Mich gibt es noch! Der Januar und vor allem der Februar sind ohne Zweifel die härtesten Monate in Berlin, und nach drei Wochen Herumgeschnupfe und Erkältungs-Pingpong habe ich erst seit kurzer Zeit das Gefühl, dass es wieder aufwärts geht. Im Hintergrund ist aber einiges passiert, bald gibt es von neuen Büchern bei Schnatmyer&Derham zu berichten!
Noch in einem etwas vernebelten Halb-Erkältungszustand besuchte ich vor zwei Wochen eine sehr interessante Ausstellung von Modegrafik aus der DDR - "Zwischen Schein und Sein" - in den Reinbeckhallen in Oberschöneweide, die ich sehr empfehlen kann. Die Reinbeckhallen sind ein Teil des riesigen Industriekomplexes zwischen Wilhelminenhofstraße und dem Spreeufer, ehemals Standort des Kabelwerks Oberspree und der AEG. Vor einigen Jahren wurde in der Gegend die Hochschule für Technik und Wirtschaft angesiedelt, in den alten Hallen gibt es kleine Firmen und immer noch viele freie Flächen. Ein ganzer Komplex am Ende der Reinbeckstraße wird seit 2017 für Ausstellungen, Veranstaltungen und für Ateliers genutzt.
Die Modegrafik-Ausstellung fand ich sehr gut zusammengestellt und erläutert. Die Blätter, vor allem Zeichnungen, stammen von den Mitarbeiterinnen des Modeinstututs der DDR, das zu seinen Anfängen Kollektionen für die Bekleidungskombinate entwickelte. Später, als sich gezeigt hatte, dass die Entwürfe aus Gründen der Rationalisierung bei der Produktion und aus Mangel an passenden Materialien, wenn überhaupt nur vollkommen verwässert in den Handel gelangten, bekam das Modeinstitut einen direkteren Draht zu einigen Bekleidungsfabriken, die die Entwürfe für den Verkauf in Exquisit-Läden umsetzten. Dafür wurden schließlich sogar im Westen Stoffe und andere Materialien eingekauft.
Modellzeichnungen mit Stoffproben von Karin Klinger |
An den Zeichungen kann man zum Teil noch erkennen, wie mit ihnen gearbeitet wurde: Angeheftete Stoffschnipsel, von anderen Zeichnungen durchgepauste und eingeklebte Elemente, handschriftliche Bemerkungen zu Steppnähten, Schnittführung und Material.
Zeichnungen von Ursula Fehlig |
Andere Zeichnungen geben eher eine Atmosphäre, ein Lebensgefühl wieder. Das mag ich so an Modezeichnungen: Dass nicht wie bei einem Katalogfoto jedes Detail ausformuliert ist, sondern dass die Vorstellung immer ihren Teil dazutun und das Gezeichnete ergänzen muss.Bei Modezeichnungen setze ich meine Vorstellungskraft sehr gerne in Bewegung - während dieser Vorgang bei arg "künstlerischen" Modefotos, auf denen man das Kleidungsstück kaum erkennen kann, für mich meistens nicht funktioniert.
Zeichnung von Dorothea Melis |
Ich habe in der Ausstellung jedenfalls viele Entwürfe gesehen, die ich sehr gerne anziehen würde, und es hat mich besonders gefreut, in der Ausstellung über die Designerinnen des Modeinstituts auch etwas mehr zu erfahren. Die Ausstellung läuft noch bis zum 31. März, geöffnet ist immer Donnerstag bis Sonntag, am Freitag ist der Eintritt frei.
Auch die Umgebung der Hallen ist einen Spaziergang wert (wenn es nicht zu kalt ist). Eine durchgängige Uferpromenade führt jetzt bis zum Peter-Behrens-Bau (einst Verwaltung und Produktion der Neuen Automobil-Gesellschaft, 1917, jetzt Hochschule), in dessen fünften Stock es eine Cafeteria mit einem tollen Blick über Schöneweide gibt (Turmcafé Oberschöneweide). Ein paar Schritte weiter am Ufer ist in einem alten Hafenkran das Kranhauscafé. So weit bin ich bei meinen Ausstellungsbesuch in verschnupftem Zustand aber gar nicht gekommen . Da das Café Schöneweile direkt bei der Ausstellungshalle voll war, verschlug es Hern Nahtzugabe und mich in die Kranbar ein paar Schritte weiter (an dem Spazierweg, der zum Kaisersteg führt), und das war ein Volltreffer - sehr guter Kaffee, und so einen locker-cremigen Käsekuchen habe ich selten gegessen. Im Sommer, wenn man draußen sitzen kann, muss es dort traumhaft sein. Also auf nach Oberschöneweide!
Zwischen Schein und Sein
Modegrafik in der DDR 1960-1989
Reinbeckhallen
Reinbeckstr. 17, 12459 Berlin (Oberschöneweide)
noch bis 31. März 2019
Do+Fr 16-20.00 Uhr, Sa+So 11-20.00 Uhr
Eintritt 5€/3€ ermäßigt, freitags Eintritt frei