Freitag, 31. Mai 2013

Handmade Berlin: Luxusgarne am Monbijoupark


Mit der menschlichen Wahrnehmung ist es manchmal schon was Lustiges: Ich wusste seit Jahren, dass es in Mitte einen Wollladen namens Handmade Berlin gibt, mit schönen und teuren Strickgarnen, die man sonst nirgends in der Stadt bekommen kann. Bei der Textile Art, der großen Textilkunstausstellung im Juni, befühlte ich einige Garne an deren Stand. Ich klickte mich durch den Onlineshop und fragte mich, wer eigentlich 29 Euro für 100 Gramm Wolle ausgibt, und vor allem: warum. Bei der MittwochsMasche kam der Laden auch einige Male zur Sprache, schließlich war ich mal wieder - nur zum Gucken - auf der Webseite und las, dass man bei Handmade Berlin außerdem Kaffee trinken und auf einer Terrasse direkt am Monbijoupark sitzen kann. Und dann endlich fragte ich mich: Wo zum Teufel ist dieser Laden überhaupt? Am Monbijoupark komme ich zwar nicht täglich, aber doch zwei bis drei Mal im Monat vorbei, und mir war bis dato noch nicht einmal aufgefallen, dass man am Park überhaupt irgendwo Kaffee trinken kann.


Vor zwei Tagen machte ich mich also gezielt auf den Weg und hielt nach Wolle und Kaffee Ausschau und fand den Laden sofort: im Erdgeschoss eines neuen Bürogebäudes, dort, wo die Kleine Präsidentenstraße auf den Park trifft und ein paar Meter weiter in die Oranienburger Straße mündet. Wie hatte ich das Geschäft bloß jahrelang übersehen können? Wahrscheinlich wusste ich schon, dass ich fortan von den herrlichen Strickgarnen träumen würde, sollte ich den Laden einmal betreten, und mein Unterbewusstes hatte immer die andere Straßenseite gewählt und alles hinter dem Adalbert-von-Chamisso-Denkmal verpixelt, wie bei google streetview.

Denn, das muss ich nun zugeben: ich bin für Luxus jeder Art empfänglich und die Frage, wer das denn kauft, ist eine sehr blöde. Der Unterschied zwischen irgendeiner Wolle aus dem Kaufhaus und den Materialien, die es bei Handmade Berlin gibt, ist sehr offensichtlich. Da gibt es wunderbar weiche Merino-Kaschmir-Mischungen in allen Farben, handgefärbte Sockengarne, flauschiges Alpaca, die japanischen Garne von Noro mit den sanften Farbübergängen als Endlosfaden von der Kone, Tweedgarn von den Shetlandinseln, das sich besonders für mehrfarbige Einstrickmuster eignet, allerlei Beilaufgarne mit Glitzer und Pailletten, kurzum: es schlummern lauter wunderbare Strickprojekte in den Regalen. Besonders fielen mir die Garne von Ito aus Japan auf, wegen den interessanten strukturierten Sommergarnen aus Baumwolle, Hanf, Leinen und Seide und einem spinnwebfeinen Mohairgarn, das in allen erdenklichen Farben vorrätig ist. Aber auch direkt vor der Haustür findet sich schöne und hochwertige Wolle. Tulliver Yarns, pflanzengefärbte Wolle aus Berlin, die ich von der Textile Art kannte, begegnete mir hier wieder, mit weicheren und dünneren Qualitäten, aber immer noch in den wunderbaren Rot- und Grüntönen, die mir schon letztes Jahr so gut gefallen hatten. Darüber hinaus gibt es bei Handmade Berlin natürlich auch Strick- und Häkelnadeln sowie deutsche und englische Strickzeitschriften und Anleitungshefte, die man nicht im normalen Zeitschriftenhandel bekommt.  


Von dem Ladenrundgang überwältigt, bestellte ich am Tresen bei der sehr freundlichen Verkäuferin einen Kaffee und saß eine Weile strickend am Park. Man ist ganz weit weg von der lärmigen Touristenmeile der Oranienburger nebenan, aber trotzdem mitten in Berlin, wenn hinter dem Haus die S-Bahnen und ab und zu ein ICE auf der Höhe des ersten Stocks entlangfahren und die Dächer des Bodemuseums hinter den Bäumen sichtbar sind. Zum Kaffeetrinken werde ich daher sicher noch öfter bei Handmade Berlin vorbeischauen, dabei die Wolle anschmachten und überlegen. Und eines Tages wird mein Selbstvertrauen als Strickerin so weit gewachsen sein, dass ich tatsächlich ein Strickprojekt aus Luxusgarn beginne, und es wird ganz wunderbar werden.  


