Mittwoch, 31. Dezember 2014

Spontaner Spitzenrock: ein Näh-Quickie für Weihnachten und Silvester


Jetzt hab' ich mir doch noch etwas Festliches nähen können. Für den Weihnachtskleid-Sewalong hatte ich zu wenig Zeit, aber einen Weihnachts- und Silvesterrock habe ich vor Heiligabend noch hingekriegt. Das komplette Material lag schon einige Wochen auf dem Zwischenlagerplatz Bügelbrett bereit, nachdem ein Bild von Pinterest, das irgendjemand bei twitter zeigte, mich schlagartig davon überzeugte, einen Spitzenrock besitzen zu müssen. Was für ein Glück, dass einer der Stoffdealer auf dem Markt (der Laden in der ehemaligen Pizzeria) ständig Spitzenstoffe in verschiedenen Farben vorrätig hat!


Der Trick, damit billige Spitze nicht billig aussieht, besteht darin, eine unverdächtige Farbe auszuwählen: weiß sieht aus wie Gardine, rot, rosa, pink wie Faschingskostüm, schwarz wie Gruftiklamotte. Ich suchte nach dunkelblau, blaugrau, undefinierbar schmutzig-braunrosa ("nude") oder einer grünlichen Schlammfarbe und fand ein schönes khakigrünbraun. Am Jerseystand gab es weichen Viskosejersey in exakt demselben Farbton - Bingo!


Der Metallreißverschluss, Stoff für den Bund und ein Knopf waren vorhanden - es geht doch nichts über ordentliche Vorräte. Das Knopfloch muss ich im Detail zeigen:  



Es wurde mit meinem Geburtstagsgeschenk gemacht, mit einer Nähmaschine, die wirklich anbetungswürdige Knopflöcher näht. Ich bin gerade dabei, mich an sie zu gewöhnen. Noch grummelt die alte Meckertante in mir bei dieser und jener Funktion und elektronischen Finesse ein "das ist doch überhaupt nicht nötig" und findet auf der anderen Seite den Mangel an Nähfüßen etwas empörend, aber bei solchen Knopflöchern kann man nichts sagen, oder?   


Zum Schnittmuster: wie für ein Nähquickie angemessen keine großen Experimente. Der Rock ist ein halber Teller an einem schmalen Formbund von irgendeinem Burda-Rockschnitt. Als Taillenumfang für die obere Kante der Rockbahn messe ich den Umfang an der unteren Kante des Formbundes (ohne den Untertritt) und lasse mir die Maße von der Tellerrock-App hier berechnen. Der Reißverschluss ist hinten in Mitte einfach nur sichtbar aufgenäht, der Saum nur geschnitten. Der Spitzenstoff veränderte sich beim Aushängen überhaupt nicht, den Jerseyunterrock musste ich nach einem Tag nachschneiden.

Und so sieht das ganze aus:


Damit gehe ich gleich mit ein paar zauseligen Alt-68ern, teils Taxifahrern, teils Journalisten, Nudelsalat essen, ein Gesellschaftsspiel spielen und später vom Balkon aus das Feuerwerk über Neukölln betrachten. Das wird alles andere als glamourös, aber sicher sehr lustig.

Rutscht gut rein heute Nacht! Der DIY-Jahresrückblick ist gedanklich schon vorformuliert, und eine nicht ganz ernstzunehmende DIY-Prognose für 2015 möchte ich auch wieder schreiben. Und vergesst nicht, bei Chrissy über das Nähnerd-Wort 2014 abzustimmen!

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Frohe Weihnachten!

Minimalistische Weihnachtsdeko im Hause Nahtzugabe - Dekorieren ist einfach nicht so mein Ding

Ihr Lieben, in Berlin ist Stille eingekehrt, die Läden geschlossen, unsere Nachbarn im Haus fast alle verreist, es wird Weihnachten! Ich wünsche euch schöne Weihnachten, falls ihr feiert, und wenn nicht, genießt die freien Tage! Ich hoffe, ihr habt ein bißchen Ruhe, um euch mit dem zu beschäftigen, was euch Freude macht.

Falls zwischendurch Langeweile aufkommt (oder als Untermalung beim Nähen), hört euch doch das Me made Mittwoch-Weihnachtshörspiel an, ein Weihnachtsmärchen über Nähnerds im Jahr 2057, unser Dankeschön für eure großzügigen Spenden, mit denen mehr als vier Ausbildungen für afghanische Frauen finanziert werden können. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an alle SpenderInnen und an alle TeilnehmerInnen des Me made Mittwoch im vergangenen Jahr. Wie bei unserer letzten Spendenaktion vor zwei Jahren fragten wir uns zwischendurch, wie wir eigentlich so verrückt sein konnten, uns in der Adventszeit zusätzlich noch sowas aufzuhalsen - aber bei eurem Engagement und eurer Begeisterung war klar, dass wir die Hörspielaufnahmen durchziehen mussten, und letztlich hat ja auch alles geklappt. Danke Meike hatten wir eine Geschichte, Dank Katharina dieses Mal mit richtiger Musik, Dodo, Meike, Julia, Wiebke und ihre entzückende Tochter (ein Nachwuchs-Nähnerd!) sprachen die wichtigsten Rollen, Juli steuerte den Abspann und den Blogpost bei, und Dank der technischen Unterstützung von Muriel konnten wir das ganze ins Blog bringen. Viel Spaß beim Zuhören!  


Dunkelgrüne Spitze - die Zutaten für einen Weihnachtsrock
Gestern Abend wurde sogar noch mein Weihnachtsrock fertig: ein Halbtellerrock aus khakigrüner Spitze und gleichfarbigem Jersey, hinten mit einem sichtbar aufgenähten Metallreißverschluss. Damit geht es nach Weihnachten hier weiter, jetzt muss ich doch noch ein paar Kleinigkeiten im Haushalt erledigen und ein Geschenk fertigmachen. Wir lesen uns!

Dienstag, 16. Dezember 2014

Loben und Lästern: Burdastyle 1/2015

Neuer Jahrgang, neuer Anlauf: Ihr erinnert euch vielleicht an die Loben-und-Lästern-Artikelreihe im Herbst 2013 und Frühjahr 2014, in der wir gemeinsam mehr oder weniger liebevoll über die neuesten modischen Ideen des Burda-Verlags herzogen. In den letzten Monaten wurde ich virtuell und im echten Leben sehr oft angestupst, diese Rubrik wieder aufzunehmen, und da mir der Austausch über die Schnitte auch immer viel Spaß gemacht hat und man über Geschmack so vortrefflich unterschiedlicher Meinung sein kann, erspare ich euch jetzt jedes unsexy Lamento über Zeitmangel, sondern springe direkt zu ersten Burdastyle-Ausgabe des Jahres 2015. Wie immer: drei Lieblingsschnitte, drei Flops, und alles garantiert höchst subjektiv.


Bevor ich aber zu den Schnitten komme, muss ich noch etwas anderes feststellen: ich hatte Recht! Pannesamt kommt zurück! Beweis ist das Modell 117 auf Seite 15, ein Shirt mit interessanten Querfalten aus Metallic-Pannesamt (92% Polyester, 8% Elasthan). Das Material wird in diesem Zusammenhang als „sinnlich“ bezeichnet und man lobt die unkomplizierte Pflege. Tja, hatte ich nicht schon im Juni vorhergesagt, dass mit der Rückkehr des elektrisierenden Stoffklassikers zu rechnen ist? Das einzige, was mir Sorgen macht: die daraus erwachsende quasi-moralische Verpflichtung, an der Rehabilitation des viel geschmähten Materials mitzuwirken und selbst ein Stück aus Pannesamt zu nähen. Vielleicht finde ich auf dem Markt einen Pannesamt aus Viskose, dann wird die Näherei nicht ganz so schlimm?

Das Januar-Heft ist traditionellerweise die Ausgabe mit den einfachen Teilen aus Pailettenstoff, die man am Nachmittag des Silvestertages noch schnell zusammenrattern kann, mit den Faschingskostümen und in diesem Fall – seit langer Zeit zum ersten Mal – mit Umstandsmode. Also lauter Kleidungsstücke für Spezialbedürfnisse, die bei mir nicht anliegen. Was bleibt übrig?

