Mittwoch, 29. April 2015
Die Culotte: Clown oder Couture, Amish oder Avantgarde?
Etwas Ungewöhnliches ist passiert: zum allerersten Mal seit Urzeiten interessiert mich ein modisches Kleidungsstück, das in unserer kleinen Stadt sogar schon die Schaufenster von H&M und Konsorten erobert hat. Die Culottes, früher Hosenröcke genannt, beenden das Einerlei der skinny Jeans, das in den letzten Jahre dazu geführt hatte, dass ich die Hosenmode als für mich nicht relevant abgespeichert hatte.
Ich wäre gar nicht darauf gekommen, dass ich einen Hosenrock brauche, wären nicht a) in den letzten Wochen unheimlich viele Hosenrockschnitte neu erschienen und hätte man b) diese Schnitte nicht schon sehr bald an vielen Bloggerinnen sehen können. Hosenröcke scheinen gerade bei vielen einen Nerv zu treffen, ein Lemming-Phänomen wie manche Kleiderschnitte.
Ich habe den Schnitt 126 aus Burdastyle 3/2015 ausprobiert, aus einer schwer fallenden Leinen-Viskosemischung mit Fischgratstruktur (Stoff&Stil Sale, gibt es nicht mehr). Die vorderen, übereinander liegenden Falten änderte ich nach dem Vorbild von Max Lau in zwei tiefe einseitige Falten um, die ursprüngliche Faltenkonstruktion fiel nicht so schön. Den Schnitt 126 (3/2015) findet man zum Beispiel auch bei Elke (originale Falten, etwas kürzer als meiner).
Aber es gibt ja auch noch andere schöne Culotteschnitte: Elke Grüne Blume stellte gerade ihre zweiten Girl Friday Culottes vor - dieser Schnitt hat einen Seitenreißverschluss und große Kellerfalten. Ebenfalls Kellerfalten, aber gleich doppelte, hat der Burda-Einzelschnitt 6905, den Miss Margerite ausfindig machte. In der Burda 4/2015 erschien noch ein Culotteschnitt, Nr. 113, den man sich genäht bei Wollhellis, bei Verstecktes Pfefferminz und bei Brigitte - Overluck angucken kann.
Brigitte spricht in ihrem Beitrag auch aus, was ich bei der ersten Anprobe befürchtete: Habe ich mir etwa eine Clownshose genäht? Der Grat zwischen Clown und Couture ist schmal. Wobei ich mit falschem, weil zu klobigen und zu flachen Schuhwerk, in meiner Culotte eher wie die hinterwäldlerische Anhängerin einer sehr konservativen Glaubensrichtung wirke.
Mit hohen oder zierlichen Schuhen (auch flache Sommerschläppchen gehen) und einem engen, kurzen Oberteil ist aber alles prima und noch dazu unschlagbar bequem. In den letzten, überraschend kalten Tagen, als ich nicht zu den winterlichen Wollröcken zurückwollte, in Sommerröcken aber gefroren hätte, war die Culotte ein sehr guter Kompromiss. Vollends überzeugt wurde ich die Komplimente meiner nähverrückten Kolleginnen bei Nebenjob 1 im Stoffladen, die sehr begeistert waren - während meine schnittkonstruierende Schreibtischnachbarin bei Job 2 das Teil bis jetzt noch nicht einmal bemerkt hat. Auch das ist gut - hätte ich wie ein Clown oder wie eine religiöse Fundamentalistin gewirkt, hätte sie bestimmt etwas gesagt.
Zu der Culotte trage ich eine kurze Walkjacke doppelreihig geknöpft (Schnitt 123 aus Burda 9/2006), die ich mir gleich im Herbst 2006 genäht hatte und die seither ein Lieblingsteil ist. Und nun bin ich gespannt, ob die Culotte-Mode ein Mikrotrend des frühen Frühjahrs 2015 bleibt, oder ob wir solche Rockhosen auch im Sommer noch sehen werden. Beim heutigen Me made Mittwoch, der Verlinkungsaktion für selbstgemachte Erwachsenenkleidung habe ich keine entdeckt. Aber dafür Sybille im Wickelkleid mit Bildern aus Paris und mehr als 100 Teilnehmerinnen - Reinschauen lohnt sich!
