Gestern war wieder Kreuzberger Nähkränzchen samt kurzer Life-Schalte zu
Meikes Single-Nähkränzchen in Hamburg - vielleicht habt ihr
gestern hier bei Catherine unseren Tag verfolgt und möglicherweise auch gelesen, dass ich tollkühnerweise mit einem Blazer begonnen habe. Mein Plan war folgender: wenn ich an so einem konzentrierten Nähtag ordentlich ranklotze, dann ist später zuhause nicht mehr so viel zu tun, so dass das Projekt in einem einigermaßen überschaubaren Zeitrahmen auch fertig wird. Die langwierige Komplexität von Jackenprojekten führt nämlich leicht dazu, dass ich erst gar nicht beginne, das Weiternähen ewig aufschiebe und mich an Kleinigkeiten aufhalte, so dass das ganze Projekt kein Ende nimmt. Scheinbar - deshalb habe ich diesmal ab und an auf die Uhr geschaut und die Zeiten notiert.
Ausgesucht habe ich mir eine Jacke aus einem alten Heft, und zwar die Nummer 110 aus Burda 8/2005, weil die Jackenlänge von 60cm exakt der Länge meiner zu allem passenden gekauften (und leider am Ende ihrer Lebensdauer angekommenen) Lieblingsjacke entspricht. Aktuelle Schnitte sind, so scheints, entweder 10cm länger oder 10cm kürzer, so dass ich mit dem Modell modisch wohl ziemlich daneben liege, dafür aber für meine Proportionen das günstigste ausgewählt habe. Außerdem hat dieser Schnitt recht einfache Taschen, weder Ärmelschlitze noch andere nähaufwendige Details. Der Stoff ist ein dunkelgrauer Wollmischstoff, vermutlich ein Musterstoff für irgendeine Konfektionsfirma, der über dunkle Kanäle auf unserem Markt gelandet ist.
Am Nähkränzchen-Vorabend hatte ich den Schnitt herauskopiert (25min.) und den Oberstoff zugeschnitten (45min.). Das war ohne Stress zwischen 20.00 und 23.00 Uhr zu bewältigen - ohne Nähkänzchen-Druck hätte ich das bestimmt auf zwei Abende aufgeteilt. Da ich zwischendrin mit dem Liebsten in der Kneipe nebenan war, kam ich nicht mehr dazu, wie geplant die Einlage zuzuschneiden und aufzubügeln - das sollte sich am nächsten Tag rächen. Aber ich suche kurz vor Mitternacht noch 30min. in meinen sorgsam aufgerollten Futterstoffresten nach einem ausreichend großen Rest, um zwei Taschenbeutel zuzuschneiden. Sechs Reste sind doch zu klein und sehen, neu aufgerollt, nicht mehr so ordentlich aus wie vorher. Zwei davon werfe ich weg und fühle mich gut dabei. Das restliche Futter kann ich noch nicht zuschneiden, weil ich nach dem Stoff erst noch suchen muss - möglicherweise habe ich ihn auch vor dem letzten Umzug weggeworfen. Für die Suche veranschlage ich ca. 1h 30, das wird und muss an einem anderen Abend passieren.
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Der Bügelplatz war der kühlste Ort beim Nähkränzchen |
Der Nähkränzchen-Samstag beginnt mit idealen Voraussetzungen: ich hochmotiviert, nette Gesellschaft, ein Superbügeleisen samt Bügelbrett, kalte Getränke und ein kleiner Imbiss stehen bereit, die Nähmaschine ist aufgestellt. Nach alter Nähkränzchen-Tradition (meiner persönlichen, nicht der allgemeinen) habe ich das Anleitungsheft zuhause vergessen und kann daher niemandem ein Bild meines geplanten Blazer-Glanzstücks zeigen. Auch die Taschen und das Einsetzen des Reverskragens könnte später schwierig bis unmöglich werden, aber das lasse ich einfach auf mich zukommen.
Kurz nach Beginn um 11.00 Uhr verschwinde ich im Gästebad, wo das Bügelbrett aufgebaut ist, schneide Einlage zu und bügele sie auf. Von Robbie Williams, selbstgemachter Limonade und co. bekomme ich daher kaum etwas mit, dafür ist die Überraschung um so größer, als ich gegen 12.30 Uhr wieder aus dem Bad auftauche. Einlage aufbügeln gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, das ist mal sicher.
