Freitag, 13. Dezember 2019

Weihnachtsgeschenke für Menschen, die nähen

In den letzten Jahren habe ich ja nebenher in einem Stoffgeschäft gearbeitet und hatte daher in der Vorweihnachtszeit häufig mit Menschen zu tun, die überwältigt mitten in diesem Laden voller Stoffe und Nähzubehör standen, sich einer Verkäuferin näherten und dann etwas sagten wie "Helfen Sie mir. Meine Schwester/Mutter/Freundin näht und ich möchte ihr etwas schenken, aber ich weiß nicht was, ich kenne mich überhaupt nicht aus." In so einem großen Geschäft kann man zur Not immer zu einem Gutschein raten, aber besonders persönlich und originell ist das natürlich nicht.

Daher habe ich hier ein paar Tipps für nicht-alltägliche Weihnachtsgeschenke für Hobbyschneiderinnen und -schneider zusammengestellt, fast alle für unter 30 Euro. Hochwertiges Nähzubehör, an dem man lange Freude hat und das die oder der Beschenkte wahrscheinlich noch nicht besitzt, da es von kleinen bis sehr kleinen Firmen hergestellt wird oder von den Erfinderinnen selbst vertrieben wird. Die letzte Geschenkidee könnte man sogar selbst basteln, wenn man sich mit Holzverarbeitung auskennt. Wer selbst näht, findet hier vielleicht noch eine Ergänzung für den Wunschzettel.

(Da ich hier Produktempfehlungen gebe und Bezugsquellen angebe, handelt es sich der Form nach um Werbung - ich wurde dafür aber weder bezahlt noch beauftragt, die Herstellerinnen, die ich empfehle, wissen nichts davon.)

1. Das Bügelhandmaß aus Edelstahl von Nannette Hopf

 

Screenshot http://www.filztex.de/index.html

Lineale für die Schneiderei gibt es zuhauf, aber die meisten, ob nun Quiltlineale, Saumlineale oder Handmaße, haben den großen Fehler, dass sie aus Plastik sind. Will man beim Bügeln etwas messen oder gar einen Saum gleichmäßig umbügeln, muss man höllisch aufpassen - bügelt man einmal aus Versehen darüber, sind sie hin. Metalllineale aus dem Schreibwarenladen sind für Schneiderzwecke größtenteils zu dick und zu starr. Nannette Hopf eintwickelte aus diesem Grund ein spezielles Handmaß aus Edelstahl und ließ sich die Form patentieren: Das Bügelhandmaß ist flach, flexibel und unverwüstlich, die Skala ist eingeätzt, nicht aufgedruckt, es hat eine Schablone zum Anzeichnen von Knopflöchern, über die Rundung an einem Ende können Kragen und andere verstürzte Teile ausgebügelt werden. 

Das Handmaß fürs Leben gibt es direkt über die Webseite von Nannette Hopf für 25,00 Euro plus Versandkosten, man kann es zu einem etwas höheren Preis auch über einige andere Shops beziehen (nach "Bügelhandmaß Edelstahl" suchen), unter anderem auch von Manufactum - aber der Direktbezug ist natürlich immer am besten, dann bleibt für die Erfinderin am meisten hängen.

2. Zuschneidehilfe "Einfach Karl" für Schere oder Rollschneider 

Screenshot https://www.etsy.com/de/shop/EinfachKarl

Die meisten Schnittmuster hierzulande enthalten keine Nahtzugabe, man muss sie beim Zuschneiden rundherum dazugeben. Viele Nähende machen das nach Augenmaß, bei kniffeligen Schnittteilen, wenn es auf Genauigkeit ankommt, oder wenn man perfektionistisch veranlagt ist, kommt man mit "ich schneide nach Gefühl immer im gleichen Abstand drumherum" aber nicht weit. Die Nahtzugabe genau anzuzeichnen ist mühsam und ein Arbeitsgang, den man sich gerne erspart.

Dazu wurde die Zuschneidehilfe "Karl" erfunden: Sie wird mit einem Magneten an der Schere befestigt und hat einen einstellbaren Zeiger parallel zur Klinge, mit dem man beim Schneiden an den Konturen des Schnittteils entlangfährt - der Schnitt ist dann automatisch im eingestellten Abstand von der Kante und man erhält ohne Messen überall gleichmäßige Nahtzugaben. "Karl" gibt es mittlerweile in zwei Größen ("Kleiner Karl" für Scheren ab 8 cm Klingenlänge, "Großer Karl" für Scheren ab 9,5 cm Klingenlänge) und in verschiedenen Farben, außerdem "Karlchen" für Rollschneider (die allerdings eine ebene, magnetische Mitte haben müssen, damit Karlchen richtig Halt findet). Die Mitglieder der Karl-Familie kann man über den "Einfach Karl"-Shop bei Etsy bestellen, sie kosten zwischen 26,50 und 30,50 Euro plus Versandkosten.

3. Bügelamboss oder Tailor's Board 

 

Screenshot https://www.etsy.com/de/shop/tailorboardnl

Bügeln ist beim Nähen von Kleidung unverzichtbar, wenn es sich um komplexere Teile als ein T-Shirt handelt. Um auch schwer erreichbare Stellen zum Beispiel am Kragen oder am Armausschnitt erreichen zu können, ist ein Bügelamboss praktisch, eine Art Mini-Bügelbrett aus Holz mit vielen verschiedenen Rundungen und Spitzen, über denen Nähte ausgebügelt werden können. Für dieses Werkzeug gibt es einige Anbieter, wer sich mit Holzbearbeitung etwas auskennt und über eine Grundstock an Werkzeugen verfügt, kann so einen Bügelamboss aber auch selber bauen. Anbieter findet man über die Suche nach "Bügelamboss", "tailor board" oder "tailor's board", zum Beispiel tailorboardnl bei etsy.

Wer sich am Selbermachen versuchen will: beim Beswingten Allerlei ist eine Anleitung verlinkt und sie beschreibt auch, wie sie die Schablonen noch etwas angepasst hat.

4. Ein Zeitschriftenabo: Fibremood oder Vintage Flaneur


Auch wenn es im Internet ja irgendwo alles gibt, ist eine gedruckte Zeitschrift aus Papier in manchen Fällen doch ganz nett, wenn das Heft schön gestaltet ist und schwer zu bekommen. Außerdem kann sich die/der Beschenkte übers ganze Jahr hinweg alle paar Monate auf weitere Ausgaben freuen.
Zwei ganz unterschiedliche Vorschläge hätte ich dazu, die Zeitschriften werden beide von einem kleinen bis sehr kleinen Team realisiert und sind meistens nur in den großen Bahnhofsbuchhandlungen zu finden.
Screenshot https://www.fibremood.com/de

Fibremood ist ein 2018 gegründetes belgisches Nähmagazin mit Schnittmustern und Strickanleitungen und im Moment die interessanteste und aktuellste Nähzeitschrift auf dem Markt. Wer gerne neue Schnittmuster ausprobiert und sich beim Nähen an der aktuellen Mode orientiert, wird sich über die Zeitschrift freuen. Das Heft erscheint fünf Mal im Jahr, Abos können für zwei Hefte (25 Euro) oder 5 Hefte (55 Euro) abgeschlossen werden.

Screenshot https://www.vintage-flaneur.de/

Der Vintage Flaneur ist keine Handarbeitszeitschrift, auch wenn immer ein paar kleine DIY-Anleitungen enthalten sind, sondern ein liebevoll gemachtes kleines Magazin für Menschen, die Mode und Design der 1920er bis 1950er Jahre mögen. Das Heft erscheint sechs Mal im Jahr und enthält neben Mode auch Beiträge zu Kultur und Geschichte, meistens hat das Heft ein übergeordnetes Thema. Das Geschenkabonnement über sechs Ausgaben mit Geschenkprämie gibt es für 47,40 Euro.


5. Das Materiallexikon "Stoff und Faden"



Zum Schluss noch etwas Eigenwerbung: Das kleine Stofflexikon "Stoff und Faden" ist nun in der zweiten Auflage erschienen und für 14 Euro immer noch ein nettes, kleines Geschenk für nähende Menschen. Oder vielleicht lieber ein Buch über Mode oder zu einem anderen textilen Thema? Beim Verlag Texte und Textilien ist einiges im Angebot. Alle Bücher kann man im Buchhandel oder direkt auf der Seite bestellen.

