Sonntag, 31. August 2014

Stoffspielerei im August: Gewebtes


"Mit Weben verbinde ich größtenteils die planlosen Kindergarten- und Schulwebereien aus Wollresten - es hat mich bisher nicht wirklich interessiert", schrieb Nastjusha im Kommentar, als ich vor gut zwei Wochen "Weben und Verwandtes" als Thema der Stoffspielerei ankündigte. Genau das war auch mein Wissensstand, an den ich anknüpfen wollte: seit der Weberei mit Wollresten in der Grundschule hatte ich mich mit dem Thema nicht mehr beschäftigt, aber mich interessierte, ob sich mit einem einfachen Schulwebrahmen auch andere Dinge als schiefe Puppenteppiche herstellen lassen.

Ich fing noch einfacher an, mit dem Weben auf einem stabilen Kartonstück wie in dieser Anleitung und Sockenwollresten. Bei meiner Blütenhäkelei im letzten Jahr waren vor allem Reste in unattraktiven Farben übrig geblieben: Grautöne und schlammige Braun- und Beigetöne. Ich fand es ganz erstaunlich, dass sich mit etwas Überlegung und etwas Sinn für Farbe und Rhythmus ein doch verhältnismäßig ansprechendes Stück Stoff damit herstellen ließ - ein schiefer Puppenteppich, ja, aber ein Puppenteppich mit Stil, aus dem ich mir eine dringend benötigte neue Handyhülle nähen konnte. So weit, so unkompliziert. 


Der Webrahmen, den mir D. aus der Quiltgruppe überlassen hatte, war auf den ersten Blick komplizierter, es handelte sich nämlich nicht um einen der herkömmlichen Schulwebrahmen so wie zum Beispiel hier, wo die Kettfäden über die Kerben in einem Stab geführt werden und das Fach, in das der Schussfaden eingelegt wird, durch das Drehen des Stabes entsteht. Nein, dieses sehr hochwertige Wunderwerk bildet im Grunde einen echten Handwebstuhl mit zwei Schäften en miniature nach und wird lediglich mit einer Anleitung auf einem DinA5-Blatt ausgeliefert. Die Kapitel übers Weben in Ruth Zechlins Werkbuch für Mädchen und in Jutta Lammérs Basteln, Werken, Handarbeiten halfen mir weiter, außerdem Bilder und Beschreibungen aus dem Netz, zum Beispiel hier und hier, um überhaupt zu verstehen, was wie und wo ein- und durchzufädeln ist. 


Die Detailgenauigkeit ist zwar sicher pädagogisch sehr wertvoll, ich zumindest habe sehr viel gelernt beim Ausknobeln der Funktionsweise, aber mir tun alle Eltern Leid, die mit diesem Webrahmen konfrontiert sind, denn vermutlich kann kein Schulkind der Welt die Kettfäden selbst aufspannen. Ich brauchte beim ersten Versuch ungefähr zwei Stunden, und da mir eine dritte helfende Hand fehlte, war die Spannung später auch nicht überall gleich. Die Kettfäden blieben später auch ab und zu in den ziemlich rauhen Schlitzen des Kamms hängen, obwohl ich glattes, festes Baumwollgarn verwendet hatte. Das führt dann zu Fehlern, weil sich einzelne Kettfäden nicht heben oder senken, so wie sie sollen. 


Ich benutzte hier weiterhin diverse Sockenwollreste. Für das Einweben von Motiven so wie oben hatte ich einfach nicht genügend Geduld. Man muss dabei mit mehreren kleinen Knäulen gleichzeitig weben, das fand ich sehr kniffelig und sehr zeitaufwendig. 


Querstreifen gehen hingegen relativ flott. Ich habe immer einen breiten dunkelblauen Streifen mit einem schmalen in einer anderen Farbe abgewechselt. Da der Webrahmen ziemlich schmal ist und der Kamm nur 40 Schlitze hat, ist die Breite des Gewebes auf 40 Fäden beschränkt, das ergibt Bänder von 15 cm Breite.


Die sehr eingeschränkte Breite ist dann auch das größte Problem solcher Webrahmen für Kinder, finde ich. Was fängt man mit solchen gewebten Bändern an? Ich habe jetzt zwei 15 cm breite in etwa 45 cm Länge hergestellt und dachte, sie zusammenzufügen, mit Stoff einzufassen und als Tischset zu verwenden, oder sie für den gleichen Zweck einzeln mit einem breiteren Rand einzufassen. Die Struktur und die Haptik finde ich eigentlich ganz schön, und die Farben sind in Wirklichkeit viel satter, durch das ungünstige Format liegen die Verwendungsmöglichkeiten aber nicht gerade auf der Hand. Darüber muss ich noch länger nachdenken.    


Möglicherweise wäre es auch einen Versuch wert, den Rahmen mit dickerer Wolle zu bespannen (auch wenn das mit dem Kamm dann sicher noch größere Probleme gibt) und mit Wolle in gleicher Stärke als Schussfaden zu weben und das Gewebte nicht so stark zusammenzuschieben. Dann wären z. B. auch Karomuster möglich, weil die Kettfäden im Gewebe auch sichtbar sind. Bei einer Bespannung mit dünnerer Baumwolle, so wie hier, ergibt sich mehr oder weniger zwangsläufig ein Schussrips, weil die Schussfäden enger zusammenliegen als die Kettfäden und sie verdecken. Interessant wäre es auch, mit Wolle in unterschiedlichen Stärken zu weben, das müsste ganz andere Strukturen ergeben.

Wie man sieht gäbe es beim Weben, selbst mit so einer einfachen Ausrüstung, noch viele weitere Ansatzpunkte für Experimente. Daher bin ich besonders gespannt, wie andere das Thema Weben interpretiert haben:

Griselda webte mit Stoffstreifen und erhielt - Tischsets. Das Tischset mit seiner angenehmen Größe ist schon längst der heimliche Star unserer Textilspielereien, scheint mir.

Luise zeigt ältere Webereien und ein Fensterbild mit Nadelweberei auf Leinen, ein Probestück für einen Vorhang.

Suschna fand ihren alten Schulwebrahmen wieder - und da war sogar noch etwas Gewebtes dabei, das sich retten ließ.

Siebensachen webte ebenfalls mit Stoffstreifen, aber mit selbst gefärbten aus ihren Eco-Print-Experimenten.

Karen kombiniert Weben und Sticken, nämlich mit Kreisweberei auf Leinen. Und das Weben mit Papierstreifen zeigt sie außerdem noch.

