Am Wochenende war ich kurz - leider etwas zu kurz - in Köln, um die H+H, laut eigener Aussage die "weltweit größte Fachmesse für Handarbeit + Hobby" zu besuchen. Auf der H+H werden Neuheiten vorgestellt, Stoff- und Kurzwarenhändler können direkt bei den Herstellern oder Großhändlern bestellen, daher kann man sich also Materialien und Zubehör angucken, das es noch nicht in den Läden gibt. Ich war deshalb schon seit einigen Jahren neugierig auf diese Messe (die Akkreditierung als Nähbloggerin war übrigens kein Problem), außerdem wollte ich eine Buchidee anrecherchieren, und die Veranstaltung war ideal, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Die Messe ist wirklich, wirklich riesig, und so schaffte ich in einem Tag tatsächlich nur einen groben Überblick, verpasste die Modenschauen, verpasste ganz viele Internetbekanntschaften, die auch da waren, und fotografierte relativ wahllos, was mir auffiel und gefiel -
drüben bei Instagram hatte ich schon ein paar Bilder gezeigt - hier also mein subjektiver Eindruck von der Messe, kommt mit!
Wolle, Wolle, Wolle
Handarbeitsgarne, vor allem Strickwolle, bilden nach meinem Eindruck einen Schwerpunkt der Messe. Die großen Wollhersteller haben riesige, oft sehr aufwendig dekorierte Stände und zeigen Dutzende Strick- und Häkelmodelle aus den neuen Garnen. Auf der anderen Seite sind aber auch kleine oder sehr kleine Firmen aus aller Welt mit handgefärbten Garnen vertreten, die nur wenige Stränge an ihrem Stand zeigen. Ich habe vor allem Strickmodelle fotografiert und versucht, sowas wie Trends auszumachen.
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Modelle von ggh |
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Garn von ggh |
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Modelle von Katia yarns |
Langfädige Garne, die verstrickt eine Art Fell oder Flausch ergeben, habe ich sehr oft gesehen. Anders als das Polyesterzottelgarn, das vor ein paar Jahren populär war, sind diese Garne jetzt meistens aus Naturfasern und fassen sich sehr angenehm an. Sie werden mit großen Nadeln glatt rechts verstrickt und bilden so einen federleichten, pelzähnlichen Stoff ohne sichtbare Maschen. Es wurden vor allem große Strickjacken und Strickmäntel daraus gezeigt - das entspricht ja auch der 90er-Revival-Mode, die zur Zeit in den Läden hängt. Bei Katia Yarns gab es sogar Chenillegarn, das ich zuletzt auch in den 1990er Jahren gesehen hatte - der Pullover unter der grün-grauen Zotteljacke ist aus Chenille. Ob das immer noch so mörderisch leiert wie früher?
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Modelle von Rico Design |
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Modelle von Rico Design |
Mohairgarne oder Alpaca in Mohairoptik werden weiterhin viel angeboten, neu jetzt auch noch mit Lurexbestandteilen im Garn. Der grüne Pullover mit dem langen grünen Schal darüber in der Mitte des oberen Bildes ist aus so einerm Mohair-Lurex-Garn. Es ist interessant, dass das Glitzern auf dem Foto fast nicht zu sehen ist, in Wirklichkeit kam mir der Glanz nicht so dezent vor. Ton in Ton auf einem Messestand sieht sowas ja edel aus, aber ob so ein Pullover im Alltagskontext auch so gut wirkt?
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Modelle von ggh |
Sanfte melierte Farbverläufe wie bei dem Pullover links waren auch häufiger zu sehen - und Unmengen von sehr bunten Farbverlaufsgarnen. Da war die Präsentation an den Ständen oft eher eine Materialschlacht und hatte mit Design nicht so viel zu tun.
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Modelle von ONline |
Dekorative Aufnäher - neudeutsch: Patches - sind im Moment (seit D&G Jeans mit Aufnähern zeigte) ein großes Thema. Bei ONline wurde Gestricktes mit Aufnähern kombiniert, die Idee gefällt mir gut - und ich bin beruhigt, dass auch Strickprofis Strickjackenblenden stricken, die sich ungünstig zusammenziehen.
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Rico Design |
Warum ich das fotografiert habe, weiß ich nicht mehr - aber ist die schwarz-weiß-gelbe Jacke hinten rechts nicht schön?
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Lion Brand Yarn |
Das Foto bildet den Übergang zum Gehäkelten: Jacke gestrickt, Rock missonimäßig gehäkelt. Gefällt mir an der Puppe sehr, aber auch hier frage ich mich, ob das im richtigen Leben angezogen wirklich so cool wirkt, oder wie Omas Häkeldecke als Kleidung.