Handmade Berlin
Monbijouplatz 9
10178 Berlin

geöffnet: Di-Sa 12-19.00 Uhr
Haltestellen: Hackescher Markt (S-Bahn Hauptstrecke) oder Weinmeisterstraße (U8) oder Oranienburger Straße (S1, S2, S25)

http://www.handmadeberlin.net/ 

(Disclaimer: wie alle Ladenbesprechungen in diesem Blog wurde dieser Artikel weder gesponsert noch bestellt.)

Woche 21


Ein Ausflug: mit der Schmalspurbahn von Friedrichshagen nach Rüdersdorf, durch die Felder und in den Wald. Wie jeder Tag endete auch dieser mit einem Gewitter.

Montag, 27. Mai 2013

Bestickte Karos: Stoffspielerei im Mai


Als Karen Anfang des Monats Karos als Thema der Stoffspielerei  im Mai vorschlug, wusste ich gleich, was ich ausprobieren wollte. Ich habe nämlich die Jahrgänge 1954 und 1958 der Zeitschrift Handarbeiten und Hauswirtschaft, einer in Ansbach erschienenen Fachpublikation für mittelfränkische Handarbeitslehrerinnen. In den Heften werden zwar auch eindeutig fachspezifische Themen besprochen, man findet z. B. die Lehrpläne für verschiedene Klassenstufen, Unterrichtsskizzen für das Stricken von Sockenfersen, Besprechungen von Handarbeitsbüchern und Wettbewerben, aber im Grunde ist das nur ein Vorwand, um sich den wirklich wichtigen Dingen zuzuwenden: welche Rocklänge gibt Paris vor? Wie häkele ich durchbrochene weiße Spitzenhandschuhe für den Sommer? Wie stelle ich ein leichtes Gepäck für die Reise in den Süden zusammen?


Wie kann man banale Stoffe selbst verzieren - heute würde man sagen: aufpeppen - ist auch ein immer wiederkehrendes Thema der Hefte. Die Streifenspielereien hatte ich vor einiger Zeit schon gezeigt. Das Besticken von Karostoffen, vor allem solchen mit gewebten Fadenkaros, kommt im Juniheft 1954 und im Oktoberheft 1958 vor.


Als Foto gibt es kleine Arbeitsproben, die Anwendungsideen werden auch hier zeichnerisch umgesetzt. Ich verwendete mein Lieblingskaro, schwarz-weißes Vichykaro, das durch das Überkreuzen von weißen und schwarzen Schuss- und Kettfäden aus kleinen schwarzen, weißen und grauen Quadraten besteht.


Ich fand ganz spannend, wie sich der Gesamteindruck des Karos verändert, je nachdem, welche Quadrate man bestickt. Komplizierte Stickstiche sind dafür gar nicht nötig, mit einfachen Kreuzen kann man schon viel machen. Der Effekt ist offenbar am stärksten, wenn die schwarzen Quadrate mit hellem Garn bestickt werden, so wie oben.


Wenn hingegen graue Quadrate mit Garn in einer mittleren Tönung bedeckt werden, sind die Kontraste zu gering. Die grünen Stiche fallen kaum auf.  


Es bietet sich an, zwischen den gestickten Kreuzen weitere Fäden einzuziehen, entweder unregelmäßig...


... oder regelmäßig wie hier. Es gibt natürlich noch viel mehr Möglichkeiten, ich muss aber zugeben, dass mir das Karo, wenn es um Kleidung geht, unbestickt doch immer noch am besten gefällt. Diese bestickten Vierecke werde ich in Patchwork-Kissenbezüge einarbeiten, die einmal auf den Balkonstühlen liegen könnten, aber das dauert sicher noch eine Weile, bis es so weit ist.

Einstweilen findet man die Sammluing der Karo-Ideen im Mai hier bei Karen.   