Siebenschön webte aus Bündchen- und Jerseystreifen einen Loopschal - eine sehr interessante ausbaufähige Idee, wie ich finde. 

Mirellchen webte ein Brillenetui aus Lederstreifen - auch eine gute Idee, gerade für Taschen ergeben sich eine Menge Möglichkeiten.

Weben mit Sportgeräten - auch das geht, und frifris liefert den Beweis.

Die Linkshänderin probierte das Kartonweben aus und hat viele gute Tipps, wie man beim Weben mit kürzeren Stoffstreifendie vielen losen Enden ansehnlich verschwinden lässt.

Lila und gelb webte Jerseystreifen in ein anderes T-Shirt ein, ebenfalls eine Idee mit viel Potential.

123-Nadelei webte eine Tasche aus Jeansstreifen und zeigt ganz genau, wie das geht.

Und nicht zuletzt: Mit Garn bezogene Knöpfe bei ste mit Link zu einem Tutorial - ich glaube man nennt diese Knöpfe auch "Dorset buttons", das wäre überhaupt ein Thema für eine eigene Stoffspielerei.

Ergänzt 1. 9. 2014:
Die nächste Stoffspielerei ist am 28. 9. 2014, gesammelt bei Griselda, das Thema sind Nähmaschinen-Sonderfüße - dazu wirds vor dem Termin auch noch einen Beitrag in ihrem Blog geben.

Samstag, 30. August 2014

Nahtzugabe unterwegs: München (mit der Cargo duffle bag nach noodlehead)


Vor ein paar Wochen verschlug es mich für ein Wochenende mal wieder nach München. Neben einer Geburtstagsfeier ließ sich in die zwei Tage noch ein sehr nettes Blind Date mit Steffi und etwas Shopping mit Nähbezug hineinquetschen, dazu aber später mehr. Zuerst möchte ich aber die hart erkämpfte Cargo duffle bag nach dem kostenlosen Schnittmuster von noodlehead zeigen. Hart erkämpft deshalb, weil ich ja eigentlich keine Taschen nähe und sowohl das Anfangen, als auch das Fertigstellen dieser Tasche ohne externe Motivation nicht möglich gewesen wäre.    


Die externe Motivation fürs Beginnen stellte sich durch die Quiltgruppe ein, denn wir hatten uns überlegt, gemeinsam Taschen zu nähen und uns für das noodlehead-Modell entschieden. Ich hatte mir eine zusätzliche Schwierigkeit auferlegt, weil ich die Hauptteile der Tasche aus einem Berg schriller Krawatten patchworkmäßig zusammensetzen wollte. Die Krawatten waren eine gut gemeinte Spende meiner Schwiegertante, die ich seit 2011 von einer Ecke in die andere schob: die Muster waren zwar interessant, aber zu dem furchtbaren Kunstfasermaterial wollte mir lange nichts einfallen. Karen brachte dann - ich glaube es war bei einem kurzen Treffen im Herbst 2011 - die Idee "Reisetasche" ins Spiel - et voilà, nur knapp drei Jahre später ist diese Idee schon umgesetzt!

Ich entschied mich, Krawatten mit blauer Grundfarbe und einen schwarz-weiß gewebten, im Gesamteindruck grauen Jeansstoff zu verarbeiten. Die Krawattenstoffe schnitt ich in Rechtecke und nähte und steppte sie in quilt-as-you-go-Technik direkt mit der Volumenvlieseinlage und dem Futterstoff zusammen, so wie in diesem Tutorial.


Beim Nähtreffen schaffte ich es immerhin, die wichtigsten Teile der Tasche zuzuschneiden, die ersten Streifen zu steppen und mich von den Inch-Maßen in der Anleitung nicht wahnsinnig machen zu lassen. Es gibt offenbar zwei Dinge, durch die mein Hirn sofort in den Schlafzustand versetzt wird: Inch-Maße und Kartenspielregeln. Ich lese "Final project measures 18" x 11" x 5"", sage jaja, lache verunsichert und denke mir nichts dabei. Erst durch das Umrechnen in Zentimeter (was so krumme Maße ergibt, dass es einem beim Zuschneiden auch nicht weiterhilft), wurde mir immerhin klar, dass hier eine richtige Reisetasche am Entstehen war - die fertige Tasche ist etwa 46 cm breit, 28 cm hoch und 13 cm tief.


Alle Teile der Tasche werden aus drei Schichten - Außenstoff, Volumenvlies, Futter - zugeschnitten und durchgesteppt und erst dann zusammengesetzt. Die Nahtzugaben innen werden zuletzt mit Schrägband eingefasst. Man spart sich so zwar das Aufbügeln von Einlage und das Nähen eines separaten Futters, die kilometerlange Stepperei fand ich dann doch etwas ermüdend, und bei den Schrägabandeinfassungen nähte ich die zweite Runde mit der Hand an und versuchte erst gar nicht, die knubbeligen Nahzugaben präzise unter das Füßchen zu schieben.


Die Henkel bestehen aus Baumwoll-Gurtband vom Nähkontor, aufgesteppt auf Bänder aus Jeansstoff. Zum Verschließen der Vordertaschen (die meiner Ansicht nach zu klein sind, um irgendetwas Sinnvolles dort unterbringen zu können - eine einzige große Vordertasche wäre besser), also zum Verschließen der Vordertaschen steppte ich Klettband auf.


Die bevorstehende Reise motivierte mich dann genügend, die Tasche einigermaßen zügig und unbekümmert fertigzunähen und mich mit kleinen Unregelmäßigkeiten nicht aufzuhalten. Ich kenne mich: wenn ich erst anfange, über jede einzelne Naht zu meditieren und zu überlegen, ob das jetzt alles ordentlich genug ist, dann wird so eine Tasche bei mir niemals fertig. Und bei dieser Tasche gäbe es eine Menge Nähte, über die man meditieren könnte. Die Tasche hat sich auf der Reise dann auch bewährt: wie praktisch, das eigene Gepäckstück gleich auf den ersten Blick überall wiederfinden zu können, und eine große Verbesserung gegenüber dem abgewetzten Tchibo-Rucksack, mit dem ich solche Kurzreisen bisher bestritten hatte.

Für die Cargo duffle bag gab es hier übrigens einen Sew-along, in dem alle Nähschritte mit Fotos gezeigt werden. Ich fand in der Anleitung die Abmessungen für Vorder- und Rückseite etwas verwirrend - der Oberstoff soll etwas größer als Futter und Vlies zugeschnitten werden, und mir ist nicht klar geworden, ob damit ein Schrumpfen des Stoffes durch das Quilten ausgeglichen werden soll und welches Maß Vorder- und Rückseite letztlich haben sollen. Glücklicherweise kommt es beim Zusammensetzen der Tasche nicht auf den Zentimeter an.  

