Dienstag, 30. Oktober 2012

Wochenrückblick KW 43



1. Von der Kunstfabrik am Flutgraben über die Spree zum Osthafen. Beim Rundgang durch die Ateliers lange bei Tilda Lovell stehen geblieben. Die Schwedin baut Knochen, Wurzeln, Zähne, Baumrinde und andere Fundstücke zu chimärenhaften Wesen zusammen. Das Atelier ist klein und aufgeräumt. Hummerscheren, Muschelschalen, Mäuseschädel, Felle und Federn liegen ordentlich in transparenten Plastikkisten. Kleine Farbdosen, Gips, Klebstoff, Sägen und Handbohrer - es muss eine angenehme Arbeit sein, Alpträume zum Leben zu erwecken.

2. Letzte Ernte auf dem Balkon

3. Angeschlagen: Paulie von Isabell Kraemer/Grasflecken aus grauer Sockenwolle mit blauen Streifen. Ich bin voll im Strickrausch. Die rote Zopfmusterjacke ist Dank einer Garnspende von Leserin A. fertig gestrickt und wartet auf das Spannen und Zusammennähen. Und ich träume von himbeerroten Jäckchen und anderen Unsinnigkeiten.

4. Apropos Unsinnigkeit: Kennt ihr diese Nadelschärfer? In dem erdbeerförmigen Anhängsel sind schleifende (Metall?)-Partikel. Stumpfe Nadeln sollen wieder scharf werden, wenn man sie einige Male in das Kissen steckt. Funktioniert das? Im Netz fand ich einige Anleitungen für Nadelschärfer, zu Beispiel diese - die Kissen werden mit feiner Stahlwolle gefüllt. Es gibt sie auch in flacher Form für die Nähmaschine, man legt sie auf die Stichplatte und näht einige Male ohne Garn durch das Kissen. Von Clover gibt es ein Nadelschärferkissen für Patchworkerinnen. Habt ihr damit Erfahrungen? Bringt das was?  

5. Selbermacher geklickt: Gertie-Fans aufgepasst: Bei make.com gibt es  den Schnitt für die portrait blouse aus "Gerties New Book for Better Sewing" kostenlos zum Herunterladen, hier: Gerties portrait blouse.

Montag, 29. Oktober 2012

Wintermantel-Sewalong 7: Futter nähen und einsetzen



Doppeltermin: Wir kämpfen gemeinsam mit dem Futter und finden dabei vielleicht eine ganz einfache Methode. L. und C. zeigen zwei unterschiedliche Methoden, einen Mantel zu füttern.

Oder: der allseits mit Spannung erwartete Höhepunkt des Wintermantel-Sewalongs: das Füttern. Entschuldigt, dass ich die Spannung so weit getrieben habe - ich habe mich nicht, unter Zurücklassung eines halbfertigen Mantels und einer ratlosen Mitbloggerin, heimlich vom Acker gemacht. Aber in dieser Phase des Mantelprojekts wollte ich mir lieber die nötige Zeit nehmen (und eine zuverlässige Internetverbindung zum Hochladen der Fotos wäre auch nicht schlecht).

Erster Akt: Futter zuschneiden


Also, zur Erinnerung, mein Futterstoff ist dieses psychedelische Wunderwerk der Chemieindustrie:


Leider nur 2,30 m anstatt der laut Schnittmuster nötigen 2,90 m, noch dazu mit Richtung, das heißt die blattähnlichen Muster "wachsen" alle nach oben. Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, das Futter für die Ärmel aus einem einfarbigen Rest zuzuschneiden, aber mit Überlegung und viel Hin- und Herschieben bekam ich alle Schnittteile aus dem Stoff heraus: Ich nahm den Stoff quer, und legte die Teile so auf, dass die Blätter abwechselnd nach rechts und nach links zeigen.

Die Flutschigkeit des Stoffes ließ sich auf dem Teppich ganz gut in den Griff bekommen. Auf dem Zuschneidetisch könnte man ein Laken unter den Stoff legen, das dämmt die Rutscherei auch etwas ein. Am Rückenteil in der Mitte an die 2cm extra für die Bewegungsfalte denken. Ich lasse außerdem immer reichlich Stoff am Saum und an den Ärmelsäumen stehen, auch wenn die Anleitung einem weismachen will, 1,5 cm seien genug. Aber das ist Geschmackssache - wie ein Nahtzugabencheck beim vorletzten Stricktreffen ergab (zu dem auch viele Selbernäherinnen kommen), sind meine Nahtzugaben generell breiter als bei anderen. Ich gehe gerne auf Nummer sicher.