Donnerstag, 21. November 2019

Berlin Hausvogteiplatz - Über 100 Jahre am Laufsteg der Mode


Verfolgt man heute die hilflosen Versuche des Berliner Stadtmarketings, Berlin als "Modestadt" zu etablieren und der Berlin Fashion Week zu einer Bedeutung zu verhelfen, die der Pariser oder Londoner Modewoche gleichkommt, kann man sich kaum vorstellen, dass Berlin in Sachen Mode vor etwa hundert Jahren tatsächlich in einem Atemzug mit Paris genannt wurde. In Berlin entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die modische Konfektion, die Kleidung von der Stange, wie wir sie heute kennen. Vor einem Jahr hatte ich anlässlich einer Ausstellung über die zerstörten Konfektionsbetriebe rund um den Hausvogteiplatz schon einmal über die Berliner Modeindustrie geschrieben.

Schon vor einem Jahr war Suschna - Textile Geschichten - mit der Recherche für das jetzt erschienene Buch beschäftigt: "Berlin Hausvogteiplatz. Über 100 Jahre am Laufsteg der Mode" von Brunhilde Dähn, die Neuausgabe eines Buches von 1968, das seit Jahren vergriffen war. Die Journalistin Brunhilde Dähn erzählt darin die Geschichte der Berliner Konfektion von den Anfängen mit Damenmänteln Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Wirtschaftskrise der späten 1920er Jahre.


Ihr Buch ist heute immer noch unterhaltsam und interessant. Dähn zitiert aus vielen verschiedenen Quellen, auch aus Romanen, die heute zum Teil nur noch schwer oder gar nicht aufzufinden sind. Mit vielen Anekdoten wird so die versunkene Welt der Konfektionsbetriebe und der Menschen, die in ihnen arbeiteten, lebendig.

Anders als man sich das heute vielleicht vorstellt, waren die meisten Firmen, die rund um den Hausvogteiplatz tätig waren, keine Kleiderfabriken - in den Zentralen wurde lediglich entworfen, zugeschnitten und die fertige Ware en gros verkauft. Die Produktion erfolgte in kleinen Werkstätten oder in Heimarbeit in den östlichen Stadtbezirken, in Friedrichshain und Prenzlauer Berg.  Die zugeschnittenen Stücke verfrachtete man samt abgezähltem Zubehör und Kurzwaren zu den Nähwerkstätten und erhielt die fertig genähten Teile zurück. In den Firmenräumen an der Hausvogtei wurden sie den Einkäufern aus aller Welt vorgeführt.


Der Welt der "Probierdamen", wie die Mannequins damals genannt wurden, widmet Brunhilde Dähn ein ganzes Kapitel, Suschna hat hier gerade erst im Blog etwas mehr über die "Gelbsterne", die Faruen mit den Idealmaßen geschrieben. Der neu entstandene Beruf des Mannequins galt zwar als etwas anrüchig, war aber auch verlockend: Bei vielen Modehäusern durften die Mannequins Kleider und Mäntel ausleihen und in ihrer Freizeit tragen, wenn sie gesellschaftliche Ereignisse wie Pferderennen, Theaterpremieren und Bälle besuchten, zu denen sie oft eingeladen wurden.
Aber auch als Telefonistin und Kontoristin, Sekretärin und Buchhalterin waren Frauen in der Berliner Konfektion beschäftigt - und diese jungen, gut ausgebildeten, finanziell unabhängigen Frauen bildeten auch die Kundinnen der Konfektion, vor allem für sie wurde hier Mode gemacht.

Man erfährt bei Brunhilde Dähn viel über die tonangebenden Modehäuser der Zeit und ihre Gründerinnen und Gründer, über die Organisation der Arbeit in den Konfektionsbetrieben, über frühe Influencerinnen und Werbung, über die Kaufhäuser und nicht zuletzt über das Berliner Nachtleben. Da Brunhilde Dähn die erste war, die die Geschichte der Berliner Modeindustrie aufzeichnete, ist nicht alles, was sie erzählt, hundertprozentig korrekt - darum hat das Buch ein neues Nachwort bekommen, das die größten Fehler geraderückt.

Die Neuausgabe von "Berlin Hausvogteiplatz" mit neuem Layout gibt es in jeder Buchhandlung und natürlich direkt über Susanne: Hier sind alle Informationen zum Buch noch einmal zusammengefasst und hier und hier gibt es im Blog einen Einblick ins Buch.

Auf der Messe BuchBerlin


Am nächsten Wochenende, 23./24.11. kann man in diesem und in allen anderen unseren Büchern blättern und mit uns ins Gespräch kommen: Bei der Berliner Buchmesse BuchBerlin im Mercure Hotel MOA Berlin (U Birkenstraße) - wir haben einen Stand in Ausstellungsbereich 2, D4. Vielleicht bis dahin? Ich würde mich freuen!



Mittwoch, 6. November 2019

Fast wie von Vivienne Westwood: Der "Trendschnitt" aus Burdastyle 10/2019

Mir passiert es selten, dass ich ein Schnittmuster sehe und denke: Das will ich unbedingt haben. In der letzten Zeit passierte mir das eigentlich gar nicht mehr (war ich früher begeisterungsfähiger?) - aber als ich vor einigen Wochen das gerade angekommene Burdaheft Oktober durchblätterte und auf Seite 72 anlangte war es wieder da, dieses Gefühl: das muss ich nähen.



Schnitt 120, "der Trendschnitt" für einen asymmetrischen Rock, war auf den ersten Blick nicht zu entschlüsseln, auch wenn die technische Zeichnung und der Karostoff des Modells einige Hinweise auf den Nahtverlauf gaben. Ich mag ja sowas! Noch ehe ich das Heft zugeschlagen hatte, ging ich schon im Kopf meinen Stoffvorrat durch. Bei den veranschlagten 2,65 Metern gab es nicht viel Auswahl (ich kaufe auf Verdacht selten mehr als 2 Meter). Am liebsten wären mir Nadelstreifen oder Schottenkaro gewesen, aber beides hatte ich nicht in ausreichender Menge. Schottenkaro, weil mich der Burdaschnitt sehr an die asymmetrischen Karoröcke von Vivienne Westwood aus der schon etwas älteren "Anglomania"-Kollektion erinnerten, zum Beispiel an diesen hier oder an diesen. An diesen Röcken hatte ich vor drei, vier Jahren ewig herumrecherchiert, im Netz nach Bildern von hinten und von der Seite gesucht, um der Konstruktion auf die Schliche zu kommen. Eines der vielen Projekte, die nach so viel Zeit für die Vorbereitung als zu kompliziert erscheinen und dadurch nie umgesetzt werden.




Der schwarze Baumwollstoff mit aufgedrucktem Ikatmuster war dann fast der einzige im Lager, der in Frage kam. Der Stoff ist eine wirklich gut gemachte Ikat-Imitation, das weiße, wie gewebt wirkende Muster ist mit verschiedenen Grau- und Weißtönen gedruckt und hat einen ziemlich großen Rapport. Der Stoff ist mittelfest und nicht allzu steif, auf der Vorderseite ist er ganz leicht angerauht (oder nach dem Waschen ganz leicht aufgerauht?), nur die helle Rückseite stört etwas, oder zumindest machte sie es für mich schwer, mir wirklich ein Kleidungsstück daraus vorzustellen.



Beim Zuschneiden habe ich dann nur auf den Fadenlauf der Schnittteile, aber nicht großartig auf die Karoplatzierung geachtet. Nachdem ich die Monsterschnittteile unter großem Papiereinsatz endlich herauskopiert und mehrfach zusammengeklebt hatte, war mir die Konstruktion des Rockes immer noch nicht richtig klar, daher wusste ich nicht, worauf ich beim Zuschneiden hätte achten sollen. Da Nähte mit ganz unterschiedlichen Winkeln aufeinandertreffen, ist es auch nicht wirklich möglich, die Karos irgendwo schön zusammenlaufen zu lassen.

Bund von innen: Der Knopf (vorne, Bildmitte) wird in das Knopfloch hinten links geknöpft (bei dem Muster sind die Fotos leider nicht sehr erhellend)
 Das Nähen war dann so weit doch ganz unkompliziert: Ich fügte einfach stur nach Anleitung die Teile zusammen und ließ mich vom Ergebnis überraschen.  Der Rock ist wie ein Wickelrock konstruiert, die unteen liegende Falte wird von innen in den Bund geknöpft, die oben liegende Falte wird durch das Bindeband gehalten. In den Teilungsnähten vorne und hinten ist jeweils auf halber Höhe eine gelegte Falte, die die Ballonform erzeugt, und in der linken Seitennaht ist sogar eine Tasche!


