Sonntag, 27. Dezember 2015

Nähnerd-News: Nähnerdwort des Jahres, Nähmaschinenkauf, Textile Redewendungen und Cousu main

Weihnachtsbeleuchtung Leipziger Platz Berlin
Ein Zwischenruf vom Sofa und ein paar Linktipps:

  • Das Nähnerdwort des Jahres 2015 wird hier bei Chrissys Nähkästchen gesucht: Bis zum 30. 12., 12.00 Uhr läuft die Vorschlagsphase, abgestimmt wird dann bis zum Abend des 1. 1. 2016.
  • Entscheidungshilfe beim Nähmaschinenkauf: Marja Katz sammelt Erfahrungsberichte zu Nähmaschinenmodellen, sehr hilfreich für alle, die über eine neue Maschine nachdenken. Je mehr Maschinentypen beschrieben werden, desto besser und informativer, deshalb: Kopiert euch den Fragenkatalog, beschreibt eure eigene Maschine (die kein neues Modell sein muss) und verlinkt euch bei Marja Katz! 
  • Susannes Buch - Verflixt und Zugenäht - Textile Redewendungen gesammelt und erklärt ist so gut wie ausverkauft. Ich bin ganz geplättet (!) von dieser Resonanz und habe noch nicht ganz realisiert, was in den vergangenen gut 8 Wochen passiert ist. Damit hatte ich so nicht gerechnet, und Susanne, glaube ich, auch nicht. Vielen Dank vor allem für die vielen begeisterten, netten Mails, die ich im Zusammenhang mit den Bestellungen bekommen habe und das Lob und die ermutigenden Gespräche, beim Bloggerinnentreffen in Köln und bei anderen Gelegenheiten! Susanne und ich denken über neue Projekte nach, und eine zweite Auflage des Buchs wird es im Frühjahr möglicherweise auch geben.       
  • Kostproben aus Verflixt und Zugenäht gab es in den letzten Wochen im Adventskaleder in Susannes Blog, Textile Geschichten: Woche 1, Woche 2, Woche 3, 24. Dezember, und wie gesagt, ein par Exemplare sind noch zu haben.  
  • Die deutsche Nähsendung im TV war ja letztlich nur mittelprächtig (eventuell raffe ich mich hier doch noch zu einem kurzen Fazit auf), der französische Sender M6 beginnt nun das neue Jahr mit der zweiten Staffel seiner Adaption des Great British Sewing Bee: Cousu main läuft ab dem 2. Januar um 18.00 Uhr. Ich nehme an, dass man die Sendung auf der Webseite dann zeitversetzt anschauen kann, das versuche ich noch genauer herauszufinden! 
Weihnachtsbeleuchtung Potsdamer Platz

Freitag, 18. Dezember 2015

Buchvorstellung: "Nähen mit Kork" von Carmo da Silva [Rezension]


Kork ist derzeit ein Trendmaterial, das offenbart selbst ein flüchtiger Blick in Einrichtungs- und Designblogs: Korkuntersetzer, Korktapeten, Korkfußböden und nicht zuletzt Korkpinnwände, wie sie manche von uns schon in den 1980ern im "Jugendzimmer" hatten, sind zurück. Gleichzeitig erschienen im Herbst einige Bücher, die sich dem Basteln mit Kork in verschiedenen Erschheinungsformen widmeten. Stoff aus Kork, der mit der Schere geschnitten und mit der Maschine genäht werden kann, ist ein relativ neues Material, und darum geht es in dem Buch "Nähen mit Kork" von Carmo da Silva, die in Hannover einen Laden für Korkstoffe und Korkprodukte führt.


Ihr Buch erklärt zunächst die Herkunft des Korks, die Ernte und Weiterverarbeitung. Der verwendete Korkstoff - es gibt ein dünneres Material mit 0,7 mm Stärke und ein dickeres mit 1 mm Stärke - besteht aus miteinander verleimten Korkplatten, die dünn aufgeschnitten und mit wasserlöslichem Kleber auf einen Trägerstoff geklebt werden, so dass Meterware mit 1,40 m Breite entsteht. Korkstoff, so die Autorin, ähnelt Leder, ist ebenso flexibel und haltbar, und wird auch wie Leder verarbeitet: Mit Jeansnadeln oder Ledernadeln und mit größerer Stichlänge genäht, statt Stecknadeln verwendet man besser Klammern, da sich Löcher im Material nicht schließen.


Gut gelöst finde ich in dem Buch, dass die Anleitungen für die Projekte jeweils direkt auf die Fotos folgen. Das Nähen dürfte Dank der sehr deutlichen Grafiken, die jeden Schritt bebildern, auch für Nähanfänger kein Problem sein.

Es gibt Anleitungen für Dinge für die Wohnung (Bestecktasche, gefütterte Körbchen, Buchumschlag, Kosmetiktasche, Rolletui, eckige Schale, Sitzsack, Tischset oder Schreibtischunterlage, Yogakissen), Sachen für Kinder und Eltern (Babyschuhe, Lätzchen, Wickeltasche, Reißverschlusstäschchen in Tierform, Windeltasche), Kleidung (Schirmmütze, Gürtel, ein einfacher Wickelrock, Schürze) und weitere Taschen: eine Laptoptasche, ein einfacher Rucksack, eine Shoppertasche, eine große Tasche mit Streifenaufteilung und die unvermeidliche Taschentüchertasche. Die Schnitte sind auf einem sehr übersichtlichen Schnittmusterbogen aus kräftigem Papier gedruckt.


