Mittwoch, 2. Dezember 2020

Der rote Wollmantel (107 aus Burdastyle 10/2018) oder: eine typische Geschichte

Gerade noch rechtzeitig vor dem Beginn der Winterkälte hier im Nordosten ist mein Wollmantel fertig geworden. Ich hatte das Projekt im Januar 2019 bei der Annäherung in Bielefeld begonnen, und es scheint bei mir ein Naturgesetz des Nähens zu sein, dass ein Mantel immer erst ein Jahr ablagern muss (mindestens!) bis er fertig gestellt wird. In Bielefeld brauchte ich ewig für die Taschen - Paspeltaschen mit Klappe, auf die die Teilungsnaht im Oberteil zuläuft - fürs Zusammennähen, fürs Bügeln, und ich wDar dann schon ganz stolz, dass ich mit einer zusammengenähten Mantel-Außenhülle nach Hause fahrren konnte. Der Schnitt, Nurmmer 107 aus Burdastyle 10/2018 ist immerhin ein Vier-Punkte-Projekt bei Burda.

 

Der Mantel hing dann - auch das ist mittlerweile Tradtion - den ganzen Sommer auf einem Kleiderbügel hinter der Tür meines Nähzimmers. Der Herbst 2019 verging, ich hatte keine Lust, mich ans Füttern zu machen.

 

Es wurde Winter, der Jahreswechsel kam und die Annäherung 2020 näherte sich. Ich dachte an den Mantel, an das Futter und stellte fest, dass ich keine Ahnung hatte, wo sich der herauskopierte Schnitt des Mantels befand. Ich suchte einen halben Nachmittag und schaute in gefühlt tausend Klarsichthüllen und kam dann zu der Überzeugung, dass ich den Schnitt bestimmt bei einer Aufräumaktion weggeworfen hatte. Alles nochmal schnell neu auskopieren, damit der Mantel vor dem Nähtreffen 2020 fertig werden konnte? Niemals! Ich nähte in Bielefeld einfach was anderes, der halbfertige Mantel blieb auf dem Bügel hinter der Tür.

 Irgendwann im Frühjahr (genau erinnere ich mich nicht), fing ich tatsächlich an, den Futterschnitt noch einmal herauszukopieren - also zumindest die Ärmel, da relativ kleine Teile. Diese Anstrengung versandete aber irgendwann. Da fand ich eines Tages, als ich Regal mit den Nähbüchern etwas ganz anderes suchte, meine Schnittkopie von 2019 wieder. Ich hatte sie - sicher mit dem Gedanken, dass ich sie ja bald brauchen würde - zusammengefaltet quer auf eine Reihe Bücher ins Regal geschoben, von vorne leider so gut wie unsichtbar. Das Wiederfinden des Schnittmusters motivierte mich ein wenig, aber nicht so sehr, als dass ich im (heißen) Sommer einen wolligen Mantel zuendegenäht hätte. Das schaffte erst das virtuelle Nähkränzchen am Wochenende vor zwei Wochen, wo ich mich zuerst in Plänen und Träumen über schöne, neue Nähprojekte erging, ehe ich wieder an den Mantel dachte und dann wirklich, aber jetzt WIRKLICH das Futter für den Mantel zuschnitt und im Laufe des Wochenendes einnähte.

Es gab auch so gut wie keine Pannen dabei - außer: 

1. Das Futter war - nach Anleitung zugeschnitten - etwa 5 cm zu kurz. Das ist mir tatsächlich bei Burda-Schnittmustern schon öfter passiert, nach meiner Erfahrung reicht es nie, wenn man wie angegeben die Futterteile mit nur 1,5 cm Saumzugabe zuschneidet. Leider war mir dieses Wissen im entscheidenden Moment entfallen, aber ich schreibe es hier noch einmal auf, dann erinnere ich mich vielleicht beim nächsten Mal daran. Ich fand es dann etwas doof, schwarzes Futter anzustückeln, sondern verwendete einen Rest hellblauen Futterstoff, gut zum dunkelroten Oberstoff passt. Das ist sogar ein ganz guter Kompromiss, denn ich hatte zuerst überlegt, ein farbiges Futter einzunähen, mich dann aber doch für langweiliges Schwarz entschieden.   

2. Ich schnitt bei dem Versuch, die Nahtzugabe des Futters am Schlitz im Rückenteil zurückzuschnieden, auf einer Seite in das Futterrückenteil. Das sah zuerst ziemlich dramatisch aus, aber irgendwie war an der Stelle genügend Futterstoff vorhanden, so dass ich den Einschnitt beim Ansäumen am Schlitzbeleg nach innen schieben konnte. Ich verstehe im Grunde nicht ganz, wie das sein kann, aber auf jeden Fall sieht das Futter OK aus, der Schnitt ist weg, es spannt nirgends - also bin ich zufrieden. Die feinheiten des Abfütterns, bei denen ich nicht besonders fit bin, sind wahrscheinlich das, was den vierten Schwierigkeitspunkt bei diesem Schnitt ausmacht.

Hier nochmal zum Angeben die Paspeltasche aus der Nähe! 

Beim MeMadeMittwoch versammeln sich heute wieder Menschen im Selbstgenähten - ich bin gespannt, wie viele Mäntel dabei sind. 