Das Wickelkleid wird übrigens auch das Thema des nächsten Motto-Me made Mittwochs am 13. Mai sein. Zeigt eure Wickelkleider und Pseudo-Wickelkleider und berichtet über eure Erfahrungen mit den Schnitten, damit jede das Wickelkleid findet, das zu ihr passt!
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Sonntag, 26. April 2015
Stoffspielerei im April: Stoff und Farbe
Willkommen zur Stoffspielerei*) im April zum Thema Stoff und Farbe. Dabei kann man ja eine Menge versuchen: Stoff färben, bedrucken, oder den Stoff selbst als Farbe einsetzen, wie es zum Beispiel beim Patchwork gemacht wird.
Ich habe mich im April an einer ganz einfachen Drucktechnik, dem Reservedruck versucht, denn ich habe schon sehr lange den Plan, einmal den Stoff für ein Kleidungsstück selbst zu gestalten, aber noch keine Idee, wie das konkret aussehen soll.
Das Prinzip beim Reservedruck ist, Teile der Druckfläche abzudecken, so dass sie keine Farbe annehmen können, und dann die Farbe auf die gesamte Fläche aufzutragen. Wachsbatik ist zum Beispiel eine Form des Reservedrucks, der Blaudruck auch - dort wird statt Wachs eine Paste aufgestempelt, die sich im anschließenden Indigo-Färbebad nicht auflöst. Es entstehen jeweils weiße bzw. ungefärbte Motive auf farbigem Grund.
Ich habe hier die Kindergarten-Methode angewandt: Einfache Motive aus Malerkrepp auf den Stoff aufgeklebt oder aus Papier geschnittene Schablonen aufgelegt, mit einer Zahnbürste etwas verdünnte Stofffarbe darüber gespritzt und für die zweite Tour wieder Schablonen aufgelegt und eine andere Farbe darüber gespritzt.
Oben der spannende Moment beim Trocknen, wenn die Klebebandmotive noch nicht abgezogen sind. Ich hatte ziemliche Schwierigkeiten, die Farbe gleichmäßig und ohne Tropfen auf den Stoff zu bringen. Es sollte besser funktionieren, wenn man ein Sieb zur Hilfe nimmt, möglicherweise lassen sich auch Zerstäuberflaschen (vom Fensterputzmittel) mit verdünnter Stofffarbe befüllen. Ich habe außerdem gesehen, dass es mittlerweile auch bei uns Stofffarben in der Spraydose gibt, mit denen man die Farbe sehr gleichmäßig und sehr satt auftragen kann. Vielleicht hat das ja zufällig heute jemand ausprobiert - mich würde interessieren, ob die Farbe eine harte Schicht auf dem Stoff bildet, oder ob der Stoff geschmeidig bleibt.
Das Schöne an dieser Technik ist nämlich aus meiner Sicht, dass man nur eine zarte, verdünnte Farbschicht aufträgt und der Stoff (hier: Baumwollbatist) deshalb seinen weichen Griff behält. Die Sprenkeloptik finde ich eher mäßig gelungen - wenn man die Farbe gleichmäßiger auf den Stoff bekommen könnte, würde mir das besser gefallen.
Farbmischungen (hier: rot und blau) wirken leicht ein bißchen schmuddelig. Hier wurden zuerst große Kreise aus Papier aufgelegt und mit blauer Farbe bespritzt, für die zweite Runde wurden die großen Kreise entfernt und Kleingeld aufgelegt und mit roter Farbe bespritzt.
Hier zuerst Rauten aus Klebeband mit blauer Farbe, die blieben auf dem Stoff und es kamen große Kreise aus Papier und rote Farbe dazu. Es gibt viele Möglichkeiten zu experimentieren, zum Beispiel könnte man auch Gegenstände auflegen, Sicherheitsnadeln oder Büroklammern, Blätter oder andere Pflanzenteile. Einer konkreten Idee, wie der Stoff für ein Kleidungsstück gestaltet werden könnte, bin ich zwar noch nicht näher gekommen, aber erfahrungsgemäß kommen die besten Ideen immer erst nach der Stoffspielerei, beim Betrachten der Beiträge der Mitspielerinnen.