Die Modelle sind schlicht, ohne viel Verzierungen, aber zum Teil ungewöhnlich konstruiert, so dass das Material für sich wirken kann. Details wie eingehämmerte Ösen, aufgesteppte Baumwollbänder, Schnallen und Kordeln, die mit dem Korkstoff kombiniert werden, geben ihnen einen sehr professionellen Anstrich. Das sind Dinge, die auch designverliebten Handarbeitsskeptikern gefallen werden, gleichzeitig erscheinen die Anleitungen sehr gut umsetzbar.

Das größte Hindernis dürfte in den hohen Preisen der Korkstoffe liegen: Sie werden im Netz nicht umsonst in Zentimeterschritten verkauft. Das hielt mich dann doch davon ab, ein, zwei Modelle, die mir besonders gut gefielen, wie zum Beispiel die Schürze oder das Rolletui, tatsächlich auszuprobieren. Ein Testlauf mit günstigerem Stoff ist zu empfehlen, ehe das kostbare Naturmaterial angeschnitten wird. Aber ich vermute, dass Korkstoff wie Leder sehr schön altert und dass man daher sehr lange etwas von den selbstgenähten Dingen hat. Vielleicht kommt mir ja mal ein günstiger Korkstoffrest unter, so dass ich dieses interessante Material ausprobieren kann. Bei einem Notizbuch mit Korkeinband (dem einzigen Korkprodukt hier im Haus) finde ich die Haptik jedenfalls sehr schön, sehr warm und angenehm.

Carmo da Silva
Nähen mit Kork
LV-Buch Münster 2015
114 Seiten, 19, 95 €
ISBN 978-37843-5380-7

[Das Rezensionsexemplar wurde mir von der Agentur Buch Contact zur Verfügung gestellt.]

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Von Schneckenmützen und Brioche


"Strickanleitungen stricken, die so heißen wie Dinge aus Frankreich, die man essen kann", könnte das heimliche Motto meiner letzten Strickversuche lauten. Ist aber alles gar nicht so raffiniert, ich hing nur (wieder oder immer noch, das weiß ich nicht so genau) erkältet auf dem Sofa herum, Nähen war mir einfach zu anstrengend. Mit viel Strickzeit und keinem richtigen Strickprojekt probiere ich gerne mit Resten neue Muster und Techniken aus, die mich interessieren. Überhaupt stricke ich öfter mal Schals, Tücher oder Mützen aus Neugier an, um zu sehen, wie sie sich stricken und wie sie aussehen, und um zu entscheiden, ob ich dafür Material anschaffen soll. Weil man das Gestrickte ohne Verlust wieder aufmachen kann, mache ich das sogar viel häufiger als Probemodelle beim Nähen.

Die Schneckenmütze Escargot aus Knitty 2012 fand ich gleich auf Anhieb gut, als das Muster erschien, aber die Gefahr, dass die Mütze an mir auch total bekloppt aussehen könnte, auf die Die Linkshänderin zuletzt im Kommentar zu sprechen kam, ahnte ich auch voraus. Deshalb ein Probeteil zum Anprobieren aus Resten.

Passt! Und ähnelt tatsächlich den niedlichen kleinen Flapper-Hütchen, die man von Fotos der 1920er Jahre kennt. Deshalb habe ich heute zwei Knäuel drops Nepal in schwarz gekauft, die Schneckenkanten stricke ich aus einem Rest beigebraun. Ich hoffe, dass die Mütze dann zu möglichst vielen Sachen passt - zweifarbige Strickaccessoires finde ich gar nicht so leicht zu kombinieren. Von der Besitzerin des netten Wolladens bei mir in der Straße kam der gute Tipp, lieber die Alpaca-Wollmischung für eine Mütze zu nehmen als Merino, weil sich die Merinowolle von drops beim Waschen ziemlich stark ausdehnt (Big Merino stärker als Baby Merino).


Ja, und dann habe ich zweifarbiges Patentstricken ausprobiert, eine Technik, die auf englisch "brioche" genannt wird. Von Westknits gibt es ein kostenloses (englisches) Strickmuster für einen Schal mit einer guten Erklärung der Technik. Stephen West, der Westknits-Designer, belegte selbst einen brioche-Strickkurs und schrieb über die Auswirkungen "I quickly felt the urge to cover my whole body in brioche stitch and you will too!" - keine Übertreibung, das Stricken macht süchtig! 

Ich habe ja ewig kein Patent mehr gestrickt und hatte ganz vergessen, was für eine plastische, angenehme, dehnbare Struktur dabei entsteht, und beim zweifarbigen Patent ist es faszinierend, wie die zweite Farbe bei den linken Maschen jeweils verschwindet und bei den rechten Maschen hervortritt. Schon allein um dieses Effektes willen muss man einfach immer weiter stricken. 