Zweiter Akt: Futtermantel nähen

Das ging besser als befürchtet, denn der Flutschstoff hat immerhin eine griffige Rückseite. Puha.

Der Futtermantel wird im Prinzip genauso genäht wie der Außenstoff, mit zwei Ausnahmen: Im Rückenteil an der senkrechten Mittelnaht wird die Bewegungsfalte am Hals ein paar Zentimeter zugesteppt. Die Mehrweite der Ärmel in der Armkugel, die man beim Außenstoff eingehalten hat, bringt man in ein oder zwei Falten unter.

Dritter Akt: Mantel säumen


Wenn man der 1,5 cm-Saumzugabe-Doktrin der Nähanleitungen vertraut, kann man den Außenmantel und das Futter rundherum verstürzen, so wie das auch in der Fabrik gemacht wird. Bei Falten und/oder Schlitzen im Rückenteil und bei generellem Misstrauen gegenüber der eigenen Fähigkeit zur Präzision wählt man besser eine Kombimethode: Futter an den Belegen verstürzen und an den Säumen von Hand annähen.

Dazu muss der Mantel zuerst einmal gesäumt werden. Ich hatte mir sehr viel Zeit genommen, den Außenmantel jetzt noch einmal ganz sorgfältig zu bügeln, einige Nahtzugaben zurückzuschneiden, Schulterpolster zu befestigen und die Länge festzulegen. Der Mantel wird nun etwa 3 cm kürzer als vom Schnitt vorgesehen, was immer noch superlang ist.


Die Säume bügelte ich ein und schnitt an den Saumzugaben die Nahtzugaben zurück, dann wird die Stelle nicht so dick (unnötig, wenn ihr ohnehin schmale Nahtzugaben habt).

Der Bereich des Vorderteilbelegs macht mir immer etwas Kopfzerbrechen. Traditionellerweise werden Beleg und Vorderteil jeweils für sich gesäumt, so dass hier vier Lagen Stoff aufeinander liegen. (Und jedes Mal frage ich mich, warum man die Ecke nicht einfach verstürzt?)

Der Saum vom Beleg muss einen Tick weiter umgeschlagen werden, so dass man ihn von außen nicht sieht.

Vierter Akt: Futter verstürzen


Jetzt wirds unübersichtlich! Der zusammengenähte Futtermantel und der Außenmantel werden entlang der Belege rechts auf rechts gesteckt und anschließend genäht. Was man so lapidar in einem Satz hinschreiben kann, bedeutet in der Praxis einen riesigen Berg Stoff durch die Maschine zu ziehen, und auch das Foto ist alles andere als aussagekräftig, illustriert aber wenigsten die Unübersichtlichkeit des Vorgangs:


Jetzt heißt es hoffen: wenn man vorher präsize gearbeitet hat, dann passt das Futter nach dem Wenden gut in den Mantel und die Futterärmel lassen sich in die Mantelärmel ziehen

Fünfter Akt: Futter ansäumen


Bleiben noch die Säume und einige Kniffelstellen, zum Beispiel die beliebte Ecke Vorderteilbeleg/Vorderteil/Futter.


Hier: die rechts-auf-rechts-Naht vom Verstürzen hört einige Zentimeter über dem Saum auf. Rechts ist das Futter schon an den Saum gesteckt (mit etwas Spiel, es soll lockerer sitzen als der Oberstoff).

 
Das Futter steckt man in Verlängerung der senkrechten Naht an den Beleg und am unteren Ende um den Beleg herum, die Saumzugabe vom Futter liegt da also zwischen Beleg und Außenmantel. Schwer zu erklären, aber es erschließt sich, wenn man die Stelle selbst vor sich hat. Den Futtersaum nähe ich mit der Hand fest.


