Samstag war grau, aber wir waren kaum draußen |
Ich reiste schon am Freitag an und traf zuerst Bele, denn wir sollten am Samstag zwei Workshops zu Stoffen und Materialien - "Stoffe nicht nur lieben, sondern kennen" - geben, und hatten das zusammen in dieser Konstellation noch nie gemacht. Wir stellten aber schnell fest, dass wir beide endlos über Stoffe reden könnten. Beim Vor-Treffen in einem Café mit denen, die schon angereist waren, schlug dann bei mir die Müdigkeit nach einer ohnehin schon sehr vollen Woche zu - und ein bißchen nervös war ich wegen der bevorstehenden Workshops auch.
Vor dem Workshop: Garne und Stoffproben liegen bereit |
Bei den Workshops - die nicht zuletzt wegen der vielen, interessierten Fragen super waren - erzählte Bele über Fäden und Bindungen und welche Auswirkungen ihre Eigenschaften auf die Eigenschaften des Stoffes haben. Sie hatte einen Satz Fadenzähler besorgt, so dass die Stoffproben, die wir mitgebracht hatten, ganz genau betrachtet werden konnten. Das war der Hit im Workshop, und im Grunde braucht jeder Näh-Haushalt so ein Gerät - einfach nur, weil es großen Spaß macht. Man kann alles zwischen sehr wenig und sehr viel Geld für so einen Fadenzähler ausgeben, die Organisatorinnen hatten sich für diesen mit Beleuchtung entschieden. Außerdem gab es eine Auswahl Fäden mit unterschiedlichem Aufbau zum Anschauen und Auseinandernehmen, die Bele bei einem belgischen Garn-Spezialversand bestellt hatte, den man hier findet. Die Shopbetreiber entwickeln unter anderem spezielle Garne für Modedesigner, und was von diesen Produktionen übrig bleibt, wandert dann ich den Shop, wenn ich das richtig verstanden habe.
Stoffe muss man fühlen, nicht nur sehen |
Zuletzt gings ans Zündeln, erst mit Stoffproben mit bekannter Zusammensetzung, dann kamen die unbekannten Stoffe an die Reihe. Jede Faser brennt auf eine charakteristische Weise ab, mit einem bestimmten Tempo, einem bestimmten Geruch, einer bestimmten Flamme, es bleibt unterschiedlich viel übrig - wer mein Stofflexikon "Stoff und Faden" schon angeschafft hat, hat es da bestimmt gelesen, es gibt aber auch im Internet allerlei Tabellen, wie sich die Stoffe beim Abbrennen unterscheiden.
Ein Fadenzähler gehört in jeden Haushalt |
Nur lesen bringt da aber gar nichts - man muss es ausprobieren, Stoffe vergleichen, und so bekommt man langsam ein Gespür dafür, worauf man achten muss. Nehmt euch das Buch vor, und zündet erstmal ein paar Stoffe an, bei denen ihr sicher wisst, worum es sich handelt. Damit könnt ihr dann Stoffe vergleichen, bei denen ihr nur annehmt, es könnte "irgendwas mit Wolle" sein. Manchmal kommt man nicht weiter, weil verschiedene Fasermaterialien schon im verwebten Garn miteinander verarbeitet wurden und man sie nicht mehr trennen kann; auch das Unterscheiden verschiedener Kunstfasern finde ich schwierig (oder ich habe einfach noch nicht genügend Vergleichsmaterial gesammelt!) - aber ob es sich hauptsächlich um eine Naturfaser oder um Kunstfasern handelt, kann man eigentlich immer herausfinden, und auch das ist ja schon mal nützlich. Wir konnten auf diese Weise zum Beispiel feststellen, dass ein mysteriöser doppellagiger Stoff vom Fabrikverkauf bei Rene Lezard aus Naturfasern aus Zellulose bestehen muss, vermutlich Baumwolle, obwohl er durch die miteinander verklebten Schichten wie ein Funktionstextil wirkt.
Wir hatten vorab etwas Sorge, ob wir die Rauchmelder auslösen könnten - und für alle Fälle einen gefüllten Wassereimer im Raum deponiert. Glücklicherweise hatte der Veranstaltungsraum große Fenster, die sich öffnen ließen. Es wäre sehr ironisch, aber auch peinlich gewesen, in einer umgebauten Feuerwache einen Feuer-Fehlalarm auszulösen.
Zeitgleich zu Beles und meiner Veranstaltung gab es einen Workshop zum richtigen Vermessen mit dem Maßschneider Sebastian Hoofs und seinem Assistenten Tom - die Gruppen wechselten, so dass jede jeden Workshop besuchen konnte. Das hätte mich ja auch sehr interessiert, ging aber zeitlich nun einfach nicht, aber vielleicht gibt es ja mal eine andere Gelegenheit. Sebastian gibt auch andere Kurse für Hobbynäher, übers Nähen, übers Schnitte-Anpassen, die Kölnerinnen schwärmen schon länger davon.