Details zum Schnitt:

Schnittmuster: 107 aus Burdastyle 10/2018

Stoff: ca. 3,20 m dunkelroter Wollstoff , ca. 2 m schwarzes Viskosefutter und ein Futterstreifen in hellblau von ca. 7,5 cm Breite

4 Druckknöpfe

Einlage: auf dem gesamten Vorderteil, Kragen, ein Streifen auf Ärmelsäumen und Säumen und auf den Schlitzkanten im Rückenteil. Ärmelfische und dünne Schulterpolster. 

Nochmal "Zur Hölle mit der Mode" und Elizabeth Hawes - Modedesignerin, Journalistin, Gewerkschafterin und Autorin

Mehr Zeit als ich wollte, ist seit meinem ersten Artikel über die großartige Desigerin Elizabeth Hawes und ihr Buch über die Modeindustrie  der 1920er und 1930er Jahre vergangen. Wer das noch einmal nachlesen will: Hier findet sich die Zusammenfassung, worum es in "Zur Hölle mit der Mode" geht, Elizabeth Hawes erstem Buch über ihre Zeit als Designerin in Paris und New York. Heute will ich, wie versprochen, etwas mehr über die Autorin erzählen. Elizabeth Hawes war nämlich eine sehr interessante Frau, die nach ihrer Zeit in der Modebranche ein ziemlich bewegtes Leben hatte, das sie bis in die Karibik führte. 

Auf die englische Fassung von "Zur Hölle mit der Mode" wurde ich vor vier bis fünf Jahren in irgendeinem us-amerikanischen Nähblog aufmerksam. Das Buch wurde dort besprochen, machte mich neugierig, ich besorgte mir ein Exemplar und las es gebannt in einem Rutsch durch. (Und fragte mich schon damals, warum es das eigentlich nicht auf Deutsch gibt und warum ich noch nirgends einen vergleichbaren Blick hinter die Kulissen des Modegeschäfts gelesen hatte.) 

Aber neben dem Insiderwissen, das dort ausgebreitet wird, neben dem Blick auf die Gesellschaft der 1920er und 1930er Jahre, faszinierte mich auch die Autorin. Elizabeth Hawes ist witzig, ironisch und intelligent und mit analytischem Verstand und einem nicht geringen Selbstbewusstsein ausgestattet. Mir gefiel sehr, wie unverblümt sie benennt, was ihrer Ansicht nach in der Modebranche schief läuft - Produktpiraterie, miese Stoffqualität, das Lancieren von Pseudo-Trends, das Entwerfen an den Wünschen der Kundinnen vorbei - und wie sie natürlich der Meinung ist, eine bessere Lösung zu haben - sie erschien mir etwas anstrengend, aber sympathisch.

"Zur Hölle mit der Mode" muss 1938 ziemlich eingeschlagen haben, obwohl oder weil Hawes sich in der Modebranche damit keine Freunde machte und darin für ihre Zeit radikale Positionen vertrat, zum Beispiel plädierte sie für bunte, phantasievolle Männerkleidung (und warum nicht mal Röcke?) und berichtete von ihrer Reise in die Sowjetunion. In New York wurde sie eine kleine Berühmtheit, eine unkonventionelle Erscheinung, wenn sie mit flachen Schuhen, ohne Hut und Lippenstift, mit offenen, langen Haaren und in einem weiten Rock über die Fifth Avenue spazierte - ein fast skandalöser Anblick zwischen den sorgfältig zurechtgemachten Frauen und den Männern in formellen Anzügen. Hier gibt es einige Fotos von Elizabeth Hawes aus dieser Zeit (darunter auch einige private Partyschnappschüsse). Auch geschäftlich war sie in den späten 1930er Jahren sehr erfolgreich, ihr Modesalon brummte und sie hatte eine Menge Designaufträge nebenher. 

In den 1940er Jahren änderte sich die Situation: Elizabeth Hawes war früh klar, dass das Eingreifen der USA in den Krieg in Europa nur eine Frage der Zeit war und dass dies ihrem Geschäft die Grundlage entziehen würde -  und davon abgesehen hatte sie wohl auch die Lust verloren, sich mit den Bedürfnissen der vermögenden Kundinnen, die sich ihre Entwürfe leisten konnten, herumzuschlagen. Sie wollte das Leben der amerikanischen Durchschnittsfrau durch ihre Kleidung verbessern, wie man aus "Zur Hölle mit der Mode" erfährt, und nicht nur für die entwerfen, die sich sowieso alles kaufen konnten.

In den 1940er Jahren unternimmt Elizabeth Hawes mehrere Versuche, diese praktische Verbesserung des Lebens von Frauen anzugehen. Sie betreut für eine neu gegründete links-liberale Boulevardzeitung die Rubrik "News for Living", eine Kolumne mit Tipps zum sparsamen Auffrischen der Garderobe, über aktuelle Sonderangebote, Mode, Kosmetik, Unterhaltung und Unternehmungen mit kleinem Budget, als praktische Hilfe für Frauen, die aufs Geld achten mussten. 