Freitag, 24. Mai 2013

Woche 20


1. Dramatischer Himmel an der Alten Nationalgalerie, und es ist sehr, sehr kalt.

2. Durchbrochene falsche Zöpfe. Ich maschenprobe fleißig gegen den von der Strickgruppe vermuteten Fluch des bösen Garns an. Das untere Muster - lacy mock cables - soll es nun werden, mit Bündchen in 1rechts verschränkt, 1 links. Wahrscheinlich ist es doch sinnvoll, Garn von Aufgeribbeltem zu glätten, bevor man es erneut verstrickt - es macht nämlich nicht viel Spaß, wenn man das Muster so schlecht erkennt.

3. Durchgestartet. Das Guerillagärtchen wächst prächtig. Die Margeriten, Überlebende der Blumenwiese vom letzten Jahr, blühen und die Hornveilchen müssen öfter gegossen werden - aber jetzt regnet es ja dauernd.

4. Die scheinbar niedliche Little Lucy von El Bocho ist eine Katzenhasserin - und sie macht Ernst. Paste-ups Torstraße, Kleine Präsidentenstraße.

Dienstag, 21. Mai 2013

Das Himmelfahrtskleid: die B-Premiere


Lieber spät als nie, nicht wahr? Und so reihe ich mich heute in die Reihe der Finalistinnen des Himmelfahrtskommando-B-Finales ein, die bei Alex gesammelt werden. Pfingstsonntag, am einzigen warmen Tag des langen Pfingstwochenendes, durfte das Kleid auch schon raus an den Müggelsee und erwies sich als bequem und weitgehend knitterfrei - ja. ich glaube wir können Freunde werden, das Kleid und ich.


Zwischen meinem Fotografen und mir treten bei solchen Gelegenheiten oft leichte Differenzen auf, wie ein "gutes" Kleidfoto auszusehen hat. Der Fotograf wäre erst mit einem Foto "mit Spannung" zufrieden, was aber bei diesem Sujet - Lucy trägt ein Kleid - nicht erreicht werden kann, es sei denn, man fügt einige Löwen, Tiger oder Krokodile hinzu. Alternativ könnte ich auch "etwas tun", zum Beispiel einen Hundwelpen kraulen. Das musste am Sonntag mangels verfügbarer Hundewelpen auch ausfallen, Eis gabs auch nicht, daher stehe ich einfach nur unmotiviert in der Gegend herum.


Mein Wunsch ist immer "ein Foto, auf dem man das Kleid gut erkennt". Dabei kam das obige Bild heraus. Nunja. Immerhin sieht man, dass die Passform prima ist, sogar im Schulterbereich. Ich führe das auf auf eine Besonderheit des Schnittes 108 aus Burda 6/2008 zurück, die man hier auf der Schnittzeichnung gut erkennen kann: Das Oberteil hat sogenannte Minusschultern, das heißt die Schulternaht endet deutlich vor dem Schulterpunkt. Für meine Figur bedeutet das offenbar, dass die Schultern endlich einmal nicht zu breit sind.


Die Ärmel fasste ich mit einem einfarbigen blau-grauen Stoff ein, der auch für die extra eingebaute Nahttasche links herhalten musste.Die obere Kante des Taschenbeutels ist in dem aufgesteppten Tunnel für das Gummiband mitgefasst.


Neben der Verlängerung des Oberteils um 2 cm zwischen Armausschnitt und Taille - eine Standardänderung bei mir - verschmälerte ich die angeschnittene Knopfleiste auf 2 cm. Die vorgesehenen 3 cm Breite erschienen mir zu wuchtig im Verhältnis zum Kragen und zu den Knöpfen. 


Also: Mission Sommerkleid erfüllt! Ohne die Himmelfahrtskommandoaktion von MamamachtSachen und 81GradNord wäre ich noch lange nicht so weit gekommen. Vielen Dank nochmal für den Anstoß und die Organisation! Die Teilnehmerinnen der B-Premiere findet ihr heute hier.

