Schon lange - genauer gesagt
seit Dezember - gab es keine Indie-Schnittmusterparade mehr. Ich habe aber weiterhin Schnitte gesammelt, und damit hier nicht immer nur meine Nase zu sehen ist und dieser Post im Entwurfsordner nicht mehrere Meter lang wird und wir ein Inhaltsverzeichnis brauchen, hier Übersicht über die Indieschnitte des Frühjahrs 2015. Wie es aussieht sind einfache Jerseyschnitte ein großer Trend, auf den nach
Colette patterns nun andere Indies aufspringen, die bisher in Webware gemacht hatten.
Kleider
Das Kleid ist aber immer noch das beliebteste Kleidungsstück bei den Indie-Designerinnen. Und obwohl es Kleiderschnitte ohne Ende gibt, ist doch keines dabei, das mich richtig begeistert aufjubeln lässt. Die Kleider der letzten Monate, von Übergangskleid bis Sommerkleid:
Paprikapatterns (wir erinnern uns: Das verrückte Paar, das in einem Camper durch Südeuropa fährt und mittlerweile in Frankreich
in einer Jurte wohnt) brachte ein gemütliches
Sweatshirtkleid heraus, wahlweise mit gerafftem Kragen oder mit Kapuze, den
Jasper Sweater Dress.
Ebenfalls
für elastisches Material ist das
Davie Dress von
Sewaholic Patterns entworfen, aber dennoch mehr als ein einfaches Tshirtkleid. Das Oberteil wird durch Prinzessnähte geformt, das Rockteil ist schwingend weit.
Einen Schnitt, drei Kleidungsstücke gibt es bei
Muse patterns:
Melissa ist ein
Hemdblusenkleid mit Prinzessnähten und kurzen Ärmeln, das man auch zur
Bluse oder zu einem vorne geknöpften
Rock umwandeln kann. Das Oberteil enthält verschiedene Schnittteile für B- oder C-Cups. Nur die Rocktaschen mit einer auffälligen V-förmigen Blende überzeugen mich überhaupt nicht: sie sehen auf den Modellfotos unproportioniert winzig aus.
Jennifer Lauren Vintage lieferte mit dem
Felicity Dress ein
ärmelloses Kleid mit Kräuseln am Ausschnitt, das mit einem Tellerrock oder mit einem angekräuselten Rock genäht werden kann. Bei der zweiten Variante gibt es für meinen Geschmack insgesamt zu viele Kräusel, aber vielleicht irritiert mich auch einfach nur die Stoffwahl beim Modell vom Foto.
Dass
By Hand London den Betrieb herunterschraubt, die Träume vom digitalen Stoffdruck aufgibt und nur noch pdf-Schnittmuster vertreibt, darüber hatten wir
hier ja schon diskutiert. Ihr vorerst letztes Schnittmuster, das
Sophia Dress, war wieder ein
ärmelloses Partykleid, mit engem oder weitem Rock und einer schönen Ausschnitt- oder Kragenlösung. Wenn das Teil Ärmel hätte, würde ich es begeistert nähen wollen. SchnittmusterdesignerInnen, bitte merkt euch: Leute, die leicht frieren, möchten Ärmel. Und Ärmel weglassen ist einfach, Ärmel dazu konstruieren nicht so sehr.
True Bias brachte letztes Jahr mit den Hudson pants den wohl erfolgreichsten Jogginghosenschnitt heraus, den das Nähblogiversum bisher gesehen hat - ihr neuer Sommerschnitt, das
Southport Dress ist ebenso simpel, aber vermutlich eben deshalb erfolgreich. Es handelt sich um ein
ärmelloses Sommerkleid mit blusig fallendem Oberteil und Schnürung oder Gummizug in der Taille, wahlweise knielang oder in Maxilänge. Im
True Bias-Blog gibts außerdem einen sehr ausführlichen Sewalong zum Kleid.
Röcke
Great British Sewing Bee-Teilnehmerin
Tilly and the buttons hat einen neuen Schnitt - und es ist diesmal kein Ringeloberteil!
Arielle ist ein gefütterter
Bleistift-Wickelrock in zwei Längen, der mit einer auffälligen seitlichen Knopfleiste geschlossen wird. Der Rock ist eine Neuauflage des
praktisch identischen Marielle-Rocks von Tilly für die Zeitschrift
Sewing World vom Mai 2013. Den Schnittmusterbogen (allerdings ohne Anleitung) kann man
hier immer noch kostenlos herunterladen.
Ebenfalls aus Großbritannien und ein Schnitt, der mich spontan sehr anspricht: der
Evan Skirt von
Marilla Walker. Der
A-Linien-Rock kommt ebenfalls in
zwei Längen und hat interessante Biesen an den Tascheneingriffen - ich wüsste zu gerne, wie das genäht wird.
Culottes
Selten schlug eine neue Schnittform so ein wie in letzter Zeit die Culottes, die Hosenröcke. Neu sind gleich zwei Schnitte:
Die
Emily Culottes von
Itch to stitch mit Kellerfalten, in zwei Längen und mit Details wie einer aufgesetzen Tasche hinten, einer schrägen Eingriffstasche vorne und geknöpften Riegeln am Bund.