Im Frühjahr 1943 heuert Elizabeth Hawes bei einer Flugzeugfabrik an und fräst im Akkord Metallteile für die Produktion von Kampfbombern. In der Nachtschicht, sechs Tage die Woche von Mitternacht bis zum Morgen, wenn sie nach Hause fährt, ihr Kind weckt und es schulfertig macht. Über dieses unglaublich harte Leben, das sie selbst nur wenige Wochen durchhält, zu dem aber die meisten ihrer ehemaligen Kolleginnen keine Alternative haben, schreibt sie ebenfalls ein Buch: "Why women cry" (1943). Auch dieses Buch habe ich mit großer Faszination verschlungen, denn es gewährt einen Blick in diese Kriegsindustrie und in das Leben nicht privilegierter Frauen in den USA, wie ich es sonst noch nirgends gelesen hatte. Elizabeth Hawes entwickelt darin auch ihre höchst modernen Ideen, wie sich Hausarbeit und Kinderbetreuung in Kollektiven so organisieren ließen, dass die Frauen die Dreifachbelastung durch Arbeit, Haushalt, Kindererziehung auf mehrere Schultern verteilen können. 

1944/45 lebt sie kurze Zeit in Detroit und versucht, Frauen in der Gewerkschaft der "United Auto Workers" zu organisieren. Dies wird zwar einerseits von den Gewerkschaftsfunktionären gefördert - denn die billige Arbeitskraft von Frauen wird als Gefahr für die Jobs der Männer gesehen - andererseits gilt Elizabeth Hawes mit ihren Ideen von Gleichberechtigung als "zu links" und und eckt in der Gewerkschaftshierarchie immer wieder an.

 Mit dem Kriegsende wird Elizabeth Hawes, wie die meisten Frauen, die während des Krieges in der Industrie gearbeitet hatten, ins Hausfrauendasein geschickt. Die Jobs bekommen die zurückgekehrten Männer, die Frauen sollen sich mit der traditionellen Rollenverteilung abfinden. Der Weg zurück in ihren alten Beruf, die Mode, ist Elizabeth Hawes verschlossen: Mittlerweile wird sie als radikale Linke angesehen und sogar vom FBI beobachtet. Vermutlich deswegen gelingt es ihr nicht, eine Anstellung in der Modeindustrie oder im Modejournalismus zu finden. 


In der einzigen Biographie, die über Elizabeth Hawes erschienen ist ("Radical by design. The life and styles of Elizabeth Hawes"; New York 1988), versucht die Autorin Bettina Berch, diese Zeit auch mit Hilfe von Geheimdienstakten zu rekonstruieren. Es bleibt vieles im Dunkeln, aber sicher ist, dass Elizabeth Hawes Anfang der 1950er Jahre  nach Saint Croix, eine Insel der Kleinen Antillen und amerikanisches Außengebiet zieht. Die Insel ist in dieser Zeit ein Zufluchtsort für viele Amerikaner, die dort mit relativ wenig Geld komfortabel und sehr entspannt leben können. Auch darüber veröffentlichte Elizabeth Hawes später ein Buch - und sprach darin auch den Rassismus an, der die Beziehungen von weißen Festlandsamerikanern und den "Crucians" bestimmte.

In den 1960er Jahren scheint Elizabeth Hawes dann ein nomadisches Leben geführt zu haben. Mal in San Francisco, mal in New York, nahm sie noch ab und zu Designaufträge an, um sich über Wasser zu halten. 1967 gab es im Fashion Institute of Technlogy in New York eine Retrospektive ihrer Werke.  Elizabeth Hawes Kleider aus den 1930er und 1940er Jahren mit ihrer zeitlosen Modernität wurden zusammen mit denen des jungen Designers Rudi Gernreich in einer sehr erfolgreichen Show gezeigt. Elizabeth Hawes starb 1971, mit 68 Jahren, in New York an Leberzirrhose, und auch wenn ihr Ende nicht dem angemessen erscheint, was sie sich einmal vom Leben erhofft haben mag, möchte ich sie als Elizabeth Hawes, die geniale Designerin in Erinnerung behalten, deren Kleider heute im Metropolitan Museum of Art in New York ausgestellt werden -  klickt euch durch die Sammlung.  Bewundert die raffinierten, von Madeleine Vionnet, ihrem großen Vorbild, inspirierten Schnittführungen, die ungewöhnlichen Farbkombinationen, die tragbaren, unaufgeregten, aber nicht langweiligen Designs.

Und ich möchte an Elizabeth Hawes, die vor Witz sprühende, immer den Finger in die Wunde legende Autorin erinnern, wie man sie in "Zur Hölle mit der Mode" kennenlernt, und deshalb veranstalte ich am Mittwoch, 16.12.2020 - ihrem 117. Geburtstag - um 20.30 Uhr eine Online-Lesung auf https://www.twitch.tv/textilfernsehen. Ich freue mich auf euch!

Alle Informationen und einen Blick ins Buch findet man hier bei Texte und Textilien.