Zweite kniffelige Stelle: Der obere Abschluss des Rückenschlitzes. Links ist das Futter schon an den Schlitz-Untertritt gesäumt, oben halte ich den Stoff fest, damit man bei dieser Musterkatastrophe wenigstens erahnen kann, wo ich da den Futterstoff zurückgeschnitten habe.


Suchbild mit Stecknadeln: hier ist das Futter schon mal so gesteckt, wie es dann auch angenäht werden wird.  Das Prinzip erkennt man wesentlich besser in diesem Beitrag von Berry - da geht es zwar um einen Rockschlitz, aber es ist eigentlich die gleiche Konstruktion.

Und bei euch so? Die pünklichen Mantelnäherinnen haben sich schon bei Catherine versammelt.

Wenn ihr zufallig gerade mit den Ärmeln beschäftigt seid, lege ich euch Lucias Blogserie ans Herz: Armloch anpassen und Jackenärmel einnähen.

Montag, 22. Oktober 2012

Wochenrückblick Kw 42





1.  Ich habe die besten Leserinnen der Welt! Durch einen Tausch mit grenzgebiete kam ich zu so vielen schönen Stoffen, die sofort zu Sechsecken verarbeitet werden mussten. Danke, Ulrike! Und am Freitag auf dem Markt traf ich die sehr nette A. aus Regensburg, die hoffentlich einen schönen Mantelstoff gefunden hat. Danke auch dir - es ist schön, "bloglose" Leserinnen zu treffen, um mal eine Ahnung zu bekommen, wer das eigentlich alles ist, der da liest.

2. Mantel-Mantra: ich denke an den Aufhänger, ich denke an den Aufhänger... (und fünfmal drübergenäht hält besser). Am Sonntag kam ich in Sachen Mantel sehr gut voran...

3. ... und auch die Mütze, die ich eigentlich nur anstricken wollte, flutschte nur so. Dafür gibt es drei Gründe: a) am Sonntag gar nichts vorgehabt, b) nach 12 Stunden so richtig ausgeschlafen gewesen und c) das häusliche Internet klappte zusammen, nachdem ich kurz gecheckt hatte, dass der Mantel-Artikel erschienen war. (Abends ging es wieder, aber da wollte ich nicht mehr - soll das Internet doch sehen, wo es bleibt.) Werden wir diese günstige Konstellation jemals wieder erleben?

4. Streetart gabs auch: Sicherungskasten in der Selchower Straße, Neukölln. 

Sonntag, 21. Oktober 2012

Wintermantel-Sewalong 6: Mantel-Nähen II


Wie kommen die Ärmel an den Mantel? Soll ich mich an Paspelknopflöcher wagen oder doch lieber Klettband annähen?

Willkommen zur zweiten Nährunde im Wintermantel-Sewalong! Wie weit seid ihr inzwischen gekommen? Letzte Woche waren viele von euch ja eher theoretisch mit Nähen beschäftigt – als begeisterte Theorie-Näherin (was hab' ich da schon alles schönes gemacht!) habe ich dafür ja total Verständnis, möchte aber auch daran erinnern, dass ein theoretisch genähter Wintermantel bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt nicht mehr ganz so von Nutzen ist – kommen wir daher möglichst schnell zur Praxis!

Letztes Mal waren wir im besten Fall bei einer ärmellosen Weste stehen geblieben, nun sind also die Ärmel an der Reihe. Lasst euch von denen nicht einschüchtern! Zuerst sieht es bei Mänteln immer so aus, als wären die Ärmel viel zu groß für die Armausschnitte, das ist völlig normal! Die Mitnäherinnen mit den Raglanschnitten sind hier leicht im Vorteil, denn da entfällt die Schwierigkeit, dass man einen scheinbar zu großen Ärmel in einem scheinbar zu kleinen Armloch unterbringen muss. 

Und apropos große/kleine Ärmel: ich habe festgestellt, dass mein Mantelärmel ganz schön eng ist. Mit der dicken Lieblingsstrickjacke wird das ganz schön knapp. Trotzdem konnte ich mich  nicht entschließen, mehr als 5mm zuzugeben - so ein relativ enger Ärmel und ein kleines Armloch sehen ziemlich elegant aus, wahrscheinlich hat mich das halb unbewusst zu dem Schnitt hingezogen. Ich nehme ja an, dass das Ding so warm wird, dass die Lieblingsstrickjacke nicht oft von Nöten sein wird.    