Ines von den Nähzimmerplaudereien hat sich überwunden und Stoff in der Waschmaschine gefärbt - und sogar gleich vernäht.
Sabine von Textile Ideen hat ebenfalls mit Reservetechnik gearbeitet: sie hat die üblichen Stoffmalfarben als Reservierung beim Entfärben oder Überfärben eingesetzt und tolle Effekte damit erzielt.
Griselda von Machwerk hat Inkodye ausprobiert, eine lichtempfindliche Farbe, mit der man Bilder auf Stoff transferieren kann - wie immer bei ihr mit vielen praktischen Tipps für die Anwendung.
Suschna von Textile Geschichten hat mit Naturfarben gefärbt, und zwar richtig bunt. Ich muss zugeben, dass ich auch dachte, dass man vor allem Erdtöne von Schlamm bis Schlamm erzielen kann.
Siebensachen zeigt, dass man auch Stoff marmorieren kann, und zwar im Prinzip genau so, wie man es von Papier kennt. Überraschend!
Katharina alias Der Rabe im Schlamm hat ebenfalls in der Waschmaschine gefärbt - altes Leinen - und den Stoff zum Teil mit Kunstleder kombiniert.
Marlene von Siebenschön-Design hatte fast die gleiche Idee wie ich: Reservedruck mit Blättern als Schablone, auf Jersey, das zu einem TShirt vernäht werden wird.
Ute alias 123-Nadelei sprühte Ornamente auf Stoff - mit Tortenspitze aus Papier als Schablone.
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Die monatliche Stoffspielerei ist eine Aktion für textile Experimente. Sie ist offen für alle, die mit Stoff und Fäden etwas Neues probieren möchten. Der Termin soll Ansporn sein, das monatlich vorgegebene Thema soll inspirieren. Jeden letzten Sonntag im Monat sammeln wir die Links mit den neuen Werken – auch misslungene Versuche sind gern gesehen, zwecks Erfahrungsaustausch.
Der vorläufige Plan für die nächsten Monate, kurzfristige Terminänderungen sind möglich:
31. Mai KaZe, Thema: Inspiration Kunst (mit Quellenangabe)
28. Juni Frifris, Thema: Knöpfe
26. Juli SOMMERPAUSE
Donnerstag, 16. April 2015
Vom Hobby zum Business und wieder zurück: By Hand London zieht die Reißleine
Ob alle in den letzten zwei, drei Jahren gegründeten Indie-Schnittmusterfirmen auf Dauer bestehen können, darüber hatten wir an dieser Stelle ja schon öfter diskutiert. Das Angebot an Schnitten von kleinen Designern war gerade in den letzten Monaten schier unübersehbar geworden, und es war zu erwarten, dass sich das Geschäft nicht für alle lohnen würde.
Nun hat es als erstes By Hand London getroffen, die am Mittwoch letzter Woche in einem Blogpost ankündigten, ihr Geschäft signifikant zu verkleinern. Seit der Gründung von zweieinhalb Jahren hatte die Firma der drei Frauen aus London einen rasanten Höhenflug hingelegt. Ihr erster Schnitt, das Elisalex dress mit Tulpenrock, war damals neu und ungewöhnlich und wurde erfolgreich, nicht zuletzt Dank hinreißender Realisationen bekannter Nähbloggerinnen - ich sage nur: Dolly Clacketts Hummerkleid. Das Anna dress war wohl das beliebsteste Schnittmuster des Sommers 2013, nach der Frequenz zu urteilen, in der es in den Nähblogs nicht nur der englischsprachigen Welt auftauchte. Die aufwendigen Schnittmusterverpackungen, die Inszenierung als beste-Freundinnen-Firma, die ironischen Katzenbilder im Blog - By Hand London verströmte lässigen Londonglamour. Wie jede erfolgreiche Firma verkauften sie nicht nur ein Produkt, sondern ein Lebensgefühl.
