Donnerstag, 20. September 2018

Workshops beim Lillestofffestival und bald auch in Berlin


Am vorletzten Wochenende war wieder das Lillestofffestival in Hannover, das zweitägige Nähevent, über das ich hier und hier schon mal geschrieben hatte. Es war so (im positiven Sinn) irre wie die Jahre zuvor: Etwa tausend Frauen, die ein Wochenende lang in einer Messehalle nähen, reden, Stoff kaufen, Nähworkshops besuchen, Spaß haben - und abends und nachts geht die Party oft noch weiter. Am Samstagmorgen kam mir am Eingang zur Halle als erstes eine Frauengruppe entgegen, die einen Bierkasten schleppte. Denn - das finde ich so sympathisch an dem Festival - es ist keine durchkommerzialisierte Veranstaltung. Anders als bei Konzerten oder anderen Festivals, kann man sich zum Beispiel Getränke selbst mitbringen, wenn das (kostenlose) Wasser aus den Wasserspendern und der sehr gute (in der Eintrittskarte enthaltene) Kaffee vom Hannoveraner Café Vélo nicht reichen. Man merkt, dass die Organisatorinnen von Lillestoff einfach selbst gerne nähen und Stoffe lieben, und dass es deswegen dieses Festival gibt.

Der Stand von Lotte Martens
Die Verkaufsstände in der unteren Halle wechseln jedes Jahr und sind nicht auf Gewinnmaximierung angelegt, sondern geben auch kleinen, sympathischen Firmen die Gelegenheit, sich zu präsentieren - dieses Jahr zum Beispiel der belgischen Stoffdesignerin Lotte Martens mit ihren von Hand bedruckten, einfach wunder-wunderschönen Stoffen (die sie jetzt auch in einem eigenen Onlineshop anbietet, der auch nach Deutschland versendet, soweit ich sehe sogar zum Teil portofrei).

Ich hatte die Stoffe schon auf der Handarbeit&Hobby in Köln gesehen und war ganz hingerissen von den Mustern und den metallischen Farben der Drucke. Die Stoffe sind ganz anders als alles, was man sonst in Stoffgeschäften sieht, und nachdem ich zwei volle Tage um den Lotte-Martens-Stand herumgeschlichen war, kaufte ich am Sonntag Abend dann wirklich ein bedrucktes Stoffpaneel: Mittelfesten Viskose-Polyester-Twill in dunkelblau mit einem kupfergoldenen Druck. Seither habe ihn in Reichweite liegen und streichele ihn ab und zu. Hach.


Der schöne gemusterte Jersey rechts war im Goodie-Bag des Festivals - Modaljersey Breeze, eine tolle Farbe und ein schönes Muster, sehr fließend, mal sehen, was das wird.

Die Stoffe von Lotte Martens haben nicht nur schöne Muster, sondern auch eine besondere Haptik

Nachdem dieses peinliche Geständnis einer Stoffsüchtigen heraus ist, will ich aber endlich zu dem Thema kommen, weswegen ich eigentlich bloggen wollte: Die Workshops. Während des Festivals laufen eine Menge Näh- und andere Workshops, die man zusätzlich zum Festivalticket buchen kann. Wie in den zwei Jahren zuvor gab ich zwei verschiedene Upcycling-Workshops und dieses Mal ganz neu auch einen Workshop zu meinem Lieblingsthema, Stoffkunde.


Ich habe mich sehr gefreut, dass der Workshop tatsächlich ausgebucht war, obwohl das Thema auf den ersten Blick sicher nicht so sexy ist wie "wir nähen gemeinsam etwas schönes Neues" - aber Stoffe werden umso interessanter, je besser man sie kennenlernt, und man hört nie auf, zu lernen. Ich hatte für jede Teilnehmerin einen Stapel Stoffproben zum Mitnehmen geschnitten und eine Menge andere Stoffproben mitgebracht, so dass es viel zum Anfassen und Vergleichen gab, so dass man zumindest im Überblick einmal die verschiedenen Webarten kennenlernen konnte.

Blöderweise wurden die Fadenlupen, die ich eigentlich wirklich rechtzeitig bestellt hatte, nicht rechtzeitig zugestellt - oder besser gesagt, das Paket wurde irgendwo abgegeben und war dann erstmal weg, was mich ziemlich Nerven kostete. Am Dienstag nach dem Workshop bekam ich es dann endlich, und mittlerweile sollten alle Workshopteilnehmerinnen ihre Lupen per Post bekommen haben.