München für und mit Nähnerds


Am Sonntag traf ich dann Steffi - 81gradnord zum Kaffeetrinken, und sie hatte ein wunderbares Lokal vorgeschlagen, in dem es so viel anzuschauen gibt, dass wir bestimmt auch eine Stunde nur mit Gucken hätten verbingen können, wenn sich unangenehme Gesprächspausen ergeben hätten. Das war aber nicht der Fall, und ich hoffe wir treffen uns bald mal wieder. Ich kann deshalb auch gar nicht so genau sagen, was man alles im Café Marais kaufen kann. Das Café befindet sich in einem großen Eckladen, in dem das Inventar eines alten Textilkaufhauses erhalten geblieben ist. In den tausend Fächern, Schubladen und Vitrinen stehen jetzt schönes altes Geschirr, Deckchen, Spitzenkragen, Schmuck, Abendhandtaschen, es gibt Schals, Hüte, Kosmetik, Bonbons, Tee, Schokolade, kleine Möbel, und mir war so, als hätte ich auch Textilfarben gesehen - leider habe ich vergessen, mir diese Flaschen, die ich nur von weitem sah, genauer anzuschauen.


Außerdem kann man dort natürlich Kaffee trinken, Kuchen und kleine herzhafte Gerichte essen, und auch die Umgebung fand ich ganz interessant: Die Schwanthaler Höhe ist ganz deutlich im Umbruch, die schicken neuen Läden wechseln sich mit den Schaufenstern von Heizungsinstallateuren und Billig-Dönerläden ab, an der einen Ecke verfallen zwei ganze Häuser, an der anderen werden die Häuser schick gemacht. Ein kleine-Leute-Viertel auf dem Weg zum Szenekiez, eine Entwicklung, die ich in München nicht erwartet hätte - ich dachte tatsächlich, dort wäre schon alles durchrenoviert.


Der zweite Nähnerd-Programmpunkt an dem Wochenende bestand in einem Besuch im Orag-Haus in der Münchner Innenstadt, nahe dem jüdischen Museum und dem Stadtmuseum. Die Orag ist eine Genossenschaft des bayerischen Schneiderhandwerks, die seit dem 19. Jahrhundert Schneiderzubehör und Futterstoffe einkauft und die Rabatte bei der Abnahme großer Mengen an ihre Mitglieder weitergibt. Heute kann jeder in dem Laden am Oberanger einkaufen, und der Kontrast zu den schicken, glänzenden Geschäften in der Umgebung, den aufwendig dekorierten Schaufenstern, der raffinierten Beleuchtung, könnte nicht größer sein. Die Einrichtung der Orag ist funktional, und im Grunde immer noch so, wie nach dem letzten Ladenumbau in den 1960er Jahren: Regale mit Knopfschachteln, Reißverschluss- und Garnkisten ziehen sich bis zur neonbeleuchteten Decke, Quittungen werden per Hand ausgeschrieben und die Durchschläge mit einem Mini-Lastenaufzug in die darüber liegenden Büroräume verfrachtet.

Die Orag ist kein Ort für verfeinerte Warenpräsentation, dafür gibt es ohne Übertreibung alles, was im Schneiderhandwerk benötigt wird, unter anderem eine beeindruckende Auswahl an Knöpfen, an Trachtenknöpfen und Miederhaken für Dirndl, jede nur erdenkliche Einlage, jedes nur erdenkliche Nähgarn, außerdem Werkzeuge zum Markieren und zum Schneiden, Futterstoffe und Nähmaschinennadeln, Handnähnadeln für jedes Spezialgebiet und Stecknadeln gleich im 500g-Paket, falls gewünscht. Die Damen hinter den Verkaufstresen waren bei meinem Besuch sehr hilfsbereit und erklärten einer Nähanfängerin geduldig die Unterschiede zwischen verschiedenen Arten Schneiderkreide und diversen Markierstiften. Ich entdeckte dort den Kreideminenstift, von dem ich so begeistert bin und ließ mich zu einem Spontankauf hinreißen. Wäre das Orag-Haus in Berlin, ich wäre sicher eine häufige Kundin.

Viele weitere Einkaufstipps mit Textilschwerpunkt für München finden sich übrigens hier bei Claudia - Machen und Tun. Bei Quilt&Textilkunst konnte ich beim vorletzten München-Besuch zum Beispiel nur einmal ganz kurz reinschauen, da möchte ich mit mehr Zeit unbedingt noch einmal hin.   

Herbst-Stoffwechsel: Der Näh-Steckbrief

Nachdem der Frühjahrs-Stoffwechsel so ein großer Spaß war, lag es in der Luft, dass wir die Aktion im Herbst und mit Herbststoffen noch einmal wiederholen. Vielen Dank an Siebenhundertsachen und Lotti für die Organisation - dieses Mal sogar mit mehr Teilnehmerinnen. Das wird sicher wieder spannend!

Der Näh-Steckbrief, Herbst- und Winterausgabe:


Was nähst du im Herbst/Winter am liebsten für dich?
Am häufigsten und am liebsten nähe ich Röcke, schmale genauso wie weite, die ich meistens mit langärmeligen Tshirts und Strickjacke trage. In diesem Herbst möchte ich mir aber auch endlich mal wieder eine Hose nähen. Oberteile nähe ich seltener - meistens rattere ich nur schnell ein schlichtes, langärmeliges TShirt runter - das liegt aber auch daran, dass ich es schwierig finde, schöne, nicht zu steife Stoffe für herbstliche Blusen zu finden. Bei Herbstkleidern tue ich mich eher ein bißchen schwer, schöne Schnitte zu identifizieren, die zu mir passen. Ein bißchen bin ich gerade auf den Geschmack gekommen und habe ein zweites Dakota-Kleid zugeschnitten und habe diffuse Vorstellungen von einem ganz schlichten Kleid mit großem Karo oder sowas.

Und wenn wir kurz mal vor allem an Oberteile und Röcke denken, was würdest du da gern nähen? Hast du schon etwas vor Augen? Oder nähst du lieber Hosen oder nur Kleider?
In der Rockabteilung habe ich schon ein paar Ideen gesammelt und ein paar Schnitte locker vorgemerkt, zum Beispiel einen ausgestellten mit Falten aus Wolle, einen Bleistiftrock, irgendwas mit Godets oder Volants, eventuell einen Cordrock. Oberteile: schwierig, ich habe eine Oberteilschwäche. Am ehesten kann ich mir 70er-Jahre-Hemdblusen vorstellen, oder möglicherweise ein Schößchenoberteil.

