Sonntag, 24. Juni 2018

Stoffspielerei im Juni: Rokoko trifft Mola



Willkommen zur neuen Ausgabe der Stoffspielerei im Juni! Ich habe mich in letzter Zeit sehr rar gemacht bei der Stoffspielerei, und dann auch noch mit dem Thema Rokoko eine schwierige Aufgabe gestellt, wie mir hier und da zurückgemeldet wurde. Ich kam auf das Thema, weil ich im März an einer Führung durch das Neue Palais in Potsdam und die Postdamer Textilrestaurierungswerkstatt teilnahm. Die Innenausstattung des in den 1760er Jahren gebauten Schlosses, das vor allem für Festiviäten und die Unterbringung von Gästen genutzt wurde, ist noch recht vollständig erhalten.

Die Mode des 18. Jahrhunderts, bei solchen repräsentativen Bauten wirklich keine Oberfläche undekoriert zu lassen, ist uns heute ziemlich fremd. Alles ist gemustert, mit Stoff bezogen, geschnitzt, bemalt, mit Borten, Troddeln oder Quasten geschmückt, gerahmt, vergoldet - sicherlich ein beeindruckender Anblick, wenn sich das Kerzenlicht in den glänzenden Fäden des Brokats, in den Kristallen der Lüster und in den großen Spiegeln brach.

Auch wenn spätbarocke Ornamente heute in der Inneneinrichtung nicht mehr so im Übermaß eigesetzt werden, es gibt sie immer noch - Tapeten, die die seidenen Wandbespannungen aus Schlössen nachahmen, gibt es sogar in ziemlich großer Zahl. Oder vergleicht mal die Seidentücher von Versace mit dem Fußboden im Marmorsaal des Neuen Palais! Barock und Rokoko (grob gesagt etwas zarter, heiterer, mit zarteren Farben und Asymmetrien) sind in der Dekoration erhalten geblieben - das war für mich nach dem Schlossbesuch tatsächlich eine neue Erkenntnis.


Für die Stoffspielerei habe ich versucht, ein Ornament in einer Reverse-Applikationstechnik umzusetzen,die ich schon lange einmal auspr0bieren wollte. Die Mola-Technik wurde ursprünglich nur auf einigen Inseln vor der Küste Panamas ausgeübt. Mittlerweile sieht man Molas manchmal auch auf Kunsthandwerkmärkten zusammen mit anderen Textilien aus aller Welt, und es würde mich nicht wundern, wenn Molas eínzwischen auch in Asien nachgeahmt werden würden.



Bei dieser Technik werden die Applikationsmiotive aus einem Stapel verschiedenfarbiger Baumwollstoffe von oben nach unten herausgearbeitet. Das Motiv wird aufgezeichnet und entlang der Konturen mit etwas Nahtzugabe aus der obersten Stofflage herausgeschnitten. Die Zugaben werden nach unten eingeschlagen und die Kante wird durch alle Lagen festgenäht. Aus der zweiten Stofflage, die nun sichtbar ist, wird ein weiteres Motiv ausgeschnitten, der Rand eingeschlagen und mit der Hand festgenäht, so dass die dritte Stofflage zum Vorschein kommt.



Bei den Näherinnen der Cunas in Panama entstehen so häufig abstrahierte Tiermotive, die durch parallele bunte Linien oder Schnecken strukturiert sind. Über die Technik gibt es ein Buch von Kate Mathews - "Molas", es erschien 1999 auf Deutsch im Haupt-Verlag und ist mittlerweile sehr günstig zu haben. Die Technik ist gut beschrieben, so dass man lernt, eigene Entwürfe umzusetzen, und es sind viele Fotos von Molas aus Panama enthalten. (Die Modelle im Anleitungsteil, oft Kleidung mit Dekor in Mola-Technik, entsprechen allerdings eher dem Geschmack der späten 1980er.)


Die Näharbeit erwies sich als zwar recht kleinteilig-fummelig (das Ornament hätte etwas großflächiger sein können und er verwendete Baumwollstoff vielleicht etwas feiner), aber es ist machbar. Bis zu der dritten Stofflage in Rosa bin ich noch gar nicht vorgedrungen, dazu sind die einzelnen Flächen auch größtenteils etwas zu klein. Die Applikation ist schön plastisch, und die Technik ist eine gute Möglichkeit, relativ filigrane Strukturen aus Stoff nachzubilden - als herkömmliche Applikation, also mit kleinen, aufgesetzten Stoffstücken, wäre es nur schwer möglich, so ein Ornament abzubilden.

Ich bin gespannt, was ihr aus der Vorgabe gemacht habt!

Sabine (Tyches Touch) hat eine Rokokospitze gehäkelt, angelehnt an die Muster von Nymphenburger Porzellan. 

Susanne (Nahtlust) hat eine Rokoko-Maske aus Spitzen angefertigt.

Ute (123-Nadelei) ging in Thüringen auf Spurensuche nach dem Rokoko - sehr interessant!

Annelies von der Galerie der Handarbeiten hat verschiedene Rüschenformen - Froschgoscherl und Herzrüsche - ausprobiert.



Vielen Dank allen füs Mitmachen! Ich ergänze die Liste oben noch im Laufe des Tages, sobald ich weitere Beiträge finde.

Auch die Rückseite ist interessant: Es wird immer durch alle Stofflagen genäht


Die monatliche Stoffspielerei ist eine Aktion für textile Experimente. Sie ist offen für alle, die mit Stoff und Fäden etwas Neues probieren möchten. Der Termin soll Ansporn sein, das monatlich vorgegebene Thema soll inspirieren. Jeden letzten Sonntag im Monat werden die Links mit den neuen Werken gesammelt – auch misslungene Versuche sind gern gesehen, zwecks Erfahrungsaustausch.