Gehäkeltes
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Modelle:Bernat Design Studio |
Gehäkeltes gab es vor allem in zwei Formen: als lustige, gehäkelte Tiere und als Wohnaccessoires, wobei die geschmackvollen Töne der teils gehäkelten, teils gestrickten Wohndeko oben eher die Ausnahme bildeten. Im Hintergrund sieht man ein Beispiel, wie auf der Messe Geschäfte gemacht werden (denn dazu ist sie hauptsächlich da) - an Tischen, die wie bei
Bernat zwischen der Messedeko stehen, manchmal auch durch halbhohe Wänder vom Besuchergewusel abgetrennt sind. Aber auf die Geschäfte auf der Messe komme ich später noch einmal zurück.
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Modelle: DMC |
Die Arrangements beidem französischen Garnhersteller DMC waren besonders schön und detailverliebt - und sofort instagrammierbar (gibt es das Wort?), da quadratisch.
Gesticktes
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Stickerei: DMC |
Handsticken liegt im Trend, hört man derzeit überall. Der Trend kommt von den Laufstegen - aber wird er wirklich imDIY-Bereich ankommen? Ich bin skeptisch, denn um Plattstiche nur annähernd so gekonnt zu sticken wie die StickerInnen der Messemodelle bei DMC, braucht man sehr viel Übung und Geduld. Ich könnte mir vorstellen, dass einfacher zu erlernende Techniken eine größere Chance auf Verbreitung haben.
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Stickpackungen von RTO |
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Gobelinstickerei bei DMC |
Stickpackungen im Kreuzstich oder Gobelinstich erfüllen eigentlich alle Voraussetzungen, um zum massentaglichen Hobby zu werden: Die Muster müssen nicht mühsam auf den Untergrund übertragen werden und die Sticktechnik ist leicht zu meistern. Was die Messe in der Hinsicht zu bieten hatte, ließ mich allerdings etwas ratlos zurück. Moderne Entwürfe, wie die zwei Beispiele, die ich knipste, sind die Ausnahme. Die Hersteller von Stickpackungen aus ganz Europa - es waren bestimmt ein Dutzend Firmen vertreten - bieten zum größten Teil Motive an, wie sie schon unsere Omas stickten: Betende Hände. Schäferhunde und Kätzchen im Schuh. Disneymotive. Bilder wie von Gustav Klimt oder Chagall, aber in schreienden Farben, manchmal mit Glitzer. Vor allem gestickte Bilder, wenig benutzbare Textilien - hängt sich wirklich jemand gestickte Bilder an die Wand? Dabei könnte man in Gobelinstickerei mit Wolle auf Stramin nicht nur Kissen für jede Lebenslage sticken, sondern auch Taschen, Täschchen und Portemonnaies, Gürtel und Hausschuhe - das müsste nur jemand mit guten Designs entwerfen und als Bastelpackung auf den Markt bringen.
Stoffe
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Stoffe von lotte martens |
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Stoffe von lotte martens |
Natürlich gibt es auf der Messe auch Stoffe zu sehen - aber den überwiegenden Teil nur als Musterlaschen. Aus den Stoffen genähte Beispiele gab es vor allem bei den Herstellern von Patchworkstoffen, überhaupt gab es relativ wenig reine Bekleidungsstoffe, oder ich habe sie in dem Farben- und Musteroverkill vieler Stoffanbieter nicht wahrgenommen.
Die handbedruckten Stoffe von
lottemartens.com aus Belgien sind etwas ganz Feines: Matte Jerseys mit glänzenden Goldpunkten, zarte Linien, bedruckte Plissees, flauschige Wolle mit glattem Druck - selten hat mich Stoff so begeistert! Den Stand fand ich (natürlich) erst zehn Minuten vor Messeschluss, daher war mehr als ein hastiges Foto nicht drin. Auf der Webseite und bei Instagram unter
http://instagram.com/lottemartens_exclusivefabrics gibt es mehr Bilder - und wenn ich die Kommentare unter den Bildern dort richtig deute, wird es die Stoffe bald in einigen Läden geben.
Schnittmuster
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Schnittmuster von zonen09 |
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Stoffe von zonen09 |
Die nettesten Gespräche auf der Messe hatte ich bei einer für mich ganz neuen kleinen Schnittmusterfirma,
zonen09 aus Belgien, die sich auf Schnitte für Männer und Jungs spezialisiert hat. Die Schnittmuster im Baukastensystem mit Variationen bei Ärmeln, Kragen und Ausschnitten gibt es in drei Größengruppen, für Kinder bis 9 Jahre, für Jugendliche von 10-16, einige auch in den Herrengrößen 48-60. Die schönen Papierschnittmuster haben ein aufwendiges, sehr ausführliches Anleitungsheft mit farbigen Fotos - das Muster des Anleitungshefts sieht man in dem krawattenförmigen Ausschnitt des Pappumschlags, der Schnittbogen und Anleitung zusammenhält. Zur Zeit werden die Anleitungen ins Deutsche übersetzt, so dass es bald Papierschnitte von
zonen09 bei uns in den Läden geben wird. Die Kinderschnitte gibt es bereits mit englischer Anleitung als Downloadschnitte zum Zusammenkleben
auf der Webseite. Passend zu den Modellen lässt
zonen09 Stoffe aus Bio-Baumwolle in Belgien produzieren.