Mittwoch, 4. November 2020

Dp Studio - le 406: Asymmetrischer Rock mit Volant

Ahoi aus dem Wald hinter dem Haus heute zum MeMadeMittwoch, dem Treffpunkt für Selbstgenähtes. In den letzten Wochen war ich nähtechnisch etwas lustlos. Eigentlich liebe ich den Herbst, auch als Näh-Jahreszeit. In früheren Jahren war das jetzt die Zeit, um in Schnittmustern und herrlichen Materialien wie Cord, Tweed und leichter Wolle zu schwelgen und Nähpläne für Herbst und Winter zu machen. Tja. Wenn man fast immer zuhause ist, von zuhause arbeitet und bis auf ein paar Spaziergänge zuhause die Freizeit verbringt, ist der Bedarf an Kleidung einfach nicht so hoch. 

Mir ist noch nicht viel eingefallen, was ich jetzt gerne hätte - ich brauche einfach nichts. Daher habe ich im Spätsommer einige Schnitte genäht, die ich spannend fand (oder bei denen ich ausprobieren wollte, ob ich das tragen kann), einfach wegen des Nähvergnügens. Der Schnitt Nummer 406 von dp Studio lag seit ziemlich genau einem Jahr hier - ich hatte ihn im September 2019 beim Lillestoff-Festival ganz günstig gekauft. Der Rock besteht zum größten Teil aus einem einzigen riesigen Schnittteil für Rücken und Seiten und einem kleinen Vorderteil. Bei Version A, die ich genäht habe, wird dann noch ein Volant vorne in die Verbindungsnaht gesetzt. Eine spannende Konstruktion und ein wirklich tolles Design.

Hier sieht man die Konstruktion etwas besser: Das große Schnittteil wird an der rechten Hüfte in mehrere Falten gelegt, der Volant ist darüber eingenäht und bedeckt die Falten.

Das obere Ende des Volants wird eingeklappt und die doppelte Volantlage ist in der Naht zwischengefasst.

Der Rock ist sehr schön schwungvoll, und obwohl ich ihn schon im Sommer genäht habe (der Stoff ist ein günstiges Leinen von Karstadt) finde ich, dass er auf jeden Fall auch wintertauglich ist. Eine Nadelstreifenversion wäre toll. Oder eine Version aus Karostoff. (Aber da kommt dann wieder die Vernunft hoch, denn viele Gelegenheiten, sowas anzuziehen, habe ich derzeit ja nicht. Ich sitze zwar richtig angezogen am Schreibtisch und besitze keinen Jogginganzug, aber so einen dramatischen Rpock ziehe nicht mal ich an, wenn ich während des Tages maximal zum Mülleimer gehe.)  

Der Pullover ist auch selbstgemacht, nach eigenem Entwurf Ende 2018 aus Drops Lima gestrickt - besprochen wurde er hier.

Das Schnittmuster ist auf schönem, festen Papier gedruckt und alles nebeneinander, so dass man die Teile auch ausschneiden könnte. Ich habe kopiert und musste für das Hauptteil zwei Bögen Seidenpapier aneinander kleben. Die Anleitung besteht vor allem aus Zeichungen, inklusive Pfeilen, die zeigen, was wohin gehört, so, wie man es auch von japanischen Schnittmustern kennt. Ich tat mich erstmal schwer, die Zeichnungen nachzuvollziehen - vor allem dauerte es, bis mir auffiel, dass der obere Teil des Volants nach innen gefaltet werden muss.

Beim Ansetzen des Volants waren die erwarteten Passzeichen nicht immer vorhanden, und vorne, wo Vorderteil und Rücken/Seitenteil aufeinander treffen, ist ein Passzeichen meiner Meinung nach falsch beschriftet - man muss darauf achten, dass die rechte und die linke Seite des Rocks auf einer Höhe aufeinander treffen, dann kommt alles einigermaßen hin. An den Markierungen für die eingelegten Falten unter dem Volant habe ich auch meine Zweifel. Ich habe es nicht hinbekommen, die Falten anhand der Passzeichen so einzulegen, dass sie genau zu ihrem Gegenstück passen, irgendwie war da immer zu viel Stoff, so dass ich schließlich so gefaltet habe, wie es mir sinnvoll erschien. 

In einigen Blogposts habe ich gelesen, dass bei anderen zum Teil der Taillenbeleg nicht zum Rock passte, wobei der Fehler bei jüngeren Versionen des Schnitts korrigiert worden sein soll - das Problem hatte ich nicht. Es kann sein, dass die anderen Ungenauigkeiten bei mir beim mühsamen Abkopieren des Riesenschnittteils entstanden sind, aber davon abgesehen hätten ein paar mehr Passzeichen auf jeden Fall nicht geschadet. Wenn man erstmal weiß, wie sich die Teile zusammensetzen, dann ist der Rock nämlich schnell genäht, das ist ein Projekt für einen Nachmittag.

Den Saum der Volants habe ich einfach mit der Overlock abgekettelt, das Abgekettelte umgebügelt und von rechts festgesteppt, ganz unauffällig. Weil die gerundeten Säume im schrägen Fadenlauf liegen, ist die Kante so ausreichend dehnbar, dass man sie mit etwas Bügeln faltenfrei umschlagen kann. In der Anleitung wird vorgeschlagen, die Säume des Volants mit Schrägband einzufassen, das war mir für diesen dünnen Stoff zu mächtig. Bei festerem oder dickerem Stoff würde das Säumen kaum anders gehen - und man könnte die Einfassung in einer anderen Farbe machen als den Rock, das sähe bestimmt gut aus. 