Die Glaubensfrage: Webstoff oder Jersey? Oder doch beides?
Da Jersey bei mir im Herbst unweigerlich zu langärmeligen schlichten Tshirts verarbeitet wird, bevorzuge ich Webstoff.

Welches Material vernähst du am liebsten (z.B. Viskose, Baumwolle, Wolle, …) – gegen was hast du eine (starke) Abneigung?
Ich nähe unheimlich gerne mit den typischen Herbst- und Winterstoffen, also mit Wolle und Wollmischungen und dickerer Viskose und liebe Fischgrat und Karos und Tweed und Nadelstreifen und Hahnentritt und was es da noch so gibt gleichermaßen, mag aber auch Cord und Viskosekrepp und habe natürlich auch nichts gegen feine Blusenstoffe - falls es das überhaupt gibt. Einen Plastikanteil im Stoff finde ich übrigens völlig in Ordnung, so lange der Stoff sich nicht nach Plastik anfühlt und plastikmäßig glänzt. Durchsichtige Stoffe und stark Glänzendes und Flutschiges mag ich nicht, und mit Crinkle-Stoffen komme ich einfach nicht zurecht.

Was sind deine Lieblingsfarben, welche stehen dir gut? Welche gehen gar nicht?
Ich mag im Herbst eher dunkle, satte Farben, kurz gesagt alles, was gut zu schwarz, grau und dunkelblau passt und mag Blautöne ebenso wie rot und grün. Moosgrün, Smaragdgrün, blaustichiges Beerenrot, Bordeauxrot, Stahlblau, Nachtblau, Dunkelpetrol oder Dunkelviolett, das sind so die Farben, die sich gut in meinen Kleiderschrank einfügen würden.
Pastellfarben, also rosa, hellblau, hellgelb, lachs, flieder, wollweiß, diese ganze Richtung steht mir überhaupt nicht, ganz schlimm sind beige, orange und müde, erdige Brauntöne, Terracottarotbraun und sowas. Das wäre als Unterteil zwar immer noch tragbar, aber ich hätte nichts, was dazu passt.  

Welche Muster magst du? Groß oder klein? Blumen, Streifen, Punkte? Oder sind Muster vielleicht gar nicht so deins?
Ich nähe zwar sehr oft mit einfarbigen Stoffen, aber grundsätzlich bin ich Mustern gegenüber aufgeschlossen. Wenn die Farben stimmen und nicht zu grell und zu laut sind, dann geht eigentlich alles, solange es nicht kindlich oder niedlich ist. Ich habe schon große, abstrahierte Blumen vernäht, aber auch einen Blumenstoff im Digitaldruck mit realistischen Blüten, ebenso wie kleine Krawattenmuster, und würde vor Punkten oder Ornamenten auch nicht zurückschrecken.  

Was sind die Kleidungsstücke, die dir (in letzter Zeit) in deinen Augen am besten gelungen sind? (Bitte mit Link oder Foto) Sind welche dabei, die du vor allem wegen ihres Stoffes magst?

Den schon erwähnten Laserblumenrock trage ich gerne - aber nur komplett mit schwarzen Sachen, das Muster ist schon ziemlich wild - der Tellerrock aus der Nix-für-Lemminge-Challenge ist auch ein großer Hit, die himbeerrosa Bluse ebenso und hier in diesem Beitrag von 2011 kann man meinen uralten roten Lieblingsrock sehen, der leider schon sehr abgetragen ist. Den Karorock ziehe ich auch immer noch gerne an, wenns kalt ist.

Wieviel Stoff verbrauchst du ca. für einen Rock, ein Oberteil, ein Kleid? Welche Mindestmenge benötigst du für die Verarbeitung? Oder hast du sogar ein Maximalmaß für Stoff?
Für einen einfachen, gerade Rock reicht 1 Meter, wenn Falten, Godets, Taschen oder andere Details ins Spiel kommen, wären 1,50 m besser. Bei Oberteilen mit Ärmeln rechne ich auch mit 1,20 oder 1,50 m. Für ein Kleid brauche ich 2 Meter bis 2,50 m.

Gibt es sonst noch etwas, das dich als Näh-/Stofftyp in deinen Augen ausmacht? 
Ich sehe den Stoffwechsel als Herausforderung, auch mal einen Stoff zu verarbeiten, den ich mir so nicht ausgesucht hätte und bin wie in der ersten Runde fest entschlossen, alles zu vernähen, was da auf mich zukommen mag. Meine Stoffsucherin soll sich mit der Auswahl daher bitte nicht stressen: Einen ab-so-lut perfekt passenden Lieblingsstoff kann ich mir ja auch selber aussuchen, bei dieser Aktion stehen für mich der Spaß und die Erfahrung im Vordergrund. Und das wird schon klappen, da bin ich mir sehr sicher.

Alle Stoffwechselsteckbriefe finden sich hier bei Siebenhundersachen.

Donnerstag, 21. August 2014

Wochenrückblick: Ausflug nach Potsdam, neue Herbstschnittmuster und Sewing Bee auf Französisch

Paris, Rom, Tokyo? Nein, vorerst nur München, Leipzig, Potsdam. Der richtige Urlaub steht mir noch bevor, aber für Wochenendreisen und ein paar Ausflüge war in den letzten Wochen schon Gelegenheit. Über München und Leipzig gibts nochmal zwei Extraposts mit Nähthemen, wenn ich bei all der Herumreiserei noch dazu komme. Aber als Berlinerin muss man sich nicht wirklich weit wegbewegen, um fremde, exotische Welten zu sehen - es reicht eine 3-Zonen-Fahrkarte der BVG für Potsdam, um England, Italien, Ägypten und Holland an einem Tag zu erleben. 

Schloss Cecilienhof, ein überschaubar wirkendes, aber 176 Zimmer beherbergendes Schloss im englischen Landhausstil im Potsdamer Neuen Garten war unser erstes Ziel. Das Marmorpalais am See nicht weit entfernt versetzte uns mit seinen Kübelpflanzen, den luftigen Arkaden und den großen Seeterrassen nach Italien. 


Die Schlossküche ist in einer künstlichen Ruine untergebracht. Wo Zypressen nicht gedeihen, pflanzt man eben Pappeln.