Vor einem Jahr sammelte By Hand schließlich per Crowdfunding das Startkapital für einen Stoffdruckservice ähnlich Spoonflower - und mit dieser Erweiterung des Geschäftsfelds übernahmen sich die Gründerinnen. So lese ich es zumindest aus ihrem Blogartikel heraus: der Digitaldrucker erforderte neue, größere Geschäftsräume, die Programmierung der Webseite zum Hochladen und Bearbeiten eigener Stoffdesigns war sehr aufwendig, sich mit der Druckmaschine vertraut zu machen, erforderte mehr Zeit und mehr Material für Probedrucke als gedacht, während zugleich die laufenden Kosten stiegen und der Verkauf der Schnittmuster zurückging. Die bittere Bilanz: das Kapital ist verbraucht, die drei By-Hand-Frauen suchen sich nun wieder Jobs in ihren ehemaligen Berufen und betreiben das Schnittmustergeschäft mit pdf-Schnitten nur noch nach Feierabend. By Hand London ist damit zwar nicht ganz verschwunden, aber doch auf den Status eines ambitionierten Freizeitprojekts zurückgestutzt.
Sehr schade, dass es nicht geklappt hat! By Hand war eine der größeren Firmen unter den vielen neuen kleinen, und ich hatte angenommen, dass ihre große Fangemeinde das Geschäft über die nächsten Jahre bringen würde. Für mich funktionierten die vielen ärmellosen Kleiderschnitte nicht, die By Hand London im letzten Jahr herausbrachte, ich hätte mir Kleider mit Ärmeln, Röcke, Oberteile oder auch mal einen tollen Mantel oder eine Jacke gewünscht. Aber ich kann die Nachfrage nach Schnittmustern für Partykleider im Vergleich zu anderen Kleidungsstücken überhaupt nicht einschätzen - gut möglich, dass By Hand sich auf Kleider spezialisiert hatte, weil sie sich einfach am besten verkauften. Dass Stoffdruck-on-demand ein schwieriges Geschäft ist, das sich nicht mal eben als zweites Standbein aufbauen lässt, hätte man vielleicht vorher wissen können. Aber im Nachhinein ist es immer leicht, schlau zu sein.
Was meint ihr, ist By Hand London nur der Anfang, werden wir 2015 als das Jahr der Indie-Schnittmusterfirmenpleiten in Erinnerung behalten? Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Todd Gibson von oliver+s über die Entwicklung im Verhältnis von pdf-Schnitten zu Papierschnittmustern schreibt. Seine Prognose: Einzelschnitte aus Papier wird es in 20 Jahren nicht mehr geben, und anscheinend sind es weniger die Druckkosten, als die Kosten für Lagerung und Vertrieb, die das Geschäft mit den Papierschnitten schwierig machen.
Freitag, 10. April 2015
Das Warten hat ein Ende: Sewing Bee gibt's bald auch bei uns!
Genug der Spekulationen: Nach dem Castingaufruf und einer Andeutung in einem Zeitungsinterview mit Guido Maria Kretschmer im Juli 2014 war es um die geplante deutsche Adaption der britischen Nähsendung Great British Sewing Bee recht still geworden. Aber heute wurde bestätigt, dass die Nähmaschinen auch in Deutschland bald um die Wette glühen werden, und zwar im Herbst bei Vox unter dem Titel "Geschickt eingefädelt - Wer näht am besten?"
Wie Meedia vorab berichtet, wird Kretschmer zusammen mit der Vorsitzenden des Bundesverbandes der Maßschneider Inge Szoltysik-Sparrer und mit der (ungooglebaren) Modedesignerin Anke Müller die Jury der Näh-Castingshow bilden. Bei Facebook grüßte Kretschmer bereits "von seiner neuen Produktion". Na dann, wäre die Wendung nicht so ausgelutscht würde ich schreiben: Man darf gespannt sein!
Bis zur Ausstrahlung im Herbst ist es ja noch ein bißchen hin - zum Glück hat das britische Vorbild, der Great British sewing Bee inzwischen einen eigenen youtube-Kanal, in dem sich alle alten Folgen noch einmal anschauen lassen. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf die deutsche Sendung und hoffe, dass sie mit dem Original mithalten kann.