Der T-Shirt-Notarzt, bei dem löchrige oder fleckige T-Shirts durch "umgekehrte" Applikationen gerettet werden, ist fast mein Lieblingsworkshop, weil die Technik im Grunde ganz einfach ist, und die Ergebnisse immer total gekonnt und eben wirklich individuell aussehen, selbst wenn man vorgefertigte Schablonen nimmt. Ich suche vor jedem Festival nach neuen Motiven und schneide einige neue Schablonen, dieses Mal war der ganz reduzierte aber unverkennbare Pandabär neu dabei.


Der Workshop zum Oberhemden-Upcycling ist immer besonders spannend, weil das Ergebnis nicht vorgegeben ist und es jedes Mal eine Überraschung ist, welche Materialien und welche Ideen die Teilnehmerinnen mitbringen. In diesem Jahr war lustigerweise der Rock aus einem abgeschnittenen Oberhemd das beliebteste Modell, der in den Jahren zuvor noch nie genäht worden war, dafür gab es kaum Oberteile. Wie immer habe ich viel zu wenig Bilder gemacht (und einige aus Versehen schon gelöscht), daher hier stellvertretend nur zwei, eine schulterfreue Bluse und ein Kinderkleid.

An dieser Stelle auf jeden Fall nochmal vielen Dank an alle Teilnehmerinnen, es war wie jedes Jahr ein Vergnügen mit euch!

Upcycling-Workshops in Berlin


Beide Workshops - den T-Shirt-Notarzt und das Oberhemden-Upcycling - gibt es im September und Oktber auch in Berlin, und Anmeldungen sind jetzt möglich.

Der T-Shirt-Notarzt zur Rettung abgeliebter Jerseyoberteile findet am Sonntag, 30. September von 11 bis 13.00 Uhr im KungerKiezgarten Paradiesapfel (Bouchéstraße 75, 12435 Berlin) statt (bei schlechtem Wetter um die Ecke in der Galerie KungerKiez, Karl-Kunger-Str. 15) und kostet 5 €, Anmeldung unter klima@kungerkiez.de. Bringt löchrige, aber sonst noch gute T-Shirts mit, Jerseyreste, falls ihr habt, oder T-Shirts zum Ausschlachten, eventuell Stickgarn und eine kleine Schere. Informationen zum Workshop findet ihr auch hier auf der Seite des Klimaprojekts im Kungerkiez.

Oberhemden-Recycling ist am Sonntag, 28. Oktober von 10.30 bis 14.30 Uhr in der Galerie KungerKiez, Karl-Kunger-Straße 15, 12435 Berlin. Auch hier bitte unter klima@kungerkiez.de anmelden. Hier kann nach Herzenslust geupcycelt werden - große Hemden eignen sich besonders gut, aber wenn ihr zu rettende Liebligsstücke habt, dann kümmern wir uns auch darum. Bringt außerdem Nähzeug mit, soweit vorhanden, und da wir mit der Maschine nähen, wären Näh-Grundkenntnisse von Vorteil. (Dazu gibt es noch keinen Eintrag auf der Klimaprojekt-Webseite, das trage ich dann nach).

Bei beiden Workshops ist die Zahl der Teilnehmerinnen begrenzt, daher am besten gleich anmelden, wenn ihr kommen wollt.

Mittwoch, 5. September 2018

Das Kranich-Kaftan-Kleid (Fashionstyle Juni 2018)

An den letzten warmen Tagen möchte ich noch mein - vermutlich - letztes Sommerkleid für dieses Jahr zeigen. Im Grunde plante ich schon seit Jahren, mir ein ganz leichtes, weites Hochsommerkleid aus ganz dünnem Stoff für die Tage über 30 Grad zu nähen. In den vorigen Sommern ist dieser Plan nie gelungen, obwohl im Laufe der Jahre schon mehrere Schnittmuster für künftige Hochsommerkleider auserkoren waren. Aber immer war es dann schlagartig viel zu warm, um an der Nähmaschine zu sitzen - man glaubt gar nicht, wie viel Wärme selbst der Motor der Maschine abstrahlt, wenn man bei normalen Temperaturen davor sitzt. Ganz zu schweigen von der 15-Watt-Glühbirne in meiner alten Nähmaschine: bei mehr als 25, 26 Grad einfach unerträglich!