Die Orangerie wurde im ägyptischen Stil dekoriert, und sitzt man hinter den Säulen unter der Sphinx, blickt man auf die holländischen Backsteinhäuschen, in denen früher die Gärtner wohnten.


Die heutigen Gärtner in Potsdam legen immer noch wunderbare Blumenbeete an und ich werde ganz neidisch, wenn ich an meinen Balkon denke, der dieses Jahr nur zwei Tomaten hervorgebracht hat, und eine Kapuzinerkresse, die nicht blühen will. Hier wachsen auch Buntnesseln, Artischocken und Mais - ich nehme an, das sind historisch korrekte Bestandteile der Beflanzung auf dem Stand des späten 18. Jahrhunderts.   


Auf das Wandmosaik in der Dortusstraße, Ecke Breite Straße - hier nur eines von den vielen Bildern der Serie - trafen wir ganz zufällig, als wir auf der Suche nach einer Tapasbar in der vollkommen falschen Richtung in Potsdams Zentrum herumstolperten. Die Serie von Fritz Eisel mit dem Titel Der Mensch bezwingt den Kosmos am heutigen Landesamt für Datenverarbeitung ist bei Wikipedia Bild für Bild zu sehen. Vor dem Gebäude wird für den sehr umstrittenen Neubau der Garnisonkirche an dieser Stelle geworben - es gibt einen Verein der Befürworter und einen der Gegner und offenbar immer noch eine große Sehnsucht nach Kulissenarchitektur, um sich an einen anderen Ort oder in eine andere Zeit zu versetzen.


Selbermach-Links der Woche


Ende August kommen traditionellerweise die Wintermäntel und die Lebkuchen in die Läden, und die Schnittmusteranbieter machen keine Ausnahme und präsentieren neue Herbstmodelle. Der Trend geht zur Hose, und insbesondere zur Latzhose.

Da trifft es sich gut, das Frau Crafteln mit untrüglichem Riecher den Hosen-Herbst, einen Hosen-Sew-along ohne Zeitdruck organisiert. Von jetzt bis Anfang Dezember wird Monat für Monat Hosen-Wissen gesammelt, es werden Hosen-Probleme erörtert und hoffentlich gemeinschaftlich gelöst. Ich zähle darauf, dass Sinje - Strich&Faden sich des Latzhosentrends annimmt. Zwei neue Indie-Schnittmuster stünden dazu zur Verfügung: die Turia-Latzhose von Pauline Alice, eine Latzhose eher traditionellen Zuschnitts, und die etwas stromlinienförmigeren Bly Overalls von named Patterns aus Finnland.

Die named-Latzhose ist nur ein Teil einer ganzen Herbst-Winter-Kollektion, von der ich ganz angetan bin - besonders vom Leotie-Dress, einem Schnitt für ein Kleid aus Webstoff mit halblangen Ärmeln, der meiner Meinung nach viel Potential hat. Die herzförmig geschwungene Naht zwischen Schulterpassen und Unterteil gefällt mir sehr, ich sehe schon eine Menge interessante Kombinationen verschiedener Texturen, Muster und Farben vor mir.  

Sewaholic Patterns brachte gleich zwei neue Schnitte heraus: Yaletown ist ein Schnitt für ein lockeres Wickelkleid mit leicht angekraustem Rock oder abgewandelt als Bluse mit Schößchen und kurzen Ärmeln. Wer noch nicht weiß, ob er sich denn Schnitt zutraut, kann den gerade gestarteten Sew-along im Sewaholic-Blog verfolgen - dort wird der ganze Nähprozess Schritt für Schritt mit Fotos gezeigt.

Der Rae-Skirt von Sewaholic ist ein sehr einfach zu nähender, aber trotzdem raffinierter Schnitt für einen Bahnenrock mit Gummizug in zwei Längen, als Minirock oder knielang. Eben kein typischer Sack-mit-Gummizug-Rock, sondern ein Kleidungsstück, das eine Form besitzt, aber trotzdem als erstes Nähprojekt für Anfänger geeignet ist. Auch für diesen Schnitt gibt es eine Fotoanleitung im Sewaholic-Blog.

Ein bißchen enttäuschend finde ich dieses Jahr die Vorschau für das Ottobre-Woman-Heft, das Ende September bei uns erscheint. Früher war dieses Herbstheft nach meinem Eindruck ein Ereignis in der Nähwelt, den Finnen gelang es jedes Mal, eine komplette Garderobe mit aufeinander abgestimmten Teilen mit kleinen modischen Details zusammenzustellen, die irgendwie immer genau das trafen, was viele von uns in dem Moment nähen und anziehen wollten. Dieses Mal sind die Schnitte allesamt vollkommen uninteressant für mich. Passend zum Hosenthema ist ein Schnitt für eine enge Jeans dabei, ganz interessant ist vielleicht noch die Kaupzenjacke mit schrägem Reißverschluss - aber alles andere finde ich schon sehr banal oder es ist einfach nicht mein Fall, wie die untaillierten Tunikakleider.

So weit zum Herbst - in nächster Zeit ist noch ein neuer Schnitt von by hand London zu erwarten, ein Jumpsuit namens Holly mit Varianten (die Übergänge zur Latzhose sind fließend!), von dem bisher nur einige Bilder bekannt sind. In früheren Jahren gab es im September außerdem ein Easy-Fashion-Heft von Burda, aber die zuverlässige russische Quelle meldet davon noch nichts. Dafür gibt es dort eine komplette Übersicht mit Schnittzeichnungen für das Burda-Plus-Herbst/Winter-Heft, das in Russland am 3. September erscheint - bei uns soll es bereits seit gestern (20. 8.) erhältlich sein, ich kann allerdings auf der deutschen Burda-Webseite nichts außer einer unvollständigen Vorschau dazu finden.

Zum Abschluss noch zwei unterhaltsame Links:

Kekse zum Kuscheln, außerdem eine Ladenkasse aus Filz, Tageszeitungen, Fischstäbchenpackungen und Getränkedosen aus Filz, all das findet sich bis Ende August in einem Tante-Emma-Laden in London, den die britische Textilkünstlerin Lucy Sparrow austattete, um auf den Verfall kleiner Läden aufmerksam zu machen. Bilder und ein kurzer Bericht hier, interessant ist aber auch das Blog zum Projekt. Lucy Sparrow nähte das Inventar innerhalb der letzte sieben Monate mit der Hand, und zwar rund um die Uhr und quasi in jeder Lebenslage. Wie jedes moderne Geschäft hat der Corner Shop auch einen Onlineshop, in dem die mehr als 4000 Filzobjekte nach Abschluss der Installation verkauft werden.