Wie Meedia vorab berichtet, wird Kretschmer zusammen mit der Vorsitzenden des Bundesverbandes der Maßschneider Inge Szoltysik-Sparrer und mit der (ungooglebaren) Modedesignerin Anke Müller die Jury der Näh-Castingshow bilden. Bei Facebook grüßte Kretschmer bereits "von seiner neuen Produktion". Na dann, wäre die Wendung nicht so ausgelutscht würde ich schreiben: Man darf gespannt sein!
Bis zur Ausstrahlung im Herbst ist es ja noch ein bißchen hin - zum Glück hat das britische Vorbild, der Great British sewing Bee inzwischen einen eigenen youtube-Kanal, in dem sich alle alten Folgen noch einmal anschauen lassen. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf die deutsche Sendung und hoffe, dass sie mit dem Original mithalten kann.
Mittwoch, 8. April 2015
Me made Mittwoch: Frühlingserwachen im praktischen Gärtnerinnenrock V1247
"Frühlingserwachen mit Hindernissen" könnte der Untertitel dieses Beitrags lauten, denn weder der Balkon, noch die Straßenbäume sind bis dato aus dem Winterschlaf erwacht. Ersteres ist meine Schuld, denn wie jedes Jahr verschiebe ich das Aufräumen das Balkons nach dem Winter von Woche zu Woche. Eigentlich wollte ich am Osterwochenende tätig werden, aber es war zu kalt, und ich schaffte es nicht einmal, die "sonnigen Abschnitte", wie man in Meteorologendeutsch sagt, für die Blogfotos abzupassen. Jetzt habe ich das Räumen fest für nächsten Sonntag eingeplant, es sollen fast 20 Grad werden!
Aber auch wenn sich draußen noch kein Blättchen zeigt, einen praktischen und robusten Rock zum Gärtnern habe ich schon mal. Es handelt sich um den Rock vom Schnitt Vogue 1247, den mir Bunte Kleider freundlicherweise geliehen hat, sie hat ihn selbst im November genäht und frifris hat ihn auch gerade gezeigt.
Ich verbinde Vogue-Schnittmuster immer mit einem gewissen Glamour: Der Name! Der Preis in Deutschland! Die Notwendigkeit, ihn mit absurd hohen Versandkosten direkt bei Voguepatterns zu bestellen! In New York! Post vom Broadway!
Der Rock erfüllt diese in ihn gesetzten Erwartungen nicht ganz: er wirkt vor allem praktisch, nicht so glamourös. Oben seht ihr, warum ich ihn spontan den "Gärtnerinnen-Rock" genannt habe, ehe noch das heutige Motto Frühlingserwachen feststand: die Gartenschürze ist quasi gleich integriert.
Der Stoff ist ein fester Baumwollsatin mit etwas Stretch in tiefstem Weinrot vom Tauschtisch beim Nähtreffen in Bielefeld - Mema zog ihn mit sicherem Griff aus dem Stapel, als ich die gestreifte Wolljacke anprobierte und über Kombipartner sinnierte. Die Farbe passt wirklich ganz hervorragend zur Jacke! Mit ein paar Tricks konnte ich die Rockteile aus dem 70 cm langen Stoffstück schneiden - die inneren Taschenbeutel musste ich stückeln, einen sogar mit zwei Teilen. Ich habe an den Ansatzstellen Kappnähte genäht, die sehen von beiden Seiten gut aus und fallen kaum auf.
Ein Anleitung für das Einfassen der Nahtzugaben wird im Schnitt gleich mitgeliefert, da es nur wenige Nähte gibt, ist das ziemlich einfach und nicht besonders zeitaufwendig. Ich hätte jetzt zwar doch lieber ein Futter im Rock, weil er sich trotz Unterrock an den Beinen hocharbeitet, wenn ich den gefütterten Wintermantel darüber trage, aber dieses Problem wird sich ja früher oder später (lieber früher als später) von selbst lösen, wenn ich den Mantel nicht mehr anziehen muss.
Änderungen am Schnitt: Kräftig verlängert, der Rock ist eigentlich nur 38 cm lang. Bei Größe 12 musste ich die Taille nochmal etwas verschmälern, daher schnitt ich das Taillenband erst zu, als die Taillenweite endgültig feststand. Außerdem besteht es bei mir aus 3 Teilen (Rückenteil, 2 Vorderteile), so dass ich es an den Seitennähten etwas an den Körper anpassen konnte.