Das Beste



Der Rock 109 fiel mir in der Ausgabe gleich als erstes auf, wegen der frappierenden Ähnlichkeit mit dem Jupe Anémone von Deer&Doe, einer kleinen Schnittmusterfirma aus Frankreich. Die ausgestellten Seitenteile des kurzen Rocks liegen doppelt und sind aufgedreht, so dass sie kleine, wippende Volants an den Seiten bilden. Die Burda-Redaktion bannte die Niedlichkeitsgefahr dieses Röckchens durch das Material: einmal stark strukturiertes Wollgewebe, das andere Mal Wildlederimitat. An Lederimitate taste ich mich buchstäblich gerade heran. Mein Nebenjob-Arbeitgeber hat eine große Auswahl davon, daher konnte ich in letzter Zeit einiges befühlen. Zum Teil macht das Zeug einen ganz guten Eindruck, es gibt auch Stoffe, die nicht komplett aus PVC bestehen, sondern eher ein beschichteter Stoff sind, der ein bißchen wie Leder aussieht. Was meint ihr – Rock 109 aus Lederimitat, ja oder nein? Es ist durchaus möglich, dass ich nur auf sehr dumme Ideen komme, weil ich in letzter Zeit so oft mit Kunstleder zu tun hatte.

Von diesem Rock abgesehen, macht es mir diese Ausgabe aber schwer, weitere potentielle Lieblingsschnitte zu entdecken: Es gibt eine Menge sehr kastige Oberteile (106, 107, 119) oder solche, die mit einem Gummizug zum Oberteil oder Kleid getrimmt werden (113).


Die schmale Jacke 104 mit einem hohen angeschnittenen Kelchkragen, der aus einer mehrfach unterteilten Schulterpasse herauswächst, finde ich schnitttechnisch interessant, und sie erinnert mich auf die gute Art an die Uniformen bei Raumschiff Enterprise, sollte aber besser passen als das Exemplar auf S. 49 (und die Kombination mit einer ebenfalls patchworkartig zusammengesetzten Hose finde ich unglücklich: das sieht doch etwas nach Clownsanzug aus. Aber das wäre ja schon wieder gelästert, und das wollen wir ja jetzt noch nicht!).


Ein weiteres Stutzen erzeugt bei mir der Wickelrock 108, wobei ich mich innerlich winde, dieses Stutzen tatsächlich positiv zu deuten, vereint dieser Rock doch fast alle Schnittdetails, die ich bis vor kurzen als absolut verabscheuungswürdig angesehen hätte: ein vorne kurzer, hinten langer Saum, der auch noch asymmetrisch ist, also rechts kürzer als links. Außerdem liegen die Vorderteile nur so wenig übereinander, dass der Rock sicher nur bei einem Stehempfang bei Windstille praktikabel ist. Vielleicht liegt meine leichte Sympathie an dem Rockfoto auf Seite 47, das den Rock aus einem hübschen Karostoff zeigt (und auf dem man die Mehrfach-Asymmetrie kaum erkennen kann): man zeige mir irgendetwas – egal was – mit Karos, und ich finde es gut. Oder es ist dieser unerklärliche Reflex, der sich „Mode“ nennt.

Das Schlimmste


Zum Läster-Einstand können wir aber gleich bei dem Foto von Seite 47 bleiben, bei dem krampfhaft originellen Oberteil 115. Es wird als „Plaidjacke“ bezeichnet, übersetzt bedeutet das wohl: eine Jacke mit einer angeflanschten Sofadecke, die schwungvoll über die Schulter geworfen werden soll. Sofadecke. Muss ich mehr sagen? Ja? Dann füge ich hinzu: zugige Dreiviertelärmel. Nochwas? Stellt euch einfach vor, wie ihr in dieser Jacke an einem kalten Buffet steht und versucht, einen Teller mit Kartoffelsalat zu beladen und ein Glas zu halten, ohne dass euch die Decke ins Essen fällt.

Das Oberteil 111 (S. 22 und 39) gefällt mir nicht unbedingt besser – Schals an der Kleidung sind generell nicht so mein Fall, scheint mir - aber wenigstens wird hier alles festgenäht, kann damit nicht in die Soße fallen. Abendessen gerettet, alles gut.

Anderes Thema: Burda und die Rechtecke. Einer der seit Jahren mit großer Beharrlichkeit geäußerten Vorwürfe gegenüber Burda lautet: Das sind doch alles nur Rechtecke! Wir wollen Schnitte, und keine Rechtecke! Ehrlich gesagt nervte mich die Penetranz ein wenig, mit der dieser Vorwurf jeden Monat wieder irgendwo erhoben wurde, und ich fand diese Dauerkritik ungerecht. Ja, ab und zu gab es einen Poncho (ein Rechteck mit Loch für den Kopf) oder einen Sarouel (ein Rechteck, das man um sich herumwickelt), aber generell stimmt es ja so nicht, dass Burda immer und überall nur Rechtecke als Schnitte verkaufen würde.

 

Die Parkajacke 134 auf Seite 70 fiel mir zuerst nur ins Auge, weil ich sie einfach scheußlich fand: ein unförmiges Ungetüm aus Glanzstoff mit Gummizügen überall. Beim Blick auf die Schnittzeichnung kapierte ich: Das sind ja alles nur Rechtecke! Für die Jacke gibt es gar keinen Schnitt – nur Anweisungen, was für Rechtecke zuzuschneiden sind. Ein Gefühl, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen: Burda gibt Rechtecke als Schnittmuster aus! Alle, alle hatten sie Recht! Ich blicke in einen Abgrund.

Ich hoffe, mit Heft 2/2015 kann ich mich von dem Rechteck-Schock erholen – es wird dort bereits sommerlich.
Und ihr, was sind eure Lieblingsschnitte? Habt ihr noch etwas entdeckt, was ich übersehen habe?

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Wir können mehr als nähen: Spenden, feiern, podcasten!

Heute möchte ich auf drei sehr unterschiedliche, gleichermaßen großartige Initiativen hinweisen, die gemeinsam haben, dass sie auf die eine oder andere Weise aus unserer Selbermacherinnen-Gemeinschaft hervorgegangen sind. Fangen wir mit einem ernsten Thema an:

MeMadeMittwoch-Spendenaktion für die Ausbildung afghanischer Frauen 

 

Wir, also das Team um den Me-made-Mittwoch, organisierten ja schon vor zwei Jahren eine Spendenaktion zugunsten der Bildung marokkanischer Frauen. Dieses Jahr wollen wir wieder ein Projekt unterstützen: der Verein NAZO e. V. sorgt zusammen mit afghanischen Partnern seit mehr als zehn Jahren die Ausbildung von Frauen zur Schneiderin. Die Frauen werden in fünf NAZO-eigenen Werkstätten ein Jahr lang unterrichtet. Nach dem Abschluss können die Frauen die Nähmaschine aus ihrer Ausbildung behalten und werden von NAZO dabei unterstützt, sich zu Werkstätten zusammenzuschließen und selbständig zu arbeiten.

Seit Anfang Dezember sind für dieses Projekt schon mehr als 4000 Euro Spenden von euch eingegangen, das ursprüngliche Spendenziel wurde schon zwei Mal übertroffen und wir sind völlig überwältigt - vielen, vielen Dank! Es ist ein tolles Gefühl zu sehen, dass sich der MemadeMittwoch nicht nur um schöne Kleider dreht, sondern eine Gemeinschaft ist, die mehr bewirken kann. Weitere Informationen und die Spendenmöglichkeit findet ihr hier im MMM-Blog - im Moment sind fast vier Ausbildungen finanziert. Übrigens: wie vor zwei Jahren wird es wieder ein Dankeschön von uns geben - ihr dürft gespannt sein. Wir haben uns da ganz schön was aufgehalst und sind ziemlich nervös, ob wir das in der knappen Zeit schaffen!


Dressmaker's Ball - Der Pott goes Glam oder: Nähnerds und Freunde tanzen


Quelle: Thiophene Guy via flickr.com - unter CC-Lizenz (CC-BY-NC-SA 2.0)
Wer nähen kann, kann auch feiern - und wer sich ein Weihnachtskleid, ein Ballkleid oder ein Cocktailkleid zu einem besonderen Anlass näht, möchte die Robe mehr als ein Mal aus dem Schrank lassen. Im März 2015 gibt es dazu im Ruhrgebiet die Gelegenheit: die großartige und nimmermüde Alex von Mamamachtsachen organisiert den Dressmaker's Ball, einen festlichen Abend mit Musik, Tanz, Essen und Trinken, alles inklusive. Eingeladen sind Selbernäherinnen und Selbernäher - selbstverständlich im Selbstgenähten - und ihre Begleitung. So lässt sich das Feiern auch noch mit dem Fachsimpeln verbinden. Karten - bis zum 15. 12. zum günstigen Frühbucher-Preis - können über Alex' Blog bestellt werden.   

Näh-Podcast


Quelle: Infrogmation of New Orleans via flickr.com - unter CC-Lizenz (CC-BY 2.0)
Es geht doch nichts über ein schönes Stück im Radio und ein Tässchen Tee! Anders als der oben abgebildete Herr nutzen Selbermacherinnen und Selbermachen Serien und Hörbücher aber oft als unterhaltende Begleitung beim Nähen oder Stricken - was liegt also näher, als beim Nähen einer Sendung zum Thema Nähen zu lauschen?

