Ende März war ich auf der
handarbeit + hobby in Köln, der deutschen Fachmesse für die Handarbeitsbranche, auf der Stoff-, Garn- und Zubehörhersteller ihre Angebote zeigen. Beim mehr oder weniger systemtischen Wandern durch die vier Hallen (diesmal in netter Begleitung der
Drehumdiebolzeningenieurin) habe ich einiges gesammelt, was mir interessant und neu erschien. Sozusagen "die Trends", so weit ich sie erkennen konnte. Denn mir scheint - das war auch ein Thema einiger Gespräche, die ich auf und am Rande der Messe hatte - so ein richtiger neuer Trend ist derzeit nicht sichtbar.
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Ob ich Lampenschirme aus Wolle außerhalb einer Handarbeitsmesse cool finde, weiß ich noch nicht. |
Die Instagram-Ästhetik ist mittlerweile allgegenwärtig und mehr oder weniger durchgespielt: Weiß und Pastellfarben (im Moment Lachsrosa/Koralle und pudriges Zitronengelb), Kupfer und Gold, dazu Streifen und Rauten, Rattan und Marmor, Dschungelpflanzen und Kakteen und überall Alpakas, die jetzt aber als Lamas bezeichnet werden - war das nicht im letzten Jahr schon genauso? Und findet man diese Versatzstücke nicht auch schon bei den Mittelgangangeboten der Supermärkte? Nicht so einfach, das zu beurteilen, vermutlich hat es nicht viel zu bedeuten, dass unsereiner in der DIY-Blase diese Dinge schon x-mal gesehen hat - "draußen" ist es denkbar, dass makrameegeknüpfte Blumenampeln wirklich noch total neu und aufregend sind.
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Puschelkissen bei Rico design |
Stricken
Für Handstrickerinnen ist die Messe wirklich ein Eldorado: Neben den großen Garn- und Strickzubehörherstellern gibt es eine Menge kleinerer Garnproduzenten und Handfärberinnen und man kann viele Garne, von denen man sonst nur im Internet liest, tatsächlich in die Hand nehmen.
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Hier weiß ich leider nicht mehr, von welchem Stand das Foto stammt... |
Die sehr, sehr dicken Garne für Nadelstärke 10 aufwärts, die mir letztes Jahr auf der Messe gerade bei den großen Firmen auffielen, waren jetzt nicht mehr so verbreitet, vor allem wurden sie nicht mehr so oft zu Kleidungsstücken verarbeitet, eher noch zu Kissen und Teppichen aller Art. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass sich sehr grober Grobstrick nicht besonders gut trägt und für Innenräume meistens zu warm, für draußen aber zu winddurchlässig ist und zu voluminös, um eine Jacke darüber anzuziehen.
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Feines Garn bei Rico design |
Mohairgarne und Flauschiges findet man weiterhin sehr viel, sowohl sehr feines in Lacequalität, als auch Garne in mittlerer Stärke, die man mit Nadelstärken von 5 oder 6 verstrickt. Häufig ist ein ganz feiner Lurexfaden dabei, so dass die Garne unter dem Flausch ein ganz leichtes Glitzern zeigen.Im Knäuel sind diese Garne schwer fotografierbar, aber
Jetztkochtsie hat gerade so ein Garn verarbeitet und ist schwer begeistert (ich auch!).
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Nie wieder kalte Beine! (Stand unbekannt) |
Die dänische Firma
Gepardgarn hatte wunderschöne Mohair- und Merinogarne, letztere auch handgefärbt in den seit einigen Jahren beliebten gesprenkelten, sehr kurzen Farbverläufen. Bei den Strickmodellen am Stand wurde Mohair und gesprenkelt gefärbtes glattes Garn gemeinsam in Hebemaschenmustern verstrickt, so dass raffinierte sanfte Farbschattierungen entstanden. Auch haptisch eine Wucht, fühlt sich sehr luxuriös an.
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Gepard Garn aus Dänemark |
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Hebemaschenmuster bei Gepard Garn |
Die Hebemaschenmuster - die im Internet schon überall sind - sah man an vielen Ständen, aber bei keinem so virtuos eingesetzt wie bei
Gepard Garn. Die Strickanleitungen gibt es
auf der Webseite und unter dem Namen
Sus Gepard bei ravelry, das Garn in etwa einer Handvoll deutscher Wolläden (Bezugsquellen auf der Webseite). Ich bin vor allem von den vielen schönen Blau- und Blaugrautönen hingerissen.