Jede Reihe wird zwei Mal gestrickt, erst mit der dunkleren Farbe, dann wird das Gestrickte wieder an den Anfang der Rundstricknadel geschoben und die Reihe ein zweites Mal mit dem helleren Garn gestrickt. (Auf Deutsch wird das hier beschrieben und eine Anleitung mit Video gibt es auch). Die Vorderseite hat dann dunkle Rippen mit hellen Zwischenräumen, die Rückseite umgekehrt.

Ich überlege, ob ich meine Reste durch ein paar weitere Knäuel in blau und braun ergänze und den Schal weiterstricke, aber andererseits könnte ich mit der Briochetechnik auch dieses Tuch stricken, oder dieses Muster - Brioche kombiniert mit Lochmuster und kraus rechts. Meine neue Faszination für die Technik muss auf jeden Fall in ein Strickstück münden. Mal sehen.

Dienstag, 15. Dezember 2015

Die Spendenaktion des MemadeMittwoch 2015: Wir unterstützen "Made auf Veddel"

Mittlerweile ist es schon eine schöne Tradition geworden, dass wir vom MemadeMittwoch-Team zum Ende des Jahres auf ein Projekt aufmerksam machen, das die Ausbildung und Selbständigkeit von Frauen fördert und das für seine Arbeit auf Spenden angewiesen ist.

Dieses Jahr haben wir uns für Made auf Veddel entschieden. Der Hamburger Verein ermöglicht es Frauen mit Migrationshintergrund, mit dem Geld zu verdienen, was sie können: Mit Stricken und Häkeln. Die Produkte werden dabei von der Designerin Sibilla Pavenstedt entworfen und aus hochwertigen Materialien umgesetzt - das ermöglicht hohe, und damit angemessene Preise für die Handarbeit und damit auch eine angemessene Bezahlung der Handwerkerinnen. Nächstes Jahr will der Verein ein entsprechendes Projekt für geflüchtete Frauen hochziehen.

Über das Projekt informieren könnt ihr euch auf der Webseite des Vereins Made auf Veddel und hier im MemadeMittwoch-Blog, finanziell unterstützen könnt ihr es über den Spendenbutton unten oder über die Aktionsseite bei betterplace. (Die Höhe der Spende ist frei wählbar, tragt einfach euren Wuschnbetrag ein, und die zusätzliche Spende an betterplace nicht zwingend notwendig, die Auswahl kann auf "0" gesetzt werden. Spenden ist möglich per Bankeinzug, Kreditkarte, Paypal oder Giropay).

Natürlich haben wir uns als Dankeschön für eure Unterstützung wieder etwas ausgedacht: Dieses Jahr wird es rätselhaft - und hoffentlich lustig!  


Sonntag, 13. Dezember 2015

Meine Nähmaschine: Bernina 350 PE - der Nähmaschinenfragebogen von Marja Katz

Bei twitter kamen wir neulich auf Nähmaschinen zu sprechen, und Marja Katz, die über eine Neuanschaffung nachdenkt, setzte nun kurzerhand einen Fragebogen auf, der die technische Ausstattung der Maschinen aus Nähnerd-Sicht erfasst, als Entscheidungshilfe für alle, die sich eine neue Maschine zulegen möchten. Das trifft sich gut, denn mit meiner Neuen nähe ich nun seit fast einem Jahr und plante sowieso einen Blogartikel über sie. Die Sammlung aller Erfahrungsberichte zu Nähmaschinen findet sich hier bei Marja Katz. Tily - Frl. Ideal erstellte außerdem Anfang des Monats eine nützliche Checkliste für den Nähmaschinenkauf zum Herunterladen.

Hier der Erfahrungsbericht zu meiner Maschine, der Bernina 350 PE ("PE" steht anscheinend für "Patchwork Edition").


 

Anschaffung und Folgekosten


Welches Modell hast Du, welchen Preis hatte Deine Nähmaschine und wann hast Du sie gekauft?

Die Bernina 350 PE  wird derzeit, was ich so sehe, derzeit überall zum Preis von 1259,- € verkauft, sie war ein (unfassbar großzügiges) Geschenk zu meinem Geburtstag letztes Jahr, d.h. ich benutze sie seit Ende Dezember 2014.

Findest Du das Preis-Leistungs-Verhältnis angemessen?

Ich hätte selber niemals so viel Geld für eine Nähmaschine ausgegeben (meine Schmerzgrenze liegt so bei 700, 800 €) und das etwas großsprecherische Image der Marke Bernina (die besten und die teuersten) hätte mich bei einer Kaufentscheidung auch eher abgestoßen. Ich hätte sicher eine Marke mit mehr Understatement gewählt und z. B. eine  Juki gekauft, aber ich muss zugeben: Die Bernina näht wirklich wunderbar und präzise, ist sehr leise und macht einen technisch sehr soliden Eindruck. Das Nähgefühl ist butterweich, sie schnurrt leise, nichts klappert, und die automatischen Knopflöcher sind zum Niederknien. Sie näht definitiv besser als jede andere Maschine, die ich bisher ausprobiert habe.
Wenn sie jetzt auch noch die nächsten 10 Jahre hält, ist der Preis angemessen.  

 Welche Eigenschaften waren für Dich ausschlaggebend für die Kaufentscheidung?