Die neuen Nähpodcasts von Muriel - Nahtzugabe 5cm, die sich in wochenlanger Arbeit mit der ganzen Technik vertraut machte, eignen sich vorzüglich dazu. In der ersten Folge unterhielt sich Muriel mit der Drehumdiebolzeningenieurin, in der zweiten mit Frau Crafteln - und weitere Folgen sind geplant. Ein Podcast ist quasi sowas wie ein Radiobeitrag, den man herunterladen und offline anhören kann (über einen beliebigen mp3-Player, z. B. im Handy), ihr könnte die Beiträge aber auch einfach mit dem Player in Muriels Blog abspielen. Hört mal rein -  es ist spannend, die Stimme zu einem Blog zu erleben, man nimmt die Bloggerinnen noch einmal ganz anders wahr, und das Nähgeplauder sorgt für ein richtiges Nähkränzchen-Gefühl, auch wenn man in Wirklichkeit ganz alleine vor sich hinwerkelt.      

Sonntag, 7. Dezember 2014

Stoffwechsel II - Finale

Also wenn ich eine Bitte äußern dürfte: Falls wir noch einmal einen Stoffwechsel*) machen, dann lasst uns das Finale nicht auf die lichtlosesten Wochen im Jahr legen. Ich hatte schon vor einer Woche beiden geplanten Teile fertig genäht, aber der Dezemberdunkelheit Fotos abzuringen, erwies sich als schwierig. Heute Mittag passte endlich alles zusammen: ganz gutes Wetter und ein nicht erkälteter Fotograf (der beim Fotografieren in einen Hundhaufen stieg und der dann den Weg zum Rixdorfer Weihnachtsmarkt an allerlei Pfützen damit zubrachte, seinen Schuh zu säubern. Vielen Dank für diesen heldenhaften Einsatz!).

Ich hatte ja sogar zwei schöne Stoffe zugeschickt bekommen: einen leichten, dunkelblauen Wollstoff und einen wild gemusterten Viskosestoff. Für den dunkelblauen Wollstoff, der ganz meinem Beuteschema entspricht, hatte ich bei der Stoffvorstellung gleich einen Plan gefasst: ich wollte zuerst einen Bleistiftrock mit rückwärtigem Godet nähen, hatte aber übersehen, dass der geplante Burda-Schnitt für Stoff mit Elasthananteil gedacht ist, und der Stoffwechsel-Stoff überhaupt nicht elastisch ist. Etwas Schnittrecherche ergab, dass die Elastizität bei diesem Schnitt wohl tatsächlich benötigt wird, und da ich mich kenne und weiß, dass ich ein unbequemes Kleidungsstück einfach nicht anziehen würde, wollte ich kein Risiko eingehen und vertagte den Bleistiftrockschnitt auf später und auf einen anderen Stoff.

Was nun? Die Suche nach einer Alternative wurde zuerst davon bestimmt, dass ich unbedingt einen Schnitt finden wollte, der zu dem geplanten Schößchentop aus dem zweiten Stoffwechsel-Stoff passen würde - und da kam eigentlich nur ein schmaler Rock in Frage. Einen anderen schmalen Rock als den ursprünglich ausgesuchten wollte ich aber nicht nähen. Naja, nach etwas gedanklichem Hin- und Her kam ich zu dem Schluss, dass es die Sache nur unnötig kompliziert, wenn ich unbedingt so planen will, dass beide Stoffwechsel-Stücke zusammen angezogen werden können. Der Stoffwechsel-Sache wäre besser gedient, wenn ich einfach Schnitte umsetzen würde, die mir ganz grundsätzlich gefielen und die in meinen Kleiderschrank passen würden.     


Und da tauchte genau zur rechten Zeit der Me-made-Mittwoch-Gastbeitrag von Birgit auf, in dem sie entdeckte, dass die Nummer 105 aus Burdastyle 8/2014 ein sehr schöner Schnitt ist, wenn man in der Lage ist, von der kreischbunten Umsetzung im Burda-Heft zu abstrahieren. Im Prinzip handelt es sich um einen leicht ausgestellten Rock mit einem rechteckigen Ausschnitt im Vorder- und Rückenteil, in den zwei große Godets eingesetzt werden - ideal für so einen weich fallenden Wollstoff wie den Stoffwechselstoff.


Es war ein großes Vergnügen, diesen Stoff zu verarbeiten! Reine Wolle näht und bügelt sich einfach wunderbar, ich könnte auf der Stelle einen ganzen Ballen von dem Zeug wegnähen. Außerdem passte der Schnitt ohne wesentliche Änderungen. Das Futterproblem (der Schnitt sieht kein Futter vor) löste ich einfach, indem ich die Rockschnittteile an der vorderen und hinteren Mitte faltete und die Hälften aus Futter im Bruch zuschnitt. Der Futterrock ist also ein simpler ausgestellter Rock, der oben im Beleg mitgefasst wird. In den Seitennähten ließ ich 15 cm lange Schlitze offen. Die Godets haben eine schmalen, handgenähten Saum, der Saum vom eigentlichen Rock ist 4 cm breit und auch mit der Hand angenäht. Und so siehts aus:


Ich bin von dem Rock ganz begeistert, er trägt sich sehr bequem, passt zu den meisten Sachen in meinem Kleiderschrank und ich bin sicher, dass ich ihn sehr oft anziehen werde. Ein voller Erfolg, da bin ich sicher.

Das zweite Stoffwechsel-Teil aus dem gemusterten Viskosestoff ist nicht so eine sichere Bank, allerdings konnte ich es auch noch nicht so richtig eintragen, denn Strickjacken, meine bevorzugte Oberbekleidung, passen einfach nicht so gut dazu, und um so ein Schößchentop aus dünnem Stoff einzeln zu tragen, dazu ist es mir im Moment zu kalt. Daher gibt es derzeit auch kein Foto davon in freier Wildbahn - ich werde aber noch ein Küchenfoto nachliefern.  


Wie zuerst geplant, nähte ich ein Schößchentop (Nr. 113 aus Burda 8/2012) aus der gemusterten Viskose. Den Ausschnitt, der ganz eng am Hals anlag, vergrößerte und verbreiterte ich etwas. Ich weiß noch nicht, ob diese Schnittform wirklich in mein ständiges Kleiderschrankrepertoire eingehen wird - das muss wirklich der echte Tragetest ergeben - vor dem Spiegel finde ich es aber gut. Dieser fluffelige, schwingende, vorne kürzere, hinten längere Volant macht Spaß.

Hier erkennt man nicht viel, vor allem nicht, dass sich in der Mitte der Rückens ein nahtverdeckter Reißverschluss befindet. Der Musteranschluss ist mir dieses Mal ganz ungewöhnlich gut gelungen. Ob die Musterverteilung die günstigste ist, ist eine andere Frage - die großen Motive waren nicht einfach zu verteilen, und erst jetzt auf dem Foto oben sehe ich, dass ich wohl einen rosaroten Blumentuff mitten auf dem Po haben muss. Die Küchenfotos werden es zeigen.

Wer meine Stoffpatin ist, davon habe ich immer noch keine Ahnung. Bei Siebenhundertsachen haben sich ja schon die meisten Finalistinnen verlinkt, und viele Stoffpatinnen haben sich schon geoutet, so dass ich eine Strichliste anlegen könnte, um herauszufinden, wer noch übrig bleibt. Das mache ich aber besser, nachdem ich mich verlinkt habe, denn die Frist läuft gleich ab. Meiner Stoffpatin auf jeden Fall vielen Dank für die Stoffe! Mit dem Wollstoff hast du mir eine große Freude gemacht, und ich habe mir ein echtes Lieblingsteil nähen können. Der Viskosestoff war eine tolle Gelegenheit zum Experimentieren, und ich glaube, dass das Top im Frühjahr noch seinen großen Auftritt haben wird. Und nicht zuletzt Siebenhundertsachen und Lotti vielen Dank für die liebevolle Organisation des Tauschs!

*) Stoffwechsel - Für die, die erst später zugeschaltet haben: Bei der Aktion suchten die Teilnehmerinnen jeweils für eine zugeloste Partnerin Stoff aus und schickten ihn ihr zu und bekamen selbst von einer anderen Teilnehmerin Stoff geschickt. Die fertigen Werke aus den Stoffen werden jetzt vorgestellt - alle Teilnehmerinnen sind hier verlinkt, und das Geheimnis, wer wem Stoff geschickt hat, lüftet sich.