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Dieser Berg wird einmal ein Blazer |
Nach einer kleinen Stärkung kommt jetzt aber der Teil, auf den ich mich beim Nähen immer besonders freue: Wenn aus einem Berg Einzelteile nach und nach ein erkennbares Kleidungsstück wird. Ich nähe immer zuerst so viele unproblematische "große" Nähte wie möglich und bügele sie dann alle auf einmal aus. Rückennaht, rückwärtige Teilungsnähte, Ärmelnähte - gegen 13.30 Uhr wirds ernst: Ich muss die Eingriffstaschen mit einer Leiste oben, die in der vorderen Teilungsnaht mitgefasst wird, ohne Anleitung nähen. Die seitlichen Vorderteile müssen dazu bis kurz vor die Naht eingeschnitten werden.
Normalerweise wäre das der Punkt, an dem ich das Teil beseite legen und auf eine günstige Sternenkonstellation warten würde, um mit dieser schwierigen und riskanten Aufgabe zu beginnen. Beim Nähkränzchen kann man ja nicht einfach
nicht nähen, daher fange ich einfach mal an. Bei jeder Tasche muss ein kurzes Stück wieder auftrennen - einmal zu weit genäht, so dass sich eine Falte bildet, bei der zweiten hatte ich die Leiste nicht richtig erwischt - aber gegen 15.40 Uhr sind die Taschen drin. Zur Belohnung darf ich jetzt die Seitennähte und die Schulternähte schließen und bügeln.
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Die Taschen sind drin! |
Beim Kragen wieder das gleiche: ich würde gerne kapitulieren und aufschieben, da die anderen aber alle nähen, was das Zeug hält, nähe ich weiter. Im ersten Versuch habe ich den Kragen zum Verstürzen eine Ecke zu weit zusammengenäht und muss erstmal rätseln, wie der Kragensteg dazupasst und wie beides dann an den Blazer gehört. Kurz trennen, dann schaffe ich es bis 17.30 noch, den Unterkragen richtig an den Halsausschnitt zu nähen und den Beleg festzustecken. Das sieht schon ganz gut aus, auch wenn es mir wie immer an dieser Stelle ein Rätsel ist, wie ich das ganze jemals ordentlich ausgebügelt bekomme. Da sind einfach zu viele kleine Nähte und Nahtzugaben an Stellen, an die man mit dem Bügeleisen nicht richtig hinkommt. Für heute geht es aber erstmal nach Hause - auch in Mellenis Hinterhof wird gegrillt, und auf einmal habe ich richtig Hunger.
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Der Stand am Sonntag Nachmittag |
Sonntag, 14. 30 Uhr: Passiert es euch auch, dass ihr etwas näht und noch währenddessen denkt: "Totaler Quatsch, was ich hier nähe, das kommt so niemals hin, muss ich alles wieder auftrennen", und trotzdem könnt ihr einfach nicht aufhören? Ich habe gerade mit dem Kragenbeleg weitergemacht (höchstens 30 min.) und habe nun, glaube ich, zwei unterschiedlich lange Vorderteile. Leider sind meine Markierungen durch das Bügeln verschwunden, ich müsste die Vorderteile noch einmal sorgfältig mit dem Schnitt vergleichen und die Reversrundung und die Rundung unten ("Abstich", heißt das wohl in Fachsprache) neu anzeichnen.
Habe ich dazu Lust, während (endlich! zum ersten Mal in diesem Sommer!), wüstengleiche heiße Luft zum Fenster herein kommt? Nö, denn heute bin ich ja zuhause und könnte auch was anderes nähen, was stricken, was bloggen oder Eis aus der Eisdiele gegenüber holen.
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Vermeidungsstrategie |
Letzteres (bloggen und Eis holen) habe ich nun gemacht, es zeigt sich damit die absolute Notwendigkeit mehrtägiger Nähkränzchen, denn mit der Jacke geht es heute wohl nicht mehr weiter. Aber: später könnte ich ja wenigstens den Futterstoff suchen, und euch in den nächsten Tagen zeigen, wie man genau passende Schulterpolster selber machen kann.
Melleni hat
hier die Ergebnisse des Nähkränzchens zusammengestellt, und
Wiebke wies hier auf die entschlackende Wirkung eines Hochsommer-Nähkränzchens hin.