Auch wenn es nicht meine Kaufentscheidung war, sie erfüllt die Kriterien, die für mich beim Aussuchen einer neuen Maschine wichtig gewesen wären, voll und ganz: Sie näht einen sehr guten Geradstich in allen Materialien und sehr gute Knopflöcher. Sie ist dabei klein und daher leicht verstaubar (ich habe kein Nähzimmer) und gut transportierbar. Wichtig war mir auch der Kniehebel, mit dem man den Nähfuß anheben kann, und die Möglichkeit einzustellen, ob die Nadel beim Anhalten oben oder unten im Stoff stehen bleiben soll, beides hat sich beim Nähen fitzeliger Kleinteile schon sehr bewährt.

Der Nähfußdruck der Maschine lässt sich nicht verstellen, damit habe ich eine Weile gehadert - und deshalb hätte ich die Maschine selbst nicht gekauft -, nach einem Jahr Näherfahrung kann ich aber feststellen, dass sich auch dehnbare, schwierige Materialien ohne Verziehen mit der Maschine gut nähen lassen, die zusätzliche Justierungsmöglichkeit über den Nähfußdruck braucht es aus meiner Sicht nicht.  

Ein paar Eigenschaften, die ich vorher nicht auf dem Schirm hatte, habe ich inzwischen sehr schätzen gelernt: Auf die Unterfadenspulen passt unfassbar viel Garn, das Aufspulen wird von einem separaten Motor besorgt, der nichts mit dem Antriebsmotor zu tun hat, d. h. man muss nicht den Nähmotor von der Näheinheit abkoppeln und an die Spuleinheit ankoppeln. Ich habe den Eindruck, dass die Spuleinheit daher viel effizienter und weniger fehleranfällig ist, als bei den Maschinen, wo das der Nähmaschinenmotor macht. Die Unterfadenspulen werden, wie man das von CB-Greifern kennt, von vorne eingelegt, der Unterfaden muss aber nicht heraufgeholt werden - man zieht ihn über den Fadenabschneider, macht die Klappe zu und näht los.


Wieviel Zubehör wird mitgeliefert und wie teuer ist ein eventuelles Nachrüsten von Zubehör, z.B. Nähfüßchen?

Neben dem Standardnähfuß gehörte der Fuß für automatische Knopflöcher, ein schmaler Fuß zum Einnähen normaler Reißverschlüsse, ein Fuß für den Blindstichsaum (noch nicht benutzt), der offene Stickfuß (besonders breit, nimmt man für Zierstiche, brauche ich eher nicht) und ein Patchworkfuß (Nähen mit exakt 6mm oder 3mm Nahtzugabe) zu der Maschine. Außerdem ein Obertransportfuß, bei dem ich mich zuerst gefragt habe, wozu ich sowas brauche, der mich mit seiner Performance bei Kunstleder aber vollkommen überzeugt hat.

Dann gabs noch den üblichen Kleinkram, also Unterfadenspulen, kleiner Schraubenzieher, bißchen Öl, ein Kantenlineal, Nahttrenner, Pinsel, und, sehr nützlich, auch wenn ich in der Handhabung noch nicht geübt bin: Ein Set Ausgleichsplättchen zum Nähen an sehr unebenen Stellen, z. B. am Rand von Taillenbändern, wenn der Nähfuß ohne Ausgleich halb in der Luft hängen würde.

Was mich nervt:

An der Maschine gibt es keine Aufbewahrungsmöglichkeit für die Zubehörteile. Mitgeliefert wurde ein billig wirkendes Reißverschlusstäschchen, in dem die Teile locker herumfliegen, ich habe inzwischen eine Bentobox dafür umfunktioniert.

Die Zierstichauswahl ist auf eine lose Plastikkarte in Postkartengröße aufgedruckt, die man zwar in eine Rille an der Maschinenoberseite stecken kann, die aber ansonsten keinen Platz hat und dazu prädestiniert ist, verloren zu gehen. Da ich die Zierstiche nicht nutze, nervt diese Karte nur ein bißchen, ich finde die Lösung aber auch aus Designgesichtspunkten hilflos: Wir reden hier vom so genannten "Mercedes unter den Nähmaschinen", und den Bernina-Designern fällt nichts Besseres ein als eine lumpige Plastikkarte? 

Wieviel Zubehör gibt es insgesamt für Deine Nähmaschine, welches davon hast Du und welches davon nutzt Du am meisten? Welches möchtest Du unbedingt noch anschaffen?

Für die Maschine gibt es - wie bei Bernina üblich - einen ganzen Katalog von Zubehör zu recht happigen Preisen, Nähfüße kosten etwa 20 bis 50 €, dafür gibt es auch für jeden Spezialanwendungsfall einen passenden Fuß. Bernina ähnelt auch in der Hinsicht Mercedes (oder Apple, wo wir gerade dabei sind), dass es sich im Prinzip um ein proprietäres System handelt: Günstige Zubehör-Nachbauten, die auch funktionieren, gibt es nicht. Ich habe daher noch kein Zubehör gekauft, werde mir aber auf jeden Fall den Fuß für nahtverdeckte Reißverschlüsse gönnen - der universelle Plastikfuß von Prym passt nämlich auch nicht. 

War Deine Nähmaschine schon einmal kaputt? Kannst Du eine Aussage darüber machen, ob die Reparatur- oder Wartungskosten hoch sind (z.B. aufgrund aufwendiger Elektronik)?

