Am Sonntag noch einmal neben Lavendel und Kübelpalmen Kaffee getrunken, während ein Ahorn seine Blätter auf uns abwirft und da draußen das Weltfinanzsystem zusammenbricht. Der Herbst ist nicht mehr zu übersehen und auch das Futuro 13, das Ufo-Haus vom Strand im Funkpark in der Nalepastraße, ist inzwischen woanders hingeschwebt.
Die zwei Sommerblusen nach meinem Lieblings-Brigitte-Schnitt habe ich in der Woche zuvor vernünftigerweise noch fertig genäht, für den nächsten Sommer. Der Schnitt stammt aus einem der legendären Brigitte-Nähhefte, Modell 57 vom Sommer 2000. Die Hefte erschienen von 1992 bis 2000 einmal jährlich und sind der Grund, weshalb ich als Teenager überhaupt mit dem Nähen von Kleidung angefangen habe. Während ich die Burdahefte damals wegen der spießigen Kostümchen immer nur mit einem leichten Gruseln durchblätterte, gab es bei Brigitte genau die Schnitte, die ich nähen wollte: Leinenkleider, Wickelröcke, Westenoberteile...
Die Brigitte-Schnittmuster sind wunderbarerweise auch kaum gealtert - nur die Hosen trägt man heute etwas länger als damals. Die Schnitte wirkten bei ihrem Erscheinen sehr modern, ich erinnere mich, dass solche Sachen wie im Heft im allgemeinen erst ein Jahr später in den Läden hingen (also in den Läden, in denen ich einkaufen konnte). Brigitte orientierte sich an teuren Designerlabels, aber ohne die modischen Extreme.
Ich blättere die Hefte von Zeit zu Zeit wieder durch und bin jedes Mal überrascht, wie tragbar das meiste heute noch ist, ohne bieder zu sein. Die im Sommer allgegenwärtigen Tuniken zum Beispiel hatte Brigitte auch schon, die langen Röcke kommen jetzt gerade wieder und die Oberteile sind fast alle auch heute noch brauchbar - wenn sie denn in der richtigen Größe dabei sind. Leider (und jetzt kommen wir zum Negativen) sind die Schnitte jeweils nur in einer oder zwei Größen im Heft vorhanden. Es sind zwar Größen von 34 bis 46 vertreten, aber die Chancen stehen gut, dass das Teil, was ich gerne nähen möchte, gerade nur zwei Nummern zu groß oder zu klein zu haben ist. Da heißt es basteln, halt nein, vorher heißt es, den Schnitt aus den außerordentlich unübersichtlichen Schnittmusterbögen herauszukopieren. Die Grafikredaktion hatte offensichtlich die Vorgabe, die Schnitteile für jeweils 80 bis 100 Modelle auf nur vier Bögen unterzubringen und nur rot und schwarz zu benutzen. Nun ja, das ist ihnen gelungen. Dennoch, wenn diese Hürden genommen waren, konnte ich mich meistens über ein gut gelungenes Teil freuen, das ich dann bis zum Auseinanderfallen getragen habe. Der Vorgänger dieser Blusen hat fast acht Jahre gehalten und wird nun dieser Tage im Altkleidersack zur letzten Ruhe gebettet.