Über die deutsche Adaption des Great British Sewing Bee hatten wir hier ja schon spekuliert, das französische Fernsehen ist bereits einen Schritt weiter: auf dem Sender M6 läuft am 30. August um 18.00 Uhr die erste Folge der französischen Version mit dem Titel "Cousu Main". Ein Trailer und ein fürchterlicher, schriller und komplett gestellter "Blick hinter die Kulissen" findet sich hier auf der Seite des Senders (Vorsicht, bei mir läuft das Video sofort an und plärrt ziemlich laut los). In der Vorschau sind schon ein paar schöne genähte Kleider zu sehen, finde ich, außerdem wird anscheinend auf den modischen Aspekt des Selbernähens viel Wert gelegt, das gefällt mir - aber die Moderatorin ist einfach eine Nervensäge, das glaube ich schon nach 90 Sekunden feststellen zu können.  
(via @suschna)   

Donnerstag, 14. August 2014

Näh-Gadgets

Im tiefsten Herzen bin ich ja eine Nähzubehör-Puristin und davon überzeugt, dass die Hobby-Industrie-Mafia (egal für welches Hobby) eine Menge überkandidelten Kram auf den Markt bringt, den kein Mensch wirklich braucht. Schaut euch zum Beispiel mal diese elektrische Schrägbandformmaschine von Simplicity für 99,99$ an - verrückt, oder? Ich habe einen der üblichen Schrägbandformer und benutze nicht mal den...


Aber was ich eigentlich erzählen wollte: vor kurzem kaufte ich doch mal wieder ein Nähzubehörteil und bin begeistert! Dieser Kreidestift mit auswechselbaren, auch farbigen Minen, löst nämlich das Problem des Anzeichnens auf weißen oder sehr hellen Stoffen, wo die üblichen Werkzeuge der Nähzubehör-Puristin, nämlich normale Schneiderkreide und Seifenstücke, versagen. Eine Zeitlang hatte ich bei hellen Stoffen die radierbaren Frixion-Stifte benutzt, über die ich hier schon mal geschrieben hatte, aber erstens war mein Vertrauen, dass die Linien beim Bügeln wirklich immer verschwinden, nicht ganz so hoch (und Suschna berichtete gerade, dass sich mehrere Monate alte Vorzeichnungen nicht mehr wegbügeln ließen), zweitens kosten die Stifte 3 Euro pro Stück und sind ziemlich schnell leergeschrieben - mithin viel zu teuer für Näh-Geizhälse wie mich. Von dem Kreidestift mit Minenset, der weniger kostete als drei Frixion-Stifte, werde ich viel länger etwas haben, und die Minen gibt es im Nachfüllpaket für 4 oder 5 Euro.


Das aller- allerbeste Nähzubehör aller Zeiten ist meiner Ansicht nach übrigens dieses kleine, nur 10 cm lange Alulineal. Es trägt die sympathische dänische Bezeichnung Sømometer und stammt von Stoff&Stil, im aktuellen Katalog heißt es Saum-Messer und ist etwas anders bedruckt. Bei Ebay gibt es solche Lineale mit dem Markennamen Sew Mate auch ab und zu, sie sind dort aber fast dreimal so teuer.

Die Vorsprünge und Aussparungen bezeichnen alle Maße, die beim Nähen, Bügeln oder Markieren wichtig sind: Mit den Maßen für 1 cm, 1,5 cm und 2 cm zeichne ich Nahtzugaben an, mit 3 cm, 4 cm und 6 cm bügele ich Säume um. Knopflöcher einzeichnen, hier was nachmessen, da auf dem Schnittmuster etwas dazuzeichnen - dazu benutze ich fast nur noch das Sømometer. Praktisch an dem Ding im Gegensatz zu normalen Linealen und Maßbändern: Man erkennt das relevante Maß auf einen Blick und kann sich beim Ablesen nicht so leicht vertun.

Habt ihr auch solche Lieblingswerkzeuge, auf die ihr nicht verzichten wolltet? Nachdem mich der Kreidestift so glücklich macht, verpasse ich vielleicht etwas Wesentliches, wenn ich sämtliches Spezialzubehör weiterhin ignoriere?

Mittwoch, 13. August 2014

Thema der Stoffspielerei im August: Weben und Verwandtes


Am letzten Sonntag im Monat, am 31. 8. ist wieder Stoffspielerei, ich bin Gastgeberin und sammele die Beiträge. Als übergreifendes Thema schlage ich Weben und Verwandtes vor - aus purem Eigennutz, denn ich hatte mir schon sehr lange vorgenommen, in diese Richtung zu experimentieren. Seit Monaten wartet hier ein kleiner Schulwebrahmen, den mir D. aus der Quiltgruppe netterweise überlassen hatte. Aber auch ohne Equipment lässt sich einfach weben - bei dieser Anleitung braucht man zum Weben zum Beispiel nur ein stabiles Stück Pappe. Bei Pinterest findet man zahlreiche Sammlungen, in denen einfache Webprojekte zusammengestellt sind, nur ein Beispiel hier

Noch schwieriger als das Wie finde ich jedoch das Was: Kleine gewebte Wandbehänge scheinen zur Zeit im Trend zu liegen, aber kann man auch Dinge weben, die man tatsächlich benutzen kann? Diese Untersetzer bei Purl Soho finde ich recht ansprechend (mal abgesehen davon, dass der Nutzen von Untersetzern im Nahtzugabe-Haushalt recht begrenzt ist), die anderen gewebten Projekte bei Purl bee, vor allem die Schals, sind zwar schön, aber alles andere als leicht und schnell gemacht und keine Anfängerprojekte, so weit ich das einschätzen kann.

Aber außer mit Garn lässt sich ja auch experimentell weben: mit Stoff- und Filzstreifen, mit Video- oder Kassettenbändern oder mit Stahlwolle wie bei der Textile Art, winzig klein auf einer Streichholzschachtel oder in ganz großem Maßstab, und auch verwandte Techniken wie Flechten oder Techniken, die sich mit der Struktur von Gewebe befassen, Hohlsäume zum Beispiel, würden sich anbieten. Das Motto "Weben und Verwandtes" darf gerne nach Belieben ausgedehnt werden. Wenn ihr nicht zu den regelmäßigen Stoffspielerei-Teilnehmern gehört, wäre es nett, wenn ihr dann zum Termin einen Link zu eurem Beitrag in einem Kommentar hinterlassen würdet, damit ich euch finde. 