Das Ärmel-Einsetzen mache ich dann so: in den oberen Bereich der Armkugel ziehe ich mit der Hand einen Faden ein, um den Stoff leicht einzukräuseln, oder eher: etwas zusammenzuschieben. Die Nahtzugabe kräuselt sich dabei, die markierte Nahtlinie bleibt aber mehr oder weniger glatt. Die Kräuselung in der Nahtzugabe könnte man nun noch einbügeln, aber das mache ich nie - dazu bräuchte man ein Bügelkissen oder man muss sich irgendwie mit Handtuchrollen behelfen, aber bisher habe ich trotzdem noch jeden Ärmel untergebracht.


Ich fange an der Seitennaht an, den Ärmel festzustecken und arbeite mich auf beiden Seiten Richtung Schulter vor. Unten passen Ärmel und Armausschnitt genau aufeinander, oben muss man den Ärmelstoff immer etwas zusammenschieben, das Vorder- und Rückenteil nicht. Ich brauche ungefähr meinen halben Stecknadelvorrat dazu. Übrigens bin ich lange Zeit dem Irrtum aufgesessen, dass immer eine der Ärmelnähte auf die Seitennaht treffen muss  - tatsächlich ist das aber nur bei ganz wenigen Schnitten so. 

An dieser Stelle schwanke ich immer, ob ich den Ärmel gleich einnähen, oder ob ich jetzt erst einmal heften sollte, um mir den Sitz und den Fall des Ärmels anzugucken. Zweiteres wäre sicher besser, meistens aber nähe ich sofort, kontrolliere, trenne, nähe neu. Bei diesem Ärmel ging der erste Einnähversuch so gründlich daneben, dass ich dann tatsächlich geheftet habe. Der Stoff ist so dick, und wenn dann an den Nähten 3-4 Lagen aufeinandertreffen, wird das mit Stecknadeln viel zu unübersichtlich unter dem Nähfüßchen. 


Dafür sieht es jetzt aber ganz gut aus. Den Sitz des Ärmels kann man aber erst richtig beurteilen, wenn die Schulterpolster auch drin sind. Nach Claire Shaeffer werden sie bloß an 3-4 Punkten an der Schulternaht und der Einsatznaht vom Ärmel relativ locker mit der Hand befestigt, so dass sie noch ein bißchen Spiel haben. 

Die zwei Knopflöcher habe ich bis jetzt erfolgreich vor mir hergeschoben. Es sollen Paspelknopflöcher werden (Maschinenknopflöcher mit meiner Maschine bei der Stoffdicke - aussichtslos!). Dazu brauche ich aber eine gewisse Seelenruhe, schließlich muss man dabei ins Mantelvorderteil reinschneiden, und die innere Ruhe hat mir letzte Woche ein bißchen gefehlt. 

Die Knopflöcher werde ich nach diesem Tutorial von pattern-scissors-cloth nähen, das sie hier noch einmal ergänzt hatte. Vielleicht mache ich heute Abend erstmal ein Probeknopfloch? 

Einen andere gute Idee habe ich kürzlich bei Meike gelesen: sie hatte die Knopflöcher für ihren letzten Mantel in einer Änderungsschneiderei machen lassen. das ist vielleicht ein guter Tipp für Leute, die ihrer Maschine in punkto Knopflöcher nicht so recht über den Weg trauen. 


Oder man näht zuletzt große Druckknöpfe auf, so wie hier bei meiner alten Walkjacke, und setzt die Knöpfe außen nur zur Zierde auf. 

Und wie sieht's bei euch aus? Theoretisiert ihr noch, oder näht ihr schon?





Dienstag, 16. Oktober 2012

Wochenrückblick KW 41






1. Die Hexagondecke wächst langsam, und wie ich sehe, näht Mond auch noch an ihrer - in der S-Bahn.

2. Der Strickjackenärmel wächst nicht - ich habe nämlich keine Wolle mehr! Keinen Fitzel, und der einzige Laden in Berlin, der Drops-Wolle im Sortiment hat, hat diese Farbe und Qualität nicht mehr und bekommt sie auch nicht mehr nach. Was nun? Aufribbeln und glatte Ärmel stricken? Ein einzelnes Knäuel bestellen? Im Blog schluchzen und betteln, ob nicht eine Blogleserin zu-fäll-ig einen Rest Drops Nepal Farbe 3608, tiefrot besitzt und ihn mir im Tausch gegen ewige Dankbarkeit gegen etwas, was wir uns noch ausdenken müssen, überlassen würde?  

