Hier kommt der erste Beitrag der neuen Rubrik "Schnittmusterparade", eine Zusammenstellung der subjektiv interessantesten Schnittmuster-Neuerscheinungen der letzten Zeit. Im Moment plane ich diese Rubrik einmal im Monat, aber nagelt mich nicht darauf fest - einerseits bin ich ja keine Redaktion, hier läuft ganz viel nach Lust und Laune und Zeit, andererseits hängt die Rubrik ja auch davon ab, ob neue Schnitte erscheinen. Zur Zeit finde ich es geradezu aberwitzig, wie viel Neues jede Woche herauskommt, und meistens ebenso schnell wieder vergessen ist. Die Zeiten, als sich manche Schnitte zu Dauerbrennern entwickelten und man beobachten konnte, wie sie nach und nach durch die Blogs wandern - letztes Jahr im Sommer z. B. der Anna-Schnitt von
By Hand London - sind wohl vorbei. Ich bin gespannt, ob das so weitergeht, oder ob wir in ein paar Jahren auf diese verrückte Zeit zurückblicken werden, als die Indie-Schnittmusterfirmen wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden schossen.
Neue Nähzeitschrift: "La Maison Victor"
Eine neue Zeitschrift im großen Stil auf den Markt zu bringen ist unfassbar teuer und sehr risikoreich. Viele Hefte verschwinden nach kurzer Zeit wieder, wie die deutschen Ausgaben der italienischen
La Mia Boutique (man hätte wohl doch auch ein bisschen Geld für eine professionelle Übersetzung und Lektorat ausgeben sollen). Nun versucht ein belgischer Verlag sein Glück mit einem Heft, das in Belgien und den Niederlanden bereits etabliert ist.
La Maison Victor erscheint vier Mal im Jahr,
bloggen-leben-nähen entdeckte die Zeitschrift als erste und schrieb
hier darüber - bei ihr findet ihr auch noch mehr Fotos, einen weiteren Eindruck gibt es auch
hier auf der Webseite des Magazins.
Pepita und
Frau Crafteln waren auch schon ganz begeistert, daher fasse ich mich kurz: Das Heft für 7,95€ enthält 12 Schnitte: Für Damen gibt es zwei Kleider, ein Top, eine weite Hose, Leggings und zwei Jacken, jeweils in den Größen 34-48, zum Teil bis 54 (eine Jacke, ein Kleid, Leggings). Für Kinder sind ein Sweatshirt (92-176), ein Regencape, ein Kleid (92-152) und eine Hose (56-92) enthalten, für Männer gibt es eine Jacke. Dazu kommen Anleitungen für schöne schlichte Stricksachen und ein bißchen Gebasteltes. Die Schnitte finden sich auf einem eingehefteten Bogen aus dickem Papier, die sehr ausführlichen Anleitungen mit vielen Zeichnungen folgen gleich im Anschluss an die Modellfotos. Die Texte sind zwar zum Teil etwas ungelenk - da scheint die Übersetzung durch - aber grundsätzlich macht das alles einen guten Eindruck. Das Heft ist eine gute Erweiterung des Nähzeitschriftenangebots bei uns und ich würde mich freuen, wenn es sich in Deutschland etablieren würde. Mit den nicht überkomplizierten Schnitten und Bildanleitungen könnte es die Einstiegsdroge für BekleidungsnäherInnen sein, für die es ansonsten ja nicht gerade ein üppiges Angebot gibt.
Neue Einzelschnitte (Papier)
Die Londoner Drei-Frauen-Firma
By Hand London gibt es erst seit Mai 2012, sie gehören aber schon jetzt zu den "Großen" unter den kleinen Indie-Designern. Zur Zeit bringen sie einen Schnitt nach dem anderen heraus: zuletzt den
Jumpsuit Holly, wahlweise mit kurzen oder langen Hosenbeinen, mit Trägern oder kurzen Ärmeln, und das
Kleid Sabrina (nur als Download), ein Prinzesskleid mit Trägervariante und Knöpfen. Das Faible der drei für Ärmelloses (die vorangehenden Kleider
Flora und
Georgia haben ebenfalls nur Träger), wundert mich ein bißchen. An meinem Kleidungsbedarf geht das vorbei, frieren denn Engländerinnen gar nicht?
Colette patterns ist eine der Firmen, mit denen der ganze Indie-Pattern-Hype überhaupt angefangen hatte, und auch sie sind ungeheuer umtriebig - wenn ich allein beobachte, in welcher Frequenz das Firmenblog mit wirklich substanziellen Artikeln bestückt wird, wird mir ganz schwummrig. Die Schnitte schienen mir in letzter Zeit ein bißchen nichtssagend und sehr simpel, aber mit der
Neuerscheinung Dahlia (auch als pdf) einem
Kleid mit Taillenband und rundem Ausschnitt, knüpft Colette Patterns wieder an die alten Zeiten an.
Spezialistin für retro-angehauchte, aber nicht muffige Schnitte ist auch
Bluegingerdoll. Dort gibts jetzt mit
Bonnie einen
Pulloverschnitt wie aus den 40ern (auch als pdf): taillenkurz, mit hohem Bund, rundem Ausschnitt oder U-Boot und wahlweise mit Dreiviertelärmeln oder weiten, kurzen "flutter sleeves", für die mir gerade keine gute deutsche Übersetzung einfällt.