An Nähideen mangelt es hier nicht, wie man sieht. Mal sehen, ob ich in den nächsten Wochen meine relative Näh-Unlust überwinde - und mal sehen, was die anderen heute beim MeMadeMittwoch tragen

Details zum Schnitt:

Schnitt: le 406, dp Studio (Größe 42 genäht - bei der Auswahl auf die Maßtabelle achten, französische Größen!)

Material:  1,80 m Leinen, 1,40 breit (der Stoff reichte nicht ganz, daher musste ich den vorderen Volant mit einer zusätzlichen Naht teilen), nahtverdeckter Reißverschluss, Bügeeinlage für den Taillenbeleg

Tipps: nicht auf die Passzeichen verlassen und frühzeitig überlegen, welche Art Saum zum Stoff passt  

Freitag, 28. August 2020

Raffinierte Schlichtheit: Das Puff Shirt von The Assembly Line

"Moderne und minimalistische Indie-Schnittmuster", so wirbt die schwedische Firma The Assembly Line für sich, und das trifft die Sache auf den Punkt. Genauer gesagt fand ich die Schnitte und ihre Präsentation auf der Webseite so minimalistisch, dass ich nicht sicher war, ob das etwas für mich sein könnte. Ihr kennt das vielleicht: Man starrt hundertmal die Modellfotos und die technischen Zeichnungen an und überlegt sich, ob der ganze Reiz vielleicht nur in der coolen skandinavisch-japanisch angehauchten Inszenierung mit den fast aussschließlich einfarbigen, unbunten Stoffen und den ruhigen Fotohintergründen liegt. Ist an den Schnitten wirklich etwas Besonderes dran, oder ist das nur noch ein ausgestellter Bahnenrock oder ein Sweatshirtschnitt, genauso wie tausend andere? Manchmal schafft es die Produktfotografie ja, einem etwas schmackhaft zu machen, was an sich vollkommen banal ist.


Die Gelegenheit, der Sache auf den Grund zu gehen ergab sich, als Andrea vom Stoffladen Berliner Schnitte (Brandenburgische Straße/Nähe Fehrbelliner Platz - und natürlich mit Onlineshop) einige Assembly-Line-Schnittmuster in ihren Shop aufnahm und mich fragte, ob ich einen ausprobieren wolle - vielen Dank nochmal für den Schnitt und den sehr tollen Stoff. Ich entschied mich für das "Puff Shirt", ein Oberteil mit weiten, gerafften Ärmeln und einem interessant von schräg unten kommenden Brustabnäher.


Der Stoff ist ein sehr schöner feiner Twill aus Tencel, also ein Stoff in Köperbindung (die Webart, in der auch Jeansstoffe gewebt werden) aus einer hochwertigen Viskose. Tencel ist ein Markenname für eine Viskosefaser des österreichischen Herstellers Lenzing, für die nicht nur Holz, sondern zum Teil auch Reste von Baumwollstoffen aus der Industrie (z. B. Zuschnittreste) und sogar Baumwolle aus Altkleidern wiederverwendet werden, wenn man der Darstellung auf der Herstellerseite glauben darf. Der Stoff ist ein bisschen dicker und nicht so flatterig wie die meisten Viskosestoffe, er fällt aber durch die Webart sehr schön und wäre zum Beispiel auch für weite Hosen, Röcke und Kleider geeignet (und es gibt ihn außer in dem tollen Grün auch in einem Puderton). Der Stoff lässt sich sehr gut nähen und bügeln, aber man sollte ihn unbedingt vorwaschen, denn er ist beim ersten Waschen doch merklich eingelaufen.


Von dem Schnitt bin ich auch sehr begeistert. Ja, er ist schlicht - aber auf eine schwer zu beschreibende Weise merkt man mit etwas Näherfahrung, ob ein Schnittmuster "gut gemacht" ist, und das Puff Shirt ist sehr gut gemacht. Manche Schnittmuster wirken so grob, als wären sie mit einer Säge aus ungehobelten Brettern ausgeschitten worden. Zwar fügt sich alles zusammen, aber ohne Eleganz und man bekommt beim Nähen den Eindruck, als würde das ganze überhaupt nur funktionieren, weil sich Stoff zurechtziehen lässt. Bei anderen Schnitten passen die Kanten perfekt aufeinander, Passzeichen haben ein Sinn und das Teil näht sich wie Butter. Ich kann nicht genau sagen, woran das im einzelnen liegt, aber aus meinem Wissen über Schnittkonstruktion vermute ich, dass es bestimmte Feinheiten sind, die erfahrene Schnittkonstrukteurinnen beachten und die ein nur in einem Konstruktionsprogramm aufgestellter Schnitt nicht hat: Eine etwas eingestellte Naht hier, eine leicht gebogene Linie dort.


Das Puff Shirt gehört auf jeden Fall zu der Kategorie "eleganter Schnitt". Die Armkugel ist ziemlich hoch, der Stoff ließ sich aber sehr gut einhalten und die Ärmel passten gleich im ersten Anlauf ohne Falten in die Armlöcher. Der gepuffte Ärmel entsteht durch ein Bündchen mit einem breiten Gummiband, das nach innen geklappt und mit einer Naht am Ärmel fixiert wird. Das war die einzige Stelle, die mir an dem Schnitt nicht gefiel: Die Maschinennaht ist von außen sichtbar und wirkte in meinen Augen zu grobschlächtig. Ich habe das Bündchen stattdessen mit einem handgenähten Garnsteg im Inneren des Ärmels fixiert.