Donnerstag, 16. Mai 2013

Woche 19


Eine neue Woche, wir reiben uns die Augen und stellen fest: unsere Ecke des Internets steht ja immer noch! Obwohl es zwischenzeitlich nicht danach aussah. Es hält doch einiges aus, dieses Netz. Ein weiterer Grund zur Freude: Mein Leipzig-Kurztrip gestern war nicht nur erfolgreich (ich zitiere: "Ich lese ihre Texte sehr gerne, Frau D.!") sondern auch weniger strapaziös, weil insgesamt kürzer. Ich fuhr eine Strecke mit dem Bus, das reduzierte die Außer-Haus-Zeit um zwei Stunden, weshalb ich heute nicht das Gefühl habe, dringend einen freien Tag zu brauchen. Aber auch das seit kurzem schöne Wetter beflügelt, und ich freue mich schon aufs Flanieren am Pfingstwochenende.

1. Flanieren im neuen Kleid. Das Himmelfahrtskleid wurde am Wochenende fertig. Mal sehen, ob ich für die B-Premiere am Pfingstmontag Fotos und eine Schnittbesprechung liefern kann.  

2. Wachsen auf dem Balkon. Den Stadtgarten muss ich diese Saison auch endlich einmal dokumentieren, ich bin nämlich immer noch dabei herauszufinden, was als Balkonbepflanzung auf der der guerillabegärtnerten Baumscheibe gut wächst. Die Balkontomaten vom letzten Jahr brachten zwar riesige, für zwei Quadratmeter etwas zu raumgreifende Büsche hervor, aber wenig Tomaten. Deshalb schaffte ich nun eine Gurke an, die sich am Balkongeländer entlangranken soll.    

3. Burda kreativ für euch. Das aktuelle Heft mit allerlei Näh-, Bastel- und Häkelanleitungen für sommerliche Deko, Taschen, Schürzen, Topflappen flog mir vor ein paar Tagen zu, und da ich nicht so die Dekonäherin bin und einige Anleitungen schon aus der normalen Burda kenne, verschenke ich es lieber gleich weiter, ehe es hier Staub ansetzt. Bitte meldet euch in den Kommentaren, falls ihr das Heft bekommen möchtet (und falls ihr eine deutsche Adresse habt, an die ich es schicken kann). Bis Montag früh, dann lose ich, falls es mehr als eine Interessentin gibt.

4. Paste up in Mitte, Linienstraße.

Freitag, 10. Mai 2013

Woche 18

Wir befinden uns schon halb in der Woche 19, nicht? Gestern am Feiertag hatte ich schon so ein Sonntagsgefühl, bin angeschlagen und kränkel mit einer leichten Erkältung vor mich hin - es verschwimmt alles etwas, innen und außen.

1. Jedenfalls machte ich  - zum gelinden Entsetzen der Strickrunde - meine halbfertige Miette-Strickjacke wieder auf. Vielleicht hätte ich in dem Zustand nicht solche weitreichenden Entscheidungen treffen sollen. Jetzt gibt es eine Maschenprobe für ein flächiges Lochmuster, das bei mir aber ganz anders aussieht, als es aussehen sollte. Und ein angefangenes zweilinks-zweirechts-Bündchen. Und damit stehen ja noch alle Möglichkeiten offen. Die Strickrunde mutmaßt, die Wolle sei verflucht, weil ja schon die erste daraus gestrickte Jacke ein Flop war. Man darf gespannt sein. 

2. Streetart in der Brunnenstraße und in der Torstraße - von Dede aus Tel Aviv

Und das wars auch schon - ein schönes Wochenende euch allen da draußen an den Nähmaschinen!

Donnerstag, 9. Mai 2013

Frauen sind keine Kleiderständer - einige Überlegungen zum Me made Mittwoch

Habt ihr den Artikel auf dem Me-made-Mittwoch-Blog schon gesehen? Wir, also die MMM-Crew, hatten uns Anfang des Jahres weitergehende Gedanken über den MMM und seine Bedeutung für das große Ganze gemacht, ursprünglich, um uns bei der Netzkonferenz re:publica für einen Vortrag zu bewerben.

Das sind wir nicht


Das Selbermachen in all seinen Facetten tauchte im letzten Jahr so oft in den Medien auf, und es war allenthalben so oft von Handarbeiten als "dem neuen Trend" die Rede, dass wir damit rechneten, DIY werde auch auf der re:publica ein Thema sein - vor allem, weil der derzeitige Selbermach-Trend ohne die Vernetzung im Internet gar nicht denkbar ist, wie ja auch schon oft festgestellt wurde. Und ehe auf der re:publica irgendwer von außen über uns, die Selbermacherinnen und Selbermacher referiert, wollten wir lieber selbst von uns sprechen, über das, was uns im Netz bewegt und zusammenhält.

