Vor zwei Tagen kam ich vom Lillestoff-Festival zurück, wo ich insgesamt vier Upcycling-Workshops gegeben hatte. Ehe die Eindrücke in Vergessenheit geraten, möchte ich wenigstens die paar Handyfotos zeigen, die ich während dieser irrsinnigen Nähnerd-Veranstaltung gemacht habe. Wer das Festival nicht kennt: Bei dem Event, das von dem Langenhagener Stoffhersteller Lillestoff veranstaltet wird, treffen sich Nähende von weit her, um an einem Wochenende zwei Tage in einer Messehalle in Langenhagen zu nähen, zu plaudern, Stoff zu kaufen und Workshops zu besuchen.
Dieses Jahr kamen noch mehr Besucherinnen als im letzten Jahr in den Genuss, zwei Tage ungestört durchzunähen - irgendwo hörte ich von 1000 Besucherinnen am Tag, und in der unteren Halle, wo die Nähtische stehen, war kein Durchkommen mehr. In der dritten Etage, der Workshopetage, war es glücklicherweise luftiger und ruhiger. Ich bin auch nicht richtig dazu gekommen, mich unten umzusehen, dazu waren meine Pausen zu kurz.
Wahrscheinlich gehört es sich nicht, einfach fremde Nähmaschinen zu fotografieren (auch wenn eine Nähmaschine kein Persönlichkeitsrecht hat) - aber diese fand ich so klasse, dass ich beim Gehen am Samstagabend ein Bild machen musste. Eine gelbe Privileg Topstar electronic! Ich habe akuten Nähmaschinenneid.
Für die Oberhemden-Refashion-Workshops am Samstag und Sonntag Vormittag hatte ich einige Beispiele mitgebracht - und genügend Material zum Zerschnippeln. Diese Workshops sind für mich immer ziemlich anspruchsvoll und aufregend, denn jede Teilnehmerin näht ein anderes Projekt, noch dazu weiß ich vorher nicht, was für Material die Teilnehmerinnen mitbringen und wie sich die Ideen entwickeln. Das war auch dieses Mal wieder interessant und spannend, und die Teilnehmerinnen waren eine tolle Truppe, die wagemutig losnähten, sich gegenseitig berieten und in viereinhalb Stunden fast alle ein fertiges oder bis-auf-den-Saum-fertiges Teil mit nachhause nehmen konnten.
Am Sonntag habe ich wenigstens an zwei Nachher-Bilder gedacht: Britta (@by_bertitroete bei Instagram) hatte ein weinrotes Hemd, eine knielange graue Sweathose, eine dunkelgraue Hose aus einem leichten Stoff und einen groben Plan für ein Kleid. Die Hosenbeine der im Schnitt auseinandergeschnittenen Sweathose ergaben geradezu perfekte Ärmel. Der Übergang vom Hemd zum Kleid mit einer Raglannaht wurde nach und nach durch Ausprobieren ermittelt - im Rücken gibt es einen dreieckigen Cutout zwischen den Ärmelteilen. Für den Abschluss am Hals probierten wir eine Menge aus: Aufgesteppte Manschetten am Ausschnitt, Stoffstreifen aus dem Hemdärmeln als Schalkragen, aber letztlich war die schlichteste Lösung, ein breites Bündchen, die beste.
Julia nahm sich ein experimentelles Projekt aus dem Buch "Redesign" vor: Ein großes Hemd wird dabei so lange in Falten gelegt, die festgesteppt werden, bis es der neuen Trägerin passt. Im Buch entsteht so eine asymmetrische Bluse (siehe Bild unten), bei Julia entwickelte sich die Sache eher in Richtung Schößchenjacke, auch wenn es zwischendurch nach gar nichts aussah. Nach einem kleinen Durchhänger vor dem Mittagessen brachte dann der V-Ausschnitt den Durchbruch. Leider lässt sich die interessante, strukturierte Oberfläche der Jacke durch ein Handyfoto nicht besonders gut wiedergeben - die Jacke ist wirklich etwas besonderes geworden, und ich bin froh, dass Julia sich an dieses Projekt gewagt hat. Es hätte nach stundenlanger Herumnäherei schließlich auch nur ein seltsames Etwas herauskommen können. Aber das ist das Schöne an Upcyclingprojekten: Man kann Dinge ausprobieren, die man sonst nicht nähen würde, weil das Material schon vorhanden ist und man wenig kaputtmachen kann.
Die Bluse mit Rüschenärmeln war ja auch so ein Experiment - ich wusste vorher nicht, ob ich diese Ärmel mögen würde - und ich trug sie am ersten Festivaltag. Fazit: ich mag die Ärmelrüschen sehr, bin aber kein Fan der Raglankonstruktion des Schnitts (111 aus Burdastyle 2/2014), weil die Bluse und damit auch die Raglanpartie ziemlich weit ist und die Ärmel daher nicht besonders sitzen. Falls mal wieder das Bedürfnis nach Rüschenärmeln aufkommt, würde ich einen gut sitzenden Oberteilschnitt mit eingesetzten Ämreln entsprechend abwandeln.
Foto: Frau Masulzke |
Und nicht zuletzt: Es ist auch immer wieder schön, bei so einem Festival Blog-Bekannte zu treffen, die weit weg wohnen - Gruppenbild mit Frau Crafteln Meike, der Komplizin Dana und rosa p. Rike, wir alle etwas übernächtigt, aber gut gelaunt vom vorherigen Abend, als wir in Klassenfahrtmanier bis zu einer Uhrzeit strickten, die ich lieber nicht zur Kenntnis genommen habe.