Samstag, 15. November 2014

Wochenrückblick: Frühling im Herbst, erste Stiche am Stoffwechsel-Rock und die Handarbeitslinks der Woche

In den ersten Novembertagen hatten wir die irrsten Sonnenuntergänge und immer noch schönstes Wetter. Das setzte mich ein wenig unter Druck, so viel Zeit wie möglich draußen zu verbringen, denn graue Tage, an denen man nicht vor die Tür gehen mag, wird es noch genug geben. Für die Nachwelt muss festgehalten werden, dass man in Berlin am ersten November draußen Kaffee trinken konnte!

Den BerlinerInnen möchte ich die Fotoausstellung von Ara Güler im Willy-Brandt-Haus empfehlen. Güler fotografierte seit den 1950er Jahren immer wieder seine Heimatstadt Istanbul. In den sechziger Jahren arbeitete er für internationale Magazine, unter anderem für den Stern und brachte interessante Bilder aus allen möglichen fremden Weltgegenden mit. Beeindruckend, wie nahe er den fotografierten Menschen offenbar gekommen ist, Kindern auf der Straße im Istanbul der 1950er Jahre genauso wie Menschen in Ägypten, Japan und der Mongolei, Prominenten wie Picasso oder Maria Callas genauso wie vollkommen Unbekannten.  
(Ausstellung bis 1. 2. 2015, beachtet die Öffungszeiten und nehmt einen Ausweis mit.)


Ich kaufte den beklopptesten Stoff aller Zeiten, einen schön fallenden, schweren Viskosedruck. Auf einer Hälfte der Bahn wiederholt sich das große Einzelmotiv mit Weste, Schal, Krawatte, Manschettenknöpfen, Hut und Taschenuhr, die andere Hälfte der Stoffbahn ist mit einem passenden All-over-Muster bedruckt. Das ist ein Stoff für wahnsinnig originelle, "jugendliche" Herrenhemden - wisst ihr, was ich meine? Mir gefallen die Farben, und da sie sich grundsätzlich gut in meinen Kleiderschrank einfügen, glaube ich fest daran, dass sich eines Tages genau der passende Schnitt dafür finden und sich alles aufs Schönste zusammenfügen wird. 

Vorletztes Wochenende lud Nina wieder zum Nähkränzchen ein, eine prima Gelegenheit, mehr als eine Naht am Tag an den laufenden Projekten weiterzukommen. Ich begann den Rock aus dem Stoffwechselstoff. Zu viel will ich jetzt noch nicht verraten, nur eines: wie sich ja schon abzeichnete, entschied ich mich für einen anderen Schnitt als den zuerst geplanten Bleistiftrock, weil der Stoff keinen Elasthananteil hat und ich mich kenne: was nicht bequem ist, ziehe ich auch nicht an. Ich nähte also einen anderen Rock, einen asymmetrischen, und bin bisher sehr, sehr zufrieden. In der letzten Nähkränzchen-Stunde verstürzte ich aus lauter Begeisterung über mein Werk die obere Rockkante direkt mit dem Futter und fand dann erst zuhause beim Auspacken zwei komische Stoffstreifen in meiner Projekttüte: die Belege. Ach ja. Inzwischen ist das aber alles getrennt und vorschriftsmäßig verstürzt, es bleiben nur noch die Säume.


Handarbeitslinks der Woche

Zuletzt noch ein paar Leseempfehlungen im Netz: Österreich hat ein Frauenmuseum, in Hittisau unweit von Bregenz, Bodensee, deutscher und Schweizer Grenze. Bis Anfang Februar läuft dort noch eine Ausstellung von gestickten Spruchtüchern, Zeugen von Alltagskultur und Rollenverteilungen, die zu größten Teil schon Geschichte sind. Oder etwa doch nicht? Das kleine Haus schrieb vor zwei Wochen über ihre Eindrücke von der Ausstellung.

Die Textile Art, die große Messe für Textilkunst und Handarbeiten hier in Berlin, hat jetzt ein Onlinemagazin, oder besser gesagt: ein Blog. Auf textile-art-magazine.com wird in unregelmäßiger Folge über Ausstellungen, Künstlerinnen und Künstler, Fachliteratur und verwandte Themen berichtet.

Drapieren gehört zu den Dingen, die ich früher oder später auch einmal lernen möchte. Den Beitrag von Starcross Sewing über einen Wiener Workshop von Shingo Sato, einem Drapierexperten aus Japan, habe ich deshalb verschlungen. Und das beste: viele Tutorials von Shingo Sato sind bei youtube frei verfügbar.  

Neumon nahm das Vintage-Sonderheft von Burdastyle zum Anlass, die Mode der 1950er Jahre zu rekapitulieren. Die "echte" Mode, möchte ich fast sagen: das, was wirklich tagtäglich getragen wurde, nicht die schulterfreien Tanzkleidchen, die auch in den 50ern besonderen Anlässen vorbehalten waren.   