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Schnittmusterparade November

Was gabs im vergangenen Monat Neues auf dem Schnittmustermarkt? Die Frequenz der Schnittmuster-Neuerscheinungen verlangsamte sich im Vergleich zum Oktober tatsächlich etwas - gut so, denn ich fragte mich schon, wer das denn alles kaufen soll (von nähen wollen wir erst gar nicht reden). Ein Blick auf die interessantesten Neuentdeckungen des Novembers:

Papierschnitte


Ein Kleid namens Kim von By Hand London kündigte sich schon letzten Monat an. Über die beständige Ärmellosigkeit der By-Hand-Schnitte hatte ich mich zuletzt ebenfalls schon beschwert, also lasse ich das jetzt und stelle nur fest, dass ich die schmale Tulpenrockvariante mit den abgerundeten Vorderkanten sehr mag. Eine vergleichbare Rockform finde ich sicher auch in meiner Burdasammlung - und dazu ziehe ich dann einfach ein Oberteil mit Ärmeln an!   

Bluegingerdoll entwirft Schnitte mit Retroflair, die gut in moderne Zeiten passen. Ein Jerseykleid fehlte aber noch im Angebot, deshalb gibt es jetzt das Violet dress (auch als pdf) mit zwei Ärmellängen und zwei Rockformen. Die Schulterpassen am Oberteil gefallen mir sehr: das ist doch etwas raffinierter konstruiert als der durchschnittliche Jerseykleidschnitt und bietet sich dafür an, mit verschiedenen Farben oder verschiedenen Materialien zu spielen.

Tilly Walnes von Tilly and the Buttons war 2013 Kandidatin in der ersten Staffel des Great British Sewing Bee, und obwohl sie recht früh ausschied, gelang es ihr doch, ihre Fernseh-Bekanntheit zu nutzen: sie veröffentlichte seither ein Nähbuch für Anfänger, ist mit Nähkursen gut im Geschäft und ab und zu entwirft sie ein Schnittmuster. Das neueste namens Françoise (auch als pdf) ist wieder ein kurzes, ausgestelltes Kleid, das vor allem an kleinen und zierlichen Figuren wie Tilly gut aussieht. In ihrem Blog veranstaltet sie gerade einen super-ausführlichen Sew-along für Françoise, und auch wenn der Schnitt an sich ziemlich banal ist: so eine engmaschige Schritt-für-Schritt-Nähbetreuung ist ja auch etwas wert. Wenn sich Anfängerinnen deshalb an ein Kleid trauen und so fürs Nähen gewonnen werden können, soll mir das nur recht sein. 

Was kleine Schnittmusterfirmen aus Frankreich betrifft, fehlt mir ein wenig der Überblick, oder besser gesagt: ich entdecke ständig neue und bin ganz überrascht, welche Schnitt-Vielfalt es in unserem Nachbarland gibt. Da ist zum Beispiel C'est Dimanche, eine Firma, die 2008 mit Schnitten für Kindersachen anfing und zuletzt zwei lockere Blusenschnitte herausbrachte, Denver und Osaka. Wie in Frankreich üblich gibt es ein Blog der Kundinnen, in dem genähte Modelle bewundert werden können.

Neu entdeckt - obwohl es die Marke schon lange gibt - habe ich in den letzten Wochen auch Aime comme Marie, die neben Schnittmustern auch allerlei dekoratives Schnickeldi für die Wohnung verkaufen, in Frankreich eine beliebte Kombination. Auch hier gibt es ein Kundinnen-Blog mit den umgesetzten Schnitten.


Pdf-Schnittmuster


Über République du Chiffon, ebenfalls aus Frankreich, hatte ich letzten Monat schon geschrieben - BunteKleider ist ja schon lange ein großer Fan und nähte und zeigte gleich flugs den neuesten Schnitt, die Bluse Marthe, ein weites Raglanoberteil mit angesetzter Rüsche und vorne kurzer, hinten langer Saumlinie. Ebenfalls neu, aber nur als Papierschnittmuster zu haben, ist das Kleid Annabelle, ein weites Tunikakleid mit Schulterpassen und Reißverschluss vorne. Die Kreationen der Kundinnen findet man in dem Blog R. D. C. Made by you.

Hinter True Bias steht ebenfalls eine Bloggerin, Kelli aus New York - vielleicht erinnert ihr euch, vor ein paar Monaten gab es die Hudson pant, eine Art schickere Jogginghose. Das neue Schnittmuster die Sutton Blouse ist eine lockere Bluse mit Schulterpassse und V-Ausschnitt, die zu Spielereien mit verschiedenen Stoffen einlädt. Auch zu diesem Schnitt gibt es einen Sewalong, wie er ausführlicher nicht sein sollte: Händchen halten sogar beim Bügeln.  

Und nicht zuletzt stellte sich eine neue Firma aus Neuseeland mit drei sommerlichen Schnitten vor: Pattern fantastique geht auf eine Zusammenarbeit zwischen einer Modesignerin und einem Webdesigner zurück. Die Schnitte - ein Jerseykleid, ein Webstoffkleid und eine Hose - sind auf den ersten Blick schlicht, aber mit interessanten Linien, und, was die Hose betrifft, durchaus anspruchsvoll zu nähen.


Seamwork, ein digitales Näh-Magazin

 

Auch über die rastlosen Aktivitäten von Colette patterns hatte ich letzten Monat schon sinniert, jetzt gibt es schon wieder etwas Neues: Colette gibt mit Seamwork ein monatlich erscheinendes digitales Magazin heraus. Das Magazin kann online angeschaut und gelesen werden, die dazugehörigen Schnittmuster - zu der ersten Ausgabe gehören eine weite Strickjacke und zwei einfache Taschenschnitte - bekommt man nur über ein Abonnement.

In Seamwork will Colette patterns Näh- und Designthemen vertiefter behandeln, als das im Blog möglich ist und gleichzeitig Schnittmuster anbieten, die in zwei bis drei Stunden genäht werden können. Zum Einstand gibt es unter anderen das Porträt einer Brautkleiddesignerin und ihrer Arbeitsweise, das wirklich in die Tiefe geht, Tipps zur Verarbeitung von Leder und Strickstoffen, einen Artikel über die Wollstoffe der Pendleton Mills und Vorschläge zum Besticken von Kleidung mit Schneeflockenornamenten oder mit Strasssteinen. Ich bin recht angetan von dem Konzept: die Ausgabe ist ebenso unterhaltsam wie informativ und im typischen pastelligen Colette-Design auch schön anzusehen. Die Schnitte werde ich wahrscheinlich nie im Leben kaufen, aber ich bin gespannt, wie sich das entwickelt. Vertiefte Näh-Lektüre, die nicht nur an der Oberfläche kratzt, kann es meiner Meinung nach gar nicht genug geben.  

Donnerstag, 27. November 2014

Hosen-Herbst - die erste Probehose oder: Fast so schlecht wie gekauft.

Was wurde aus meinen Hosenplänen zum Hosen-Herbst? Zur Erinnerung: FrauCrafteln hatte den Hosen-Herbst ausgerufen, als kollaborative Wissenssammlung rund um die Themen Hosenformen, Hosenschnitte, Hosenpassform, Hosenverarbeitung. Jeden Monat werden Beiträge zu einem bestimmten Thema gesammelt.

Vor ein paar Wochen nahm ich auch endlich die erste Hose seit etwa sechs oder sieben Jahren in Angriff und hatte schnell etwas aus braunem Cord produziert, das einer durchschnittlich schlecht sitzenden Kaufhose ähnelt. Ich finde das schon deprimierend: bei Röcken und zunehmend auch bei Oberteilen habe ich es im Laufe der Jahre gelernt, mit überschaubaren Änderungen gut passende und bewegungsfreundliche Teile zu produzieren, die mit Gekauftem überhaupt nicht zu vergleichen sind. Selbst genähte Röcke, Kleider, Mäntel, Oberteile sind Kaufkleidung in der Preisklasse, die ich mir leisten könnte, in jeder Hinsicht überlegen. Bei Hosen werde ich wieder auf den Anfängerstatus zurückgeworfen. Das ist hart. 

Den Schnitt hatte ich etwa 2004 von einer verhältnismäßig gut sitzenden gekauften Hose aus Cord abgenommen. Denn wenn ich mal zurückdenke: eine Liebesaffäre war das mit den Hosen und mir noch nie. Meine Hosenerfahrungen sahen immer so aus, dass ich pro Einkaufsversuch etwa 20 verschiedene anprobierte, um dann die am wenigsten schlecht sitzende zu kaufen. (Ja, "die am wenigsten schlecht sitzende". Es verbietet sich, in diesem Zusammenhang von einer "gut sitzenden" oder gar von "der am besten sitzenden" Hose zu sprechen!) Wenn die Hose an den Oberschenkeln einigermaßen passte, konnte ich vorne am Bund immer noch jemanden mit reinnehmen, es war zum Verzweifeln.