Daraus ist nichts geworden, weil unser Themenvorschlag nicht angenommen wurde, aber das Gute ist ja, dass wir hier selber Platz und Möglichkeiten haben, unseren Text zu publizieren und mit euch in den Dialog zu treten. Wenn euch interessiert, welchen Zusammenhang wir zwischen dem Selbstgemachten beim Me made Mittwoch und weiblichem Selbstbewusstein sehen und ihr mitdebattieren wollt - schaut rüber ins Me made Mittwoch-Blog, dort findet ihr unseren Text.

Ergänzung 2. 7. 2012:

Ich hatte ursprünglich vor, über den Vortrag über DIY von gemachtmitliebe und der Wollbindung, der schließlich bei der republika gehalten wurde, hier noch zu schreiben, damit die Debatte sich weiterentwickeln kann. Der Vortrag wurde leider nirgends verlässlich dokumentiert, daher hier nur ein paar Links, so dass sich jede/r selbst ein Bild machen kann:
  • Hier fasste Daniela das Feedback zum Vortrag zusammen und hier Kiki.
  • Hier kann man sich die Präsentationsfolien anschauen.
  • Hier bei Heise gab es eine Zusammenfassung des Vortrags - leider wohl z. T. nicht ganz richtig wiedergegeben.
Nicht zuletzt möchte ich noch besonders auf den Artikel der Sturmfrau "Ist nähen politisch?" hinweisen und ihn nachdrücklich zum Lesen empfehlen. Sie betonte, dass "Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung [...] aus dem Selbermachen entspringen." und zog das Fazit: "Das ist noch recht neu und muss vermutlich erst ankommen. [...] Es ist leicht, über Herzchenstoffe und Spitzenröckchen zu lachen. Aber das sind eigentlich nur Äußerlichkeiten. Selbermachblogs sind etwas Ermutigendes, auch wenn man nicht jeden Geschmack teilt. Sie überspringen die Schwelle vom Wünschen (und dessen vermeintliche Befriedigung durch den Konsum) zum wirksamen Können." 

Ihrer Aufforderung, weiterzumachen und weiterzuschreiben komme ich gerne nach!
 

Montag, 6. Mai 2013

Himmelfahrtskommando IV: Flexible Response


Den letzten Termin des Himmelfahrtskommando-Sewalongs von Alex - MamamachtSachen und Steffi - 81GradNord musste ich auslassen, ich bin aber nach wie vor an Bord. Zugegebenermaßen machte ich erst am Samstag Vormittag den ersten Schnitt in den Stoff - aber da ja der Mantel immer noch nicht richtig fertig war, wollte ich mit dem Kleid nicht eher anfangen. In unserem militärischen Kontext hier nennt man sowas Zweifrontenkrieg, und dass der nicht zu gewinnen ist, wissen wir ja aus der Geschichte.

Mit dem Kleid (Nummer 108 aus Burda 6/2008) kam ich am Wochenende gut voran. Besonders förderlich: die Vorarbeiten konnten auf dem Balkon erledigt werden. Ich nahm mir ein Beispiel an der Gewinnerin des Great British Sewing Bee (natürlich bin ich von dieser BBC-Serie ebenso hingerissen wie alle anderen) und markierte die Nahtlinien mit Heftfaden, weil Kreide und Seife auf dem Stoff kaum zu erkennen waren. Tatsächlich zahlte sich das aus, denn ich kann mir nicht erinnern, einen Schnitt in letzter Zeit so problemlos zusammengefügt zu haben. Das Nähen an der Maschine war wirklich nur noch ein Klacks.

