Als ich letzte Woche das jüngste Heft von Burdastyle durchblätterte (Ausgabe September 2017) dachte ich mir: Es ist mal wieder Zeit für eine Heftkritik. Vor ziemlich genau einem Jahr verließ die Chefredakteurin Dagmar Bily das Blatt, der Posten wurde eingespart und der Heftinhalt wird seither von Rashana Jennings (Texte) und Anastasios Voulgaris (Mode und Schnitte) verantwortet. Kommissarisch, wie es zunächst hieß, aber bisher gibt es keine Anzeichen, dass sich diese Besetzung demnächst ändern würde. Nach einem Jahr und einer spürbaren Übergangsphase des Herumdümpelns sind nun auch die Veränderungen im Heft sichtbar, die das Duo angestoßen hat, und ich muss zugeben, wie sich das Heft entwickelt, gefällt mir recht gut. Ist das Heft wirklich besser geworden, oder ich milder? Um mein Bauchgefühl zu verifizieren, vergleiche ich das Heft 9/2017 mit der Septemberausgabe aus dem Vorjahr.
Schnittauswahl und -präsentation
Vorausgeschickt, ich freue mich sehr für Anastasios Voulgaris, dass er nun für die Schnittkollektion verantwortlich ist. Er arbeitete schon seit 2002 bei Burda im Moderessort, aber nie an verantwortlicher Position. Die Chefredakteurinnen kamen und gingen, auch die Chefinnen des Moderessorts wechselten, er aber blieb der ewige Stellvertreter - fünfzehn Jahre lang. Es befriedigt meinen Gerechtigkeitssinn, dass nach solchem Beharrungsvermögen schließlich doch eine ordentliche Beförderung winkte. Und Voulgaris ist offenbar in der Lage, den Leserinnen zuzuhören und oft geäußerte Verbesserungsvorschläge aufzunehmen. Ich mache das an folgenden Veränderungen fest:
Es gibt Ärmel
Es gibt Detailbilder
Über das Geschick von Burdastyle, interessante Schnittdetails hinter Requisiten wie Hundewelpen, Pferden, Torten, Handtaschen oder Blumensträußen zu verstecken, habe ich hier im Blog schon zu Genüge gelästert. Manchmal wurden die Kleider auch einfach an einer liegenden Frau in den Dünen abgelichtet. Prima! Im aktuellen Septemberheft gibt es nun tatsächlich Detailbilder und Fotos von hinten - und selbst das auch dieses Mal in der Brit-Chic-Strecke unvermeidliche Pferd (S. 34) darf nur dezent von der Seite ins Bild hineinschnuppern. Großartig!
Es gibt Klassiker
Die Schnitte in Burdastyle orientieren sich an der Laufstegmode, ja sie sind dem durchschnittlichen Peek-und-Cloppenburg-Schaufenster mitunter um ein oder zwei Jahre voraus. Das ist manchmal toll, wenn die Mode zufällig den eigenen Geschmack und die eigenen Kleidungsvorlieben trifft, manchmal aber auch weniger, wenn das nicht der Fall ist. Der Wunsch nach zeitloseren Schnittmustern im Heft wurde gerade in Nähforen oft geäußert, und ich kann ihn nachvollziehen, auch wenn die Burda-Einzelschnittmuster eigentlich genau solche Klassiker bieten.
Mit Heft 9/2017 haben nun im Vergleich zu 9/2016 einige aufgemotzte Klassiker Einzug gehalten: Ein schmaler Rock (Schnitt 114/115), ein Etuikleid (Schnitt 116), ein Wickelkleid (Schnitt 113) und der Blazer mit Schößchen vom Bild oben (Schnitt 118). In Heft 9/2016 gab es zum Vergleich nur einen Faltenrock (121) und einen Blazer (108), die ich als klassisch bezeichnen würde. Mit aktueller Mode haben diese Schnitte wenig zu tun, aber für Leute mit einem konservativeren Kleidungsgeschmack oder für solche ohne großen Schnittmusterfundus, die einfach nur einen Standardschnitt für einen engen Rock oder etwas ähnliches suchen, dürften diese Modelle genau das richtige sein.
Es gibt einen Vintage-Schnitt
Warum BurdaStyle seinen Fundus an Schnitten aus den letzten sechzig Jahren nicht schon längst systematisch verwertet, habe ich mich lange Jahre gefragt. Erst 2014 kam die Redaktion auf die Idee, Sonderhefte mit wieder aufgelegten alten Schnitten herauszubringen, und auch die monatlichen Hefte enthielten ab und zu einen Vintage-Schnittmuster, meistens abwechselnd mit dem "Designerschnitt", manchmal fiel aber auch beides weg. Das Septemberheft vom letzten Jahr brachte als Designerschnitt ein Dirndl von Lola Paltinger, dieses Jahr gibt es ein Kleid vom September 1957, laut Editorial der Beginn einer neuen Serie mit neu aufgelegten alten Schnittmustern. Die Wahl dieses sehr erwachsenen, nicht nach typischer Retromode aussehenden Kleides macht Hoffnung auf interessante Schnitte in den nächsten Heften.
Texte und Rubriken
Mit den Texten in Burdastyle ist es ja so: Kein Mensch kauft dieses Heft wegen der Texte. Die Texte sind schon gut, wenn sie nicht weiter unangenehm auffallen, mehr erwartet man nicht. Trotzdem lässt sich diese Aufgabe besser oder schlechter lösen. Neben dem eher diffusen Eindruck, dass in den begleitenden Texten zu den Modellfotos jetzt mehr auf Schnitt- und Verarbeitungsdetails eingegangen wird als früher und weniger blumiger, inhaltsloser Mode-Sprech in Wir-Form benutzt wird, ist mir der Wechsel in Stil und Ansprache besonders in einer Rubrik aufgefallen.