Der Rock hat sich durch die moderate Länge, die moderate Weite und die praktische Tasche als sehr alltagstauglich erwiesen: Da ist nirgends zu viel oder zu wenig Stoff - sehr weite und lange Kleidungsstücke können ja genauso nerven wie sehr kurze und enge. Die Oberteile dazu sollten genau bis zur Taille gehen, längeres verknäult sich mit den Bindebändern. Und ein bisschen sieht er doch wirklich nach Vivienne Westwood aus, nicht wahr?


Zusammenfassung
Schnitt: 120 aus Burdastyle 10/2019, keine Änderungen
Stoff: mittelfeste gewebte Baumwolle, schwarz-weiß bedruckt - gut 2,50 Meter/1,40 breit
Beleg innen mit Gewebeeinlage verstärkt
Pullover: Im Dezember ohne Anleitung gestrickt, mehr dazu hier. 


Viele weitere selbstgenähte Kleidung an echten Menschen heute (wie immer jeden ersten Mittwoch im Monat) beim me MadeMittwoch!

Mittwoch, 18. September 2019

Termine, Termine: Buchvorstellung, Workshops, Buchmesse und ein Podcast

Woran merkt man, dass der Herbst wirklich da ist? Ein Indiz neben gelben Blättern und deutlich kürzeren Tagen sind auch die auf einmal überall aufploppenden Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Konnte ich vor drei Wochen nicht einmal den Gedanken ertragen, einen ganzen Nachmittag oder Abend drinnen zu sitzen, erscheint es mir auf einmal ungeheuer attraktiv, zu einer Lesung, einem Workshop oder einer Messe zu gehen und auch das heimische Sofa hat sehr an Anziehung gewonnen.

Hier sind Termine der nächsten Wochen:


Buchvorstellung und Diskussion Zur Hölle mit der Mode in Berlin


Am Samstag, 19. Oktober ab 14.30 Uhr lese ich aus Elizabeth Hawes' "Zur Hölle mit der Mode" bei erna & gustav - Organic Comfort Clothing in der Wildenbruchstraße 84, 12045 Berlin mit anschließender Diskussion über die Mode-Hölle heute.

Das Buch von Elizabeth Hawes über die Praktiken der Modebranche in den 1920er und 1930er Jahren ist nämlich hochaktuell: Schon damals wurde die Qualität dem Profit geopfert und der Kundin wurde eingeredet, sie müsse immer mehr modische, aber kurzlebige Kleidung kaufen. Elizabeth Hawes deckt diese Mechanismen auf und plädiert dafür herauszufinden, was man in Sachen Bekleidung wirklich will und braucht, wobei auch der Spaß nicht zu kurz kommen muss.

Um etwas vorplanen zu können, meldet euch gerne über erna & gustav an oder bei mir, Constanze, unter info AT schnatmeyerundderham.de. Der Eintritt ist frei.


Stoffkunde- und Upcycling-Workshops beim Lillestofffestival


Ein Wochenende (oder einen Tag) mit vielen Gleichgesinnten durchnähen und etwas Neues ausprobieren? Dafür ist das Lillestoff-Festival am 28. und 29. September in Hannover, das jetzt schon zum sechsten Mal stattfindet, genau das richtige.

An beiden Tagen biete ich einen Stoffkunde-Workshop und einen T-Shirt- und Jeansrettungsworkshop an - auf der Festivalseite finden sich aber auch noch jede Menge andere interessante Workshopangebote, von Blogfotografie über Stoffmalerei, Grundschnitterstellung oder Futterverarbeitung. Besonders toll: Man kann sich für einen geringen Betrag vorab eine Leihnähmaschine reservieren. Das Festivalprogramm findet sich hier und die Tickets für die Kurse hier.


Schnatmeyer & Derham auf der BuchBerlin 2019


Einen ganzen Tag in Büchern kleiner, unabhängiger Verlage blättern kann man auf der BuchBerlin 2019 am 23. und 24. November im Hotel MOA Berlin (U Birkenstraße). Susanne und ich haben wieder einen Stand und bringen natürlich alle unsere Bücher mit.

Die Messe wird von einem gemeinnützigen Verein organisiert, der sich der Leseförderung verschrieben hat, daher sind Kinderbücher ein besonderer Schwerpunkt. Es gibt aber auch viele Bücher und Verlage, die Genres bedienen, die es bei den Großverlagen sehr schwer haben wie Fantasy und Science-Fiction. Susanne und ich sind mit unseren Textilbüchern auch da ziemlich exotisch - wir machen eben etwas, das sonst kein anderer macht. Tickets für die Messe kann man vorab über die Webseite der BuchBerlin kaufen oder direkt auf der Messe.


"Zur Hölle mit der Mode" im Passt-Podcast von Crafteln


Und bei meinem letzten Vorschlag kommt auch das Sofa zu seinem Recht: Meike alias Frau Crafteln hat in ihrer aktuellen Podcast-Serie über Kleidung in Folge #32 das neue Buch Zur Hölle mit der Mode gelesen - Elizabeth Hawes' Beobachtungen über Stil und Mode von 1938 treffen nämlich auch heute auf den Punkt: Nur, wer sich Kleider maßanfertigen (lassen) kann, kann genau das tragen, was den persönlichen Vorlieben, der Lebenssituation und der Persönlichkeit entspricht. Wer auf Kaufkleidung angewiesen ist, muss nehmen, was gerade Mode ist - von den Problemen mit Passform und standardisierten Kleidergrößen mal ganz abgesehen. Den Passt-Podcast von Crafteln kann man direkt auf ihrer Seite hören oder auch über die gängigen Podcast-Seiten beziehen.

Übrigens hoffe ich, bald auch in Berlin einen Stoffkunde-Workshop anbieten zu können - ich halte euch auf dem Laufenden. 

Mittwoch, 4. September 2019

Beinahe Marimekko - die Stella-Jean-Bluse aus Fashionstyle 4-2016


Nähen vom Stapel, also einen Stoffstapel mit zugeordneten Schnittmustern anlegen und diesen nach und nach wegnähen, hat sich für mich als gute Methode erwiesen, am Ball zu bleiben, und so kann ich heute beim MeMadeMittwoch zwei Teile des aktuellen Stapels zeigen.

Die Hose (104 c aus Burdastyle 2/2017) hatte ich im Juni schon mal aus grünem Baumwolltwill genäht. Der Schnitt war also eine sichere Bank, aber wie es bei Hosen meistens der Fall ist, entsteht bei einem anderen Stoff der Eindruck, eine andere Hose zu tragen. Die schwarze Hose aus Leinen-Viskose-Gemisch fällt irgendwie anders, und, ich kann das nicht genau festmachen, sie fühlt sich beim Tragen auch anders an als die grüne, als wäre sie weniger weit.



Das Oberteil ist die Stella-Jean-Bluse aus Fashionstyle 4/2016, bei der mir die Musterplatzierung an der Knopfleiste nicht so gelungen war, wie ich vorgehabt hatte - ich klagte schon einmal darüber. Es gab ja jede Menge hilfreiche Ideen, wie man die halbierte Blütenreihe mit einem aufgenähten Band kaschieren könnte, aber letztlich habe ich mich dazu entschieden, die Bluse einfach so zu lassen. Es wäre schade gewesen, den feinen Batist mit etwas Aufgenähtem zu beschweren, und jetzt, mit etwas Abstand, finde ich das Problem auch gar nicht mehr so auffällig. Der Moment, in dem einem ein Fehler bewusst wird, ist eben immer der schlimmste.


Der Blusenschnitt mit glockigen Ärmeln ist an ein Modell der italienischen Designerin Stella Jean angelehnt und wurde im Schnittmusterheft aus einem Waxprintstoff gezeigt (die Stoffe lässt Stella Jean exklusiv in afrikanischen Ländern anfertigen, sie verwendet keine Waxprints aus Holland). Mein Batist hat etwas weniger Stand, aber noch ausreichend für eine Bluse mit Knopfleiste und Hemdkragen. Ein sehr guter Marktfund war das, feinfädig, glatt, blickdicht und knittert kaum, erinnert vor der Stoffqualiät her fast an einen Lawn von Liberty.


Der an sich einfache Schnitt ist sorgfältig erstellt und hat ein paar schöne Details wie einen leicht geschwungenen Saum mit kleinen Seitenschlitzen. Die Länge ist sehr gut zum Darübertragen geeignet, wenn man nicht gerade ein Unterteil mit so erhöhter Taille wie die Burdahose dazu trägt.


