Seiten

Sonntag, 3. Oktober 2010

Dreieinhalb Jahre, ein Kleid



Was klingt wie ein sehr ungünstiges Verhältnis von Zeitaufwand und Ergebnis, ist tatsächlich auch eines. Noch dazu war das Kleid eigentlich schon vor Monaten fertig, aber irgendwie bin ich erst vor kurzem zum ausgiebigen Probetragen (natürlich mit Strickjacke und Schal) und zum Fotografieren gekommen. Ich glaube ich musste nach so langer Zeit erst feststellen, ob ich es überhaupt mag - schließlich datiert der Planungsstand mehr oder weniger von 2006/2007, da kann sich der Geschmack schon mal ändern.



Zum Schnitt kann ich nur noch wenige sachdienliche Hinweise geben: Das Schnittmuster stammt von der Burdastyle-Webseite und entspricht wohl dem Kleid „Heidi“, allerdings lud ich den Schnitt schon 2006 herunter, damals noch kostenlos. Das erste Probemodell aus alter Bettwäsche nähte ich noch im gleichen Jahr, wenn ich mich richtig erinnere. Es führte zu einigen Änderungen auf dem Papierschnittmuster, die ich heute aber nicht mehr hundertprozentig nachvollziehen kann – auf jeden Fall wandelte ich die Falten im hinteren Rockteil in Abnäher um und verlängerte das Oberteil in der Taille um etwa 1,5 cm. Dann blieb das Ding liegen, vor allem aus Mangel an Material, denn 2006 wohnte ich noch in einer Stadt mit teuren, aber trotzdem nicht schönen Stoffläden (die denkbar schlechteste Kombination).



Im Sommer 2007 war ich mit Wohnungssuche und Umzug beschäftigt, 2008 kaufte ich dann immerhin Stoff, der war aber von Frau Tulpe, kostete 16 Euro pro Meter und war mithin viel zu heikel, um ohne weiteres Probeteil einfach so angeschnitten zu werden. Aber es gibt ja den Maybachmarkt, wo ich im Herbst 2008 eine größere Menge dünnen Baumwollsatin mit Elasthananteil erwerben konnte, zwar war der Sommer schon vorbei, und der folgende Sommer dann auch, bevor das Kleid fertig war - aber nun kann ich überglücklich vermelden, dass ich, mehr als drei Jahre nach den ersten Planungsschritten, tatsächlich ein Sommerkleid fertigstellen konnte. Wow! Hat auch gar nicht wehgetan.



Wie beim Probekleid hat das hintere Rockteil Abnäher statt Falten (aufspringende Falten direkt auf dem Po – nicht mit mir). Am Tascheneingriff, am Ausschnitt und rings um das Gürtelteil verstürzte ich die Kanten mit einer selbstgemachten dunkelvioletten Paspel aus Patchworkstoff mit Baumwollgarneinlage, die sich gegenüber dem Muster trotzdem nicht recht durchsetzen kann – die ganzen Nähte sind so gut wie unsichtbar, aber das ist ja keine schlechte Sache. Taschenbeutel, der Beleg für den Ausschnitt und die Schrägstreifen für die Armausschnitte schnitt ich aus blau-weiß gestreiftem Hemdenstoff zu.
Das Gürtelteil kann man beidseitig und auch mit anderen Kleidungsstücken tragen (was ich wahrscheinlich nie tun werde, aber man könnte). Auf der Rückseite ist es aus dem Kleiderstoff und verschmilzt dann mit dem Kleid zu einer ununterscheidbaren Einheit. Die Kreise auf der Vorderseite sind zwar umstickt, halten aber nur mit der Kraft von Vliesofix, also eventuell bald gar nicht mehr - aber mittlerweile ist mit das völlig egal, manche Projekte muss man einfach abschließen.
Den Schnitt an sich würde ich sogar noch einmal nähen - zum Beispiel aus einem einfarbigen Stoff. Geblümt bzw. berankt finde ich mich etwas zu niedlich. Oder verjüngt, ungefähr so wie 2006. Hach.

