Willkommen zur Stoffspielerei heute, der monatlichen Aktion für textile Experimente. Ich hatte das Thema "Stoffreste" vorgeschlagen: Alle haben sie, die meisten Nähenden heben sie auf, nur wenige verwenden sie tatsächlich. Man denkt sich ja bei jedem Stoffrest, "ach, da nähe ich später noch was Schönes draus, was Kleines zum Verschenken, Kosmetiktaschen, Patchwork oder so" - und sehr bald stapeln sich die Restekisten oder in meinem Fall: die prall gestopften Plastiktüten.
Ich habe mich daher für diesen Beitrag zwei Aspekten der Resteproblematik gewidmet:
1. Patchwork oder so
2. kleinen Dingen zum Verschenken, konkreter: einem Mini-Portemonnaie nach dem Prinzip der Portemonnaies aus Tetrapaks, dafür gibt es auch eine Anleitung.
Da aber gerade der Anleitungsteil ziemlich lang ist, hier gleich die Beiträge der Mitspielerinnen in diesem Monat:
Von Ines von den
Nähzimmerplaudereien habe ich vorab einen Link geschickt bekommen, sie hat mehrere kleine Dinge genäht und ich bin selbst gespannt, was sich
hinter dem Link zu Ines' Beitrag verbirgt.
Von Griselda (
Machwerk) gibt es eine
Anleitung für ein Handgelenksnadelkissen, auch toll zum Verschenken für nähende Freundinnen (wobei es gefährlich zu sein scheint, sich an diese Nadelkissen zu gewöhnen).
Siebensachen zum Selbermachen zeigt einen
Schal aus Walkresten und experimentiert mit Perlen aus Stoff - eine tolle Idee für kleinste Reste besonderer Stoffe.
In der
Galerie der Handarbeiten gibt es
Hausschuhe - und die
Patchworkhäuschen aus lauter Resten von Bettwäsche und anderen Stoffen, ein Langzeitprojekt, sind sehenswert. Stöbert auf der Seite mal ein bißchen herum, Annelies macht spannende Sachen!
Ute (
Textile Werke) zeigt
einen Quilt aus Hemden, T-Shorts und Boxershorts - und ihre Beschreibung des eichhörnchenmäßigen Sammelns von Stoffen und Resten kommt mir sehr bekannt vor.
Suschna vom Blog
Textile Geschichten setzte sich
mit Improviationspatchwork à la Sherri Lynn Wood auseinander - das allein wäre auch mal ein gutes Thema für eine Stoffspielerei.
Auch
Floh hat improvisiert gepatcht und zeigt, wie
ein Crazy-Patchwork-Streifen für einen Teekannenwärmer gemacht wird.
Petra (
Petozi) verarbeitet einfach alle Reste
aus einer Farbrichtung zu einem kreuz- und quer zusammengesetzten Patchwork, bis der neue Stoff groß genug für eine Kissenhülle ist.
Inselsommer nähte
plastische Sterne aus Resten, gut als Geschenkanhänger oder Weihnachtsdeko.
Ute (
123-Nadelei) zeigt
einen schwarz-weißen Kissenbezug aus Resten und hat auch früher schon viel Restepatchwork genäht.
Mond (
bimbambuki) nähte
einen Muff aus Stoffresten - möglicherweise ein altmodisches Accessoire, aber im Smartphone-Zeitalter sehr praktisch!
(Die Stoffspielereien pausieren im Dezember, die nächste Spielerei ist am 29. Januar, Gastgeberin ist Ines (Nähzimmerplaudereien) mit dem Thema "Ecken und Kanten". Am 26. Februar sind die Stoffspielereien bei Karen zu Gast.)