Knöpfe in genau dem passen Türkis hatte ich wunderbarerweise im Vorrat. Ich habe sie mit dunkelblauen Garn angenäht, sichtbare Nähte und Knopflöcher sind mit blaugrauem Garn genäht. Bei so einem kontrastreichen Stoffmuster ist es schwierig, passendes Garn zu finden - mich überzeugte weder ein dunkles Blau noch Weiß noch Türkis, am Harmonischsten und Unauffälligsten fand ich tatsächlich eine Farbe, die im Muster gar nicht vorkommt.


Die Knopfplatzierung richtete ich ein bisschen am Muster aus: Ein Knopf alle zwei Blütenreihen, auf der Höhe der Blütenmitte.


Die Ärmel sollten eigentlich mit einem schmaleren Saum (1 cm) abschließen, ich fand einen breiten Saum aber deutlich schöner. Bei einem aufgedrehten, glockigen Ärmel wie hier entsteht dann bei der Saumzugabe einiges an Mehrweite, die habe ich in ein paar kleinen Fältchen untergebracht.

Ob sich die Bluse im Kleiderschrank etabliert, wird sich erst noch zeigen müssen - ich fand es sehr ungewohnt, in einer Bluse mit Hemdkragen unterwegs zu sein, sowas habe ich schon lange nicht mehr besessen. Vielleicht ist es auch das für mich eher untypische Muster, was mich etwas fremdeln lässt, obwohl ich die Bluse auf dem Foto gut finde.

Wir werden sehen, manche Teile müssen ja auch erst noch im Kleiderschrank etwas nachreifen, und da es bestimmt nicht mehr lange so warm bleibt, hat die Bluse dazu bestimmt noch ausreichend Gelegenheit.

Schnitt- und Stoffinformationen kurzgefasst


Hose
Schnitt: 104 C Burdastyle 2/2017
Stoff: 1,60 m Leinen-Viskose-Mischung, ergänzt durch Reste für Innenbeleg, vordere Taschenbeutel und Gürtel
Änderungen: etwa 4 cm kürzer als Schnittmuster

Bluse
Schnitt: 23 aus FashionStyle 04/2016
Stoff: Gut 1 Meter Baumwollbatist
Änderungen: Ärmelsaum 3 cm breit statt nur schmal eingeschlagen

Weitere selbstgenähte Kleidung gibt es jetzt (und jeden ersten Mittwoch im Monat) beim MeMadeMittwoch.

Sonntag, 11. August 2019

Das neue Buch ist da: Elizabeth Hawes - Zur Hölle mit der Mode


Vor gut einer Woche war wieder Buch-Liefertag - meine Güte, war ich diesmal wieder aufgeregt! Geliefert wurde das Ergebnis von etwa einem Jahr Arbeit, die Übersetzung von Elizabeth Hawes' Bestseller von 1938, "Fashion is Spinach" - deutsch: "Zur Hölle mit der Mode". Bis zur Lieferung weiß man eben immer nur annähernd, wie es aussehen wird, und da Susanne und ich noch nicht so routiniert sind, überprüfen wir alles x-mal, ehe wir den Druckauftrag erteilen und befürchten dann doch immer noch, irgend etwas übersehen zu haben. Aber "Zur Hölle mit der Mode" ist rundherum so geworden, wie geplant - der Umschlagentwurf stammt übrigens von Claudia Benter, die auch den Umschlag für das Materiallexikon gemacht hat.


Nachdem das erste Exemplar schon seine Leserin erreicht hat, sollte "Zur Hölle mit der Mode" jetzt im Buchhandel angekommen sein, und die Onlinebuchhändler ziehen sicher am Montag nach (falls da zu Anfang behauptet wird "die Bestellung dauert 2-3 Wochen" - so lange dauert es mit Sicherheit nicht!), und so kann ich euch ein bisschen mehr über das Projekt erzählen, das mich mit Unterbrechungen seit Anfang 2018 beschäftigt hat.

Worum es geht


"Zur Hölle mit der Mode" ist ein Rückblick und zu einem Teil auch eine Abrechnung mit der Modeindustrie, 1938 geschrieben von der Modedesignerin Elizabeth Hawes, die zu dem Zeitpunkt 15 Jahre lang in verschiedenen Positionen im Modebusiness gearbeitet hatte: Als Modezeichnerin in Paris, als Modejournalistin für den "New Yorker", als "Stylistin" für amerikanische Kaufhäuser, als selbstständige Designerin in New York, die einerseits teure Maßanfertigen in Couturequalität entwarf, aber auch Kleider und Accessoires für Kaufhäuser und günstige Bekleidungshersteller.


Elizabeth Hawes erzählt davon ziemlich unverblümt und mit vielen unterhaltsamen Anekdoten. Mitte der 1920er Jahre ging sie nach ihrem Collegeabschluss zunächst nach Paris und landete über Beziehungen in einem Modesalon, der illegal Kopien von Designermodellen herstellte - Coco Chanel war damals schon ein Star, aber sehr teuer, und so gab es einen Markt für Raubkopien. Elizabeth Hawes saß bei Modeschauen, versuchte, die Schnittführung der präsentierten Modelle zu entschlüsseln, und fertigte anschließend Zeichnungen davon an, die als Grundlage für die Kopien dienten.


Als ihre ethischen Bedenken zu groß wurden, arbeitete sie unter anderem als Modekorrespondentin für verschiedene amerikanische Medien - auch kein leichtes Geschäft, denn sie musste sich im Wochentakt modische "Neuigkeiten" überlegen, die berichtenswert waren.

Zurück in New York eröffnete sie mit 25 ihren eigenen exklusiven Modesalon, mit dem sie kein Geld verdiente - wie das funktionierte (oder besser: zu Anfang nicht funktionierte, aber doch ganz gut lief) erzählt sie im zweiten Teil des Buches.

Designaufträge für die Bekleidungsindustrie waren als Zusatzeinkommen daher einerseits eine Notwendigkeit, andererseits sah sie darin die Möglichkeit, gutes Design der großen Masse der Konsumentinnen zugänglich zu machen. Konfektionskleidung war in den 1930er Jahren in den USA schon weit verbreitet, in allen mittleren bis großen Städten gab es Kaufhäuser, die Mode von der Stange anboten, und auf dem Land bestellte man über den Versandhandel.

Die Probleme waren damals aber auch schon die gleichen wie heute: Viele Konfektionshäuser verwendeten einfach jahrzehntelang immer denselben Kleidergrundschnitt für alle Modelle, der dann mit ein paar auffälligen Dekorationen und einer Rüsche hier oder einem Band da zu einem "neuen" Kleid wurde. Die Stoffqualität war zum Teil sehr schlecht, oder die Kleider passten niemandem, oder es wurden mit dem Verweis auf Paris sehr kurzlebige Moden lanciert, die dann ein paar Wochen später schon lächerlich wirkten.

Elizabeth Hawes erlebte das alles mit und erzählt davon sehr amüsant und anschaulich: Wie eines ihrer Lederjackenmodelle von einem Fabrikanten kopiert wurde und er versuchte, sich herauszureden. Wie sie einen Taschenhersteller überreden wollte, doch auch mal WEICHE Taschen anzubieten. Wie einer ihrer Handschuhe in eine Lucky-Strike-Werbung geriet und einen Hype entfachte. Wie man eine Kundin einkleidet, die gar nicht weiß, wer und was sie ist. Wie man als amerikanische Designerin Kleider in Paris zeigt. Wie man mit einem Schnittmacher umgeht, der sich selbst für einen Designer hält, aber in Wirklichkeit immer nur dasselbe Kleid fabriziert.

Unkonventionell, unbequem, unbeugsam: Elizabeth Hawes


Wer die Autorin Elizabeth Hawes war, was sie abgesehen von Mode noch gemacht hat und wie ich dazu gekommen bin, das Buch zu übersetzen, dazu dann mehr beim nächsten Mal.

Das Buch von Elizabeth Hawes - "Zur Hölle mit der Mode" ist jedenfalls ab sofort im Buchhandel oder direkt von uns portofrei über unseren neuen Shop erhältlich. Es hat 416 Seiten,  24 Illustrationen und ein Personen- und Sachregister mit Anmerkungen und kostet 22 Euro. Buchhänderinnen können das Buch über Libri beziehen, oder mit den üblichen Rabatten und portofreier Lieferung von uns.