Dann musste ich noch
Jetztkochtsieauchnoch am Stand von
Addi Hallo sagen (wenn man schon mal eine kennt, die an einem Stand steht!).
Addi ist ein traditionsreicher deutscher Strick- und Häkelnadelhersteller mit wirklich hochwertigen Nadeln, die trotzdem sehr vernünftige Preise haben. Da ich größtenteils immer noch mit einem Fundus alter Rundstricknadeln von meiner Mutter aus den 70ern und 80ern stricke (mit allen Nachteilen wie widerspenstigen Seilen und höckrigen Übergängen vom Seil zur Nadel), sind die
Nadeln tendenziell interessant für mich, denn ab und zu muss ich mal die eine oder andere Nadelstärke nachkaufen und außerdem ist es ist spannend zu sehen, wie man am Nadeldesign schrauben kann, um die Stricknadel noch zu verbessern. Neu in diesem Jahr sind Rundstricknadeln mit strukturierten Spitzen, von denen gerade Lacemuster mit vielen Umschlägen nicht so schnell herunterrutschen sollen.
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Das sensationelle Strickkleid kann man nur erahnen - und die Strickjacke ist natürlich auch selbstgemacht |
Danach besuchte ich natürlich auch noch
Feierabendfrickeleien, die andere Hälfte des
Frickelcast-Duos am Stand von
Pony Needles - wobei ich ehrlich gesagt von den bunten Strick- und Häkelnadeln gar nichts wahrgenommen habe (und dass es auch Nähzubehör gibt, sehe ich erst jetzt auf der Webseite), denn Steffi trug ein sensationelles schwarzes Strickkleid, das - wenn ich das richtig sehe - entstanden ist, bevor sie bloggte, und daher nicht in ihrem Blog zu finden ist. Das Armband mit aufgenähten Druckknöpfen hat eine Pony-Mitarbeiterin aus Indien für die Standbesatzung gemacht.
Stoffe
Für Stoffe ist die
h+h im allgemeinen keine so gute Adresse - es gibt vor allem die hyperbunte Holland-Stoffwarktware oft von zweifelhafter Qualität, das war dieses Jahr nicht anders als in den Jahren zuvor.
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About Blue - hochwertige Jersey- und Sweatstoffe aus Belgien |
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Nochmal Stoffe von About Blue |
Die Drehumdiebolzeningenieurin und ich suchten also gleich direkt den Stand von
Lotte Martens, der Frau mit den tollen, metallisch-handbedruckten Stoffen. Sie teilte sich den Stand diesmal mit der ebenfalls belgischen Firma
About Blue. Die lohnt es sich auch im Auge zu behalten - sehr schöne hochwertige Sweat- und Jerseystoffe mit grafischen Mustern und passenden Uniqualitäten gab es da.
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Stoffe von Lotte Martens |
Und bei
Lotte Martens gibt es die Stücke mit metallischen Bordürendruck jetzt auch in doppelter Länge, also 1,20 Meter über die ganze Stoffbreite (vorher gab es nur 60-cm-Stücke), das vervielfacht die Möglichkeiten, was man daraus nähen kann. Unseren Wunsch nach Stoffen in kalten Farben gaben wir für alle Fälle auch zu Protokoll - die Farbtöne, die es gibt, von mattem Pfefferminzgrün über Lachsrosa und Senfgelb sind toll, keine Frage, und passen auch gut zusammen, sind aber für die Drehumdiebolzeningenieurin und mich nichts. Das kalte Farbspektrum ist einfach nicht die Farbwelt der Designerin, aber vielleicht findet sie ja einen Zugang zu Blau- und Blaugrautönen und blaustichigem Rot (wobei ich seit September ja einen dunkelblauen Coupon mit Kupferdruck habe und ihn nur streichle).
Ganz kurz schauten wir auch bei
Atelier Brunette, dort durfte man aber nur eingeschränkt forografieren - udn die Musterstoffe sind, da viel senfGelb udn Altrosa, oft auch gar nicht so mein Fall Aber traumhaften Viskosecrêpe in blaustichigem Dunkelgrün und in Bordeauxrot hatte ich da in der Hand - den einfarbigen Crêpe gibt es in 12 Farben, und das ist wirklich bester Stoff.