Zu dem Punkt kann ich noch nichts beitragen (und ich hoffe, das bliebt ganz lange so).

Wo würdest Du Dein Modell einordnen (Holzklasse, Mittelklasse, Luxusklasse) und für wen würdest Du es empfehlen (Anfänger, Fortgeschrittene, Profi)

In meiner Welt ist die Maschine ganz klar ein Luxusgerät, da man aber sachlich betrachtet auch locker das drei- bis vierfache ausgeben könnte, könnte man sie auch als "Mittelklasse" einordnen. Ich finde sie im Prinzip leicht bedienbar und daher auch für Anfänger geeignet, wobei die Anleitung besser sein könnte (siehe unten). Für Fortgeschrittene gibt es aus meiner Sicht wenig, was man sich noch zusätzlich wünschen könnte.

Praktikabilität


Wie groß und wie schwer ist Deine Nähmaschine?

Die Maschine ist klein (ca. 35x30x17 cm) und wiegt laut Datenblatt 8,5 kg - ziemlich viel für die Größe, es ist eben ziemlich viel Metall drin.
 
Kommt Deine Nähmaschine für einen Auf- und Abbau bei flexiblen Arbeitsplätzen in Frage oder ist sie eher für feste Arbeitsplätze geeignet?
Wie aufwendig ist Abbau/Verpackung/Transport für gemeinsame Nähkränzchen?

Das Gewicht ist bestimmt nichts, was man lange herumschleppen möchte, die Maschine passt aber gut in einen mittelgroßen Rollkoffer, damit ist der Transport auch ohne Auto unproblematisch. Nur mit der mitgelieferten Abdeckhülle würde ich die Maschine auf keinen Fall transportieren - die ist nur gegen das Einstauben nützlich, wenn die Maschine irgendwo längere Zeit steht. Zuhause lässt sie sich leicht und schnell beiseiteräumen und braucht nicht viel Platz.  

Lässt sich die Nähmaschine gut reinigen oder kommst Du an einige Stellen gar nicht heran?

Es soll lediglich der Greifer (den kann man wie alle CB-Greifer auseinanderbauen) gereinigt und geölt werden, alles andere erreicht man nicht. Da ich aus alter Gewohnheit mit den vollmechanischen Maschinen das Aufschrauben und Reinigen gewöhnt bin, macht mich das etwas irre, aber ich beherrsche mich. Das Gehäuse und die Greiferumgebung wirken aber auch so dicht, dass da vermutlich wirklich kein Staub reinkommen kann.  

Wie ist die Helligkeit der Beleuchtung?

Sehr hell, ohne Schatten, mit mehreren LED-Leuchten.

Wie laut ist die Maschine?

Sie schnurrt sehr schön, leise und gleichmäßig, auch bei hoher Geschwindigkeit. 

Ist die Maschine intuitiv bedienbar?

Ja, die Stiche haben Nummern, die durch Zahlentasten angewählt werden, die zweite Ebene der Stiche (ab Nr. 10) erreicht man durch Drücken der Rautetaste, mehr muss man sich nicht merken. Das Verstellen der Nadelposition (oben/unten bzw. 9 Positionen von rechts nach links), der Stichlänge und der Stichbreite macht man mit Pfeiltasten an einer LCD-Anzeige, ganz anschaulich, allerdings sind die Skalen auf der Anzeige bei Kunstlicht nicht so gut zu erkennen. Fürs Rückwärtsnähen, Vernähen und Start/Stopp gibt es einzelne Tasten. Mit der Speichermöglichkeit für Stichkombinationen habe ich mich noch nicht beschäftigt.


Ist die Bedienungsanleitung ausführlich genug?

Im Prinzip ja, man bekommt ein 50-seitiges, spiralgebundenes Heft mit vielen Grafiken und einigen Schwarz-weiß-Fotos. Im Detail merkt man, dass bei Bild und Text Nähmaschineningenieure am Werk waren, die einen gewissen Fachidioten-Blick auf die Maschine haben und sich in den Wissensstand von Nähmaschinen-Anfängern nicht hineinversetzen können.

So wird zum Beispiel nicht erwähnt, dass man beim Nähen mit dem Reißverschlussfuß die Nadelposition ganz nach rechts oder ganz nach links verstellen muss, sonst knallt die Nadel auf das Füßchen. Die Bedienung des Nadeleinfädlers habe ich erst nach einem youtube-Video verstanden - auf den Zeichnungen in der Anleitung konnte ich nicht erkennen, wo der Faden entlanggeführt werden muss. Nähmaschinen-Anfängern würde ich daher empfehlen, sich die Bedienung der Maschine im Geschäft zeigen zu lassen. 

Kann man die Nähmaschine auch ohne Pedal bedienen?

Ja, per Start-Stopp-Knopf auf der Vorderseite der Maschine. 


Näheigenschaften


Welche Nähmaschine(n) hattest Du bisher? Wie schätzt Du Deine Maschine im Vergleich dazu ein?