Elizabeth Hawes
Zur Hölle mit der Mode
Texte+Textilien Berlin 2019     
ISBN 978-3-948255-00-8
416 Seiten, 22,00 Euro 

Alle Informationen und Bestellmöglichkeit auch auf der Webseite texte-und-textilien.de/.

Dienstag, 6. August 2019

Entdeckung in der fränkischen Provinz: Das Klöppelmuseum Burg Abenberg und das Fabrikmuseum Roth


Zur Reiseplanung gehört für mich die Suche nach textilrelevanten Zielen unbedingt dazu: Gibt es in der Gegend, in die ich fahre, eine besondere textile Handwerkstradition, bestimmte typische Techniken oder Materialien, gibt es Modeausstellungen, textiles Kunstgewerbe oder Industriemuseen? Die Suche ist oft ziemlich zeitraubend und nicht sehr erfolgreich, weil viele kleinere Museen kein nennenswertes Budget für Öffentlichkeitsarbeit haben und nur kleine Webseiten, die schlecht gefunden werden. Man muss also oft genau wissen, was man sucht - oder aus Zufall darauf stoßen.

Nach Mittelfranken fahre ich seit Jahren regelmäßig zu Familienbesuchen. Vom Klöppelmuseum in Abenberg habe ich trotzdem erst vor kurzem erfahren - wenn ich mich richtig erinnere war in der Lokalzeitung, in der ich bei der Verwandtschaft ab und zu blättere, ein Bericht über irgendeine Veranstaltung in Abenberg, in dem das Museum erwähnt wurde.


Abenberg ist eine Kleinstadt mit (laut Wikipedia) etwa 5500 Einwohnern. Die Burg, deren Ursprünge wahrscheinlich auf das 10. Jahrhundert zurückgehen, thront sehr beindruckend auf einem langgestreckten Hügel über dem Ort und ist schon von Weitem zu sehen. Beste Herrschafts- und Dominanzarchitektur, wobei die Türme (in einem davon ist ein Burghotel untergebracht) im 19. Jahrhundert romantisierend wiederaufgebaut wurden - daher die Zinnen und die Ecktürmchen wie aus einem Dornröschenfilm.

Das Klöppelmuseum ist in einem kleinen Nebengebäude im Burghof untergebracht und ihm gelingt es, mit einer tollen, modernen Ausstellung nicht nur die Technik des Klöppelns und die Geschichte des Klöppelns in der Region zu erklären, sondern auch den Kontext, in dem dieses Handwerk ausgeübt wurde - was geklöppelt wurde, wer die Frauen waren, die klöppelten und unter welchen Umständen sie lebten und nicht zuletzt, wer sich Geklöppeltes überhaupt leisten konnte. In der zweiten Etage gibt es wechselnde aktuelle Ausstellungen, im Moment werden geklöppelte Mantillas aus Spanien gezeigt, ab 22. September zeitgenössische Spitzenkunst.

Metallborten waren das Spezialprodukt der Abenberger Klöpplerinnen

In Abenberg wird seit etwa 1770 geklöppelt, als Zubrot zu der Arbeit auf dem Feld in dieser sehr armen Gegend. Die Klöppelei wurde dabei schon bald mit einem System von Zwischenmeistern organisiert: Die Zwischenmeister boten mit Hilfe von Musterbüchern Borten und Spitzen in großem Stil an und sammelten Aufträge ein, die sie an eine Schar von Heimarbeiterinnen weiterreichten. Die Klöpplerinnen arbeiteten häufig unter großem Termindruck, auch Kinder mussten schon frühzeitig mithelfen. Dazu ging die Arbeit zuhause vonstatten, in den typischen, schlecht beleuchteten fränkischen Bauernstuben mit den kleinen Fenstern. Die Ausstellung enthält einige Interviews mit Klöpplerinnen aus dem Ort, die diese Auftragsarbeiten Mitte des 20. Jahrhunderts noch miterlebt hatten.

Klöppel und Klöppelkissen aus verschiedenen Ländern gibt es im Museum - die Papprolle in der Mitte stammt zum Beipsiel aus Malta.

Da hatten sich die Abenberger Klöpplerinnen allerdings schon professionalisiert: Zum einen spezialisierte man sich in Abenberg Mitte des 19. Jahrhunderts auf das Klöppeln mit feinen Drähten, Lahn (flachgeklopftem Draht) und metallumwundenen Fäden, aus denen Metallborten für lithurgische Gewänder, Trachten und luxuriöse Kleidungsstücke entstanden und bot damit Produkte an, die von Klöpplerinnen andernorts nicht hergestellt werden konnten. Zum anderen wurde mit der Einrichtung einer Klöppelschule die Wissensweitergabe gesichert und die Arbeitsbedingungen der Klöplerinnen verbessert: Sie klöppelten jetzt gemeinsam in den Räumen der Klöppelschule und konnten sich so zum Beispiel die Ausgaben für die Beleuchtung teilen.  


Die Sonderausstellung zeigt zur Zeit Mantillas aus Spanien

Die Klöppelschule gibt es heute noch - und wenn man der Museumsmitarbeiterin glauben darf, ist die Klöppeltradition im Ort noch sehr lebendig. Die Kinder des Ortes lernen weiterhin das Klöppeln, für Zugezogene scheint es zum guten Ton zu gehören, wenigstens einmal einen Kurs besucht zu haben und jedes Jahr im September gibt es ein Klöppelfest (2019 am 22.9.).

In der Ausstellung wurde ich auch auf ein weiteres Museum in der Region aufmerksam: Die Metallfäden, mit denen geklöppelt wurde, wurden nämlich unter anderem in Roth hergestellt - die sogenannte "Leonische Industrie", ein Begriff, den ich noch nie zuvor gehört hatte. Im Fabrikmuseum Roth kann man Sonntags die alten Maschinen in Aktion erleben. Den Besuch in Roth habe ich mir für den nächsten längeren Familienbesuch vorgenommen. Eventuell lohnt sich auch ein Besuch in Allersberg, wo das Gilardi-Anwesen - ein prächtiges Haus aus dem 18. Jahrhundert mit Fabrikgebäude - gerade restauriert wird. Die Gilardis stellten vom 18. Jahrhundert bis ins Jahr 2006 Drahtprodukte her, zuerst die Gespinste zum Klöppeln und für andere textile Techniken, zuletzt vor allem Weihnachtsbaumschmuck. 

Klöppelmuseum Abenberg
Burgstr. 16 91183 Abenberg 

Im März, November und Dezember immer Donnerstag bis Sonntag von 11-17.00 Uhr geöffnet
April bis Oktober Dienstag bis Sonntag von 11-17.00 Uhr geöffnet
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Mittwoch, 17. Juli 2019

Neuer Stoffstapel: Eine Bluse, eine weite Hose, ein Kleid und vielleicht ein Regenmantel

Anfang des Jahres klagte ich ja, das Stapeln und Entstapeln von Stoffen ersetze bei mir zunehmend das Nähen. Nicht ganz überraschend, denn ganz generell ist ja meistens das Planen und Konzeptionieren spannender (und vor allem einfacher) als die Mühen der tatsächlichen Ausführung.


Was den Jahresanfangsstapel betrifft, erwies sich das Stapeln, Planen und langsame Abarbeiten des Plans aber als eine ganz erfolgreiche Strategie, es kamen automatisch Stoffe und Schnitte zusammen, die zusammenpassen und sich ergänzen und vor allem dafür sorgten, nicht schon wieder der Oberteilschwäche anheimzufallen. Daher bleibe ich jetzt einfach beim Stapel-Konzept und lege folgende Stoffe auf den neuen Stapel:

Stoff 1, in der Mitte: Schwarze Leinen-Viskose-Mischung mit schöner Webstruktur und leichtem Glanz für eine weite Hose/Hosenrock/Culotte (zur Begriffsklärung siehe Kommentare zum vorherigen Post). Ich konnte mich dazu durchringen, den Schnitt 104 aus Burdastyle 2/2017 aus Effizienzgründen einfach noch einmal zu nähen, auch wenn einige andere Schnitte lockten. Aber so ist das Teil schon fertig und passt.


Ein bisschen herausfordernd war das Projekt wenigstens durch das Zuschneiden - ich hatte nur 1,62 Meter Stoff, der Schnitt verlangt etwa 1,95 Meter. Um 4 cm verkürzt und mit Bundbeleg, vorderen Taschenbeuteln und Gürtel aus anderem Stoff ließ sich die Hose herausquetschen. Fotos gibt es demnächst, wenn das geplante Teil aus dem zweiten Stoff fertig ist.