Juli & August: Sommerpause
30.09.2018: „Streifen“ bei 123-Nadelei
28.10.2018: „Seide“ bei Siebensachen
25.11.2018: (Thema noch nicht fix) bei Nähzimmerplaudereien
Dezember: Weihnachtspause
27.01.2019: (Thema noch nicht fix) bei Textile Werke
24.02.2019: „Farbverläufe“ bei Schnitt für Schnitt
31.03.2019: „Geometrie“ bei Feuerwerk by Kaze

Freitag, 8. Juni 2018

Mit Naturmaterialien gefärbt: Workshop Ecoprinting

 
In meinem Kiez gibt es seit neuestem einen Gemeinschaftsgarten mit Hochbeeten auf dem Gelände eines nicht mehr genutzten Schulhofs, und weil der Garten Teil eines geförderten Projekts zum Klimaschutz ist, finden dort ab und zu auch Veranstaltungen statt. An einem schönen Sonntag Nachmittag konnte das Ecoprinting ausprobiert werden, also das Drucken oder Färben mit Pflanzen auf Stoff. Hannah Schorch, die den Workshop leitete, kannte ich von ihrem Label Erie Berlin, ihre zart gefärbten Sachen waren mir im Studio Herzberg, einem Laden für nachhaltige Kleidung an der Sonnenallee, schon vor längerer Zeit aufgefallen.

Ehrlich gesagt bin ich von Ecoprinting-Ergebnissen nicht immer restlos begeistert - im Netz sieht man manchmal Beispiele von Stoffen mit lauter fleckigen braun-grau-Tönen, die mich an einen Komposthaufen auf Stoff erinnern, das finde ich nicht so erstrebenswert. Hannahs bedruckte Stoffe sehen hingegen zart und geheimnisvoll und besonders aus, mit interessanten Farbverläufen oder Strukturen, gar nicht "Öko", sondern sehr raffiniert.


Hannah hatte färbende Pflanzen mitgebracht: getrocknete Zwiebel-, Avocado- und Granatapfelschalen, pulverisierte Krappwurzel und geraspeltes Blauholz, Kamillenblüten und getrocknete Rosen- und Malvenblüten. In einem Topf auf einer Kochplatte wurden Baumwollstoffe in einer Alaunlösung gebeizt, dadurch können die Fasern die Farbstoffe besser aufnehmen und die Farben werden haltbarer.


Das eigentliche Färben (oder genauer gesagt: Drucken) erinnert dann etwas an Kochen (und riecht auch fast so): Die Pflanzenbestandteile werden auf dem feuchten Stoff ausgelegt, der Stoff fest zusammengerollt und zu kleinen Päckchen gebunden. Die Stoffpäckchen kommen in ein Sieb über kochendes Wasser und liegen eine Weile im Dampf, wobei sich die Farbstoffe mit dem Stoff verbinden.


Dann geht es ans Auspacken und Auswaschen und an die große Überraschung: Was ist mit den Farben aus den Pflanzenteilen passiert? Färberkamilleblüten ergeben zum Beispiel kräftig gelbe Punkte, die Blauholzspäne violette Striche. Manche Pflanzenteile färben gar nicht - grüne Blätter zum Beipiel - und wenn verschiedene farbstoffhaltige Pflanzen zusammentreffen, können sich interessante Mischungen ergeben.


Ich bin größtenteils nur zu zarten Sprenkeln auf weißem Untergrund gekommen, für mehr Farbe darf man nicht so zögerlich sein wie ich - die Kinder hatten das beim Workshop besser drauf: Viel Material ergibt viel Farbe.


Ein Stoffstück (aus dem ich die Passe einer Bluse machen will) ist einfach grandios geworden. Das Stück alte Bettwäsche hatte ich zuerst in einem Sud aus Holunderbeeren gefärbt, der in einem kleinen Topf vor sich hinköchelte. Der Stoff war dann so gleichmäßig dunkelviolett, dass ich schon dachte, das könne man gar nicht weiter färben, aber Hannah gab mir den Tipp, Granatapfelschalen zu verwenden. Die getrockneten Schalen waren zu kleinen Bröckchen von etwa 5x5 mm geschreddert, die ich konfettimäßig auf dem gefärbten Stoff verteilte. Nach dem Dämpfen konnte ich das Ergebnis kaum fassen: Die Schalen hatten irgendwie mit der Holunderfarbe reagiert und den Stoff an den Stellen, wo sie lagen, zu orange bis rostrot verfärbt. Sehr schön und sehr überraschend!


Um mit dieser Methode systematisch zu färben und einigermaßen wiederholbare Ergebnisse zu bekommen, müsste man also alles notieren und am besten noch Vorher-Nachher-Fotos machen. Aber auch ganz unsystematisch bekommt man interessante Ergebnisse - und keine schlammfarbenen Fleckmuster, wie ich befürchtet hatte - und der Pflanzendruck macht großen Spaß und braucht nur ein Minimum an Ausstattung. Färben kann man auch mit Dingen, die man normalerweise wegwerfen würde: Schalen und Kerne, gebrauchte Teebeutel und verwelkte Blumensträuße, und natürlich kann man auch fertige Kleidungsstücke färben, sofern sie aus Naturfasern bestehen und sie so auffrischen, zum Beispiel wenn sie Flecke haben, die nicht mehr herausgehen. Ein spannender, sehr netter Nachmittag war das!