Samstag und Sonntag werkelte ich vor mich hin, zum ersten Mal seit langem - ich glaube seit dem letzten Nähkränzchen - jeweils ein paar Stunden ganz ungestört, und ich merkte mal wieder, wie sehr mir das Nähen an sich gefällt. Es ist nicht nur der Faktor des Könnens, dass ich mir im Prinzip die Kleider genau so herstellen kann, wie ich sie gerne hätte, wie es Catherine neulich so gut formuliert hatte. Das ist ein Faktor, aber auch die Tätigkeit an sich, das nerdige Vor-sich-hinwerkeln macht mir Freude. Ich spreche mit mir, mit meiner Nähmaschine, laufe murmelnd durch die Wohnung, und werde später bestimmt eine verschrobene alte Tante. Aber eine gut angezogene verschrobene alte Tante! (Und ich finde es verblüffend, wie sehr man doch immer, immer dieselbe bleibt - schon als Kind konnte ich stundenlang so vor mich hinbasteln.)   

Aber zurück zum Kleid. Weil das Nähen so gut flutschte (bis auf die Stelle, als ich den Kragen annähte und der Unterfaden alle war - ich liebe das ja, da hat frau so eine kniffelige Partie mühsam gesteckt, näht drüber und zieht dabei alle Stecknadeln heraus - und hat dann die Teile doch wieder lose in der Hand), also: weil das Nähen so gut flutschte, sind die Restarbeiten überschaubar:
  • inneren Kragensteg einschlagen und per Hand festnähen
  • Falten am Ärmelsaum einlegen und Ärmelsäume mit Stoffstreifen einfassen
  • Knopflöcher und Knöpfe
  • Saum 
  • eventuell Gummiband in den Tunnel einziehen 
Die Passform ist, soweit ich das jetzt beurteilen kann, gut, aber nicht ganz so, wie erwartet. Erst einmal verlängerte ich das Oberteil gleich am Schnittmuster um 2cm. Das ist Standard bei mir, ich habe eine langen Oberkörper, ziemlich viel Oberweite und hasse nichts so sehr wie das Gefühl, dass die Taille für mich einen Tick zu hoch sitzt. Bei diesem Schnitt ersetzen Falten in Vorder- und Rückenteil die Abnäher, außerdem gibt es einen Tunnel mit einem Gummizug, der 4cm über der natürlichen Taille liegen soll. Mit meiner Änderung kommt das gut hin, der Tunnel sitzt über der Taille und klemmt mir nicht unter den Achseln, aber viel Stoff, der gerafft werden könnte, ist da nicht. Ohne Gummizug sitzt es eigentlich genau so, wie ein Kleid sitzen sollte.

Recht merkwürdig - die Taille ist ja definitionsgemäß die dünnste Stelle, und darüber werde ich nun mal breiter, aber offenbar schneller, als das die Standardmaßtabelle vorsieht. Da auch die Rezensentinnen bei pattern review fast alle auf das Gummiband verzichteten, bin ich geneigt, die Ursache auch ein klein wenig beim Schnitt zu suchen. Wie die relativ üppig gekräuselte Taillierung auf dem Burda-Foto unten (Modell 107 - Bluse nach dem gleichen Schnitt wie das Kleid) zustande kommt, ist mir jedenfalls ein Rätsel. Davon abgesehen ist der innen aufgesteppte Tunnelzug aber prima geeignet, um den Taschenbeutel am Platz zu halten.  

Bis Donnerstag wird das Kleid ganz sicher nicht fertig, weil ich erst am Donnerstag wieder Nähzeit habe - ganz im Gegensatz zu den vielen anderen Sewalong-Teilnehmerinnen, die diesmal bei Alex gesammelt werden, und die ihre Projekte teilweise schon fertig haben. Aber das wird, spätestens am Wochenende!

Donnerstag, 2. Mai 2013

Woche 17


1. Wo war ich? Kleiner Hinweis: in dieser Stadt nicht weit von Berlin, die in Zusammenhang mit meinem Bildmotiv vor einiger Zeit in die Schlagzeilen gelangte, gibt es einen bekannten Stoffladen, der kürzlich 5-jähriges Jubiläum feierte - und vor dem ich beim Spazieren am Sonntag ganz überraschend zu stehen kam. Mit etwas mehr Planung meinerseits wäre durchaus ein Besuch am Samstag drin gewesen - schade und blöd von mir, dass ich mir das entgehen ließ, denn die Stoffballen sahen sehr verlockend aus, und Bianca bloggt schon sehr lange und wie ich finde sehr Lesenswertes, jetzt zum Beispiel eine Serie über ihren Alltag als Ladenbesitzerin. Für das nächste Mal in dieser Stadt habe ich mir einen Besuch in diesem Laden fest vorgenommen!   