Das Nachnähen von Kaufhosen erleichterte dann eine Weile mein Leben. Allerdings machte ich schon vor ein paar Jahren die Erfahrung, dass das Material einen sehr großen Anteil daran hat, wie die Hose ausfallen wird. Die letzte, etwa vor vier Jahren aussortierte Hose mit dem hier verwendeten Schnitt war zum Beispiel aus einem Baumwollcord mit Elasthananteil genäht, der sich nach einer halben Stunde auf dem Sofa perfekt an die Körperformen anpasste. Der jetzt verwendete braune Cord ist zwar schmiegsam, aber nicht im mindesten elastisch und durch den Polyesteranteil neigt er weniger zum Ausleiern.

Nach dem Zusammennähen war die Hose also erstmal zu eng. Da das letzte überlebende Exemplar nach diesem Schnitt schon seit Jahren in textilen Recyclingkreisläufen verweilt, ließ sich nicht überprüfen, ob die Enge auch noch auf Figurveränderungen meinerseits zurückzuführen ist - ich vermute: ja. Aber, wie sagt man so schön: So lange noch Nahtzugabe da ist, ist auch noch Hoffnung da.


Ich ließ die Nahtzugaben aus, wobei die Zugabe der Vorderhose nicht ganz ausreichte, um eine senkrecht verlaufende Seitennaht zu erzielen, an einer Stelle wird sie immer noch nach vorne gezogen. Beim Ansetzen des Bundes (der zu schmal und schlecht verstärkt ist), erging ich mich in lustigem Hin- und Herändern: zu weit, immer noch zu weit, nur noch hinten zu weit, annehmbar. Nach kurzem Probetragen - der Zustand ist auf dem Foto abgebildet - ist die Hose obenrum wieder zu weit, das bleibt jetzt aber erstmal so, ich schaue mir die Passform nochmal genauer an, wenn die Hose frisch gewaschen ist. 

  
Die Passform der Rückseite entspricht ungefähr dem, was ich von einer gekauften Hose erwarten würde. Als ich die Fotos gemacht hatte, fand ich den Anblick zuerst so scheußlich, dass ich nicht sicher war, ob ich diesen Zustand wirklich hier dokumentieren wollte.

Dass ich inzwischen etwas Abstand gewonnen habe und die Falten nicht mehr so schlimm finde, liegt nicht nur an FrauCraftelns klugem Artikel und ihre Argumentation für mehr Gelassenheit und weniger Hosen-Perfektionismus, sondern auch daran, dass ich seit Wochen die Hosenpassform bei fremden Menschen auf der Straße (und bei Menschen in meiner Umgebung) begutachte. Als eine meiner Schreibtischnachbarinnen, eine sportliche Größe 36, Modedesignerin und Schnittdirectrice (also: superschlank und vom Fach) neulich den Geschirrspüler ausräumte, in einer relativ weit geschnittenen Kaufhose, die auf der Rückseite ein einziges, wüstes Faltengebirge zeigte, hatte ich ein Aha-Erlebnis. Wer bin ich, mich über meine moderaten Querfalten in der Selbstgenähten aufzuregen, wenn eine zum Perfektionismus neigende Expertin nichts dabei findet, in einem Faltengebirge unter Leute zu gehen?

Natürlich lässt sich die Passform meines Hosenschnittes noch verbessern, und darauf werde ich im Laufe der Zeit in den nächsten Versionen hinarbeiten. Ich werde zunächst die größten Änderungen auf den Schnitt übertragen, herausfinden, womit ich den Bund am besten verstärke, darauf achten, dass ich den Reißverschlussuntertritt nicht zu kurz zuschneide (ein Fehler bei dieser Hose), und mich in Trippelschnitten der Verbesserung annähern.

Perfekte Hosen werden nicht an einem Tag genäht - und wer sagt, dass es die perfekte Hose überhaupt gibt? Ich glaube nämlich, FrauCrafteln hat recht, wenn sie sich und uns fragt, ob die angebliche "perfekte Hose" nicht nur eine verklärte Erinnerung ist. Selbst bei diesem relativ stabilen Cord hier veränderte sich die Passform schon innerhalb einer halben Stunde. Was wäre also "perfekt": ein Hose, die gleich nach dem Anziehen faltenfrei passt? Eine Hose, die nach einer Stunde faltenfrei passt? Eine Hose, die im Stehen perfekt sitzt? Eine Hose, mit der ich bequem auf dem Sofa herumhängen kann? Das sind wiedersprüchliche Anforderungen, die eine einzige Hose gar nicht erfüllen könnte! Also: eine ganz gute Hose zu nähen reicht vorerst aus. Und wenn ich an die vergangenen Hosenkaufdramen zurückdenke, die in Umkleidekabinen vergeudete Zeit und den Frust, dann bin ich mit der Cordhose gut dran: so eine Hose hätte ich damals gekauft und wäre damit sehr glücklich gewesen.

Mittwoch, 19. November 2014

Mit Dakota II beim Me-made-Mittwoch


Heute bin ich mal wieder Gastgeberin beim Me-made-Mittwoch. Ich trage ein gerade fertiggestelltes Dakota-Kleid (Dakota Shawl Collar Dress) nach einem Schnitt von named clothing aus Finnland. Über die Tücken des Schnitts hatte ich hier bei der ersten Version schon geschrieben. Kurz gefasst: bei nicht-elastischem Stoff kommt man nicht ohne Reißverschluss rein, und die Ärmel sind recht eng.

Letzteres ist für mich gerade richtig und aus meiner Sicht einer der Pluspunkte des Schnitts, je nach Arm kommt das aber manchmal eben nicht hin. Beim BürofürschöneDinge, der Sachenmacherin und  BunteKleider gabs in den letzten zwei Wochen auch Versionen des Schnittes - wie man sieht, funktioniert Dakota in ganz unterschiedlichen Stoffen.


Dass die Passform außerdem je nach Material sehr unterschiedlich ausfallen kann, habe ich bei diesem Kleid auch gemerkt. Dakota I nähte ich aus einem mitteldicken Wollköper, der für seine Dicke aufgrund der Webart recht schmiegsam ist. Außerdem - das lernte ich am Sonntag bei einem Besuch in einem Webatelier hier in Berlin - sind Gewebe aus Wolle immer ein ganz klein wenig elastisch, weil die Wollfaser elastisch ist, im Gegensatz zu Stoffen aus Baumwolle oder Leinen. Das Karo-Dakota sitzt auch um einiges enger als das Wollkleid, oder zumindest ist das Tragegefühl anders.

Grundsätzlich aber scheine ich mit Dakota den für mich in jeder Lebenslage passenden, wandlungsfähigen geht-immer-Kleidschnitt gefunden zu haben (oder ist das nur eine halbbewusste Taktik, mit der ich vor mir den für mich hohen Preis des Schnittmusters rechtfertige?): ich mag den geschwungenen Saum, die Taschen sind ungeheuer praktisch, ich ziehe mich in Herbst und Winter gerne in mehreren Schichten an -  und ich hätte gerne noch ein Exemplar aus einem schönen einfarbigen Wollkrepp und eines aus fließender Viskose, die sicher wieder ganz anders ausfallen und ganz anders wirken würden. Selbstgemachte Kleider gibt es jetzt wieder beim Me-made-Mittwoch. Ich bin gespannt, ob heute wieder Dakotas dabei sind, denn der Schnitt steht bei einigen Bloggerinnen auf der Nähwunschliste.

Samstag, 15. November 2014

Wochenrückblick: Frühling im Herbst, erste Stiche am Stoffwechsel-Rock und die Handarbeitslinks der Woche

In den ersten Novembertagen hatten wir die irrsten Sonnenuntergänge und immer noch schönstes Wetter. Das setzte mich ein wenig unter Druck, so viel Zeit wie möglich draußen zu verbringen, denn graue Tage, an denen man nicht vor die Tür gehen mag, wird es noch genug geben. Für die Nachwelt muss festgehalten werden, dass man in Berlin am ersten November draußen Kaffee trinken konnte!

Den BerlinerInnen möchte ich die Fotoausstellung von Ara Güler im Willy-Brandt-Haus empfehlen. Güler fotografierte seit den 1950er Jahren immer wieder seine Heimatstadt Istanbul. In den sechziger Jahren arbeitete er für internationale Magazine, unter anderem für den Stern und brachte interessante Bilder aus allen möglichen fremden Weltgegenden mit. Beeindruckend, wie nahe er den fotografierten Menschen offenbar gekommen ist, Kindern auf der Straße im Istanbul der 1950er Jahre genauso wie Menschen in Ägypten, Japan und der Mongolei, Prominenten wie Picasso oder Maria Callas genauso wie vollkommen Unbekannten.  
(Ausstellung bis 1. 2. 2015, beachtet die Öffungszeiten und nehmt einen Ausweis mit.)