Neue alte Techniken: Needlepunchen und Sashiko
Der Riesenstand von
Rico Design ist immer ein guter Anhaltspunkt für die Großtrends und für andere Techniken als Nähen und Stricken, die in nächster Zeit in Bastelläden wie
Idee auftauchen werden und sich dann von da aus den Weg in die Niederungen des Einzelhandels bahnen und womöglich in zwei Jahren als Bastelpackung bei Tchibo zu haben sind. (Kleinere Anbieter gibt es in diesem Bereich auf der Messe nur wenige oder genauer gesagt: Die kleinen Anbieter haben sich fast alle auf Stickpackungen spezialisiert, deren Designs ich unfassbar scheußlich finde. Wer diese ganzen Packungen für Stickbilder mit Pony unter Palmen vor Sonneuntergang eigentlich kauft, muss ich noch herausfinden.)
Einer dieser neuen alten Techniken ist Needlepunchen,
needle punch embroidery, eine Technik, für die es meines Wissens keinen deutschen Namen gibt, die aber in englischsprachigen DIY-Blog-Kreisen seit Jahren immer mal wieder auftaucht. Diese Stickerei kann mit Stickgarn genauso wie mit Wolle ausgeführt werden. Eng verwandt mit der Technik ist das Rug Hooking, eine traditionelle Form der Teppichherstellung aus Stoffstreifen, die mit
einer Art Häkelnadel durch Jutegewebe gezogen werden. Beim Needlepunchen arbeitet man aber von der Rückseite der Arbeit aus mit einer speziellen Nadel, durch die das Garn gefädelt wird. Die flauschigen Schlaufen entstehen auf der anderen Seite, auf der man nicht einsticht.
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Punchnadeln von Rico design |
Mit der Technik lassen sich schön strukturierte Oberflächen gestalten, mit Garnschlaufen in verschiedenen Höhen. Mir gefällt das vor allem mit dickeren Garnen aus Wolle, weil dabei teppichartige Flächen entstehen und man so seinen eigenen Stoff gestalten kann, aus dem man zum Beispiel Taschen nähen könnte.
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Punchneedle-Stickerei bei Rico design |
Für das Needlepunchen mit feinerem Garn, zum Beispiel Stickgarn, fällt mir hingegen so recht noch keine Verwendungsmöglichkeit ein. Da der Untergrundstoff sowohl durchlässig, also locker gewebt, als auch stabil sein muss, bietet es sich nicht an, gepunchte Verzierungen direkt auf Bekleidung zu sticken.
Rico Design bietet Punchnadeln in zwei verschiedenen Stärken an, Untergrundsroff, Bastelpackungen und ein ziemlich gut gemachtes dickes Anleitungsheft mit Modellen, fast ein Buch zum Thema. Die Variante mit dickem Strickgarn würde ich tatsächlich gerne einmal ausprobieren, und für die Stick-Variante schaut man wohl am besten mal im englischsprachigen Internet nach Anfregungen, da die Technik dort ja nichts Neues ist. Gute Tutorials zum Neeldepunchen gibt es übrigens
bei der Schiffchenschieberin.
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Neu interpretiertes Sashiko bei Rico design |
Das zweite große Thema: Sashiko, die tradtionelle japanische Stickerei, modern abgewandelt, aber in den traditionellen Farben Dunkelblau und Weiß und mit naturfarbenem Garn auf Leinen. Rico Design hat sich Baumwoll-Meterware mit vorgedruckten Mustern ausgedacht, die man ganz oder teilweise nachsticken kann.
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Zu der Meterware mit Sashikomustern gibt es verschiedene andere passende Stoffe |
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Nochmal Sashiko, nochmal Rico design |
Da das Übertragen der Muster immer das Langwierigste (und unspaßigste) beim Sticken ist, finde ich das eine ganz gute Idee - die Meterware lässt einem alle Verarbeitungmöglichkeiten offen und es gibt dazu passende einfarbige und gemusterte Stoffe. Und es ist mal nicht Rosa oder Pastell, das begrüße ich sehr! Da es zur Zeit einige neue englischsprachige Bücher gibt, die sich mit Sashiko im weiteren Sinne beschäftigen, wird das vermutlich noch länger ein Thema sein.