Stoff 2, links: Baumwollbatist mit marimekkoähnlichen Blüten auf dunkelblauem Grund. Daraus soll Bluse 23 aus Fashionstyle 4/2016 werden, ein Schnitt mit leicht ausgestellten, kurzen Ärmeln, der an einen Entwurf der italienischen Designerin Stella Jean angelehnt ist.

Der Moment der Erkenntnis

Hier bin ich etwa zur Hälfte fertig - nämlich an dem Punkt, dass die Knopfleisten eingeschlagen und festgesteppt sind und ich somit bemerken konnte, dass die von mir so sorgsam durchdachte Musterplatzierung an den Knopfleisten schief gegangen ist. Was ich mir genau beim Zuschneiden dachte, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, aber ich erinnere mich, dass ich im Vorfeld viel und lange dachte. Aber offenbar nicht das Richtige. Nunja.

Ich brauche nun ein paar Tage, um mit meinem fehlgeleiteten Perfektionsmus fertig zu werden und kann mich höchstens damit trösten, dass eine andere Anordnung beim Zuschneiden wahrscheinlichh kaum möglich gewesen wäre, weil ich wieder zu wenig Stoff hatte - einen großzügig abgeschnittenen Meter, also etwa 1,06 Meter, laut Zuschneideplan wären 1,20 Meter nötig gewesen.


Vom dritten Stoff, einem blauem Webkaro aus Baumwolle, habe ich für den geplanten Schnitt dafür reichlich: daraus soll Kleid 108 aus Burdastyle 5/2019 werden, ein Kleid mit überschnittenen Schultern und schmalem Rockteil. Bei diesem Projekt ist noch nichts passiert, also beispielsweise auch noch kein Karo falsch zugeschnitten worden.

Weil es derzeit ziemlich kalt ist, könnte es aber sein, dass ich zwei Oberteile aus etwas dickerem Ringeljersey dazwischenschiebe, für die ich letzte Woche spontan Stoff gekauft habe. Und dann überlege ich, mir einen Regenmantel oder zumindest einen wasserabweisenden Mantel zu nähen. Dieser Plan besteht im Grunde schon seit längerer Zeit, im letzten, regenlosen Jahr kam ich  nur vollkommen davon ab und mir fiel gar nicht auf, dass ich kein Kleidungsstück für Regenwetter habe. Eine Art schwarzer Nylonstoff wäre in größerer Menge (3 Meter?) vorhanden, ich muss aber erst noch Versuche anstellen, ob das Material wirklich wasserabweisend ist. Als Schnitt könnte ich mir 115 aus Burdastyle 3/2009 vorstellen, aber das sind dann schon Überlegungen für den nächsten Stapel.

Mittwoch, 3. Juli 2019

Hose, Rock, oder Rose, Hock - im Urlaub zuhause in 104C Burdastyle 2/2017 und "Pam" LMV

Ist ein Hosenrock laut Definition ein Rock, der wie eine Hose konstruiert ist oder eine Hose, die wie ein Rock aussieht, und gibt es zwischen beidem einen Unterschied? Und ist eine Culotte heutzutage identisch mit einem Hosenrock, oder handelt es sich um einen bestimmten Hosentypus?



Diese Fragen stelle ich mir, seitdem ich Modell 104C aus Burdastyle 2/2017 genäht habe - laut Beschreibung eine "Culotte", und in Wirklichkeit nicht halb so rock- oder hosenrockartig, wie ich sie mir vorgestellt hatte, eher eine weite Hose in Dreiviertellänge. Hätte ich das Modellfoto im Heft  richtig angeschaut, wäre mir das nicht entgangen - und auf der russischen Burda-Seite gibt es viele Bilder von Leserinnen, auf denen der Hosencharakter des Schnitts deutlich zu erkennen ist.


Ursprünglich - der olivgrüne Baumwolltwill lag im Januar auf meinem Nähstapel - hatte ich daraus den Hosenrock Milly aus La Maison Victor nähen wollen, dann fiel mir aber auf, dass Milly keine Taschen hat und ich suchte nach einem ähnlichen Schnitt mit Taschen. Burdastyle 104C ähnelt nun zwar nicht dem LMV-Hosenrock, aber was soll's - er hat hat auf Anhieb gut gepasst und passt auch zu vielen meiner Oberteile, so dass ich schon eine zweite, schwarze zugeschnitten habe.

Mit Taschen!


Auf der Straße begegnet mir sowas wie meine Hose ständig, diese Hosenform ist in Berlin derzeit die bevorzugte Bekleidung von Frauen zwischen 25 und 65, wahrscheinlich gerade weil sie zu so vielem passt. Zum Beispiel passt sie zu so gut wie allen Schuhen von Flipflop bis Stiefelette, und die Berlinerin mag es praktisch. Kaum zu glauben, dass Hosenröcke/Culottes/weite und nicht ganz bodenlange Hosen vor ein paar Jahren noch ganz neu waren und wir ernsthaft darüber nachdachten, ob man das wirklich tragen könne ("Clown oder Couture, Amish oder Avantgarde?" fragte ich mich im April 2015). Ob jetzt gerade (Stichwort: Zadie-Jumpsuit-Manie) dasselbe mit den Jumpsuits passiert? Wie werden wir in ein paar Jahren darüber denken?

Die sichtbare abgekettelte Kante links beim Knopf irritiert mich, aber sonst ist das Innenleben ganz schön geworden
 
Aber das führt jetzt vom Thema weg. In punkto Hosenschnitt lässt sich noch sagen, dass das Modell in der Taille sehr hoch geschnitten ist - etwas ungewohnt, aber nicht unangenehm. Der Schnitt hat keinen Bund, nur einen Beleg innen und ein geknöpfter Untertritt nimmt oben den Zug vom Reißverschluss weg. Die Beleg-Untertritt-Konstruktion konnte ich nach der Anleitung problemlos nachnähen, allerdings frage ich mich, ob man die sichtbare abgekettelte Kante des Schlitzbelegs beim Nähen nicht auch noch einschlagen könnte. (Bei der zweiten Version des Schnitts, die so gut wie fertig ist, habe ich das aber auch nicht hingekriegt, an der Stelle hatte ich schon vorbeigenäht, ehe ich es merkte).



Das Oberteil ist ebenfalls aus einem "Stapelstoff" vom Januar, kreppige Viskose aus Italien mit einem Streifenmuster in tollen Farben: Schwarz, Weiß, Beige, Rot, Orange, Rosa und Royalblau. Passt zu allem, leider sind es nur 1,20 Meter, so dass ich nach viel Schnittsucherei dann doch wieder bei Pam aus La Maison Victor gelandet bin.

Über den Streifenverlauf dachte ich lange nach, ich wollte auf jeden Fall, dass die Streifen bei Vorder- und Rückenteil und Ärmeln in dieselbe Richtung verlaufen, das passte aber nur quer zum Fadenlauf auf den Stoff. Ich probierte ziemlich lange hin- und her und schnitt dann - nicht besonders überzeugt - Querstreifen zu.  Mittlerweile finde ich die waagerechten Streifen gerade gut  und merke mir für die Zukunft: Öfter mal Querstreifen in Erwägung ziehen.  



Der MeMadeMittwoch, die monatliche Verlinkungsaktion für selbstgenähte Kleidung, hat heute das Sommerspecial Urlaubsgarderobe - egal, wo Urlaub stattfindet - leider ist mein Sommerurlaub für dieses Jahr schon vorbei, aber Berlin ist ja bekanntlich die Stadt, wo andere Leute Urlaub machen, und hier lässt es sich im Sommer ganz gut aushalten (abzüglich der Tage mit 35 Grad natürlich, aber die sind auch an den meisten Urlaubsorten anstrengend). Urlaubsgarderoben en masse zur Inspiration also jetzt beim MeMadeMittwoch.