Über
République du Chiffon, ein Schnittmusterlabel aus Frankreich, wollte ich schon lange schreiben, nun ist die
Herbstkollektion der Papierschnittmuster herausgekommen, das ist doch ein guter Anlass. Eine
schmale Hose, eine
Jacke mit abgerundeten Vorderteilen, einen
kurzen Trenchcoat, zwei
Blusen und ein wunderbares
Kleid umfasst diese Kollektion, schlichte moderne Sachen, für die Fotos genäht aus angenehm zurückgenommenen, aber nicht unscheinbaren Stoffen, so dass die Linien der Schnitte zur Geltung kommen. Auf der Webseite sind einige ältere Schnitte auch als Downloads verfügbar, außerdem veröffentlichte die Designerin hinter
République du Chiffon in Frankreich ein Buch, aus dem
Bunte Kleider schon einiges ausprobiert hat.
Den Schnitt für das
Linden Sweatshirt (auch als pdf) von
Grainline Studios - ein lockeres Oberteil mit Rundhalsausschnitt und Raglanärmeln - braucht man vielleicht nicht unbedingt, sowas Simples findet man auch woanders, aber Jennifer Beeman ist schon fast eine Veteranin im Schnittmustergewerbe. Und bei dem bedächtigen Wachstum ihrer Firma wird es sie wahrscheinlich immer noch geben, wenn hundert Eintagsfliegen längst Geschichte sind.
Auch
Sew Serendipity ist schon lange im Geschäft, ein Großteil dieses Geschäfts besteht allerdings aus Applikationsvorlagen, mit denen Pullover passend zur Jahreszeit dekoriert werden können, was ich ehrlich gesagt etwas absonderlich finde. In letzter Zeit erschienen aber auch ernst zu nehmende Schnittmuster: in der neuen Herbst-Winter-Kollektion ein
Mantel (mit Dekovorschlägen!), eine
Bluse mit rundem Ausschnitt und das
Retro-Kleid Isabella mit herzförmigem Ausschnitt und höher gelegter Taille, das ich sehr charmant finde - das könnte im Sommer ein Hit werden, sofern sich dann noch jemand daran erinnert.
Neue Einzelschnitte (Download)
Einheimische Indie-Schnittmuster stelle ich hier so gut wie nie vor. Das liegt vor allem daran, dass die meisten deutschen Indie-Labels ihre Schnitte schon selbst so aggressiv über Nähblogs und Freundinnen-Connections vermarkten, dass ich mich lieber heraushalte. Auf eine kleine, sympathische Firma und ihre Schnitte möchte ich aber heute aufmerksam machen:
b-patterns ist das Projekt von Ingrid, einer gelernten Textildesignerin. Im Moment gibts Schnitte für schöne Taschen aus Filz und Leder, Filzkörbe und Etuis, im nächsten Jahr ist auch Bekleidung geplant.
In der letzten Zeit sind mir erstmals Schnittmuster aus den Niederlanden besonders aufgefallen. Der
Peppernoot hooded coat, ein
Mantel mit Kapuze wurde schon bei twitter herumgezeigt, entdeckt hatte ihn
sewing addicted. Die Designerin hinter der Firma
Waffle patterns ist eine Japanerin, die in Amsterdam lebt, und ich finde, dass auch ihre anderen Schnittmuster ganz vielverprechend aussehen. Kleidermanie
probierte die Jacke Luffa aus und war begeistert,
Bunte Kleider ist am Kleid Snowball dran, das sie noch nicht ganz bezwungen hat - aber das ist nur eine Frage der Zeit.
Die Macher von
Paprikapatterns kommen ebenfalls aus Holland, sie sind aber mit einem umgebauten Lastwagen in Europa unterwegs und campieren zur Zeit in Südfrankreich. Schnittmuster liegen bei diesem Lebensmodell nicht unbedingt nahe - haben Campingpläze eigentlich WLAN? - aber andererseits: würde ich mit einem Lastwagen herumziehen, würde ich meine Nähmaschine ja auch mitnehmen. Ihr erster Schnitt ist der
Rock Jade, ein kurzer, enger Rock aus Jersey mit interessanten eingelegten Falten im Vorderteil.
Liesl Gibson kannte ich zuerst als Designerin von Quiltstoffen und Schnitten für Kinderbekleidung. Von ihrem Label
liesl+Co stammt aber auch
der Culotte-Schnitt, den Grüne Blume am letzten Mittwoch zeigte, und der bei mir ein gewisses Haben-wollen-Gefühl auslöste. Was ihre anderen Schnitte betrifft, weiß ich nicht so recht: ich finde sie ein bißchen betulich. Anfang Oktober neu erschienen ist das
Bistro dress, ein kurzärmeliges Kleid mit Kragen oder geschlitztem Ausschnitt. Ob das wie ein Kittel oder wie ein Kleid aussieht, hängt meiner Ansicht nach sehr vom Stoff ab, sprich: besser keinen kleingeblümten Quiltstoff verwenden.
Eine ganze
Herbst-Winter-Kollektion, bestehend aus einer
Jacke, einem lockeren
TShirt, einem
Schößchentop, einem langen
Jerseykleid und einem
ärmellosen Top ist bei
SeeKateSew erschienen. Bin ich übermäßig pingelig, wenn ich mich wundere, warum die Modelle aus Webstoffen so schlecht (oder gar nicht) gebügelt wurden? Einen professionellen Eindruck macht das ja nicht, und ich übertrage diesen Eindruck automatisch auf die Schnitte, möglicherweise zu Unrecht.
Schnittmusterverzeichnis für Indie-Schnitte
Wer jetzt die Übersicht verloren hat: Im
Sewing Pattern Directory, einer ganz neuen Seite, sind derzeit schon mehr als 40 Indie-Firmen vertreten. Die Schnitte lassen sich geordnet nach Herstellern oder Kleidungstücken durchforsten - besonders nützlich, wenn man mal irgendwo "ein schönes Kleid" gesehen hat, sich aber an den Namen des Schnittes nicht mehr erinnern kann.