Vorher hatte ich eine rein mechanische Möhre der Holzklasse aus den frühen 90ern, die zuverlässig nähte, aber ohne jeglichen Komfort. Mit Brother-Maschinen verschiedener Preisklassen (mit Horizontalgreifer) und einer mechanischen Veritas habe ich zwischendurch auch ab und zu genäht. Mit diesen Maschinen lässt sich die Bernina nicht vergleichen - da liegen Welten dazwischen.   

Wie oft nähst Du? Was nähst Du hauptsächlich und findest Du Deine Nähmaschine dafür ungenügend, perfekt ausreichend oder etwas oversized?

Ich nähe mindestens einmal in der Woche, mit der Bernina habe ich wegen Abgabeterminen aber auch schon 3 Wochen mehr oder weniger am Stück durchgenäht. Ich nähe hauptsächlich Kleidung, selten mal ein bißchen Patchwork oder Deko-Kleinkram. Dafür ist die Maschine perfekt ausgestattet. 

Welches Feature fehlt Dir für Deine Näharbeiten und auf welches Vorhandene möchtest Du auf gar keinen Fall verzichten?

Mir ist bisher noch kein fehlendes Feature aufgefallen. Für größere Quiltarbeiten kann ich eine große, mechanische Maschine nutzen, denn dafür finde ich den Raum rechts von der Nadel bei der Bernina zu klein, aber es ist ja logisch, dass eine kleine Maschine keinen großen Durchgangsraum haben kann.

Auf die automatischen Knopflöcher - immer perfekt, immer gleich lang - würde ich nicht mehr verzichten wollen, und der Fadenabschneider links neben der Nadel ist extrem praktisch.
 
Hat Deine Nähmaschine Features, die Du für unsinnig hältst?

Der Geschwindigkeitsregler - ich konnte bisher keinen Unterschied im Nähverhalten feststellen, wenn ich die Nähgeschwindigkeit auf "langsam" stelle. Das bedeutet vermutlich, dass ich generell immer eher langsam nähe.

Welche Knopflochfunktion(en) hat Deine Nähmaschine und bist Du damit zufrieden? Was könnte besser sein?

Sie näht Wäscheknopflöcher mit geraden Riegeln am Abschluss - auch mit Garneinlage - und Augenkopflöcher, sowohl vollautomatisch gesteuert, als auch manuell. Wenn man die Tipps in der Anleitung beherzigt und z. B. den Unterfaden etwas anders einfädelt, werden die Knopflöcher sehr gut. Bei kniffeligen Stellen, wie am Bundende, sollte man Ausgleichplättchen unterlegen. Die Zeit- und Nervenersparnis durch die Automatikfunktion kann ich gar nicht beziffern: In der Zeit, die ich früher allein zum Anzeichnen brauchte, sind die Knopflöcher jetzt schon genäht, und alle perfekt gleich lang...

Potentielle Problemzonen


Wie näht Deine Nähmaschine enge Rundungen?

Ich finde sie wendig, hatte beim Kurvennähen aber auch mit meinen früheren Maschinen keine Probleme. Der Kniehebel und die Nadel-unten-Einstellung ist außerdem praktisch, wenn man bei sehr engen Rundungen öfter anhalten und den Stoff drehen muss. 
 
Ist das Stichbild sauber, auch bei sehr dickem Nähgut oder sehr schnellem Nähen?

Die Maschine näht einen sehr guten Geradstich, geht auch durch dicke Jeanssäume durch wie Butter, und ich hatte den Eindruck, dass ich die Höchstgeschwindigkeit bisher noch gar nicht ausgereizt habe. Empfindlich reagiert sie auf sehr billiges Garn, das macht sich sofort auf der Nahtunterseite bemerkbar: Der Geradstich bildet kleine Schlaufen, beim Zickzack werden Stiche ausgelassen, die Maschine klackert vernehmlich. Das ist dann aber wirklich altes Zeug aus verwerflichen Quellen, das man besser eh nicht vernähen sollte - mit dem billigen Garn von Stoff&Stil näht sie z. B. sehr gut. 

Ist der Stofftransport gerade und gleichmäßig, auch wenn Du den Stoff nicht aktiv führst?
Ist ein sauberes Nähen an Stoffkanten möglich, ohne dass sich die Naht oder der Stoff zusammenzieht? (Nahtanfänge, versäubern)

Ja und ja. Manchmal wird der Fadenanfang zu einem Knödel auf der Unterseite zusammengezogen, was ich verhindern könnte, wenn ich immer daran dächte, den Faden ordentlich nach hinten zu legen.

Werden elastische Stoffe problemlos genäht oder wellt der Stoff?

Obwohl der Nähfußdruck nicht angepasst werden kann, bin ich mit dem Nähen elastischer Stoffe zufrieden. Vielleicht wäre die Verarbeitung mit regulierbarem Nähfußdruck noch einen Tick besser möglich - aber sie ist jetzt schon besser, als ich sie bei meiner früheren Maschine mit viel Einstellerei erreichen konnte.

Wie ist die Kontrolle über Nähgeschwindigkeit? Ist sehr schnelles oder sehr langsames Nähen (Stich für Stich) möglich?

Man kann die Maschine über das Fußpedal ganz einfach auch Stich für Stich nähen lassen - das ist überhaupt das Beste im Vergleich zu meiner alten Maschine, die nur die Geschwindigkeiten "schnell" und "sehr schnell" kannte, langsam Losnähen war nicht möglich. Laut Datenblatt schafft die Bernina 900 Stiche in der Minute, ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt schon so schnell genäht habe.




