteht so ein Rock mit fast 2, 30 m Saumweite. Anne vom Anneblog zeigte diesen Rock letztes Jahr hier und hier - damit rutschte das Modell auf der Näh-Dringlichkeitsstufe noch weiter nach oben.


Der Rock wird hinten rechts mit einem geknöpften Schlitz verschlossen. Auf diesen Bildern sieht man auch deutlicher den Außenstoff: eine schwer fallende Viskosemischung mit einem kleinen, eingewebten Muster, ungefähr wie ein Herrenanzugstoff. Der Anblick meiner Knopflöcher von innen ist hingegen deprimierend und bestärkt mich, dass ich auf lange Sicht einfach eine bessere Nähmaschine brauche, ja wirklich, brauche. Ich kann mich nicht ewig mit diesen schraddeligen Wäscheknopflöchern abfinden, die meine Maschine produziert. Weiterer Grund zum Meckern: der Futterstoff, ich glaube es handelt sich um vor Ewigkeiten bei Nietzel bestelltes Acetatfutter, ist so dünn, dass man die aufgebügelte Einlage durchsieht. Da hätte ich wohl besser einen anderen genommen. 

Den Saum habe ich mit einer Saumspitze festgenäht, eine gute Idee, die ich vor einiger Zeit in einem Nähbuch aus den 70er Jahren fand. Bei schmalen Säumen an glockigen Teilen hat man ja öfter das Problem, dass ein doppelt eingeschlagener Saum viel zu sperrig wäre und den Fall des Rockes ungüstig beeinflussen würde. Ein einfach eingeschlagener Saum ist aber nicht sonderlich ansehnlich - man kann die Kante mit Zickzack versäubern oder overlocken, aber schön ist das nicht gerade.

Für die Saumverarbeitung mit Spitze nimmt man eine schmale Borte und setzt sie von rechts an die Rockkante an. Dann schlägt man den Saum um, bügelt ihn - die Spitze liegt innen und verdeckt die offene Saumkante - und näht nun mit der Maschine oder fast unsichtbar mit der Hand die Spitze fest.

Ganz zuletzt musste ich nun noch herausfinden, wer denn dieses Designerstück der "Jungen Avantgarde" 2005 entworfen hatte. Ich besitze ja nur den Einleger mit den Anleitungen, und dort wird der Designer nicht verraten. Im Hobbyschneiderinnenforum fand ich den entscheidenden Hinweis: Stephan Schneider, Antwerpen. Für mich eine echte Entdeckung, denn: das ist genau mein Geschmack! Die Sachen sehen auf selbstverständliche Weise gut aus - tragbar, aber nicht langweilig. Auf seiner Webseite kann man sich durch das Archiv der älteren Kollektionen klicken, ein wunderbarer Ideenpool. Auf den Bildern der Herbst-Winter-Kollektion 2005/2006 meine ich auch, den Rock aus der Burda zu entdecken - Bild 1 und Bild 12, und auf Bild 10 möglicherweise von hinten? - allerdings wird dort die Knopfleiste vorne rechts getragen. Sollten die Burdas da etwas falsch verstanden haben? Da es auch schon einmal vorgekommen ist, dass ein Rock aus Burda-Eigenproduktion auf dem Foto im Heft falsch herum angezogen wurde, würde mich das nicht besonders wundern...

Ein interessantes Interview mit Stephan Schneider, der ursprünglich aus Duisburg stammt und der bis vor kurzem auch an der Berlinder UdK gelehrt hat, findet man hier.