Am U-Boot-Ausschnitt reicht das Rückenteil an der Schulter über das Vorderteil, beide Seiten haben einen verstärkten Beleg, der von außen abgesteppt wird. Passend dazu habe ich den Saum auch abgesteppt. Die Anleitung ist beim Puff Shirt ist sehr ausführlich und hat sehr gute Zeichnungen, die an japanische Nähanleitungen erinnern, so dass ich die Schnitte von The assembly line auch für Anfänger empfehlen würde.


Von dem Ergebnis bin ich sehr angetan, mit der Farbe und den Ärmeln hat das Puff Shirt einen 70er-Jahre-Vibe, der mir sehr gefällt. Aus ganz dünner Viskose, Batist, Baumwollvoile oder feinem Leinen könnte man den Schnitt auch gut nähen, der Stoff sollte nur nicht zu labberig sein, damit die Ärmel gut ziur Geltung kommen.

Schnitt- und Stoffdetails

Schnitt: Puff Shirt von The Assembly Line (über Berliner Schnitte)
Stoff: grüner Tencel von Berliner Schnitte
Bügeleinlage (Vlies) für die Belege und breites Gummiband für die innenliegenden Ärmelbündchen

Mittwoch, 1. Juli 2020

Le 4001 von dp Studio und die Angst, etwas zu verpassen.


Wer mit mir schon einmal auf einem Stoffmarkt war, weiß: ich bin eine ziemlich kontrollierte Shopperin (was mich allerdings nicht davon abgehalten hat, über die Jahre ein ansehnliches Stofflager anzuhäufen). Was Schnittmuster angeht habe ich ein Burda-Abo, das die meisten Schnittwünsche abdeckt und ab und zu kaufe ich gezielt einen Indie-Schnitt, den ich gleich nähen möchte oder borge mir einen aus. Bei einer Aussage werfe ich meine innere Shoppingkontrolle allerdings sofort über Bord: "Wir nehmen einige Schnitte aus dem Programm". Sagt mir, dass ein Schnittmuster bald nicht mehr erhältlich sein wird, und ich überlege fieberhaft, ob ich es brauchen kann, nein, haben muss.


Ist das eine Unterart von FOMO - fear of missing out, die Angst, etwas zu verpassen? Ich kann es mir nicht anders erklären. Dabei weiß ich doch, dass kein Schnittmuster wirklich einzigartig ist, viele sind einander sogar sehr ähnlich oder lassen sich relativ einfach nachkonstruieren. Aber gegen den Gedanken "brauche ich das - solange es das noch gibt?" kann ich nichts machen, er tritt immer auf, wenn irgendwo ein Schnittmusterausverkauf angekündigt wird.


Als der französische Schnittmusteranbieter dp Studio vor einigen Wochen ankündigte, keine neuen Schnitte für Hobbyschneiderinnen mehr aufzulegen und die vorhandenen Papierschnitte jetzt nach und nach abzuverkaufen, musste ich natürlich sofort das Angebot scannen. Die Papierschnitte sind normalerweise so teuer - und es kommt noch teures Porto aus Frankreich dazu -, dass ich mich nie zu einer Bestellung durchringen konnte. Auch jetzt fand ich sie immer noch nicht gerade günstig und es war auch nicht mehr so richtig etwas dabei, was mich reizte, aber im Sommer 2018 hatte dp einige einfachere Schnittmuster als pdf herausgebracht und die waren - und sind - ebenfalls reduziert. Und so konnte ich für 4,83 € meiner "fear of missing out" begegnen.


Der Wickelrock Nummer 4001 ist wirklich einfach zu nähen, hat man erstmal das Herauskopieren von zwei großen Schnittteilen und das Zuschneiden überstanden. Der Bund, der in ein Bindeband übergeht, besteht einfach aus einem geraden, mit Einlage verstärkten Streifen. Auf der linken Seite wird der Streifen durch einen verstürzten Schlitz in der Seitennaht geführt.


Die Form des Rocks kommt einfach nur durch den Zuschnitt der Einzelteile zustande. Vorne gibt es ein längeres, unregelmäßig viereckiges Teil, das volantartig herabfällt. Hier ist auch die Rückseite des Stoffes zu sehen, man sollte also unbedingt ein Material nehmen, das auf beiden Seiten ansehnlich ist. Ich hatte das vorher nicht bedacht und einfach Glück, dass der Stickereistoff auf der Rückseite kaum Spannfäden hat und fast so aussieht wie auf der Vorderseite. Dann ist nur noch ein sehr, sehr langer Saum mit mehreren Ecken zu steppen, und das Teil ist fertig.