Die Details kurz gefasst:

Hose ("Culotte")
Schnitt: 104C aus Burdastyle 2/2017
Stoff: 1,80 m olivgrüner Baumwolltwill ohne Elasthan
Änderungen: Etwa 3 cm kürzer als das Schnittmuster

Bluse
Schnitt "Pam" aus La Maison Victor Januar/Februar 2016
Stoff: 1,20 leicht gecrashte Viskose, quer zum Fadenlauf zugeschnitten (und gebügelt), Ausschnittbeleg aus schwarzem Baumwollvoile
Änderungen: Rückennaht mit leichter Hohlkreuzanpassung

Samstag, 15. Juni 2019

Punchen, Sashiko, Hebemaschen und andere Neuigkeiten von der hh Cologne


Ende März war ich auf der handarbeit + hobby in Köln, der deutschen Fachmesse für die Handarbeitsbranche, auf der Stoff-, Garn- und Zubehörhersteller ihre Angebote zeigen. Beim mehr oder weniger systemtischen Wandern durch die vier Hallen (diesmal in netter Begleitung der Drehumdiebolzeningenieurin) habe ich einiges gesammelt, was mir interessant und neu erschien. Sozusagen "die Trends", so weit ich sie erkennen konnte. Denn mir scheint - das war auch ein Thema einiger Gespräche, die ich auf und am Rande der Messe hatte - so ein richtiger neuer Trend ist derzeit nicht sichtbar.

Ob ich Lampenschirme aus Wolle außerhalb einer Handarbeitsmesse cool finde, weiß ich noch nicht.

Die Instagram-Ästhetik ist mittlerweile allgegenwärtig und mehr oder weniger durchgespielt: Weiß und Pastellfarben (im Moment Lachsrosa/Koralle und pudriges Zitronengelb), Kupfer und Gold, dazu Streifen und Rauten, Rattan und Marmor, Dschungelpflanzen und Kakteen und überall Alpakas, die jetzt aber als Lamas bezeichnet werden - war das nicht im letzten Jahr schon genauso? Und findet man diese Versatzstücke nicht auch schon bei den Mittelgangangeboten der Supermärkte? Nicht so einfach, das zu beurteilen, vermutlich hat es nicht viel zu bedeuten, dass unsereiner in der DIY-Blase diese Dinge schon x-mal gesehen hat - "draußen" ist es denkbar, dass makrameegeknüpfte Blumenampeln wirklich noch total neu und aufregend sind.

Puschelkissen bei Rico design


Stricken


Für Handstrickerinnen ist die Messe wirklich ein Eldorado: Neben den großen Garn- und Strickzubehörherstellern gibt es eine Menge kleinerer Garnproduzenten und Handfärberinnen und man kann viele Garne, von denen man sonst nur im Internet liest, tatsächlich in die Hand nehmen.

Hier weiß ich leider nicht mehr, von welchem Stand das Foto stammt...

Die sehr, sehr dicken Garne für Nadelstärke 10 aufwärts, die mir letztes Jahr auf der Messe gerade bei den großen Firmen auffielen, waren jetzt nicht mehr so verbreitet, vor allem wurden sie nicht mehr so oft zu Kleidungsstücken verarbeitet, eher noch zu Kissen und Teppichen aller Art. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass sich sehr grober Grobstrick nicht besonders gut trägt und für Innenräume meistens zu warm, für draußen aber zu winddurchlässig ist und zu voluminös, um eine Jacke darüber anzuziehen.

Feines Garn bei Rico design

 Mohairgarne und Flauschiges findet man weiterhin sehr viel, sowohl sehr feines in Lacequalität, als auch Garne in mittlerer Stärke, die man mit Nadelstärken von 5 oder 6 verstrickt. Häufig ist ein ganz feiner Lurexfaden dabei, so dass die Garne unter dem Flausch ein ganz leichtes Glitzern zeigen.Im Knäuel sind diese Garne schwer fotografierbar, aber Jetztkochtsie hat gerade so ein Garn verarbeitet und ist schwer begeistert (ich auch!).

Nie wieder kalte Beine! (Stand unbekannt)
 Die dänische Firma Gepardgarn hatte wunderschöne Mohair- und Merinogarne, letztere auch handgefärbt in den seit einigen Jahren beliebten gesprenkelten, sehr kurzen Farbverläufen. Bei den Strickmodellen am Stand wurde Mohair und gesprenkelt gefärbtes glattes Garn gemeinsam in Hebemaschenmustern verstrickt, so dass raffinierte sanfte Farbschattierungen entstanden. Auch haptisch eine Wucht, fühlt sich sehr luxuriös an.

Gepard Garn aus Dänemark

Hebemaschenmuster bei Gepard Garn

Die Hebemaschenmuster - die im Internet schon überall sind - sah man an vielen Ständen, aber bei keinem so virtuos eingesetzt wie bei Gepard Garn. Die Strickanleitungen gibt es auf der Webseite und unter dem Namen Sus Gepard bei ravelry, das Garn in etwa einer Handvoll deutscher Wolläden (Bezugsquellen auf der Webseite). Ich bin vor allem von den vielen schönen Blau- und Blaugrautönen hingerissen.

Dann musste ich noch Jetztkochtsieauchnoch am Stand von Addi Hallo sagen (wenn man schon mal eine kennt, die an einem Stand steht!). Addi ist ein traditionsreicher deutscher Strick- und Häkelnadelhersteller mit wirklich hochwertigen Nadeln, die trotzdem sehr vernünftige Preise haben. Da ich größtenteils immer noch mit einem Fundus alter Rundstricknadeln von meiner Mutter aus den 70ern und 80ern stricke (mit allen Nachteilen wie widerspenstigen Seilen und höckrigen Übergängen vom Seil zur Nadel), sind die Nadeln tendenziell interessant für mich, denn ab und zu muss ich mal die eine oder andere Nadelstärke nachkaufen und außerdem ist es ist spannend zu sehen, wie man am Nadeldesign schrauben kann, um die Stricknadel noch zu verbessern. Neu in diesem Jahr sind Rundstricknadeln mit strukturierten Spitzen, von denen gerade Lacemuster mit vielen Umschlägen nicht so schnell herunterrutschen sollen.

Das sensationelle Strickkleid kann man nur erahnen - und die Strickjacke ist natürlich auch selbstgemacht

Danach besuchte ich natürlich auch noch Feierabendfrickeleien, die andere Hälfte des Frickelcast-Duos am Stand von Pony Needles - wobei ich ehrlich gesagt von den bunten Strick- und Häkelnadeln gar nichts wahrgenommen habe (und dass es auch Nähzubehör gibt, sehe ich erst jetzt auf der Webseite), denn Steffi trug ein sensationelles schwarzes Strickkleid, das - wenn ich das richtig sehe - entstanden ist, bevor sie bloggte, und daher nicht in ihrem Blog zu finden ist. Das Armband mit aufgenähten Druckknöpfen hat eine Pony-Mitarbeiterin aus Indien für die Standbesatzung gemacht.

Stoffe


Für Stoffe ist die h+h im allgemeinen keine so gute Adresse - es gibt vor allem die hyperbunte Holland-Stoffwarktware oft von zweifelhafter Qualität, das war dieses Jahr nicht anders als in den Jahren zuvor.

About Blue - hochwertige Jersey- und Sweatstoffe aus Belgien

Nochmal Stoffe von About Blue

Die Drehumdiebolzeningenieurin und ich suchten also gleich direkt den Stand von Lotte Martens, der Frau mit den tollen, metallisch-handbedruckten Stoffen. Sie teilte sich den Stand diesmal mit der ebenfalls belgischen Firma About Blue. Die lohnt es sich auch im Auge zu behalten - sehr schöne hochwertige Sweat- und Jerseystoffe mit grafischen Mustern und passenden Uniqualitäten gab es da.

Stoffe von Lotte Martens

Und bei Lotte Martens gibt es die Stücke mit metallischen Bordürendruck jetzt auch in doppelter Länge, also 1,20 Meter über die ganze Stoffbreite (vorher gab es nur 60-cm-Stücke), das vervielfacht die Möglichkeiten, was man daraus nähen kann. Unseren Wunsch nach Stoffen in kalten Farben gaben wir für alle Fälle auch zu Protokoll - die Farbtöne, die es gibt, von mattem Pfefferminzgrün über Lachsrosa und Senfgelb sind toll, keine Frage, und passen auch gut zusammen, sind aber für die Drehumdiebolzeningenieurin und mich nichts. Das kalte Farbspektrum ist einfach nicht die Farbwelt der Designerin, aber vielleicht findet sie ja einen Zugang zu Blau- und Blaugrautönen und blaustichigem Rot (wobei ich seit September ja einen dunkelblauen Coupon mit Kupferdruck habe und ihn nur streichle).

Ganz kurz schauten wir auch bei Atelier Brunette, dort durfte man aber nur eingeschränkt forografieren - udn die Musterstoffe sind, da viel senfGelb udn Altrosa, oft auch gar nicht so mein Fall Aber traumhaften Viskosecrêpe in blaustichigem Dunkelgrün und in Bordeauxrot hatte ich da in der Hand - den einfarbigen Crêpe gibt es in 12 Farben, und das ist wirklich bester Stoff.