Patchwork aus Resten
Stoffreste zu Patchwork verarbeiten, das klingt so einfach, aber wer jemals versucht hat, die Stücke aus der Restetüte durch mehr oder weniger zufälliges Zusammennähen zu einem neuen Stück Stoff zu verarbeiten, weiß, das scheinbar spontanes Restepatchwork alles andere als einfach ist, wenn das Ergebnis ansehnlich aussehen soll. Nach einem Geheimrezept der Farb- und Musterzusammenstellung hatte ich hier im Blog früher schon öfter gesucht: 2011 faszinierten mich die Stoffzusammenstellungen Suzuko Kosekis (
hier und
hier), wobei ich nie übers Nachahmen hinausgelangte, 2013 nähte ich
eine gesteuert-zufällige Decke aus Wollstoffresten, die mir immer noch sehr gut gefällt. Das Geheimnis hierbei: Eine Vorauswahl der verwendeten Farben und ein einfaches Prinzip, das die Anordnung der Stoffstücke bis zu einem bestimmten Grad steuert.
So ein Prinzip habe ich mir auch für dieses Projekt gegeben, das nach und nach mit Resten aus der Restetüte genäht wird: Die Grundquadrate sind 10x10 cm groß und immer aus hellblauem Stoff (alte Oberhemden), dieser Stoff ist bei jedem Quadrat in der Diagonale sichtbar. Von der Mitte ausgehend werden abwechselnd rote und blaue oder weiße Reststreifen überlappend aufgenäht, bis das Quadrat gefüllt ist.
Bei der Meisterin des
gelungenen improvisierten Quiltens, Sherri Lynn Wood, gibt es viele Beispiele für Restequilts. Sie vergleicht diese Art des Quiltens mit der Improviation im Jazz: Melodieschnipsel werden variiert und wiederholt, wodurch das gesamte Stück, trotz aller Freiheiten, eine gewisse Struktur und Einheitlichkeit behält.
Dieser Versuch der Resteverwertung lebt schon sehr lange selbst in der Restetüte, es sind die Anfänge eines auf Papier genähten Patchworks, das Muster heißt
New York Beauty. Grundsätzlich ist Paperpiecing, auf Papier genähte Muster, sehr gut für Stoffreste geeignet, man braucht immer nur kleine Stücke.
Das Nähen erfordert allerdings einen Grad von Frickelei, den ich bei so einem Nebenher-Projekt nicht lange durchhalte, wie man sieht. Mit den Kreissegmenten mit sechs sehr dünnen, langen Spitzen habe ich mich einfach übernommen, es dauert ewig, bis bei mir so ein Teilchen (12 cm Kantenlänge!) fertig ist. Wie
New York Beauty-Quilts aussehen (mir würde ja schon ein Kissenbezug reichen) sieht man
auf der Quiltseite von Ula Lenz, dort gibt es auch Vorlagen für viele verschiedene
New York Beauty-Blöcke.
Ein Mini-Portemonnaie nach dem Milchtütenprinzip
Ein Hintergedanke bei meiner Themenwahl für diese Stoffspielerei war ja auch, dass man Ideen und Anleitungen für kleine Dinge sammelt, die sich jetzt noch ohne großen Materialaufwand nähen und verschenken lassen. Ich habe mich dabei vom Konstruktionsprinzip der kleinen Börsen aus Tetrapaks inspirieren lassen, die man auf vielen Upcycling-Seiten im Netz findet. Wie die zwei inneren Abteilungen entstehen, die sich auffächern, ist einfach, aber nicht offensichtlich (jedenfalls für Menschen, die nicht so viel selbermachen), sowas ist immer gut zum Verschenken. Die fertigen Börsen sind 9x7 cm groß, die üblichen Karten passen hinein.
Material:
2 Stoffreste für Außenstoff und Futter, jeweils 20x20 cm. Für das Futter am besten Baumwollstoff, außen kann man auch andere Stoffe nehmen (Wollstoffe, Cord, Jeans, Seide, Brokat), solange sie nicht zu dick sind.