Ich kaufte den beklopptesten Stoff aller Zeiten, einen schön fallenden, schweren Viskosedruck. Auf einer Hälfte der Bahn wiederholt sich das große Einzelmotiv mit Weste, Schal, Krawatte, Manschettenknöpfen, Hut und Taschenuhr, die andere Hälfte der Stoffbahn ist mit einem passenden All-over-Muster bedruckt. Das ist ein Stoff für wahnsinnig originelle, "jugendliche" Herrenhemden - wisst ihr, was ich meine? Mir gefallen die Farben, und da sie sich grundsätzlich gut in meinen Kleiderschrank einfügen, glaube ich fest daran, dass sich eines Tages genau der passende Schnitt dafür finden und sich alles aufs Schönste zusammenfügen wird. 

Vorletztes Wochenende lud Nina wieder zum Nähkränzchen ein, eine prima Gelegenheit, mehr als eine Naht am Tag an den laufenden Projekten weiterzukommen. Ich begann den Rock aus dem Stoffwechselstoff. Zu viel will ich jetzt noch nicht verraten, nur eines: wie sich ja schon abzeichnete, entschied ich mich für einen anderen Schnitt als den zuerst geplanten Bleistiftrock, weil der Stoff keinen Elasthananteil hat und ich mich kenne: was nicht bequem ist, ziehe ich auch nicht an. Ich nähte also einen anderen Rock, einen asymmetrischen, und bin bisher sehr, sehr zufrieden. In der letzten Nähkränzchen-Stunde verstürzte ich aus lauter Begeisterung über mein Werk die obere Rockkante direkt mit dem Futter und fand dann erst zuhause beim Auspacken zwei komische Stoffstreifen in meiner Projekttüte: die Belege. Ach ja. Inzwischen ist das aber alles getrennt und vorschriftsmäßig verstürzt, es bleiben nur noch die Säume.


Handarbeitslinks der Woche

Zuletzt noch ein paar Leseempfehlungen im Netz: Österreich hat ein Frauenmuseum, in Hittisau unweit von Bregenz, Bodensee, deutscher und Schweizer Grenze. Bis Anfang Februar läuft dort noch eine Ausstellung von gestickten Spruchtüchern, Zeugen von Alltagskultur und Rollenverteilungen, die zu größten Teil schon Geschichte sind. Oder etwa doch nicht? Das kleine Haus schrieb vor zwei Wochen über ihre Eindrücke von der Ausstellung.

Die Textile Art, die große Messe für Textilkunst und Handarbeiten hier in Berlin, hat jetzt ein Onlinemagazin, oder besser gesagt: ein Blog. Auf textile-art-magazine.com wird in unregelmäßiger Folge über Ausstellungen, Künstlerinnen und Künstler, Fachliteratur und verwandte Themen berichtet.

Drapieren gehört zu den Dingen, die ich früher oder später auch einmal lernen möchte. Den Beitrag von Starcross Sewing über einen Wiener Workshop von Shingo Sato, einem Drapierexperten aus Japan, habe ich deshalb verschlungen. Und das beste: viele Tutorials von Shingo Sato sind bei youtube frei verfügbar.  

Neumon nahm das Vintage-Sonderheft von Burdastyle zum Anlass, die Mode der 1950er Jahre zu rekapitulieren. Die "echte" Mode, möchte ich fast sagen: das, was wirklich tagtäglich getragen wurde, nicht die schulterfreien Tanzkleidchen, die auch in den 50ern besonderen Anlässen vorbehalten waren.   

Nähnerd-News: Im Me-made-Mittwoch-Blog hat der Weihnachtskleid-Sewalong begonnen. Das erste Treffen zur Ideensammlung ist bereits morgen, man kann aber auch später noch jederzeit einsteigen (und bei meiner derzeitigen Unfähigkeit, zusätzliche Termine einzuhalten, wird es wohl auch für mich bestenfalls darauf hinauslaufen.)

Donnerstag, 6. November 2014

Blogtour zum Buch: C. June Barnes, Quilten in der dritten Dimension


Die meist sorgfältig gemachten Textilbücher des Schweizer Haupt-Verlags schätze ich schon lange, daher war ich sehr interessiert, als mich der Verlag anschrieb, um mir ein Rezensionsexemplar des gerade erschienen Buches „Quilten in der dritten Dimension“ von C. June Barnes anzubieten. 

C. June Barnes ist eine britische Textilkünstlerin, die nach Anfängen im klassischen Patchwork in den letzten Jahren vielfach für ihre experimentellen textilen Arbeiten ausgezeichnet wurde. Barnes erschafft dreidimensionale Skulpturen aus Stoff, die an überdimensionale Seeigel erinnern, an Samenkapseln oder Blütenkelche, an Einzeller oder an muschelverkrustete Felsen. Manchmal wachsen die organischen Formen aus einer rechteckigen Fläche heraus, das Objekt kann also wie ein herkömmlicher Quilt an die Wand gehängt werden, häufiger jedoch stehen oder schweben die Gebilde frei im Raum. Die gequilteten Flächen bearbeitet Barnes oft noch mit Farbe oder bestickt sie mit Perlen und Pailetten.


Das Buch liefert einen Einblick in die Herstellung dieser textilen Skulpturen: teils werden die Formen aus Veränderungen der Fläche oder der Oberfläche entwickelt, der Stoff wird gerafft, gefaltet, gewickelt, gestapelt oder verdreht; teils gehen die Gebilde von geometrischen Formen aus. Die vielen großformatigen Bilder eignen sich sehr gut zum Schmökern, C. June Barnes scheibt außerdem über ihre Inspirationsquellen und ihren Entwurfsprozess. In einem Galerieteil werden die Arbeiten einiger anderer Textilkünstlerinnen vorgestellt, die ebenfalls mit dreidimensionalen Formen experimentieren und andere Ansätze als Barnes verfolgen.   


Die grundlegenden Herstellungsweisen dieser Gebilde werden anhand von Zeichnungen beschrieben. Dabei gibt es meistens keine detaillierten Anleitungen, wie ein bestimmtes Objekt 1:1 nachzuarbeiten wäre, die Erklärungen verraten nur das allgemeine Vorgehen bei der Grundkonstruktion und beim Zusammensetzen - den Maßstab, das Material, die Oberflächengestaltung bleiben offen. Die Abschnitte über Materialien und Nähtechniken hätte ich mir denn auch ausführlicher gewünscht. Gerade über unübliche Materialien wie Peltex, Lamitex, Timtex sind deutschsprachige Informationen schwer zu beschaffen. Dass sich dreidimensionale Gebilde mit Hilfe von Kabelbindern oder Korsettstangen versteifen lassen, darauf wird sicher jede experimentierfreudige Quilterin selber kommen - aber wie verarbeitet man das am besten? Und was ist mit dem Woll-Viskose-Filz gemeint, der in der Waschmaschine schrumpft? Es mag sein, dass alle diese Materialien in Art-Quilt-Kreisen auch im deutschsprachigen Raum wohlbekannt sind. Um die Bezeichnung des Buchs als "Handbuch" zu rechtfertigen, hätte ich dennoch mehr Informationen erwartet, die auch Neulingen den Einstieg in dieses Gebiet ermöglichen.


Als Inspirationsquelle und als Anregung, beim Quilten über den Quiltrand hinauszublicken ist dieses Buch allerdings großartig. Das Kapitel über die so genannten D-Formen, kapselartige Gebilde, von denen ich noch nie gehört hatte, faszinierte mich besonders. So eine einfache D-Form probierte ich auch aus. Aus einer Form, die aus zwei verbundenen Kreisen besteht, zweimal zugeschnitten, lässt sich eine abgeflachte Kugel nähen - bei mir eher ein abgerundeter Quader, siehe erstes Foto.


Fazit: C. June Barnes' Buch bietet einen faszinierenden Einblick in das Atelier einer Quiltkünstlerin, die hier sicher nicht alle Tricks und Geheimnisse verrät. Ein Ideenfundus für experimentierfreudige Quilterinnen, die sich auf neue Wege führen lassen möchten und die nicht auf detaillierte Anleitungen angewiesen sind.