Der Stoff stammt übrigens vom Stofftauschtisch der Annäherung 2016. Stickerei liegt eigentlich so gar nicht in meinem Beuteschema, zu verspielt-romantisch, bei diesem Stoff gefielen mir aber die grafisch reduzierten Blumen. Ein bisschen verspielt ist der Rock durch den zipfeligen Saum nun doch geworden, aber ich bin ganz zufrieden - ein nettes, schnelles Projekt, das ich eigentlich nur dazwischenschob, weil ich von den Patchworkhemd, das ich vorher anfing, nicht mehr so überzeugt war. Ein neues Problem hat sich aber ergeben: ich habe zu wenig einfarbige Oberteile, die dazu passen. Die alte Oberteilschwäche mal wieder.
Menschen, die ihre Kleidung selbernähen, treffen sich heute wieder beim MeMadeMittwoch. Vielleicht finde ich da ja Ideen für Oberteile.



Schnittdetails:

Rock
Schnitt: 4001 von dp studio
Stoff: ca. 2,50 m Batist mit Stickerei, Einlage für Bund/Bindeband
Der stoff muss zwei ansehnliche Seiten besitzen. 

Oberteil
T-shirt mit Knoten, 125 aus Burdastyle 8/2016 - den Schnitt hatte ich (aus anderem Stoff) hier vorgestellt
Stoff: dünner Viskosejersey
Stoff: 

Mittwoch, 3. Juni 2020

MeMadeMittwoch: Eine Reminiszenz an das beliebteste Sommerkleid Europas 2019

Habt ihr letztes Jahr im Spätsommer die Geschichte des beliebtesten Sommerkleids Europas mitbekommen? Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob es zu diesem Kleid auch in deutschen Medien Berichte gab (und finde jetzt keine Artikel dazu), der britische Guardian berichtete aber ziemlich groß darüber und diverse englischsprachige Frauenzeitschriften folgten.

Das Kleid, ein weites, halblanges Viskosekleid aus weißem Stoff mit schwarzen, unregelmäßigen Tupfen, das in Großbritannien 40 Pfund kostete, in den USA 50 Dollar, hatte sich zum viralen Sommerhit entwickelt. Es wurde von Frauen jedes Alters und jeder Figur getragen, es passte zu allen Schuhen und allen Anlässen, war bequem und unkompliziert und nicht zuletzt bildete es den Gegenentwurf zu einzwängender, körperbetonter Sommerkleidung, die den Körper permanent der Beurteilung anderer aussetzte. Das Kleid wurde so oft verkauft, dass die Wahrscheinlichkeit groß war, es auf der Straße an einer anderen Frau zu sehen - und laut Guardian nickten seine Trägerinnen einander in einer Art verschworener Schwesterschaft zu, wenn sie sich auf der Straße begegneten. Schließlich gab es sogar einen Instagramaccount, der allein diesem Kleid und seinen Trägerinnen gewidmet war. 


Die Erfolgsgeschichte dieses Kleides mit allen seinen offensichtlichen Vorteilen blieb irgendwie bei mir haften und entwickelte sich im Lauf des Frühjahrs zu dem Wunsch, etwas ähnliches zu nähen. Halblang, locker geschnitten, mit halblangen Ärmeln, moderatem Ausschnitt und je nach Zubehör (Strumpfhose oder nicht, Strickjacke oder nicht) für alle Monate zwischen März und November geeignet. Wenn von einem Kleid dieses Typs letztes Jahr vermutlich zehntausende Exemplare (genau weiß man das nicht) verkauft worden waren, dann doch bestimmt nicht ohne Grund.


Einen passenden Schnitt fand ich in Kleid 21 aus Fashion Style 7/2018, dem monatlichen Entwurf des niederländischen Labels Janice, wobei der Originalentwurf einen vorne kniekurzen, hinten langen Rock vorsah. Das Rockteil habe ich gleich am Schnitt großzügig verlängert, so dass es im Rückenteil nur noch zwei, drei Zentimeter länger ist als vorne.


Den Ärmelabschluss bilden Ärmelblenden, die in einem Stoffstreifen zum Knoten auslaufen. Diese Blenden habe ich mit Einlage verstärkt, ebenso wie den Blusenkragen und  die Kanten des Schlitzes darunter, die einfach nur umgeklappt und festgesteppt werden.


Die Teilungsnähte des Schnitts sind durch das Stoffmuster so gut wie nicht sichtbar, das ist etwas schade. Das ziemlich unruhige Muster finde an sich auch nicht einmal wirklich schön, aber für dieses Allround-Kleid ist es genau das richtige. Alle meine Schuhe, Strickjacken und fast alle Jacken und Mäntel passen dazu, und damit habe ich das beliebteste Sommerkleid 2019 recht gut reproduziert - wenn es auch, da Einzelstück, keine verschworene Gemeinschaft der Kleidträgerinnen gibt, was fast ein bisschen schade ist.


Details zu Stoff und Schnitt:

Schnitt: Kleid 21 aus fashionStyle 7/2018
Änderungen: Vorderes Rockteil verlängert, so dass der Rock vorne nur knapp kürzer ist als hinten, Schultern beim Einsetzen der Ärmel etwa 1 cm verschmälert
Material: 2,50 m gewebte Viskose (Viskosebatist), Einlage für Kragen, Ärmelblenden, Schlitzkanten im Oberteil

Menschen in selbstgenähter Kleidung treffen sich wie jeden ersten Mittwoch im Monat beim MeMadeMittwoch - wo Gastgeberin Elke heute mit der Wilder Gown ein Kleid zeigt, das auch eine gewisse Ähnlichkeit zum beliebtesten Sommerkleid des vergangenen Jahres zeigt. (Aber ihres hat Taschen, noch besser!)