3. Strickgraffiti ist auch nicht mehr das, was es einmal war, nämlich nicht mehr subversiv, sondern in Friedrichshain (hier in der Sonntagstraße) ein Projekt zur Verschönerung des Kiezes. Ich frage mich, ob es latent asozial ist, wenn man nur für sich und seine Lieben strickt. Sollten wir bei der MittwochsMasche (nächstes Treffen am 24. 10.) wenigstens das Halteverbotsschild vor dem Café umhäkeln, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben? Wobei die Frage ist, ob die Gesellschaft dieses Geschenk überhaupt zu schätzen wüsste.

4. Paste up von theRagtag, Reuterplatz, Neukölln.

Sonntag, 14. Oktober 2012

Wintermantel-Sewalong 5: Mantel-Nähen I




Doppeltermin: Kragen und Designentscheidungen (Catherine), Zusammensetzen und Taschen (Lucy)

Wie ist es euch bisher mit dem Mantel ergangen? Geplant war ja heute ein Doppelpost zum Nähprozess, aber nun ist Catherine durch die Schnittmusterlieferung etwas ausgebremst worden. Aber so ist es nun mal beim Nähen, es lässt sich manchmal nicht alles von Anfang an durchplanen.

Fangen wir hier also schon mal mit dem Zusammennähen an. Das Zusammensetzen der großen Teile ist meine Lieblingsaufgabe beim Nähen. Wenn aus einem Haufen seltsam geformter Stücke etwas wird, das einem Mantel schon einmal ähnlich sieht. Wenn sich Nahtlinie auf Nahtlinie und Passzeichen auf Passzeichen fügt – einfach toll! Und so ungeheuer befriedigend.
An meinem Mantel habe ich bisher den Abnäher im Vorderteil genäht und die Seitenteile an die Vorderteile genäht.  Der Abnäher beginnt an der Schulter und wird später vom umgeklappten Kragen verdeckt. Das ist hier einmal einer der seltenen Fälle, wo der Abnäher aufgeschnitten und auseinander gebügelt wird - bei dünneren Stoffen macht man das ja gar nicht.

Dann fügte ich die obere und die untere Hälfte des Rückenteils zusammen, schloss die Rückennaht bis zum Beginn des Schlitzes, bügelte den Schlitzbeleg um und steppte ihn fest. Anschließend kamen die die seitlichen Rückenteile an das mittlere Rückenteil und die Schulter- und Seitennähte wurden geschlossen. Die Seitennähte kann man auch erstmal nur heften, wenn man sich bei der Passform noch unsicher ist. Nun kann man nämlich schon einmal die Schulterpolster provisorisch feststecken und das Teil anprobieren.



Für euch habe ich dann mit wirren Haaren schnell mal das Stativ hervorgezerrt, um ein paar schlecht belichtete Fotos zu machen. Abgesehen davon, dass man nix erkennt, sieht es doch schon gar nicht schlecht aus? Die Passform scheint im Prinzip OK zu sein, die Nähte müssen noch richtig gebügelt werden, dann kann es weiter gehen.

Was die Manteltaschen betrifft, habe ich mich nun doch für die nähtechnisch einfache Lösung entschieden: Der Mantel bekommt keine klassischen Paspel- oder Leistentaschen, sondern große, aufgesetzte Taschen wie im Schnittmuster vorgesehen. Die sind nicht nur riesig, sondern werden nach unten hin etwas breiter. Ich finde sie sind ein nettes, lässiges Schnittdetail für einen ansonsten klassischen Mantelschnitt.


Die Taschen werden  mit einem Futterteil verstürzt (die Wendeöffnung ist in der Naht oben).
Um die Sache etwas raffinierter zu machen, werde ich sie möglichst unsichtbar mit der Hand annähen.

Falls ihr es bei eurem Mantel mit Paspeltaschen zu tun bekommt, findet ihr hier bei Stellamaria eine hervorragende Fotoanleitung dafür, und wie weit die anderen sind, findet ihr hier bei Catherine.