Rest Vlieseline H250 oder andere festere Bügeleinlage, etwa 20x20 cm
passendes Nähgarn
1 Druckknopf
Für das Schnittschema: 1 Blatt Papier, Geodreieck, Bleistift
Zuerst den Schnitt zeichnen und ausschneiden, er passt auf einen A4-Bogen: Die drei großen Rechtecke sind jeweils 9x6 cm groß, kleinen rechts und links 4,5x6 cm. Das Schnittmuster ist
ohne Nahtzugabe.
Die Umrisse des Schnitts mit Bleistift auf die nicht-klebende Seite der Bügeleinlage übertragen und mit 1 cm Nahtzugabe rundherumzuschneiden.
Die Einlage auf die linke Seite des Stoffs bügeln, der später außen liegen soll und ausschneiden. Den Futterstoff ebenfalls nach dem Schnitt 1 cm Nahtzugabe zuschneiden.
Das verstärkte Teil und das Teil für das Futter aufeinanderlegen, die rechten Seiten liegen innen. Mit Stecknadeln feststecken und entlang der oberen Kante - um die Ecke um die Klappe herum - und entlang der unteren Kante steppen, auf dem Foto habe ich die Nähte nachgemalt. Ich finde die folgenden Schritte einfacher, wenn man die Nahtzugaben am Anfang und am Ende nicht mitnäht. Die Nähte am Anfang und Ende jeweils gut verriegeln.
Nahtzugaben etwas zurückschneiden, an den inneren Ecken bei der Klappe bis kurz vor die Naht einschneiden, bei der äußeren Ecke der Klappe die Nahtzugabe schräg wegschneiden.
Das Teil bildet jetzt quasi einen Schlauch - den linken Teil des Schlauchs nach innen stülpen, so dass rechts an der offenen Kante Futterstoff auf Futterstoff und Oberstoff auf Oberstoff liegt, jeweils mit den rechten Stoffseiten aufeinander.
Die beiden Lagen in der angezeichneten Nahtlinie aufeinanderstecken - das ist übrigens der gleiche Nähschritt wie beim Nähen eines Loopschals.
Auf der Außenstoff-Seite des Schlauchs eine Wendeöffnung lassen. Beim Nähen also auf der Außenstoffseite, kurz vor der Naht beginnen, die Futterstoffseite nähen, über die Naht und auf der Außenstoffseite die Naht verriegeln. Wenn man das Nähfüßchen auf der Innenseite des Schlauchs laufen lässt, kommt man überall hin.
Das Taschenteil wenden, die Ecken z. B. mit einem Essstäbchen herausholen und das Teil gut bügeln.
Die Tasche kann man jetzt schon erkennen: Man erhält einen verstürzten Schlauch, der oben und unten offen ist. Die Wendeöffnung kann offen bleiben, man sieht sie später nicht mehr. Wenn euch die Lücke stört, könnt ihr die Naht aber mit ein paar Handstichen schließen.
Die Kanten oben und unten knapp absteppen.
Die Tasche plattbügeln, beim unteren, schlauchförmigen Teil die Mitte markieren und mit einem auswaschbaren Stft oder Kreide eine waagerechte Linie einzeichnen - 6 cm von der unteren Kante entfernt.
Entlang dieser Linie durch alle Lagen nähen, dabei 1-2 cm im Teil anfangen, ein Stück rückwärts nähen, dann vorwärts bis zum Ende und dort wieder ein Stück rückwärts nähen.
Die Tasche entlang der eben genähten Naht falten - die zwei Fächer entstehen. Die beiden inneren Lagen aufeinanderstecken und ein paar Zentimeter aufeinandernähen.
Am Unauffälligsten ist das, wenn man noch einmal auf der Absteppnaht entlangnäht. Die Klappe und die vordere Wand der Tasche muss man gut aus dem Weg halten - das ist unter der Maschine ein bißchen fummelig.
Geschafft! Jetzt nur noch einen Druckknopf anbringen, am besten erst das obere Teil des Druckknopfs mittig auf der Klappe befestigen und dann anzeichnen, wo das untere Teil hin muss.
Viel spaß mit der Anleitung, fragt bitte, falls noch etwas unklar ist.