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Dieser Beitrag ist Teil einer vom Haupt-Verlag organisierten Blogtour. Die weiteren Beiträge der Tour erscheinen in den nächsten Tagen hier:

07.11.2014 Sunset Sewing
08.11.2014 Hans und Grete
09.11.2014 like to quiltblog
10.11.2014 Nadel Garn Tee
11.11.2014 Quiltecke 
12.11.2014 Quilt it Out

Im Blog des Haupt-Verlags läuft bis zum 15. 11. eine Verlosung des Buchs.  

Samstag, 1. November 2014

Schnittmusterparade Oktober

Hier kommt der erste Beitrag der neuen Rubrik "Schnittmusterparade", eine Zusammenstellung der subjektiv interessantesten Schnittmuster-Neuerscheinungen der letzten Zeit. Im Moment plane ich diese Rubrik einmal im Monat, aber nagelt mich nicht darauf fest - einerseits bin ich ja keine Redaktion, hier läuft ganz viel nach Lust und Laune und Zeit, andererseits hängt die Rubrik ja auch davon ab, ob neue Schnitte erscheinen. Zur Zeit finde ich es geradezu aberwitzig, wie viel Neues  jede Woche herauskommt, und meistens ebenso schnell wieder vergessen ist. Die Zeiten, als sich manche Schnitte zu Dauerbrennern entwickelten und man beobachten konnte, wie sie nach und nach durch die Blogs wandern - letztes Jahr im Sommer z. B. der Anna-Schnitt von By Hand London - sind wohl vorbei. Ich bin gespannt, ob das so weitergeht, oder ob wir in ein paar Jahren auf diese verrückte Zeit zurückblicken werden, als die Indie-Schnittmusterfirmen wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden schossen. 

Neue Nähzeitschrift: "La Maison Victor"

 

 

Eine neue Zeitschrift im großen Stil auf den Markt zu bringen ist unfassbar teuer und sehr risikoreich. Viele Hefte verschwinden nach kurzer Zeit wieder, wie die deutschen Ausgaben der italienischen La Mia Boutique (man hätte wohl doch auch ein bisschen Geld für eine professionelle Übersetzung und Lektorat ausgeben sollen). Nun versucht ein belgischer Verlag sein Glück mit einem Heft, das in Belgien und den Niederlanden bereits etabliert ist. La Maison Victor erscheint vier Mal im Jahr, bloggen-leben-nähen entdeckte die Zeitschrift als erste und schrieb hier darüber - bei ihr findet ihr auch noch mehr Fotos, einen weiteren Eindruck gibt es auch hier auf der Webseite des Magazins.

Pepita und Frau Crafteln waren auch schon ganz begeistert, daher fasse ich mich kurz: Das Heft für 7,95€ enthält 12 Schnitte: Für Damen gibt es zwei Kleider, ein Top, eine weite Hose, Leggings und zwei Jacken, jeweils in den Größen 34-48, zum Teil bis 54 (eine Jacke, ein Kleid, Leggings). Für Kinder sind ein Sweatshirt (92-176), ein Regencape, ein Kleid (92-152) und eine Hose (56-92) enthalten, für Männer gibt es eine Jacke. Dazu kommen Anleitungen für schöne schlichte Stricksachen und ein bißchen Gebasteltes. Die Schnitte finden sich auf einem eingehefteten Bogen aus dickem Papier, die sehr ausführlichen Anleitungen mit vielen Zeichnungen folgen gleich im Anschluss an die Modellfotos. Die Texte sind zwar zum Teil etwas ungelenk - da scheint die Übersetzung durch - aber grundsätzlich macht das alles einen guten Eindruck. Das Heft ist eine gute Erweiterung des Nähzeitschriftenangebots bei uns und ich würde mich freuen, wenn es sich in Deutschland etablieren würde. Mit den nicht überkomplizierten Schnitten und Bildanleitungen könnte es die Einstiegsdroge für BekleidungsnäherInnen sein, für die es ansonsten ja nicht gerade ein üppiges Angebot gibt.

Neue Einzelschnitte (Papier)


Die Londoner Drei-Frauen-Firma By Hand London gibt es erst seit Mai 2012, sie gehören aber schon jetzt zu den "Großen" unter den kleinen Indie-Designern. Zur Zeit bringen sie einen Schnitt nach dem anderen heraus: zuletzt den Jumpsuit Holly, wahlweise mit kurzen oder langen Hosenbeinen, mit Trägern oder kurzen Ärmeln, und das Kleid Sabrina (nur als Download), ein Prinzesskleid mit Trägervariante und Knöpfen. Das Faible der drei für Ärmelloses (die vorangehenden Kleider Flora und Georgia haben ebenfalls nur Träger), wundert mich ein bißchen. An meinem Kleidungsbedarf geht das vorbei, frieren denn Engländerinnen gar nicht?

Colette patterns ist eine der Firmen, mit denen der ganze Indie-Pattern-Hype überhaupt angefangen hatte, und auch sie sind ungeheuer umtriebig - wenn ich allein beobachte, in welcher Frequenz das Firmenblog mit wirklich substanziellen Artikeln bestückt wird, wird mir ganz schwummrig. Die Schnitte schienen mir in letzter Zeit ein bißchen nichtssagend und sehr simpel, aber mit der Neuerscheinung Dahlia (auch als pdf) einem Kleid mit Taillenband und rundem Ausschnitt, knüpft Colette Patterns wieder an die alten Zeiten an. 

Spezialistin für retro-angehauchte, aber nicht muffige Schnitte ist auch Bluegingerdoll. Dort gibts jetzt mit Bonnie einen Pulloverschnitt wie aus den 40ern (auch als pdf): taillenkurz, mit hohem Bund, rundem Ausschnitt oder U-Boot und wahlweise mit Dreiviertelärmeln oder weiten, kurzen "flutter sleeves", für die mir gerade keine gute deutsche Übersetzung einfällt. 

Über République du Chiffon, ein Schnittmusterlabel aus Frankreich, wollte ich schon lange schreiben, nun ist die Herbstkollektion der Papierschnittmuster herausgekommen, das ist doch ein guter Anlass. Eine schmale Hose, eine Jacke mit abgerundeten Vorderteilen, einen kurzen Trenchcoat, zwei Blusen und ein wunderbares Kleid umfasst diese Kollektion, schlichte moderne Sachen, für die Fotos genäht aus angenehm zurückgenommenen, aber nicht unscheinbaren Stoffen, so dass die Linien der Schnitte zur Geltung kommen. Auf der Webseite sind einige ältere Schnitte auch als Downloads verfügbar, außerdem veröffentlichte die Designerin hinter République du Chiffon in Frankreich ein Buch, aus dem Bunte Kleider schon einiges ausprobiert hat.

Den Schnitt für das Linden Sweatshirt (auch als pdf) von Grainline Studios - ein lockeres Oberteil mit Rundhalsausschnitt und Raglanärmeln - braucht man vielleicht nicht unbedingt, sowas Simples findet man auch woanders, aber Jennifer Beeman ist schon fast eine Veteranin im Schnittmustergewerbe. Und bei dem bedächtigen Wachstum ihrer Firma wird es sie wahrscheinlich immer noch geben, wenn hundert Eintagsfliegen längst Geschichte sind.

Auch Sew Serendipity ist schon lange im Geschäft, ein Großteil dieses Geschäfts besteht allerdings aus Applikationsvorlagen, mit denen Pullover passend zur Jahreszeit dekoriert werden können, was ich ehrlich gesagt etwas absonderlich finde. In letzter Zeit erschienen aber auch ernst zu nehmende Schnittmuster: in der neuen Herbst-Winter-Kollektion ein Mantel (mit Dekovorschlägen!), eine Bluse mit rundem Ausschnitt und das Retro-Kleid Isabella mit herzförmigem Ausschnitt und höher gelegter Taille, das ich sehr charmant finde - das könnte im Sommer ein Hit werden, sofern sich dann noch jemand daran erinnert.   

Neue Einzelschnitte (Download)

Einheimische Indie-Schnittmuster stelle ich hier so gut wie nie vor. Das liegt vor allem daran, dass die meisten deutschen Indie-Labels ihre Schnitte schon selbst so aggressiv über Nähblogs und Freundinnen-Connections vermarkten, dass ich mich lieber heraushalte. Auf eine kleine, sympathische Firma und ihre Schnitte möchte ich aber heute aufmerksam machen: b-patterns ist das Projekt von Ingrid, einer gelernten Textildesignerin. Im Moment gibts Schnitte für schöne Taschen aus Filz und Leder, Filzkörbe und Etuis, im nächsten Jahr ist auch Bekleidung geplant.