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Aus der Meterware kann man natürlich auch Kleidung nähen (Rico design) |
Bücher
Damit kommen wir zu den Büchern, da ist das Angebot ziemlich übersichtlich und, zumindest bei den Großverlagen
Christophorus, Frech, Edition Fischer, in meinen Augen ziemlich uninteressant geworden. Jerseynähbücher, wohin man schaut.
Die Bücher des
Stiebner Verlags, der zum ersten Mal bei dieser Messe dabei war (wenn mich nicht alles täuscht) fallen dagegen wirklich positiv auf. Nähnerds kennen
Stiebner schon länger, denn sie übertrugen die japanische
Pattern-Magic-Reihe ins Deutsche. Jetzt haben sie zum Beispiel
ein Buch übers Needlepunchen im Programm, das beim Blättern einen sehr guten Eindruck machte. Der Schwerpunkt liegt darin nämlich auf einem sehr ausführlichen Technikteil, der einen befähigen sollte, eigene Ideen umzusetzen, und nicht so sehr auf dem genauen Nacharbeiten einfacher Modelle, wie das die meisten DIY-Ratgeber handhaben.
Neue Schnittmustertechnik: Pattarina
Auf der Messe gab's auch endlich eine Gelegenheit, die
Pattarina- Schnittmusterapp auszuprobieren, nachdem ich immer nur davon gehört und die Entwicklung über Onlinekanäle ein bisschen mitverfolgt hatte. Beim Nähbloggertreffen in Hamburg im letzten November hatte Nora auch einiges erzählt und ich muss zugeben, dass ich skeptisch war, ob nicht das Aufmalen des Schnittmusters auf den Stoff noch nerviger ist als das Herauskopieren oder Zusammenkleben eines Schnittmusters.
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Wenn man genau hinschaut sieht man die Schnittlinien in der Pattarina-App |
Mit der App werden einem die Linien und Markierungen des Schnittes nämlich auf dem Handybildschirm angezeigt, wenn man die Kamera auf den Stoff und den "Anker" richtet, ein schwarz-weißes Papierquadrat als Referenzpunkt. Die Linien muss man dann mit rechts nachziehen (oder besser: nachtupfen), während man mit links das Handy hält. Für einige Minuten stellt man sich an wie der erste Mensch, weil man den Abstand zwischen Stift und Stoff nicht abschätzen kann, aber nach ein paar Minuten läuft das schon deutlich flüssiger.
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich
Pattarina gerade bei kleineren Schnitten mit nicht so vielen Teilen - einfache T-Shirts, Röcke, Kindersachen, Taschen - etablieren wird, denn da man für ein Schnittmuster weder Druckerpapier noch Seidenpapier oder Folie braucht, eignet sich die App hervorragend zum spontanen Nähen und Ausprobieren. Das Aufzeichnen komplexerer Schnitte, wenn man eine zwei oder drei Meter lange Stoffbahn auf dem Fußboden unterbringen muss, ist vermutlich eher anstrengend, da würde ich dann doch eher auf einen Papierschnitt zurückgreifen. Die kostenlose App mit einigen Testschnittmustern soll demnächst verfügbar sein, als Schnittmusterpartner konnte unter anderem Burda gewonnen werden. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt!
Was ich verpasst habe
- den laut Erzählungen im Vergleich zum Vorjahr auf doppelte Größe angewachsenen Stand von
Merchant & Mills - sie waren nur im Nachtrag zum Ausstellerverzeichnis aufgelistet, einem losen Extrablatt zum Katalog, daher habe ich sie übersehen, und zufällig sind die Drehumdiebolzeningenieurin und ich auch nicht darüber gestolpert.
- sämtliche organisierte Treffen, die Modenschau, Workshops und andere Veranstaltungen. Die
Initiative Handarbeit macht dieses Jahr eine Aktion zum Nähen, Häkeln und Stricken von Einkaufsbeuteln, um Plastikmüll zu reduzieren, und stellt dafür
Anleitungen zur Verfügung, das Modell im Nähwettbewerb ist dieses Jahr eine
Gürteltasche.
Wie immer fuhr ich mit dem Gefühl weg, bei weitem nicht alles gesehen und nicht alle getroffen zu haben - und mit dem Vorsatz, meinen Besuch im nächsten Jahr besser zu planen. Wir werden sehen!