Zum Rock trage ich heute eine dicke Strickjacke, die Trachten-Zopf-Jacke nach einer Anleitung von drops. Und Stiefel, und eine dicke Strumpfhose, und später einen Wollmantel - ach, es ist zum Heulen, lasst uns leiber mal im Me made Mittwoch-Blog schauen, wie weit der Frühling anderswo ist. Monika, jetzt neu dabei im Team, trägt kurze Ärmel, ich fasse es nicht!
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Freitag, 3. April 2015
Stoffspielerei im März: Seltene Techniken oder: ein erster Versuch mit Gabelhäkelei
Wie selten oder wie verbreitet Handarbeitstechniken sind, das ist ja oft eine Frage des Zeitpunkts: Moden und Begeisterungen treten in Wellen auf, das war schon im 19. Jahrhundert der Fall, und noch mehr heutzutage, wenn manche Hypes von der Handarbeitszubehörindustrie bewusst erzeugt werden. Ich habe mich für die Stoffspielerei mit der Gabelhäkelei beschäftigt, die derzeit nicht gerade einen Boom erlebt. Bei ravelry mit seiner unendlich scheinenenden Musterdatenbank gibt es keine 200 Anleitungen, die mich noch dazu nicht wirklich ansprechen. Ich wollte daher einfach etwas herumprobieren, ein Gefühl für die Technik und das Ergebnis bekommen, dementsprechend bin ich mal wieder über Probeläppchen nicht hiansugekommen.
Wer gabelhäkeln will, braucht zunächst einmal eine Häkelgabel. In den Anleitungen im Netz begegnen einem superfancy breitenverstellbare Gabeln, das ist die moderne (und teilweise sehr kostspielige) Variante. Dank der Abbildung im Reprint eines Handarbeitsbuchs von 1913 (Mizi Donner, Carl Schnebel: "Ich kann handarbeiten" - gibts antiquarisch sehr günstig unter dem Titel "Handarbeiten wie zu Großmutters Zeiten") identifizierte ich einen u-förmig gebogenen und leicht angespitzten starken Draht am Kurzwarenstand auf dem Markt als Häkelgabel - für 50 Cent, wenn ich mich richtig erinnere.
Wie funktioniert das nun mit der Gabel? Wie die Abbildungen im Buch nicht ganz so klar zeigen, wird der Arbeitsfaden immer um die rechte Zinke geschlungen, in der Mitte durch die vorige Schlaufe mit einer oder mehreren festen Maschen festgehäkelt, die Gabel gedreht, so dass sich der Faden wieder um die rechte Zinke schlingt, festgehäkelt, gedreht, festgehäkelt, und so weiter.
Es entsteht ein Band mit einer festen, aber elastischen Mitte und Garnschlaufen auf beiden Seiten. Wenn man das aus dicker, flauschiger Wolle, Bouclégarn oder ähnlichem häkelt, könnte man so ein Band als Borte bei einem chanelartigen Jäckchen einsetzen. Für diesen Grundstreifen gibt es noch ein paar Variationen, das Garn kann z. B. etwas anders geschlungen werden, so dass die Häkelreihe nicht in der Mitte des Streifens liegt und auf einer Seite größere, auf der anderen Seite kleinere Schlaufen entstehen.
So ein Streifen ist aber im Grunde noch nichts, für alle größeren, flächigen Gebilde werden nämlich mehrere Bänder zusammengehäkelt, gleichmäßig Schlaufe mit Schlaufe oder in abgezählten Gruppen, die Längsseiten von zwei Streifen aneinander, oder ein Streifen in Spiralen, die Streifen können direkt zusammengefügt werden, oder mit zusätzlichen Häkelreihen dazwischen - es gibt unendliche Möglichkeiten. Auf der Gabelhäkelei-Seite der Stitch Divas werden das Häkeln des Grundstreifens und einige Möglichkeiten des Weiterverarbeitens gezeigt, zum Teil mit Videos.