Bei welchen Nähfragen kommst Du an die Grenzen Deiner Nähmaschine? Was funktioniert überhaupt nicht?

Elastisches Kunstleder war bisher die größte Herausforderung für die Maschine, es wurde schlecht transportiert und wellte sich extrem, und ich packte als letzte Maßnahme den Obertransportfuß aus. Der Effekt war unglaublich: So eine exakte Naht ohne Versatz habe ich noch nie gesehen. Der Stoff wurde absolut präzise geführt, daher denke ich, dass es im Grunde kaum eine technische Grenze für die Stoffverarbeitung gibt. 

Wie ist Dein abschließendes Gesamturteil in Kurzform? Auf einer Skala von 1 bis 5 – wieviel Sterne würdest Du Deiner Nähmaschine geben und warum?

Ich würde der Maschine 4 von 5 Sternen geben, sie ist in meinen Augen sehr, sehr gut, aber nicht perfekt. Gemessen am Anspruch Berninas, die besten Haushaltsnähmaschinen der Welt zu bauen, gäbe es in manchen Details noch Verbesserungsmöglichkeiten. 

Freitag, 4. Dezember 2015

Perlen der Provinz: Die Woll-Lust in Langenzenn

Die lebenswichtige Versorgung mit Handarbeitsmaterialien ist auf dem Land ja oft ein kleines Problem. Zu Familienbesuchen bin ich regelmäßig in der Nähe von Nürnberg, und nie versäume ich, mir vorher ein kleines Strickpaket zusammenzustellen, mit genügend Wolle und Anleitungen für die Dauer des Besuchs. Irgendwann sitze ich doch mit der Schwiegeroma vor dem laufenden Fernseher beim Bergdoktor, oder es kommen schlimme Gesprächsthemen auf, die ich mit Strickhilfe wunderbar ignorieren kann.



Im Anschluss an das Kölner Bloggerinnentreffen fuhr ich wieder nach Franken - aber diesmal nur mit Wollresten und zwei ausgedruckten Anleitungen. Ich setzte alles auf eine Karte: In Langenzenn, in der Nähe von Fürth, hatte ich beim letzten Besuch bei einer Umleitung der Hauptstraße im Vorbeifahren einen Wolladen erspäht. Die Wollreste waren nach der Zugfahrt Köln-Nürnberg schon verstrickt (ein Testlauf der Escargot-Mütze), ich brauchte dringend Nachschub!

Glücklicherweise erwies sich die Woll-Lust als ein Laden ganz nach meinem Geschmack: Es gibt vorwiegend reine Naturfasergarne von Lana Grossa, Austermann und On-line, ein bißchen Sockenwolle, auch ein bißchen Acryl, aber keine komischen Polyester-Fransengarne. Das ist für mich immer das Kriterium, die Ernsthaftigkeit eines Wollgeschäfts einzuschätzen: Wie ist das Verhältnis von Plastik-Effektgedöns zu richtiger Wolle? Noch dazu ist der Besitzer freundlich, gesprächig und kennt sich mit seiner Wolle aus - was will man mehr?

Ich fand wunderbar weiches Garn, Merino und Mohair-Seide, passend zu der zweiten ausgedruckten Anleitung, Fringed von Westknits, der begleitende Mann ließ sich zum Kauf einer Häkelnadel und eines Knäuels dicken Farbverlaufsgarns hinreißen (geplant ist eine Mütze - falls das etwas wird, biete ich ihm hier einen Gastpost an).

Als fast-nur-Dropsgarn-Verstrickerin muss ich bei normalen Wollladenpreisen immer etwas schlucken, aber jetzt, nachdem ich schon einige Meter verstrickt habe muss ich zugeben: Das ist schon anderer Stoff. Bei den Garnen von Drops ist mir vieles zu kratzig, um es mir um den Hals zu schlingen, und die teils gedämpften Farben treffen auch nicht immer meinen Geschmack. Es ist schön, mal etwas anderes auf den Nadeln zu haben, und noch schöner, dass ich jetzt weiß, dass es in der Nähe des Familienbesuchs-Bermudadreiecks immer Wollnachschub gibt!    

Woll-Lust Langenzenn
Klosterstraße 1
90579 Langenzenn

Oktober bis Februar täglich durchgehend geöffnet, von März bis September kürzere Öffnungszeiten, siehe Webseite!
http://www.woll-lust-langenzenn.de/

Mittwoch, 2. Dezember 2015

Ein Oversize-Experiment - Mantel Burdastyle 128, Heft 8/2014

Heute mal schlecht gestylte MemadeMittwoch-Fotos mitten aus dem Leben, von der Bushaltestelle im Schneeregen, der Bus gerade weggefahren. Am Sonntag ging ja der Winterjacken-Sewalong 2015 zuende, den Karin und ich drüben im MemadeMittwoch-Blog moderiert haben - dort findet ihr auch die Ergebnisse aller Mitnäherinnen (und wenn euer Mantel oder eure Jacke noch nicht fertig ist, keine Sorge: am 10. Januar gibt es ein Finale der Herzen). Vielen Dank vor allem an Karin, die lauter gute Ideen für die Organisation des Sewalongs hatte, während ich in der zweiten Hälfte nur noch in den Seilen hing!