Nähnerd-News: Im Me-made-Mittwoch-Blog hat der Weihnachtskleid-Sewalong begonnen. Das erste Treffen zur Ideensammlung ist bereits morgen, man kann aber auch später noch jederzeit einsteigen (und bei meiner derzeitigen Unfähigkeit, zusätzliche Termine einzuhalten, wird es wohl auch für mich bestenfalls darauf hinauslaufen.)

6 Kommentare:

  1. Der pink-lila Himmel ist ja traumhaft! Was für ein Herbst - schöner geht´s nicht, oder?
    Liebe Grüße
    Christiane

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  2. Liebe Lucy,
    du bist es Schuld!! So!! Erst letztens hast du hier auf eine neue Zeitschrift aufmerksam gemacht und die hat es mir (als absoluten Kleidungsnähneuling) schon ziemlich angetan und da ist ein Kleid drin, das würde ich mir glatt zu Weihnachten nähen wollen... aber ich trau mich nicht, weil ich überhaupt keine Erfahrung mit dem Thema habe, von Schlabberhosen und Schlabbershirts mal abgesehen... Und jetzt kommst du mit den Weihnachtskleid-Sewalong um die Ecke!! Wie soll ich denn da noch ruhig schlafen können????
    Verzweifelte Sonntagsgrüße
    Trudi

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    1. Probiers's einfach mal! Die Schnitte aus dem Victor-Heft (um die gehts doch sicher?) sind für den Anfang doch gut geeignet: nicht zu kompliziert, und mit Bildanleitung. Ende November gibts vielleicht auch schon ein paar Victor-Kleider in den Blogs zu sehen, mir war so, als ob z. B. Rita Pepita das Trenchcoatkleid angefangen hätte.

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  3. Ah wie cool. Du warst in der Ausstellung von Ara Güler - da muss ich auch noch unbedingt hin. Schöne Fotos!

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  4. Ein merkwürdiges Wetter, schon das ganze Jahr. Erst dieser ungewöhnliche Sommer (mich hat er nicht gestört) und dann dieser milde Herbst...

    Den Stoff mit den Gentleman-Accessoires finde ich wunderschön. Den hätte ich auch gekauft. Und ich hätte gar keinen Plan, was der mal werden soll.

    Donnerstag habe ich spontan an Dich gedacht: Im Bahnhof Friedrichstraße gibt es im Verbindungstunnel zwischen U6 (nördliches Ende) und Nord-Süd-Bahn einen Laden (für Kleidung?), dessen Schaufenster mit Dutzenden alter Nähmaschinen dekoriert ist. Kennst Du den? Ich stand davor und war sprachlos. Leider hatte ich keine Kamera dabei und meine kleine Knipse hätte eh mehr Licht gebraucht. Eilig hatte ich es auch noch. Vielleicht wäre das ein schönes Motiv, falls Du mal in der Gegend bist. Und falls es Dich interessiert.

    Und kennst Du eigentlich das Wollschlößchen in Charlottenburg?
    http://www.wollschloesschen.de
    Die Story dahinter:
    http://schoenstricken.de/2013/09/margits-wollladen-aus-ihrem-wolle-stash/
    Schade, dass ich da weggezogen bin, das wäre in Laufnähe gewesen...

    Viele Grüße,
    Henriette

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    1. Ich glaube ich weiß, was du meinst - das ist der Laden der Jeansmarke All Saints, wenn ich das richtig im Kopf habe, die haben noch ein paar andere Läden in B, und alle sind (auch die in anderen Ländern) mit Massen gebrauchter mechanischer Nähmaschinen dekoriert. Die Maschinen sind möglicherweise nicht ganz so alt, wie wir denken, sondern stammen möglicherweise aus Indien. Für dort werden immer noch mechanische Geradstichmaschinen mit Hand- oder Fußantrieb produziert, mit alten Formen und mit schwarzem Gehäuse und Golddekor, was wir mit 100 Jahre alten Nähmaschinen verbinden. Diese Maschinen werden dort in Schneiderwerkstätten eingesetzt, und anscheinend hat es dort keinerlei Änderungen in den Maschinendesigns gegeben, warum auch immer. Ich bin über ein Blog mal auf eine Angebotsseite eines indischen Nähmaschinenfabrikanten gestoßen, ganz irre, es gab 2 verschiedene Modelle, die unseren Haushaltsmaschinen ähneln, und dann zwei Dutzend Maschinen, die von der Optik her von 1900 hätten sein können, zum Teil auch mit Motoren.

      Übers Wollschlösschen wollte ich immer mal was machen (danke für den Link zur Geschichte dazu, die kannte ich nicht), aber ich komme natürlich nicht so oft in die Gegend - das letzte Mal, als ich da war, war der Laden gerade geschlossen. Mal sehen, irgendwann klappt das bestimmt.

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