In der letzten Zeit sind mir erstmals Schnittmuster aus den Niederlanden besonders aufgefallen. Der Peppernoot hooded coat, ein Mantel mit Kapuze wurde schon bei twitter herumgezeigt, entdeckt hatte ihn sewing addicted. Die Designerin hinter der Firma Waffle patterns ist eine Japanerin, die in Amsterdam lebt, und ich finde, dass auch ihre anderen Schnittmuster ganz vielverprechend aussehen. Kleidermanie probierte die Jacke Luffa aus und war begeistert, Bunte Kleider ist am Kleid Snowball dran, das sie noch nicht ganz bezwungen hat - aber das ist nur eine Frage der Zeit. 

Die Macher von Paprikapatterns kommen ebenfalls aus Holland, sie sind aber mit einem umgebauten Lastwagen in Europa unterwegs und campieren zur Zeit in Südfrankreich. Schnittmuster liegen bei diesem Lebensmodell nicht unbedingt nahe - haben Campingpläze eigentlich WLAN? - aber andererseits: würde ich mit einem Lastwagen herumziehen, würde ich meine Nähmaschine ja auch mitnehmen. Ihr erster Schnitt ist der Rock Jade, ein kurzer, enger Rock aus Jersey mit interessanten eingelegten Falten im Vorderteil.

Liesl Gibson kannte ich zuerst als Designerin von Quiltstoffen und Schnitten für Kinderbekleidung. Von ihrem Label liesl+Co stammt aber auch der Culotte-Schnitt, den Grüne Blume am letzten Mittwoch zeigte, und der bei mir ein gewisses Haben-wollen-Gefühl auslöste. Was ihre anderen Schnitte betrifft, weiß ich nicht so recht: ich finde sie ein bißchen betulich. Anfang Oktober neu erschienen ist das Bistro dress, ein kurzärmeliges Kleid mit Kragen oder geschlitztem Ausschnitt. Ob das wie ein Kittel oder wie ein Kleid aussieht, hängt meiner Ansicht nach sehr vom Stoff ab, sprich: besser keinen kleingeblümten Quiltstoff verwenden.

Eine ganze Herbst-Winter-Kollektion, bestehend aus einer Jacke, einem lockeren TShirt, einem Schößchentop, einem langen Jerseykleid und einem ärmellosen Top ist bei SeeKateSew erschienen. Bin ich übermäßig pingelig, wenn ich mich wundere, warum die Modelle aus Webstoffen so schlecht (oder gar nicht) gebügelt wurden? Einen professionellen Eindruck macht das ja nicht, und ich übertrage diesen Eindruck automatisch auf die Schnitte, möglicherweise zu Unrecht.
 

Schnittmusterverzeichnis für Indie-Schnitte


Wer jetzt die Übersicht verloren hat: Im Sewing Pattern Directory, einer ganz neuen Seite, sind derzeit schon mehr als 40 Indie-Firmen vertreten. Die Schnitte lassen sich geordnet nach Herstellern oder Kleidungstücken durchforsten - besonders nützlich, wenn man mal irgendwo "ein schönes Kleid" gesehen hat, sich aber an den Namen des Schnittes nicht mehr erinnern kann.

Sonntag, 26. Oktober 2014

Strickjacken-Knit-along: Finale, und alles andere als fertig

Tja, was soll ich sagen? Beim gemeinsamen Strickjacken-Stricken, organisiert von Chrissy, bin ich nach 12 Wochen noch keine Strickjacke weiter. Die dunkelgrüne aus Cotton-Merino ist immer noch nicht weiter gediehen als Ende Juli gezeigt - mangels Garn, und mangels Gelegenheit (oder ehrlicher gesagt: mangels Planung meinerseits), welches nachzukaufen. Trotzdem frage ich mich gerade: wo sind eigentlich die ganzen Wochen hin? Was habe ich die ganze Zeit gemacht? Eben wars noch Juli, und nun stehen bei Karstadt schon die nackten Plastikweihnachtsbäume bereit, nächste Woche sind die wahrscheinlich aufdekoriert, und in nicht einmal zwei Monaten ist Weihnachten... Hilfe!


Das zweite Vorhaben, der Takoma-Cardigan nach einer kostenlosen Anleitung bei Knitty, zieht sich auch ziemlich in die Länge. Das ist kein Projekt, das sich gut nebenher stricken lässt. Mal ein paar Reihen schnell zwischendurch ist einfach nicht möglich, dann mache ich Fehler. Das Wollgetüddel mit drei Farben und drei Knäulen ist nicht besonders transportabel (durfte deshalb auch nicht mit in den Urlaub) und muss nach jeder Strickpause langwierig geordnet werden. Immerhin sind der Korpus und der erste Ärmel geschafft.   


An den Schultern werden die Maschen von Vorder- und Rückenteilen laut Anleitung gemeinsam abgekettet, mit einem so genannten "three needle bind-off". Dabei entsteht eine Rippe, die mit den Linksrippen zwischen den Musterstreifen korrespondieren soll. Kann sein, dass ich das nochmal ändere, wenn sich die Rippe an der Schultern nach dem Spannen immer noch kräuselt. Darauf käme es ja auch nicht mehr an. Wenn es gut läuft, bin ich Weihnachten fertig.

Die mehr oder minder erfolgreichen Mitstrickerinnen versammeln sich bei Chrissy. Danke für die Organisation des Knit-alongs!

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Regenmittwoch


Und immer wieder die spannende Frage: löst die Kamera aus? Ein schnelles Knipsbild zum Me-made-Mittwoch, bei dem Eben Julia heute einen Wollblazer mit absolut perfektem Karoverlauf zeigt. Ich bin heute komplett in selbstgemachten Lieblingsstücken unterwegs.

Die schwarze Strickjacke mit Schleifenmuster hatte ich mir nach dem Vorbild einer anderen Jacke ausgerechnet, sie ist letztendlich etwas weiter und länger, als sie hätte werden sollen (und zu lang für den Tellerrock), ich ziehe sie trotzdem sehr häufig an, weil das Material so schön ist und Schwarz ja immer zu allem passt.

Der Rock ist ein ganzer Teller aus einem interessanten Viskosejacquard. Er wird oft getragen, obwohl - oder weil? - der Rock durch Glanz und Stoffmenge etwas Festliches hat. Ich freue mich den ganzen Tag über das bißchen Dekadenz. Wenn schon der Tag keine glänzenden Ereignisse bereit hält, heitert es mich ungemein auf, wenn wenigstens der Rock Glanz verbreitet, besonders an einem Regentag wie diesem. An windigen Tagen gibt's dazu noch lustige Situationen gratis, weil der Stoff so leicht ist, dass der Rock sehr leicht hochfliegt - aber ich wohne ja in einer Stadt, in der eine Strumpfhose als vollwertiges Kleidungsstück angesehen wird. Und wenn ich wie neulich mit Besuch aufs Tempelhofer Feld gehe, mache ich einfach einen Knoten in den Rock.  

Der Schal aus Drops delight ist unverzichtbar, weil wir die Bürogemeinschaft sind, die immer noch nicht die Heizung angemacht hat...

Hier sieht man Materialien, Farben und Strukturen genauer
Bevor ich zurück zum Me-made-Mittwoch gebe, möchte ich noch rasch auf das Burda-Vintage-Heft hinweise, ein Heft mit 12 Schnitten aus den 50ern, das heute erschienen ist - hier sieht man die enthaltenen Modelle. Ich machte heute Morgen extra einen kleinen Umweg über den Zeitungsladen, ließ die Zeitschrift nach einmal durchblättern aber doch dort liegen. Ich würde sicher keinen der Schnitte nähen - die Mode der 50er ist nicht mein Jahrzehnt, mein Bedarf an solchen Kleidern gering - und für "einfach so" war mir das Heft mit mit 7,90€ dann doch zu teuer.

Gestern diskutierten wir bei twitter schon über die Vorschaubilder, und das Heft bestätigte meinen Eindruck: die genähten Modelle könnten genau so auch in jedem Burda-Monatsheft veröffentlicht werden. Irgendwie schafft es es Burda auf unnachahmliche Weise, durch Styling, Stoffwahl und Fotoarrangement jeden Schnitt nach "typisch Burda!" aussehen zu lassen. Als gäbe es eine standardisierte Burda-Fertigsoße, die über jeden Serviervorschlag gekippt wird, egal ob man gerade Schweinebraten mit Klößen oder Wokgemüse mit Tofu serviert. So eine konsistente Ästhetik ist für eine Zeitschrift ja an sich nichts Schlechtes, aber bei einem Vintage-Heft hätte ich einfach etwas anderes erwartet. Ich bin gespannt, ob wir den einen oder anderen Schnitt aus diesem Heft dieses Jahr als Weihnachtskleid wiedersehen, und wie der dann ohne Einheitssoße aussieht. Womöglich bereue ich noch, das Heft jetzt nicht gekauft zu haben!