Fertig ist mein Mantel trotzdem geworden - was ein Glück, dass ich mir einen einfachen Schnitt ausgesucht hatte. Die nähtechnischen Details und die ersten Trageerfahrungen damit gibt es hier. 
Ich habe Nummer 128 aus Burdastyle 8/2014 genäht, einen sehr weit und locker sitzenden, kniekurzen Mantel mit schmalem Revers und einem großen verdeckten Schlitz in Rücken.


Das ist ja die Mantelsilhouette, die zur Zeit viel getragen wird, hier in Berlin oft von großen dünnen Mädchen, die dazu Plateausohlen und manchmal Dutt kombinieren, und dadurch noch größer und gestreckter aussehen, als sie ohnehin schon sind. Ich war ein bißchen skeptisch, ob mir so eine Oversize-Form an mir gefallen würde, schließlich hatte ich bisher nur taillierte Wintermäntel gehabt, dachte ich.

Kleiner Einschub: Nachdem ich die Nummer 128 schon zugeschnitten hatte, fiel mir aber ein Mantel ein, den ich etwa 1992/1993 zu Gymnasiumszeiten besessen hatte: Ein schwarzer, weiter, knapp knielanger Swinger, ohne Verschluss, mit einem langen Schalkragen aus Fake-Leopardenfell. Den hatte ich geliebt! Wie ich in einem Mantel, den man nicht zumachen konnte, auch nur einen Winter überstehen konnte, ist mir heute nicht mehr klar. Die Hamburger Winter der frühen 1990er müssen außerordentlich mild gewesen sein.)


Nach gut 14 Tagen im Tragetest bin ich von dem Mantel 128 und dem Schnitt aber so gut wie überzeugt. Es ist zwar viel Stoff, und der Mantel sieht vor allem auf Fotos nicht "schlank" aus (im Leben und in Bewegung wirkt er etwas anders - der Stoff wirkt nicht so flächig), er ist aber herrlich weich und locker und trägt sich ganz leicht, ohne zu beschweren und einzuengen. Das tiefgezogene Revers passt gut zu dicken Schals und im Zug kann der Mantel als Decke genutzt werden (auf der Rückfahrt von Köln schon probiert). Für Temperaturen bis Null Grad ist dieser Mantel genau das Richtige. Wenn es kälter wird, habe ich noch den schwarzen, langen und fünfmal so schweren Mantel aus dem Sewalong 2012.

Sogar mit dem asymmetrisch abgesteppten, verdeckten Schlitz im Rückenteil bin ich jetzt zufrieden. Die Querstepplinie an der Oberkante des Schlitzes musste ich zwar fünf Mal auftrennen und neu steppen und dazwischen jedes Mal dämpfen und von Hand heften, ehe das Rückenteil glatt fiel, und ich war nicht überzeugt, ob so ein asymmetrischer Hingucker auf dem Po überhaupt etwas wäre, das man sich wünschen sollte. Der Schlitz unterteilt aber die große Fläche des Rückenteils, ich denke es ist für den Gesamteindruck gut, dass da dem Auge noch etwas geboten wird.

Ungünstig ist, dass diese Mantelform zu vielen anderen meiner Kleidungsstücke nicht passt - man sieht das sehr schön an den Fotos: Ich müsste einen kurzen, schmalen Rock oder eine schmale Hose dazu tragen  - so wie auf den Bildern, mit einem längeren Rock, wirke ich wie die Leute, die auf dem Hermannplatz Publikationen religiöser Splittergruppen verteilen. Aber so ist das eben mit echt getragener Kleidung: Man wirft schnell mal was über und stürmt aus dem Haus, und sieht tagsüber manchmal passender, manchmal weniger passend gekleidet aus. Und ich kann das ja als Ansporn nehmen, mir nächsten Herbst noch einen leichten, taillierten Mantel zu nähen.

Was andere heute am Mittwoch beim Losstürmen übergeworfen oder vor dem Kleiderschrank sorgfältig ausgewählt haben - hier ist die Sammlung im Me made Mittwoch-Blog.

Noch ein paar technische Details:


Die Taschen in der Seitennaht bestehen jeweils aus einem Taschenbeutelteil, das unter das Vorderteil gesteppt wird - die Hände kann man hineintun, Dinge besser nicht, denn sie zeichen sich außen ab.

Die Schultern sind weit überschnitten, ohne Schulterpolster. Auch wenn der Mantel auf dem Bildern sehr gerade aussieht - er wird zum Saum hin ein bißchen schmaler, ist dort auf jeden Fall schmaler als auf Höhe der Armausschnitte. 

Zusammenfassung 

Schnitt Mantel 128 aus Burdastyle 8/2014
Oberstoff: 2, 60 m Wollvelours dunkelgrün (Maybachmarkt)
Futter: 1, 80 m Viskosefutter
2 große Druckknöpfe

Verstärkung: Bügeleinlage im Vorderteil ca. bis zur Hüfte, beim Rückenteil im Schulterbereich, rund um die Armausschnitte und Schlitz und Schlitzbeleg. Mantelsaum und Ärmelsäume, Vorderteilbeleg und Kragen.