Freitag, 12. Oktober 2012

Nähgeheimnis: Schulterpolster selber machen

Beim Nähen gilt: viele Wege führen zum Ziel, und Tricks und Kniffe kann man nie genug kennen. Daher die "Nähgeheimnisse", in denen ich anhand meiner laufenden Nähprojekte solche Tricks dokumentiere, die nicht unbedingt in jedem Nähbuch stehen, die für mich aber hilfreich, einleuchtend, Zeit sparend oder sonstwie nützlich sind - und ich hoffe für euch auch.

Alle von uns, die die 1980er Jahre bewusst miterlebt haben, tragen bis heute ein Schulterpolstertrauma mit sich - aber keine Angst, um diese Art der Schulterpolster geht es hier nicht. Vielmehr brauchen Blazer und Mäntel ein kleines Schulterpolster, damit die Schulterpartie glatt liegt und sich nicht verzieht. Solche Schneiderschulterpolster (Lucia zeigte in diesem Blogbeitrag ganz am Ende eine kleine Auswahl) sind aber nicht überall leicht zu bekommen - daher war ich sehr froh, als ich in Claire Shaeffers Couture Sewing Techniques eine Anleitung fürs Selbermachen fand. Das beste ist: die Polster lassen sich exakt auf den Mantel- oder Blazerschnitt abstimmen! Meine Polster sind noch etwas kleiner im Vergleich zu Shaeffers, und ich verwende Material, das ich immer im Haus habe.

Man braucht:
  • Papier, Lineal und Bleistift für den Schnitt
  • Schnitteile für Vorder- und Rückenteil
  • Nessel
  • Volumenvlies-Reste
  • Nadel und Faden

 Schnittmuster zeichnen



1. Auf dem Papier eine Linie ziehen und an einem Ende eine Strecke von 2,5 cm einzeichnen.



2. Die Schnitteile für Vorder- und Rückenteil an dieser Linie anlegen, und zwar so, wie die Schulternaht verlaufen würde. Die markierten 2,5 cm sind der Startpunkt, der Armausschnitt ist rechts. Den verlauf des Armausschnitts auf dem Papier nachzeichnen.


3. An der Armausschnittlinie von der Mitte nach oben (Vorderteil) 10 cm abmessen, von der Mitte nach unten (Rückenteil) 12 cm. 


4. Die Endpunkte der Armausschnittlinie mit zwei Bögen mit dem rechten Strich der 2,5 cm-Markierung verbinden. Im Vorderteil (oben) einen steilen Bogen zeichnen, der nahezu im 90°-Winkel abknickt, im Rückenteil einen flachen Bogen, fast einen Viertelkreis zeichnen. Den Fadenlauf im Winkel von 45° zur Schulternahtlinie einzeichnen.    

Zuschneiden



5. Das Schnittteil vier Mal aus Nessel zuschneiden...


6. ... und 6-8 mal aus Volumenvlies.
Ab jetzt muss man darauf achten, dass man tatsächlich ein rechtes und ein linkes Schulterpolster anfertigt - und nicht zwei gleiche.

Nessel stecken und heften



7. Jeweils zwei Nesselteile übereinander legen und an der Schulternahtlinie umklappen - vorne und hinten liegen die Kanten nun nicht mehr übereinander, die obere Schicht ist kürzer.


8. So feststecken - das ist ein Schritt, der sich unmöglich gleichzeitig ausführen und fotografieren lässt. Die obere Schicht bildet eine Art "Blase", wenn das Teil flach liegt. Wenn man es an der Schulternahtlinie über die Hand hängen lässt, ist die obere Schicht glatt.


9. Die beiden Schichten im gebogenen Zustand mit schrägen Heftstichen zusammenheften - die Mehrweite der oberen Schicht dabei gleichmäßig verteilen.

Mit Vlies belegen



10. Wer eine Schneiderpuppe hat, kann die Polster jetzt auf die Schultern der Puppe legen und dort weiterarbeiten. Die anderen nehmen z. B. ein zusammengerolltes Handtuch. 