Dieses Jahr klappte das rechtzeitige Nähen, vermutlich, weil die Maschine jetzt LED-Beleuchtung hat und weil ich den Schnitt und den leider sehr unfotogenen Stoff fast gleichzeitig entdeckte, kaufte und genau dann eine kleine, zweitägige Abkühlung einsetzte, die es erlaubte, das Kleid zu nähen, so dass es dann pünktlich zur nächsten Hitzewelle fertig war.

Der Schnitt stammt aus der Fashionstyle-Ausgabe von Juni, einer Übersetzung der niederländischen Knipmode. Die deutschen Hefte erscheinen etwa einen Monat später als das Original, daher bekommt man die festlichen Silvesterkleider erst Ende Januar zu sehen - die Übersetzung braucht Zeit - aber dafür ist sie auch ziemlich gut. Die Schnitte sind nach meiner nicht sehr umfangreichen Erfahrung auch gut, fallen vielleicht ein bißchen groß aus. Im Sommer 2015 nähte ich ein Kleid aus im Hausflur gefundenen Stoff nach Fashionstyle-Schnitt, das mag ich sehr.


Das Kleid Nummer 9 aus der Juniausgabe (als Nummer 10 in Tunikaversion mit langen Ärmeln - man könnte also auch das Kleid mit diesen Ärmeln nähen) ist von der Grundlage her ganz einfach: Ein Vorder- und ein Rückenteil mit weiten, angeschnittenen kurzen Ärmeln, nur geformt durch zwei gesmokte Partien und einen hinten angenähten Stoffgürtel.


Durch den V-Ausschnitt mit einem breiten Beleg, die Schulterpasse und den kleinen Stehkragen, in dem ein Bindeband mitgefasst ist, ist das Kleid aber weit mehr als nur ein Sack mit Gummizug.

Beleg und innere Passe aus anderem Stoff

Den Ausschnittbeleg und den inneren Teil der Schulterpasse habe ich aus dünnem Baumwollstoff zugeschnitten, der etwas stabiler ist als die leichte Viskose, wodurch ich für den Beleg keine Einlage brauchte. Außerdem konnte ich Stoff sparen: Die Anleitung verlangt satte 3,05 m für Größe 38, ich hatte nur 2,70 m, schnitt den Gürtel und die Passe quer zum Fadenlauf zu, was sich wegen des Musterverlaufs sowieso anbot, und kam damit gut hin.

Smok mit transparentem Gummi von hinten - man sieht noch die blaue Vorzeichnung

Die gesmokten Partien habe ich etwas unorthodox mit feinem, transparentem Gummiband (wie Framilonband) gemokt: Stepplinie auf der linken Seite des Stoffes markieren, Gummi gedehnt auf die Linie legen und mit etwas länger eingestellten Stichen aufsteppen. Für die traditionelle Methode mit Gummifaden, der auf die Unterfadenspule gewickelt wird, fehlte mir der Gummifaden und auch die Muße, die Einstellungen der Maschine auszuprobieren.


Für meine Verhältnisse habe ich das Kleid wirklich in rasender Gewschwindigkeit innerhalb von zwei Tagen genäht - es ist erstaunlich, wie schnell das geht, wenn man einen Schnitt ohne Anprobieren einfach "aus der Packung" nähen kann, weil die Schnittform überall weit ist.

Ärmelabschluss mit einem Schrägstreifen, der nach außen umgeschlagen und aufgesteppt wird

Ein unförmiger Sack ist das Kleid trotzdem nicht, und es hat sich bei den im August noch folgenden Hitzetagen bewährt - sehr luftig, nicht einengend und leicht, dabei aber nicht durchsichtig, kann man morgens überwerfen, den ganzen Tag und Abend tragen, weil es überall hinpasst, und abends in die Wäsche werfen. Um für Hitzewellen umfassend gerüstet zu sein, müsste ich mehrere davon haben, aber das kann ich ja für nächstes Frühjahr anpeilen. So schön der Sommer war, jetzt freue ich mich ehrlich gesagt schon wieder auf Strickjacken und Wollröcke und die ganzen Herbstsachen.


Ob bundesweit noch Spätsommer- oder schon Frühherbstgarderobe getragen wird heute beim MeMadeMittwoch.

Die Details auf einen Blick

Schnitt: Fashionstyle Heft 6/2018, Modell 9
Material: Bedruckter Viskosestoff, 2,70m (bei Größe 38)
Änderungen: Ausschnittbeleg und innere Passe aus feinem Baumwollstoff zugeschnitten, äußere Passe und Gürtelteile wegen des Musters und aus Stoffspargründen quer zum Fadenlauf aufgelegt.