15 Kommentare:

  1. Danke für diesen super Post. Ich kann mich da so wiederfinden und finde deine Art zu schreiben einfach herrlich. Ich schaue sehr gerne bei dir rein.

    Liebe Grüsse und eine schöne Woche.

    Simone

    AntwortenLöschen
  2. Das Kleid finde ich echt schön und der Gürtel passt super dazu.
    Ich bewundere, dass du nach so langer Zeit so ein Projekt noch erfolgreich abschließt (ich hätte so ein Projekt eventuell mit der Mülltonne "abgeschlossen"!)Fliegst Du irgendwo hin wo es noch warm ist oder wie hast du dich dazu motiviert, jetzt wo alle Wintermäntel nähen, ein Sommerkleid noch fertig zu nähen???

    AntwortenLöschen
  3. manchmal ist es einfach gut :

    "ich habe fertig !"

    kann auch sehr befreiend sein !


    schönes kleid an schöner figur...und mit strickjacke durchaus auch im herbst und winter tragbar... !

    lg
    stella

    AntwortenLöschen
  4. Ich finde, das Kleid steht Dir sehr gut. Schnitt und Stoff sind doch eigentlich alterslos, oder? Vielleicht hast Du nur die unter Näherinnen doch sehr verbreitete Fertighaberitis, wenn man erst einmal eine Weile braucht um festzustellen, ja, gefällt mir. Zu den Applikationen: Manchmal erstaunlich, wie lange Vliesofix so hält; an den Hosen meines Sohnes jedenfalls sind noch alle Applis dran trotz schweren Missbrauchs durch Kind und Waschmaschine, auch wenn der Zickzack oft schnell anfängt aufzugehen.

    AntwortenLöschen
  5. Ich muss sagen, auch ich bin ziemlich beeindruckt, dass du das Kleid noch fertiggestellt hast - und ich finde, dass es ganz toll geworden ist! Und ich stimme dir absolut zu - ich liebe das Gefühl, ein Häkchen auf meine imaginäre To-Do-Liste zu setzen :)

    Liebe Grüsse aus der Schweiz!

    AntwortenLöschen
  6. "Gut Ding will Weile haben" ist ein wenig abgedroschen, oder?
    Liebe Lucy, das Kleid gefällt mir richtig gut! Und die Geschichte dazu liest sich sehr kurzweilig! ;-)
    Das ist ja eine Sache, die ich bei dir immer wieder so bewundernswert finde: Auch nach drei Jahren bringst du das noch zu einem Abschluss! (und: Auch nach drei Jahren hast du noch die gleichen Maße! Habe ich noch nie hinbekommen...) Das Fräulein in deinem Handarbeitsbuch würde bestimmt zufrieden nicken: Eine weitere Charakterprobe bestanden!
    Sei herzlichst gegrüßt!

    AntwortenLöschen
  7. Gute Geschichte- wie so oft, Lucy.

    Das Kleid schaut auf dem Bügel richtig kittelschürzig aus, aber angezogen ist das wirklich schön und wie für dich und gemacht.
    Wenn du irgendwo steam-a-seam bekommst, kannst du die Kreise ja nochmal damit festkleben, das Zeug hält erheblich besser als Vliesofix. Und lässt sich auch besser verarbeiten.
    Aber andererseits wirst du den Gürtel ja nicht immer mit in die Waschmaschine stecken, dann geht das vielleicht auch so.

    (Und schön, da links den alten Bekannten, den Geldbaum zu sehen.
    Ich habe meinem krakeligen Exemplar im Frühjahr einen heftigen Rückschnitt verpasst und nach einem Sommer auf der Terrasse wird das so langsm wieder. Ich glaube, du hast ihm mit deinen Bildern das Leben gerettet....)