Nähen statt Hauswirtschaft
Die Rubrik "Wie geht eigentlich", die den "Modedoktor" ablöst, umfasst wie vorher eine Doppelseite, ja sogar die Grafikerin, die die Illustrationen macht, ist dieselbe geblieben. Im September 2017 wird das Verlegen von Brustabnähern in einer Serie von sachlichen Zeichnungen erklärt (oben im Bild auf der rechten Seite). Eine Änderung, die für gute Passform unerlässlich ist, die ich als Selbernäherin in meinen Anfangsjahren aber nicht kannte, und damit ging es mir sicher wie vielen Näh-Einsteigerinnen.
Die Rubrik "Modedoktor" (links) brachte hingegen vor einem Jahr eine Bügelanleitung - und nicht etwa für das Bügeln während des Nähens, sondern für das Bügeln von Hemden und Blusen, dekoriert mit süßen Pünktchen und einer putzigen Vignette, die eine Krankenschwester im fünfziger-Jahre-Stil zeigt. Die Problematik - wie werden Hemden faltenfrei gebügelt - wurde in eine Frage-Antwort-Sequenz eingekleidet, es handelte sich also um eine Art hauswirtschaftlichen Rat "von Frau zu Frau". Ich glaube ich muss nicht extra betonen, wie wenig mich im Kontext einer Nähzeitschrift (und übrigens auch sonst) das korrekte Bügeln von Oberhemden interessiert, und wie rückwärtsgewandt und betulich ich so eine Seite mit Haushaltstipps finde. In den anderen Modedoktor-Folgen wurden in der gleichen Aufmachung durchaus auch mal Nähtechniken erklärt, aber ich erinnere mich auch gut daran, dass in den Warenkunde-Rubriken in den letzten Jahren auch mal Wäschetrockner, Staubsauger oder Feinwaschmittel besprochen wurden.
Die schleichende Hauswirtschaftisierung des Burdastyle-Magazins, die sich auch im Auftauchen von Backrezepten äußerte, scheint mir aber vorerst gestoppt. Die Basteln-und-Backen-Rubrik werden wir wohl leider nicht mehr los, auch wenn sie zur Zeit nicht mehr dazu da ist, das richtige Umfeld für die Anzeigen eines Likörherstellers zu bieten. Immerhin ist der Bastelanteil gestiegen und der Kochrezeptanteil gesunken, das werte ich als kleinen Hoffnungsschimmer.
Höherer Preis, weniger Schnitte?
Mit der Ausgabe 9/2017 stieg der Heftpreis um 1 Euro, von 5,90 auf 6,90. Einen Hinweis oder eine kleine Erklärung in Heft hätte ich zwar schön gefunden, aber ich finde den Preis für das Schnittmusterheft auch jetzt noch vollkommen in Ordnung und kann mich gar nicht erinnern, wann der Preis zuletzt erhöht wurde - es muss Jahre her sein. Bei den wenigen Anzeigen, die das Heft mittlerweile enthält, finde ich eher erstaunlich, dass man es noch immer zu diesem Preis anbieten kann. Und da, wo ich wohne, bekommt man für 1 Euro nicht einmal eine Kugel Eis.
Sehr oft liest man den an Burda gerichteten Vorwurf, das Heft enthalte jedes Jahr weniger Schnittmuster. Der Vergleich von 9/2016 mit 9/2017 bestätigt das so nicht: In beiden Heften gibt es zahlreiche Modelle, die nur durch eine kleine Variation eines Schnittes entstehen, eine andere Länge z. B. oder ein Kleidoberteil, das ein andernmal als Bluse fungiert. Die Menge an unterschiedlichen Schnittgrundlagen erscheint mir gleich - wobei Heft 9/2016 insofern eine schlechte Vergleichsgrundlage bietet, weil allein vier fast identische Dirndlschnitte enthalten sind, die aber alle eine eigene Modellnummer erhalten haben. Das müsste man auf der Grundlage von mehr Heften einmal auszählen. Verglichen mit der Handvoll Schnittmuster, die z. B. Maison Victor bietet (für 7,95) finde ich das Schnittangebot bei Burda aber immer noch sehr üppig.
Mein Schnittfavorit der Ausgabe
Die Wolljacke mit Kelchkragen und Pattentaschen, Modell 119, ist mein Favorit in dieser Ausgabe. Ich habe einige schöne, dicke Wollstoffe und brauche langsam mal einen Ersatz für die schwarze kurze Walkjacke, die ich im Herbst oft trage. Susanne - Sujuti hat auch ein Auge auf den Schnitt geworfen und kommentierte letztens, dass diese A-Form gerade dabei wäre, Blousonjacken abzulösen. Prima, dann nähe ich mir doch keine Bomberjacke mehr (ob ich sowas mag und ob es zu mir passen könnte, darüber denke ich seit etwa zwei Jahren nach), sondern springe schnell auf den A-Jacken-Zug auf. Nicht sicher bin ich wie gesagt, was die dreiviertellangen, weiten Ärmel betrifft. praktisch ist das nicht, aber vielleicht schön? An nicht zu kalten, nicht zu windigen Herbsttagen, goldener Oktober und so? Mal sehen.
Ich hoffe, die Heftkritik hat euch Spaß gemacht - eine regelmäßige Heftbesprechung aus weiblicher und männlicher Perspektive gibt es auch beim Erschöpften Quota hier, falls ihr von Burda noch nicht genug habt. Ich glaube, der weiße Rollkragenpullover ist wirklich derselbe... Alle Modelle aus 9/2017 gibt es hier zu sehen, und natürlich interessiert mich eure Meinung zu diesem Heft!