Die zugeschnittenen Vliesteile auf den Polstern anordnen. Bei der untersten Schicht auslaufend zu den Rundungen Vlies wegzupfen und ausdünnen, jede folgende Schicht ist einen Tick größer als die vorige. Am Armausschnitt ist das Polster also am dicksten und wird zur Rundung (=Richtung Halsaussschnitt) auslaufend immer dünner. Als letzte Schicht kommt ein vollständiges Vliesteil darauf.






11. Die Vliesschichten ebenfalls mit schräg laufenden Heftstichen festheften, dabei das Teil nicht plattdrücken, sondern so gerundet in der Hand halten, wie es von der Handtuchwurst kommt. Durch die festgehefteten Vliesschichten hält das Polster jetzt die Form. Eventuell auf Handtuchwurst/Schneiderpuppenschulter etwas bügeln, das Volumenvlies verdichtet sich dadurch noch.


12. So sieht das Polster von der Rückseite aus.

Eingenäht ist es klein, leicht und unauffällig, knapp einen Zentimeter hoch, und macht garantiert keine Preisboxerschultern.

Montag, 8. Oktober 2012

Wochenrückblick KW 40





1. + 2. Am Feiertag zog es uns wieder auf das Tempelhofer Feld - der Wind und die Weite können süchtig machen.

3. Am Eingang vom Schillerkiez gibt es Gemeinschaftsgärten, und das Allmende-Kontor berät StadtgärtnerInnen und solche, die es werden wollen. Die Hochbeete auf dem Tempelhofer Feld werden zwar nur auf Zeit an die Nutzer vergeben - aber im Endeffekt macht doch jeder "sein" Beet auf seine Art gemütlich.   

4. Ernte der anderen Art: Normalerweise pflanzt man nur männliche Gingkobäume, weil die die pflaumenähnlichen Früchte (richtiger: Samen) der weiblichen Bäume bestialisch stinken - nach verdorbener Butter. Das klappt meistens auch, nur in der Taborstraße in Kreuzberg konnten sich zwei weibliche Bäume an den Straßenrand schmuggeln.

Herr und Frau Nahtzugabe sind ja so neugierig und mussten ein paar Früchte aufsammeln und mit nach Hause nehmen, und weil sie glaubten gelesen zu haben, dass Ginkgofrüchte in China gegessen werden, auch probieren. Interessant, sage ich euch: das Fruchtfleisch schmeckt wie sehr reifer Camembert mit Weintraube, aber mit Gerbsäure oder etwas anderem, das für ein sehr "bremsendes" Gefühl auf der Zunge sorgt. Erst heute lese ich, dass die fleischige Hülle tatsächlich Buttersäure und diverse andere, zum Teil hautreizende Stoffe enthält, so dass man sie lieber nicht anfassen, geschweige denn essen sollte. Huppsa!! Gegessen werden vielmehr die harten Kerne, die man rösten oder kochen kann... Ich lebe und mir geht es gut, aber macht mir das bloß nicht nach! 

Sonntag, 7. Oktober 2012

Wintermantel-Sewalong 4: Zuschneiden und Einlage


Wie bringe ich das Zuschneiden, und schlimmer, das Einlage-Aufbügeln hinter mich?


Wir kommen heute zu den beiden Teilschritten auf dem Weg zum fertigen Mantel, die ich persönlich nicht so sehr schätze: Zuschneiden – (Nahtlinien und Passzeichen markieren) – Einlage.

Beim Weihnachtskleid-Sewalong oder bei einem Nähfragezeichen hatte einmal eine Mitnäherin (sinngemäß) gesagt, sie verstehe nicht, warum andere so ungern zuschnitten – schließlich sei das doch der Startschuss für ein tolles, neues Projekt, alles sei noch offen, und deshalb mache ihr das Zuschneiden immer besonders großen Spaß. Ich glaube ich wäre geneigter, diese Auffassung zu teilen, wenn ich dazu nicht gefühlte Stunden auf dem Fußboden herumkrauchen müsste. (Wobei der Perspektivwechsel auch neue Erkenntnisse bringt. Ich fand diesmal unter dem Wohnzimmerschrank eine Packung Zigaretten, die anscheinend unserem letzten Übernachtungsbesuch, Gelegenheitsraucher, dort hingerutscht war. Nach acht Wochen hat es wohl keinen Sinn mehr, dass ich ihm eine offene Packung schicke? Aber das nur nebenbei.)