    AntwortenLöschen
  8. yay!! was für ein schönes Gefühl, dass nun geschafft zu haben..
    ach ja, sieht übrigens nicht nur fertig, sondern auch noch toll aus :-)
    claudia

    AntwortenLöschen
  9. Du bist aber konsequent! Hut ab!Das würde mir nie gelingen - ein Projekt so lange weiterzutragen. Wenn das nicht in zwei Monaten fertig ist, wird es eine Stoffleiche, die maximnal eine Chance für eine anderes Projekt bekommt.
    Es ist Klasse wie du durch den Gürtel das Kleid lucymäßig gestempelt hast.
    Ausdauergrüße von Karen

    AntwortenLöschen
  10. Deine Texte lese ich zu gerne.... ich muss immer über Deine Beschreibungen ein wenig schmunzeln. Ich habe Dich dann vor Augen und schaue quasi zu was du da so treibst ;) Ich würde nie über mein angefangenes Kleid, was gerade zusammnen geknüttelt in meinem Schrank - unfertig, furchtbarer Jerseystoff - liegt einen Post schreiben, vielleicht werde ich es nun auch fertig nähen. Danke für das Mut machen! (Bewundernswert finde ich auch dein Probenähen - dafür hätte ich überhaupt keine Nerven)

    AntwortenLöschen
  11. @Ann, im August noch mit Sommertemperaturen gerechnet - die kamen dann nicht, aber ich trags jetzt mit einem
    Tshirt mit passendem Ausschnitt drunter, mit grauer Strickjacke, dicken Strumpfhosen und Schal. Der Stoff sieht nicht so betont sommerlich aus, das passt ganz gut.

    @Griselda: Der Geldbaum ist ja eigentlich das Projekt meines Liebsten, er wird sich freuen, das zu lesen.

    @alle: Wie immer in solchen Fällen kann ich nicht mal sagen, was mich abgehalten hatte, das Kleid früher fertigzunähen. In seinem halbfertigen Status ist es auch schon ersetzt worden: Seit 8 Wochen habe ich ein angefangenes, sehr buntes und luftiges Sommerkleid hier liegen, das hoffentlich vor 2013 fertig wird.
    Das Verhalten der Vlieseline lasse ich mal einfach auf mich zukommen.

    viele Grüße, Lucy

    AntwortenLöschen
  12. Tolle Taille, und die Streifenbelege sowie die Paspeln finde ich auch toll. Wie dick das Baumwollgarn für die Paspeln war kann ich ja später noch nachfragen, werde mir mal eine Liste anlegen. Sommerkleider kann ich jetzt auch noch tragen, weil ich mir eine alte T-Shirttunika von H+M zu einem ganz eng anliegenden Unterkleid umgenäht habe. (Tip auch von Catherine, da natürlich ganz selbst genäht, sehr zu empfehlen).

    AntwortenLöschen
  13. Wirklich wundervoll das Kleid! Ich kann mich den anderen Kommentaren nur anschließen: ich hätte das Stück wohl niemals mehr fertiggenäht...
    Christel

    AntwortenLöschen
  14. Manchmal muß gut Ding einfach Weile haben ! Und es hat sich auf jeden Fall gelohnt ! Aber ich kenne sowas, vor ein paar Wochen habe ich mich auch an meine Kiste der unvollendeten rangemacht und einiges fertig gestellt und den Rest kurzer hand entsorgt. Jetzt liegt nichts mehr rum - hach ist das schön.
    Liebe grüße
    Eva

    AntwortenLöschen
  15. Super! Das steht dir (zumindest dem, was ich sehen kann ;-) ) richtig gut!!!

    AntwortenLöschen

Vielen Dank für deinen Kommentar!
Mit Abschicken des Kommentars erklärst du dich einverstanden, dass deine Angaben zu Name, Email, ggf. Homepage und die Nachricht selber gespeichert werden. Kommentare können auch anonym verfasst werden. Blogspot erfasst außerdem die IP-Adresse sowie Datum und Uhrzeit des Kommentars.
Der Kommentar kann jederzeit wieder gelöscht werden oder du kannst ihn durch mich entfernen lassen.
Mit dem Absenden deines Kommentars bestätigst du, dass du meine Datenschutzerklärung sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und sie akzeptierst.
Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, wenn sie Werbung oder Links zu Spam-Seiten u. ä. enthalten.