Anhand der Beispiele in diesem Buch (Burda Häkel-Lehrbuch, Offenburg 1980) ahnt man auch, warum die Technik auf englisch "hairpin lace" heißt: Wenn man ein dünnes Garn und eine breite Gabel verwendet, erhält man sehr luftige, durchbrochene Gebilde. Spitzen, Fransen und Quasten scheinen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert auch der hauptsächliche Anwendungsbereich der Gabelhäkelei gewesen zu sein.
Von einem Besuch im Modemuseum Meyenburg hatte ich aber eine andere Idee im Kopf: Dort war ein schlicht geschnittener Wollmantel aus den frühen 1920er Jahren in Gabelhäkeleitechnik ausgestellt (leider kein Bild, da Fotografierverbot). Der Mantel bestand aus lauter halbmondförmigen Segmenten, die aus dicht gehäkelten Basisstreifen zusammengesetzt waren, ohne Spitzeneffekt. Das Material sah wie ein richtiger Stoff mit einer leichten Rippenstruktur aus. In einem Handarbeitsheft, geliehen von Suschna, das vermutlich aus den späten 1920er Jahren stammt, siehe Bilder oben, sind Kissenbezüge und Kannenwärmer aus Wolle mit einer ähnlichen Struktur abgebildet.
Ich probierte ein bißchen herum und häkelte schließlich aus mitteldicker Wolle ein paar Basisstreifen und häkelte sie zusammen. Der Häkelstoff liegt sehr flach, wirkt sehr stabil und ist trotzdem in Längs- und Querrichtung dehnbar - wirklich faszinierend, ihr müsstet das mal in die Hand nehmen können, das Material hat weder Ähnlichkeit mit Gestricktem, noch mit Gehäkeltem.
Die Prozedur geht auch relativ fix, nur das Problem, wie man bequem die Anzahl der Schlaufen auf der Gabel zählen kann, habe ich noch nicht gelöst - mal sehen, ob es bei den Stitch-Divas-Tutorials einen Trick dafür gibt. Damit man Flächen mit geraden Rändern erhält, müssten die Basisstreifen nämlich immer aus der gleichen Anzahl Schlaufen bestehen, man darf nicht wie ich Streifen zusammensetzen, die nur ungefähr gleich lang sind, das sieht dann entsprechend aus. In den Anleitungen in dem oben abgebildeten Handarbeitsheft wird z. B. tatsächlich verlangt, einen Streifen mit 80 Schlaufen aus Farbe A herzustellen, einen Streifen mit 160 Schlaufen aus Farbe B, der dann mit A verbunden wird, und so weiter - entspannte Handarbeit stelle ich mir anders vor.
Was könnte man nun mit dieser Technik anfangen? So ein dichter, "gabelgehäkelter" Stoff wäre tatsächlich ein gutes Material für Kleidung, man könnte die Schnittteile exakt nach Schnittvorlage anfertigen. Ich möchte auch noch festes Baumwollhäkelgarn ausprobieren, vermutlich entsteht dabei ein robustes Material, das sich zum Beispiel für Taschen eignen könnte. Einstweilen lasse ich euch mit diesem etwas unbefriedigenden Ergebnis zurück - wie so oft bei den Stoffspielereien habe ich das Gefühl, allenfalls an der Oberfläche gekratzt zu haben. Da sind einige Mitstreiterinnen dieses Mal doch deutlich weiter gekommen! Die Links der Projekte werden dieses Mal bei Suschna - Textile Geschichten gesammelt - vielen Dank!
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Die monatliche Stoffspielerei ist eine Aktion für textile Experimente. Sie ist offen für alle, die mit Stoff und Fäden etwas Neues probieren möchten. Der Termin soll Ansporn sein, das monatlich vorgegebene Thema soll inspirieren. Jeden letzten Sonntag im Monat sammeln wir die Links mit den neuen Werken – auch misslungene Versuche sind gern gesehen, zwecks Erfahrungsaustausch.
Der vorläufige Plan für die nächsten Monate, kurzfristige Terminänderungen sind möglich:
26. April hier im Blog, Thema: Stoff und Farbe
31. Mai KaZe, Thema: Inspiration Kunst (mit Quellenangabe)
28. Juni Frifris, Thema: Knöpfe
26. Juli SOMMERPAUSE
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