Zum Schluss noch ein Inspirationslink, was mit handwerklicher Weberei alles möglich ist: Wie ich heute aus dem aktuellen Burda-Heft gelernt habe, ist die Firma Malhia Kent die Erfinderin und Lieferantin des typischen bunten Chanel-Tweeds und entwickelt besondere Stoffe für die Haute Couture aus ungewöhnlichen Materialien, zum Beispiel mit Federn und Glitzersteinen, mit Perlen, aus Bast oder aus Papier. Auf der Webseite kann man sich durch die aktuellen Kollektionen klicken, vom Wollstoff mit Streifen- oder Tartanmuster bis hin zu den wildesten Materialkombinationen.

Ich freue mich auf eure Einfälle zu dem Thema! 

Samstag, 9. August 2014

Ein Rückblick auf die Textile Art 2014

Mixed-Media-Collage von Karola Rose

So langsam komme ich dazu, die angesammelten Bilder und angefangenen Beiträge hier im Blog aufzuarbeiten - in den letzten Wochen war wenig Zeit für Dinge wie Bloggen oder Nähen. Für den Besuch der Textile Art vor mehr als einem Monat, am Wochenende vom 28. und 29. Juni, konnte ich mir auch nur einen knappen Vormittag abknapsen. Aber das lohnte sich! Die Textile Art ist eine Schau für Textilkunst und eine Verkaufsmesse für Handarbeitsmaterialien und -zubehör, und während ich im vorigen Jahr den Eindruck hatte, einer stagnierenden, möglicherweise sogar sterbenden Veranstaltung beizuwohnen, kam mir die Messe dieses Jahr vielfältiger und überraschender vor - und Dank neuer Kooperationen waren auch deutlich mehr Besucher da. 

Taschen aus dem Kinder-Wettbewerb "Meine Lieblingstasche" aus Lettland: Linda Smilskalene (11), Samita Rasinska (15), Kristiana Kalle (11)
Gewebtes bildete einen Schwerpunkt auf dieser Messe. Suschna hatte hier schon darüber geschrieben und einige Bilder gezeigt. Mir gefielen vor allem die gewebten Objekte aus ungewöhnlichen Materialien, zum Beispiel ein karierter Tischläufer aus Leinen und Stahlwolle von Tiina Kirsi Kern mit dem ironischen Titel "Tischgespräch", die Behälter aus Videobändern von Waltraud Münzhuber oder die edel glänzenden Stoffe von Sylvia Bünzel aus Baumwolle, Leinen und Videobändern, die zu Raumteilern oder Abendhandtaschen verarbeitet wurden. 

Tiina Kirsi Kern: Tischgespräch (Gewebter Tischläufer mit Stahlwolle))
Den Bilderzyklus "Women in their Fifties. Pythias" von Laima Oržekauskienė fand ich besonders beeindruckend: Die Kettfäden der gewebten Porträts wurden per Digitaldruck bedruckt, gewebt wurde teils mit goldenen und silbernen Fäden. Fotos geben die komplexe Schichtung der Strukturen nicht annähernd wieder - die Wirkung ist je nach Abstand des Betrachters zum Gewebten ganz unterschiedlich. Die aus der Ferne dominierenden Gesichter lösen sich in der Nähe in Muster und Strukuren auf. Einen Eindruck davon erhält man in einem Film hier. Erstaunlich auch, wie gut sich die Bilder in der Ausstellung behaupten konnten: die Textile Art findet in den Räumen einer Schule am Südstern statt, und die sehr zweckmäßigen Räume lassen sich nicht immer ausblenden. Der blaue Fußboden und der rote Streifen an der Wand wirken aber so, als wären sie extra für diese Bilder ausgewählt worden.
Laima Oržekauskiene: Women in their Fifties. Pythias (Weberei und Digitaldruck)
Die Cubelin-Sitzwürfel von Gabi Becker sind eine brillante Idee, brillant umgesetzt. Gabi Becker sammelt alte gestickte Gobelinbilder und setzt jeweils sechs in Format, Farbigkeit und Sujet zueinander passende Bilder zu modernen Sitz-Poufs zusammen. Das ist ironisch und witzig - wenn sich sechsmal Heiligenkitsch begegnet, oder gestickte Einhörner im Nebel auf Delphine unter dem Regenbogen treffen. Man sieht die Stickproduktion unzähliger Omas in diesem neuen Kontext mit ganz anderen Augen, bemerkt die wunderbaren leuchtenden Farben der gereinigten Gobelins und die angenehme Haptik der Stickwolle. Ich musste gleich an Griseldas Tablethülle aus so einem Gobelin denken - es lohnt sich sehr, solche Stickereien weiterzuverarbeiten.
   
Cubelin-Sitzwürfel von Gabi Becker
Ein nettes Gespräch hatte ich auch mit den Damen von Blautropfen Berlin, die Cyanotypien auf Stoffbeuteln und Tshirts anboten. Ich habe jetzt noch eine Idee, warum die Cyanotypieversuche im Nahtzugabe-Haushalt so unterschiedliche Blautöne und zum Teil verwaschene Bilder ergaben - möglicherweise habe ich einige Male aus Versehen die Rückseite der Stoffe belichtet. Da Stoff die Chemikalienlösung aufsaugt, ist es nach dem Trocknen nicht mehr ohne weiteres zu sehen, welche Seite die Vorderseite war. Ich habe auch gleich wieder Lust bekommen, noch einmal mit Cyanotypie zu experimentieren, oder zumindest meine Stoffe vom letzten Mal endlich zu verarbeiten. Einige Fotos vom Blautropfen-Stand finden sich hier bei Kristina.   

Modedesign trifft Textildesign: Britt Sobotta und Maria Kravets
Die Kleider von Britt Sobotta und Maria Kravets hatten es schwer, gegen die nüchternen Räume der Schule anzuwirken. In der Kooperation mit dem Titel "Romantic Warrior" kümmert sich Britt Sobotta um die Schnitte, die Anfertigung und die Mieder - sie betreibt außerdem die Berliner Miedermanufaktur. Von Maria Kravets stammen die handbemalten Stoffe, meistens Seide unterschiedlicher Qualitäten und Strukturen. Die fließenden, romantischen Kleider wirken in der Bewegung an der Trägerin - und ohne Schulmobiliar im Hintergrund - sicher nochmal ganz anders. Ich fand die Stücke interessant, weil ich schon lange einmal einen Stoff für ein Kleid mit Stoffdruck oder -malerei selbst gestalten wollte, mit einem Musterverlauf von den Schultern bis zum Saum, oder auf jeden Fall mit genau platzierten Mustern, und hier konnte ich schon mal schauen, wie man das angehen könnte, und noch dazu war Britt Sobotta eine ausgesprochen sympathische Gesprächspartnerin.