Neue alte Techniken: Needlepunchen und Sashiko


Der Riesenstand von Rico Design ist immer ein guter Anhaltspunkt für die Großtrends und für andere Techniken als Nähen und Stricken, die in nächster Zeit in Bastelläden wie Idee auftauchen werden und sich dann von da aus den Weg in die Niederungen des Einzelhandels bahnen und womöglich in zwei Jahren als Bastelpackung bei Tchibo zu haben sind. (Kleinere Anbieter gibt es in diesem Bereich auf der Messe nur wenige oder genauer gesagt: Die kleinen Anbieter haben sich fast alle auf Stickpackungen spezialisiert, deren Designs ich unfassbar scheußlich finde. Wer diese ganzen Packungen für Stickbilder mit Pony unter Palmen vor Sonneuntergang eigentlich kauft, muss ich noch herausfinden.)

Einer dieser neuen alten Techniken ist Needlepunchen, needle punch embroidery, eine Technik, für die es meines Wissens keinen deutschen Namen gibt, die aber in englischsprachigen DIY-Blog-Kreisen seit Jahren  immer mal wieder auftaucht. Diese Stickerei kann mit Stickgarn genauso wie mit Wolle ausgeführt werden. Eng verwandt mit der Technik ist das Rug Hooking, eine traditionelle Form der Teppichherstellung aus Stoffstreifen, die mit einer Art Häkelnadel durch Jutegewebe gezogen werden. Beim Needlepunchen arbeitet man aber von der Rückseite der Arbeit aus mit einer speziellen Nadel, durch die das Garn gefädelt wird. Die flauschigen Schlaufen entstehen auf der anderen Seite, auf der man nicht einsticht.

Punchnadeln von Rico design

Mit der Technik lassen sich schön strukturierte Oberflächen gestalten, mit Garnschlaufen in verschiedenen Höhen. Mir gefällt das vor allem mit dickeren Garnen aus Wolle, weil dabei teppichartige Flächen entstehen und man so seinen eigenen Stoff gestalten kann, aus dem man zum Beispiel Taschen nähen könnte.

Punchneedle-Stickerei bei Rico design

Für das Needlepunchen mit feinerem Garn, zum Beispiel Stickgarn, fällt mir hingegen so recht noch keine Verwendungsmöglichkeit ein. Da der Untergrundstoff sowohl durchlässig, also locker gewebt, als auch stabil sein muss, bietet es sich nicht an, gepunchte Verzierungen direkt auf Bekleidung zu sticken.

Rico Design bietet Punchnadeln in zwei verschiedenen Stärken an, Untergrundsroff, Bastelpackungen und ein ziemlich gut gemachtes dickes Anleitungsheft mit Modellen, fast ein Buch zum Thema. Die Variante mit dickem Strickgarn würde ich tatsächlich gerne einmal ausprobieren, und für die Stick-Variante schaut man wohl am besten mal im englischsprachigen Internet nach Anfregungen, da die Technik dort ja nichts Neues ist. Gute Tutorials zum Neeldepunchen gibt es übrigens bei der Schiffchenschieberin.

Neu interpretiertes Sashiko bei Rico design

Das zweite große Thema: Sashiko, die tradtionelle japanische Stickerei, modern abgewandelt, aber in den traditionellen Farben Dunkelblau und Weiß und mit naturfarbenem Garn auf Leinen. Rico Design hat sich Baumwoll-Meterware mit vorgedruckten Mustern ausgedacht, die man ganz oder teilweise nachsticken kann.

Zu der Meterware mit Sashikomustern gibt es verschiedene andere passende Stoffe

Nochmal Sashiko, nochmal Rico design

Da das Übertragen der Muster immer das Langwierigste (und unspaßigste) beim Sticken ist, finde ich das eine ganz gute Idee - die Meterware lässt einem alle Verarbeitungmöglichkeiten offen und es gibt dazu passende einfarbige und gemusterte Stoffe. Und es ist mal nicht Rosa oder Pastell, das begrüße ich sehr! Da es zur Zeit einige neue englischsprachige Bücher gibt, die sich mit Sashiko im weiteren Sinne beschäftigen, wird das vermutlich noch länger ein Thema sein.

Aus der Meterware kann man natürlich auch Kleidung nähen (Rico design)

Bücher


Damit kommen wir zu den Büchern, da ist das Angebot ziemlich übersichtlich und, zumindest bei den Großverlagen Christophorus, Frech, Edition Fischer, in meinen Augen ziemlich uninteressant geworden. Jerseynähbücher, wohin man schaut.

Die Bücher des Stiebner Verlags, der zum ersten Mal bei dieser Messe dabei war (wenn mich nicht alles täuscht) fallen dagegen wirklich positiv auf. Nähnerds kennen Stiebner schon länger, denn sie übertrugen die japanische Pattern-Magic-Reihe ins Deutsche. Jetzt haben sie zum Beispiel ein Buch übers Needlepunchen im Programm, das beim Blättern einen sehr guten Eindruck machte. Der Schwerpunkt liegt darin nämlich auf einem sehr ausführlichen Technikteil, der einen befähigen sollte, eigene Ideen umzusetzen, und nicht so sehr auf dem genauen Nacharbeiten einfacher Modelle, wie das die meisten DIY-Ratgeber handhaben.

Neue Schnittmustertechnik: Pattarina


Auf der Messe gab's auch endlich eine Gelegenheit, die Pattarina- Schnittmusterapp auszuprobieren, nachdem ich immer nur davon gehört und die Entwicklung über Onlinekanäle ein bisschen mitverfolgt hatte. Beim Nähbloggertreffen in Hamburg im letzten November hatte Nora auch einiges erzählt und ich muss zugeben, dass ich skeptisch war, ob nicht das Aufmalen des Schnittmusters auf den Stoff noch nerviger ist als das Herauskopieren oder Zusammenkleben eines Schnittmusters.

Wenn man genau hinschaut sieht man die Schnittlinien in der Pattarina-App

Mit der App werden einem die Linien und Markierungen des Schnittes nämlich auf dem Handybildschirm angezeigt, wenn man die Kamera auf den Stoff und den "Anker" richtet, ein schwarz-weißes Papierquadrat als Referenzpunkt. Die Linien muss man dann mit rechts nachziehen (oder besser: nachtupfen), während man mit links das Handy hält. Für einige Minuten stellt man sich an wie der erste Mensch, weil man den Abstand zwischen Stift und Stoff nicht abschätzen kann, aber nach ein paar Minuten läuft das schon deutlich flüssiger.

Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Pattarina gerade bei kleineren Schnitten mit nicht so vielen Teilen - einfache T-Shirts, Röcke, Kindersachen, Taschen - etablieren wird, denn da man für ein Schnittmuster weder Druckerpapier noch Seidenpapier oder Folie braucht, eignet sich die App hervorragend zum spontanen Nähen und Ausprobieren. Das Aufzeichnen komplexerer Schnitte, wenn man eine zwei oder drei Meter lange Stoffbahn auf dem Fußboden unterbringen muss, ist vermutlich eher anstrengend, da würde ich dann doch eher auf einen Papierschnitt zurückgreifen. Die kostenlose App mit einigen Testschnittmustern soll demnächst verfügbar sein, als Schnittmusterpartner konnte unter anderem Burda gewonnen werden. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt!


Was ich verpasst habe


- den laut Erzählungen im Vergleich zum Vorjahr auf doppelte Größe angewachsenen Stand von Merchant & Mills - sie waren nur im Nachtrag zum Ausstellerverzeichnis aufgelistet, einem losen Extrablatt zum Katalog, daher habe ich sie übersehen, und zufällig sind die Drehumdiebolzeningenieurin und ich auch nicht darüber gestolpert.
- sämtliche organisierte Treffen, die Modenschau, Workshops und andere Veranstaltungen. Die Initiative Handarbeit macht dieses Jahr eine Aktion zum Nähen, Häkeln und Stricken von Einkaufsbeuteln, um Plastikmüll zu reduzieren, und stellt dafür Anleitungen zur Verfügung, das Modell im Nähwettbewerb ist dieses Jahr eine Gürteltasche.

Wie immer fuhr ich mit dem Gefühl weg, bei weitem nicht alles gesehen und nicht alle getroffen zu haben - und mit dem Vorsatz, meinen Besuch im nächsten Jahr besser zu planen. Wir werden sehen!