2. Nicht-Ort. Das Hotelzimmer in dieser Stadt - es hätte aber genauso gut in jeder anderen deutschen, und mit winzigen Änderungen sogar in jeder anderen europäischen Stadt sein können. Ich habe zwar den Studentenstatus schon gut ein Jahrzehnt verlassen, mich aber an das komfortablere Reisen noch immer nicht gewöhnt. Der Entschluss, zu einer Geburtstagsfeier am Samstag Abend in diese Stadt zu fahren, wurde recht kurzfristig gefasst - vor ein paar Jahren hätten wir die Fahrt bestenfalls in Regionalzügen, schlimmstenfalls auf der Rückbank eines Fiat Panda verbracht und nach der Party im Wohnzimmer der Gastgeberin auf dem Boden gepennt.

So ein milchkaffeefarbenes Zimmer in einem Hotel ist natürlich viel komfortabler, aber die ästhetische Konsenskultur dieser Umgebung macht mich immer ganz kirre. In den Gängen träufelt Fahrstuhlmusik in die Ohren, alles ist so wahnsinnig dezent, dass ich flüstern oder schreien möchte, Wände cremeweiß, Möbel mokkabraun, der Teppichboden schmutzverbergend gemustert, es hängen Bilder an der Wand, weil ein Zimmer Bilder braucht, aber bloß nichts, das irgendjemanden aufregen, erstaunen oder sonstwie berühren könnte. Ein Aufenthalt dort gleicht einem Bad in lauwarmem Latte macchiato mit Karamellsirup.

Was passiert mit Menschen, die sehr oft, vielleicht sogar jeden Tag, in solchen Hotels übernachten? Denn diese Ästhetik des kleinsten gemeinsamen Nenners setzt sich ja an den Orten fort, an denen sich Vielreisende häufig aufhalten: Konferenzräume und DB-Lounges und Abflugterminals, Geschäftsessenrestaurants und Kaffeekettenkaffeehäuser. Der französische Ethnologe Marc Augé bezeichnete solche Orte als Nicht-Orte, weil sie weder Geschichte noch Geschichten enthalten, keine Identität haben und sich an jedem nur denkbaren Platz auf der Welt befinden könnten. Typischerweise sind solche Räume Durchgangsräume, in denen Menschen sich also nur eine begrenzte Zeit aufhalten - aber manche Berufsgruppen verbringen ja gezwungenermaßen ihr halbes Leben im Durchgang. Ob Fehlentscheidungen von Unternehmensberatungen und Management mit dem Daueraufenthalt in dieser dezenten Milchschaumblase zusammenhängen, in der Schaum und Fahrstuhlmusik Augen und Ohren verkleben? Wenn ich aus dieser Welt zurück bin, verstehe ich jedenfalls etwas besser, woher die Sehnsucht nach Authentischem, Regionalem und Handgemachtem kommt, die auch Menschen haben, die keine Selbermacher sind. Auch wenn diese Sehnsucht oft nur durch Shopping befriedigt wird, ist sie ein Gegengift gegen solche traurig charakterlosen Orte. 

3. Keine Wiederholungen. Vor ein paar Wochen begann ich eine Miette-Strickjacke (aus einem uralten, aufgeribbelten Projekt) und nähere mich dem Abschluss des ersten Ärmels. Ich muss zugeben, nachdem mir die selbstausgedachte Strickjacke so gut gefällt, stricke ich lustloser, und  sogar noch lustloser, seitdem sich abzeichnet, dass sogar bei einer verlängerten Miette-Jacke noch Garn übrig bleiben wird. Die Anleitung ist toll (und meine erste Miette auch), aber ich arbeite so gut wie nie eine Anleitung ein zweites Mal genau so nach. Vielleicht doch lieber etwas ganz anderes, zum Beispiel mit Lochmuster? Ob ich mal eine Maschenprobe mache?

4. Große Bitte. Für manche Anliegen muss man sich richtig ins Zeug legen (und Klebebuchstaben besorgen). Gefunden an der Hermannstraße, Neukölln.