Ich brachte also die Zuschneiderei möglichst schnell hinter mich. Der Oberstoff war diesmal besonders anstrengend, weil meine kleine Zuschneideschere für solchen dicken Stoff nicht gemacht ist. Ich brauchte nicht ganz die angegebenen 4, 20m, aber da der Stoff einen Strich hat und ich überall 2cm Nahtzugabe und 4cm für die Säume geben wollte, ließ sich nicht viel tricksen.

Ich habe mir in letzter Zeit angewöhnt, alle, wirklich alle Teile des Schnitts sofort und auf der Stelle zuzuschneiden – bis hin zu Streifen für Gürtelschlaufen, Taschenfutter und anderen Kleinteilen, denn ich weiß aus Erfahrung, dass ich es schrecklich lästig finde, wenn ich zwischendurch noch einmal den Reststoff und das Schnittmuster herauskramen muss. So lästig, dass dann manchmal ein Rock ohne Bund monatelang vor sich hin dämmert. Beim Stoffbüro im Blazer-Duett mit Ms. Fischer wurde gerade eine andere, einleuchtende Vorgehensweise beschrieben: Ärmelteile erst zuschneiden, wenn die Rumpfteile angepasst und endgültig zusammengenäht sind und Änderungen an den Armausschnitten gleich auf die Ärmelteile übertragen werden können.




Hier beim Mantelprojekt markierte ich die Nahtlinien und andere Zeichen mit aufgeschnittenen Heftnähten auf den Schnittteilen. Normalerweise betreibe ich nicht so einen Aufwand, aber bei so einem komplizierten Projekt finde ich es entspannend, wenn mir alle Markierungen sicher bis zum Schluss erhalten bleiben. Muss man nicht nachmachen, aber das Markieren ("Durchschlagen") dauert gar nicht so wahnsinnig lange: einen sehr langen Faden doppelt einfädeln und mit Vorstichen durch beide Stofflagen entlang der Nahtlinien und Markierungen nähen, dabei bei jedem Stich eine kleine Fadenschlaufe stehen lassen. Beide Lagen auseinanderziehen und die Fäden dazwischen durchschneiden.

Tja, und dann das Einlage-Aufbügeln. Nachdem ich das letzte Nähkränzchen mehr oder weniger am Bügelbrett verbracht hatte (ich erwähnte es vielleicht schon zwei- oder dreimal), bin ich ein wenig negativ eingestellt. Eine professionelle Bügelpresse wäre aber auch nicht automatisch die Lösung, da mancher Wollstoff, besonders wenn er flauschig ist, so viel Druck gar nicht verträgt. Immerhin verband sich die Einlage für dieses Projekt, eine ganz dünne mit Längsverstärkung, ähnlich Vlieseline H410, ganz willig mit dem Stoff.



Die Vorderteile bebügelte ich komplett, außerdem die Rückenteile etwa bis zur halben Höhe des Armlochs, den Rand der Armlöcher, die Ärmelsäume und die Schlitzbelege im Rückenteil. Eben alle Stellen, wo der Stoff später besonders strapaziert werden wird. So eine dünne Einlage macht den Stoff nicht dicker oder steifer, sondern verhindert, dass er sich verzieht, das ist  gerade beim Vorderteil wichtig, das durch Knöpfe, Knopflöcher, Taschen besonders beansprucht wird. Der Unterkragen ist auch komplett „vereinlagt“, allerdings laufen hier die stabilisierenden Fäden schräg, damit sich der Kragen später noch gut umklappen lässt. Wenn ihr euch noch nicht für eine Einlage entschieden habt, lest vielleicht mal  diesen Beitrag von Lucia über die häufigsten Vlieselinesorten und heute gibt sie viele Tipps zum Aufbügeln, das ist auch sehr lesenswert!

Den Futterzuschnitt habe ich bis heute vor mich hergeschoben - Memo an mich selbst: heute erledigen und an die Zugabe im Rückenteil für die Bewegungsfalte denken!

Danach gehts endlich an die Nähmaschine - das macht dann erst richtig Spaß!  Und ihr? Bügelt ihr noch oder näht ihr schon?