Apropos Gespräche: Leider hatte ich diesmal auch aus Zeitmangel und Mangel an Organisation keine Treffen mit anderen Textilbloggerinnen verabredet, aber immerhin konnte ich am Stand von Ste - Manufacta est kurz Hallo sagen. Glücklicherweise zeigte sie hier selber Bilder von ihrem Stand (und hier ihr zweiter Beitrag über die Textile Art), denn ausgerechnet dort machte ich kein einziges Foto. Wahrscheinlich weil ich so davon begeistert war, die Applikationen, die Nadelkissen und die Stickereien, die ich ja schon aus dem Blog kannte, nun tatsächlich richtig in der Hand zu halten, so dass ich gar nicht auf die Idee kam. Wenn es um Textilien geht, kann das Internet eben doch nur einen oberflächlichen Eindruck vermitteln - genau so, wie es eben doch etwas anderes und viel netter ist, sich einmal, wenigstens kurz, "richtig" zu treffen.

Zum Schluss daher noch einige Links zu Artikeln über die Textile Art von Bloggerinnen, mit denen ich leider nicht verabredet war: Von Hehocra hier, hier und hier und von Kristina hier und hier.

Mittwoch, 6. August 2014

Dirndl-Sewalong II: Schnitt und Stoff

Berliner Dirndl-Tristesse im nahen Einkaufszentrum

Ob im Einkaufszentrum am Berliner S-Bahn-Ring oder auf Sylt: die süddeutsche Folklore breitet sich anscheinend bundesweit aus und zeigt sich an den absurdesten Orten. Wesentlich erwartbarer war das große Dirndlangebot in München, wo ich bei einem Wochenendaufenthalt eine Schaufensterrecherche einschieben konnte. Ich hatte mich sehr darüber gefreut, dass sich die kurze Reise zufällig gerade jetzt während des Dirndl-Sewalongs ergab - aber ehrlich gesagt sah ich wenig bis nichts in den Läden, was mir gefallen hätte. Und dabei war es völlig egal, ob es sich um Kaufhausdirndl für unter hundert Euro, um die gehobene Dirndl-Konfektion bei Angermaier oder um die maßgefertigten Dirndl von Tracht und Heimat handelte. Mir hängt da generell zu viel Gedöns dran: Zu viel Borten, Rüschen, zu viel Knöpfe, Kettchen, Anhänger, Schnürungen, zu viel rosa, zu viel Müsterchen, und auf der assoziativen Ebene sehe ich teils zu viel Heimattümelei, teils zu viel plumpe Sexyness. Eines ist sicher: es gibt im Prinzip keine Kaufdirndl, die ich anziehen würde.

Aber (und jetzt im Chor mitsprechen): wie gut, wenn man nähen kann! Und ich freue mich sehr darüber, dass sich einige Mitnäherinnen beim Dirndl-Sewalong ebenfalls die Aufgabe gestellt haben, ein schlichtes, norddeutsch-städtisches Dirndl für Nicht-Dirndlträgerinnen zu nähen.


Was die norddeutsche Komponente betrifft, bin ich auf der Suche nach Fachliteratur auf das Buch von Christiane Gädtgens, Norddeutsche Stickmuster aus Vierlanden, Rosenheim 1986 gestoßen. Ich bin ja in den Vierlanden, aber leider ohne nähere Berührung zur dortigen Tracht aufgewachsen, wie ich hier schon geschrieben hatte. Das Buch von Gädtgens enthält nicht nur Stickvorlagen nach historischen Vorbildern, sondern auch Informationen zu den Bestandteilen der Vierländer Tracht nebst Schnittmustervorlagen.


Wobei das Sprechen von "der Vierländer Tracht" im Grunde schon verkehrt ist: Was heute als Tracht gepflegt wird, war die Festkleidung wohlhabender Familien zwischen 1850 und 1900, das liest man zwischen den Zeilen in diesem Buch. Interessant ist auch ein Text über die Vierländer Tracht von 1922, von Ernst Finder, der hier in Heft 29, S. 9-15 wieder abgedruckt wurde. Schon in den 1870er Jahren wurde bei Tanzveranstaltungen in den Vierlanden ausdrücklich um "städtische Kleidung" gebeten, um 1900 galt die Tracht als altmodisch und in den 1920er Jahren, als der Artikel publiziert wurde, war sie fast schon verschwunden.


Die aufwendigen Stickereien im Plattstich, oft mit Perlen, Pailletten und Golddraht und in Kombination mit Seidenbändern, wurden zum größten Teil von berufsmäßigen Stickerinnen angefertigt. Zuhause wurde zwar auch gestickt, zum Beispiel die Vierländer Stickmustertücher im Kreuzstich aus schwarzer Seide auf Leinen oder Muster und Monogramme auf Bettwäsche und Hemden, die Ausschmückung der Tracht aber erforderte ein handwerkliches Können, das die Gelegenheitsstickerin nicht vorweisen konnte. Heike war am Sonntag so begeistert von den Stickvorlagen, dass sie meinte, ich müsse so eine Stickerei unbedingt einbeziehen - allerdings ist es fraglich, ob ich das nötige handwerkliche Können besitze. Aber so eine Stickerei wäre schon schön, denn davon abgesehen sieht meine Planung im Moment schlicht und schmucklos aus.

Hier sind die Stoffe: 


Ganz links eine dünne schwarze Wolle-Polyester-Mischung für den Rock, den ich ganz traditionell stifteln, also in gleichmäßige, enge Falten legen möchte. In der Mitte ein mitteldicker anthrazitgrauer Wollstoff mit eingewebten weißen Streifen, daraus möchte ich das Dirndlmieder aus Burda 9/2011 (Modell 118) nähen, allerdings mit einem Knopfverschluss vorne, also eher an eine Weste erinnernd. Ganz rechts liegt ein blassroter Hemdenstoff mit etwas Struktur, aus dem möglicherweise eine Bluse wird, ich habe aber auch noch einen weißen Blusenstoff aus Baumwolle. Über den Schnitt für die Bluse und über Schnitt und Material für eine Schürze bin ich mir noch nicht ganz im klaren - aber bis wir im so weit sind, dauert es ja auch noch etwas. Einstweilen verweise ich auf die Stoff-und-Schnittsammlung beim Dirndl-Sewalong, wo auch viel Bunteres und Interessanteres genäht wird.