Etwa ein Viertel des Tauchtischs, diesmal nach Farbe sortiert |
Der Abend ging mit gutem Essen im Cafe des Veranstaltungsorts zuende, und dort trafen wir uns am nächsten Morgen gleich wieder zum Frühstücken, während sich nebenan die Tauschtische füllten. Ich musste mich ehrlich gesagt etwas zusammenreißen, um nicht überall Stoffproben abzuschneiden und anzuzünden (und wenn ich nicht so müde gewesen wäre, hätte ich das vermutlich gemacht), aber immerhin konnten Claudia und ich ein senfgelbes Sherlock-Holmes-Karo als Wolle identifizieren.
Am frühen Sonntagnachmittag machte ich mich dann wieder auf, in Richtung Süden zu einem sehr kurzen Familienbesuch, und erst jetzt, wieder zuhause und etwas erholt, kann ich mich so richtig über das Wochenende freuen. Nette Gespräche, viele neue Ideen (nicht zuletzt auch Ideen für neue Bücher), wie immer zu wenig Zeit, um sich mit allen gleichermaßen ausführlich zu unterhalten, aber ich habe wieder ein paar Namen neu gelernt und kann sie Gesichtern und Blogs zuordnen. Bis zum nächsten Treffen dann!
Ein sehr interessanter Bericht, vielen Dank dafür. Ich finde es so schade, dass man auf Stoffmarkt (wo oft wenig beschriftet ist) und in manchen Läden nicht anzündet. Ich habe es tatsächlich erst einmal erlebt, dass eine Verkäuferin von sich aus eine Brennprobe angeboten hat, bei Karstadt würde es mir 2 x abgelehnt. Schließlich will ich ja vor dem Kauf wissen, was es ist. LG Anja
AntwortenLöschenIch glaube IM Laden würde ich das auch nicht erlauben (wenn da der Feueralarm losgeht...), aber es gäbe ja die Möglichkeit, ein Streifchen abzuschneiden und das draußen zu machen: Gerade bei Karstadt gibt es oft Ballen, wo nur "Designerstoff" draufsteht (was eigentlich auch gar nicht erlaubt ist - so weit ich weiß muss die Materialzusammensetzung deklariert werden...).
LöschenTja, ich hätte mir vor einigen Jahren auch noch nicht vorstellen könne, dass ich es mal total spannend finde, zwei Frauen zuzuschauen, wie sie Stoffe anzünden......es war so toll, vielen Dank nochmal! Habe gestern hier auch schon 2 angezündet.......
AntwortenLöschenIch freu`mich auch, dich in Bielefeld wiederzusehen!
Liebe Grüße
Sabine
Wer weiß, was wir noch alles treiben, wenn das so weiter geht!
LöschenDer mysteriöser doppellagige Stoff von bei Rene Lezard kommt mir bekannt vor, ich glaube, das ist der, den ich auch gekauft habe. Hach, ich bin so traurig, dass ich nicht dabei war, das waren bestimmt zwei wunderbare Tage. LG Christiane
AntwortenLöschenWenn du den auch hast, ist das auf jeden Fall was Feines. Wir hatten die beiden Lagen von der Webkante aus auseinander gezogen und aus beiden Lagen jeweils ein Stückchen vom Rand, mit wenig Klebstoff, abgeschnitten und getrennt angezündet. Das kannst du ja auch mal probieren.
LöschenDer Bericht liest sich wirklich schön :)
AntwortenLöschenEin bisschen traurig bin ich, dass ich nicht dabei war. Direkt nebenan (genauer gesagt schräg gegenüber) habe ich an dem Tag gearbeitet. Leider habe ich aber auch nichts von dem Treffen vorher gelesen. Vielleicht das nächste Mal :)
Liebe Grüße,
Svenja
Oh, kleine Welt! Die Organisatorinnen hatten das Treffen vor ein paar Monaten in ihren Blogs angekündigt, die 50 Plätze waren aber sehr schnell weg, so weit ich gehört habe. Aber Kurse bei Sebastian könntet ihr Kölnerinnen ja immer buchen.
LöschenDer Bericht macht noch mehr Lust drauf auch mal dabei zu sein! Und den Faser-Versand merke ich mir. Erst mal die beiden Ufos fertigstricken, aber dann.
AntwortenLöschenLG
Martina
Es wird sicher weitere Treffen geben, und sicher auch mit Workshops, denn ich glaube die Mischung hat allen ganz besonders gut gefallen.
LöschenWie immer ein herrlicher Bericht! Mit dem Zündeln muss ich mich auch nochmal genauer befassen .... Viele Grüße!
AntwortenLöschenDas können wir auch gerne mal privat machen :-)
LöschenVielen Dank für den schönen Bericht. Hachz. Ich bin ja SO froh, Menschen gefunden zu haben, denen ich mit meiner Euphorie fürs Textile nicht den letzten Nerv raube! Sehr schön war es mit euch allen und mit dir, Constanze, im besonderen. Das war sicher wieder ein Wochenende, von dem ich lange zehren werde.
AntwortenLöschenLG, Bele
Ja, wenn die Leute schon die Augen verdrehen und denken "was hat sie denn jetzt schon wieder"... ich fand es auch sehr schön, bei dir und deiner netten Familie zu übernachten.
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