Mittwoch, 6. Mai 2020

MeMadeMittwoch, Use-what-you-have-Edition

Die allerbeste private Investition der letzten Jahre: mein Stoff- und Nähzutatenlager. Hand hoch, wer sich in den letzten sechs Wochen auch zufrieden auf die Schulter geklopft hat, beizeiten ausreichende Materialvorräte angelegt zu haben! Ich konnte zuhausebleiben und weiternähen, als ob nichts wäre, und ich hätte noch Material für Projekte für die nächsten paar Monate, wenn nicht Jahre, wenn es darauf ankäme, und danach könnte ich immer noch mit den Resten weiternähen.


Die beiden Kleidungsstücke vom Foto sind aus Resten entstanden, allerdings schon Anfang des Jahres. Ich werfe Stoffreste bis auf ganz kleine Abschnitte nicht weg, sondern hebe sie, ordentlich zusammengefaltet, mit dem Gedanken auf, sie irgendwann als Kombinationsstoff zu verwenden oder mehrere Reste zu etwas ganz Neuem zu kombinieren. Wie man sich unschwer denken kann, ist es dazu bisher nicht so oft gekommen, wie ich mir gewünscht hätte. Nur die Restesammlung wurde immer größer.



Zum Jahreswechsel stand dann "endlich was aus den Stoffresten nähen" ziemlich weit oben auf der Projektliste, und dann erschien auch noch ein Artikel über Daniel Silverstein alias Zero Waste Daniel in der New York Times. Irgendwo hatte ich vor einiger Zeit schon einmal eine Artikel über seine Mode aus Stoffresten gelesen und einen Bericht gesehen (ich glaube es war dieser Beitrag) und daraufhin angefangen, alle Jerseyreste separat zu sammeln, aber es gilt ja das ewige Gesetz: Stoff sammeln ist einfacher als Stoff vernähen. Die Sache war dann doch wieder ins Hintertreffen geraten. Der NYT-Artikel war dann der Anlass, mich zur Inspiration durch Webseite und Instagram zu wühlen - außerdem gibt es einen Zero-Waste-Daniel-Youtubekanal, wo auch ein bisschen gezeigt wird, wie aus Resten ein neuer Stoff zusammengesetzt wird.



Das Shirt ist dann an einem Nachmittag entstanden. Ich suchte farblich zusammenpassende Jerseyreste aus, schüttete sie auf einen Haufen und setzte sie von den größeren Stücken ausgehend mit der Overlock zusammen. Die Schnittteile für das Shirt legte ich immer wieder auf, um gezielt Stoffstücke anzunähen, wo noch etwas fehlte. Es machte Spaß, mal so richtig ausgiebig mit der Overlock zu nähen, ich nähe ansonsten nicht viel mit Jersey. So ein Resteshirt ist das richtige Projekt, wenn man mal viel geradeaus nähen und wenig denken möchte.


Das Futter ist auch ein Rest, und weil es etwas kurz war, habe ich am Saum eine Spitzenborte angesetzt. (Außerdem muss man sich bei dem flutschigen Futterstoff dann nicht mit dem Säumen abplagen.)
Der Rock enstand auch Anfang Januar (in diesem Beitrag lag er schon auf dem Nähstapel). Der Schnitt für den "Skyline Skirt" aus dem Buch "Twinkle sews" eignet sich sehr gut für Reste, ich horte seit Jahren lauter 40-cm-Wollstoffreste allein für diesen Schnitt. Hier kombinierte ich einen Rest dunkelgraue Viskose-Wollmischung mit einem Pfeffer-und-Salz-Tweed mit Glitzer, den ich einmal in Bielefeld vom Tauschtisch mitgenommen hatte (und der beim Bügeln ziemlich giftig roch, wahrscheinlich wegen dem Lurex). Ich hätte aber noch Reste für zwei oder drei weitere Skyline Skirts.



Normalerweise würde ich diese beiden Kleidungsstücke nicht unbedingt miteinander kombinieren. Gerade was das Shirt betrifft, ist die Grenze zu merkwürdiger Ökomode wahrscheinlich fließend (oder möglicherweise je nach Betrachterin auch schon überschritten). Trotzdem hat es etwas sehr Befriedigendes, aus einer Tüte Stoffreste, die man auch hätte wegwerfen können, wieder ein richtiges Kleidungsstück zu nähen, und ich ziehe das Shirt regulär im Wechsel mit meinen anderen Langamrshirts an, meistens unter einer Strickjacke oder einem Pullover. Weitere werden sicher folgen, öko oder nicht - auch Stoff ist ein Rohstoff, mit dem man sparsam umgehen sollte, und davon abgesehen macht auch das Nähen einfach Spaß. Ein Detailfoto vom Shirt liefere ich hier noch nach - mir fällt erst jetzt ein, dass das ja interessant gewesen wäre! Bilder oben eingefügt (7.5.2020)


Menschen in ihrer selbstgenähten Kleidung treffen sich heute - wie jeden ersten Mittwoch im Monat - beim MeMadeMittwoch.