An dem Messestand von
zonen09 kann man auch gut sehen, wie eine kleine, sympathische Firma mit beschränkten Mitteln doch etwas aus der Fläche machen kann: In eine Wandverkleidung aus gelochten Fichtenholzplatten werden Regalbretter oder Kleiderbügel eingehängt, dazu ein flauschiger Teppich, ein paar Sukkulenten in kleinen Töpfen, ein Stehtisch und ein Glas mit belgischen Karamellbonbons - mehr braucht man nicht.
Messebeobachtungen
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Der bombastische Stand von Gütermann |
Bei anderen lautet das Motto eher: Klotzen, nicht kleckern. Weiter oben hatte ich schon beschrieben, dass die wirklich wichtigen Dinge, nämlich die Bestellungen der Händler, an den Ständen an kleinen Tischen abgewickelt werden. Zum Teil sieht man dort Stoff- und Wollladenbesitzerinnen sitzen, nicht selten sind es aber auch Herren in sehr smarten Anzügen. Die Tische stehen manchmal mitten im Messegewusel, manchmal in abgetrennten Ecken - und ein Großkonzern wie Gütermann (der neben Nähgarn auch Perlen und eine Stofflinie produziert), richtet an seinem riesigen Stand einen abgetrennten Bereich mit Kaffebar mit Espressomaschine und Gebäck ein, der auf den ersten Blick wie ein nettes Café wirkt. Das habe ich nicht fotografiert, da zu viele Menschen mit auf das Bild gekommen wären - die Tische waren gut gefüllt - aber die Dekorationen boten genügend Fotomotive. Der Messestand war so groß wie eine große Drei-Zimmer-Wohnung mit ineinander übergehenden Zimmern, frischen Blumen und Garndeko überall.
Es geht aber auch wesentlich prosaischer: Viele Verhandlungen finden am Rand der Messehallen in Räumen aus mobilen Stellwänden statt, und ich wette da gibt es dann nur plörrigen Pumpkannenkaffee und die messetypische Keks- und Waffelmischung!
Nähzubehör
Grundsätzlich hatte ich den Eindruck, dass es auf der Messe fast alles gibt, was man sich als Selbermacherin an Werkzeug oder Zubehör wünscht, aber in den Läden nie oder nur sehr selten findet. Es gibt schöne Taschengriffe, es gibt japanisches Sashiko-Garn und Sashiko-Stoffe mit vorgedruckten Mustern. Es gibt hochwertige Scheren aus Solingen, es gibt Holzstickrahmen in jeder Größe, es gibt Tapisseriewolle in allen Farben, es gibt dänisches Stickgarn, hochwertiges Ripsband, gewebte Borten aus Baumwolle, Nähseide verschiedenen Stärken und Perlen- und Pailettenmotive zum Aufnähen, die nicht billig aussehen. Es gibt sogar (schon seit letztem Jahr) eine Nähzubehörserie von Prym in türkis, die richtig hübsch aussieht, die ich aber noch nie in irgendeinem Einzelhandelsgeschäft gesehen habe. Wenn wir all das in den Läden vermissen, dann liegt es jedenfalls nicht daran, dass schöne, hochwertige Sachen nicht zu beschaffen wären.
Auf der anderen Seite gibt es das ganze Nähzubehör und viele Kurzwaren auch in billig und als Kopie, direkt von chinesischen Herstellern, mit der Möglichkeit, den eigenen Firmennamen gleich auf die Verpackung drucken zu lassen. An diesen Ständen war meistens nicht viel los, die H+H ist eher ein Umschlagplatz für Hochwertiges, aber die nicht unerhebliche Anzahl dieser Anbieter lässt doch darauf schließen, dass sich das Geschäft lohnen muss.
Zum Schluss möchte ich noch zwei Anbieter für hübsche Kleinigkeiten zeigen, die schöne und nützliche Geschenke für Näh- und Stricknerds anbieten.
Die japanische Firma
Cohana stellt in Japan formschönes Nähzubehör aus japanischen Rohstoffen her und
versendet es weltweit. Mir gefallen besonders die kleinen Nadelkissen und die Scheren mit Holzgriffen. Und es gibt handgemachte Glaskopfstecknadeln die kleine Schmuckstücke sind.
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Strickhandschuhe von hobbywool.com |
Aus Riga kommen die Strickpakete für lettische Fausthandschuhe mit traditionellen Mustern von
hobbywool.com. In einer schwarzen Schachtel bekommt man alles, was man für ein paar Handschuhe braucht: Wolle in verschiedenen Farben, ein farbiges Zählmuster und eine englische Strickanleitung.
Am Sonntag konnte ich dann noch viele Kölner Nähnerds bei ihrem Stammtisch in einem sehr schönen Café treffen, ehe ich etwas erschöpft die Heimreise antrat. Ich hoffe der Messerundgang mit mir war interessant für euch - mir hat das Wochenende in Köln großen Spaß gemacht und ich habe mir den Messetermin für nächstes Jahr gleich im Kalender notiert.