Die
Nina Culottes von
Compagnie M gibt es
auch als A-Linien-Rock und mit vielen Taschen und Verschlussoptionen. Das pdf-Schnittmuster wird außerdem in einer Version mit und einer ohne Nahtzugaben ausgeliefert, dazu kann man sich zusätzlich 42 Seiten Anleitung herunterladen, in der Details wie die Paspel am Tascheneingriff erklärt werden - und die Papierschnittkäufer bekommen die digitale Version kostenlos dazu. Zur Qualität der Schnitte von
Compagnie M kann ich aus eigener Erfahrung nichts sagen - aber dass sie die Vorteile des Digitalen so konsequent nutzen, gefällt mir.
Oberteile
Nicht nur bei Opfern der Oberteilschwäche ein vernachlässigter Bereich, auch unter den Indie-Schnitten gibt es immer vergleichsweise wenig Auswahl.
Eine locker sitzende Bluse, geeignet für die Viskosestoffe, die man gerade überall kaufen kann, gehört im Moment zum Repertoire jeder Schnittmusterfirma.
Colette Patterns war dieses Mal verhältnismäßig spät dran - das
Aster Shirt, ein
lockeres Hemd mit drei Ärmeloptionen gibt es erst seit heute (und noch bis Freitag mit 15% Rabatt).
Nochmal
From itch to stitch: der
Jacqueline Hoodie ist eine zweireihig geknöpfte Kapuzenjacke mit zusätzlichem Reißverschluss, Schulterklappen und Pattentaschen, also richtig was für Draußen.
Der
Morris Blazer von
Grainline Studios, ungefüttert und aus stretchigem Stoff oder
Romanit zu nähen, ist kurz nach dem Erscheinen schon in vielen Blogs aufgetaucht - ein gutes Zeichen. Frau Strichfaden
ist von ihrem Morris jedenfalls ganz begeistert und fertigt bestimmt bald eine ganze Serie davon an.
Ein Schnittmuster, das ich ehrlich gesagt nicht ganz verstehe, das aber in der Schwangerschaft sicher ganz praktisch ist (wenn auch nicht dafür entworfen), ist die
Soho Blouse von
Seekatesew: eine riesige, spitz zulaufende Passe mit einem angekräuseltem Unterteil, recht unförmig und mit tendenziell schlecht sitzenden Ärmeln.
Indie-Kollektionen
Die Herausgabe jeweils einer ganzen Schnittkollektion scheint ebenfalls ein neuer Trend bei den Indies zu sein. Das Denken in Kollektionen kommt dem Designprozess sicherlich entgegen, und wahrscheinlich verkaufen sich die einzelnen Schnitte besser, wenn die Kundin gleich sieht, wie schön alle Einzelteile zusammenpassen. Selbernäherinnen neigen ja oft zur Produktion nicht kombinierbarer Solitäre.
Named patterns aus Finnland fing ja gleich von Anfang an mit den saisonalen Kollektionen an. Die
Sommerkollektion "Ticket" besteht aus 12 Schnitten mit Variationen, die alles umfassen, was frau im Sommer braucht, um für jede Situation gerüstet zu sein: eine kurze oder lange
Hose, ein
Tshirt oder
Tshirtkleid, eine
Kapuzenjacke, eine kleine
elegante Jacke, eine
Bluse mit Paspeln, die an ein Hawaihemd erinnert, einen
Bleistiftrock, ein
lockeres Kleid, ein
Bustierkleid mit Tulpenrock, einen
Kimono,
Leggings und einen
Bikini.
Bluegingedoll patterns geht einen anderen Weg:
die pdf- Schnitte April (angekräuselter Rock), Anne (Jerseytop mit 4 Ärmelvarianten), Alicia (weite Shorts) und Abby (geknöpftes Trägertop) gibt es einzeln zu kaufen, oder als Paket etwas günstiger. Hier passen alle Oberteile zu allen Unterteilen. Der Paketpreis beträgt allerdings immer noch 50$. Klar, das ist deutlich weniger als alle Schnitte einzeln - aber geht es nur mir so, dass mir der Betrag abschreckend hoch vorkommt?
Eine
Mini-Kollektion aus zwei Schnittmustern für Jersey gabs bei
Deer&Doe. Der
enge Rock Brume in zwei Längen hat interessante figurformende Teilungsnähte, das
taillenkurze Oberteil Ondée mit langen oder kurzen Ärmeln, rundem Ausschnitt oder Kragen sieht dem Astoria Sweater von
Colette patterns sehr ähnlich.
Kostenlose Schnitte
Typisch französisch:
Robe Caroline, weit und lässig, perfekt für leichte Viskosestoffe, von
République du Chiffon.
From itch to stitch zum Dritten: der
Petal Skirt für Jerseystoffe.
Schon etwas älter: Das
Tate Top von
Workroom social.
Neu gefunden
Regelmäßig stolpere ich im Netz über kleine Schnittmusterfirmen, die ich bisher noch nicht kannte, zuletzt zum Beispiel über
Bootstrap Fashion. Ein seltsamer Name, unfassbar viele Schnitte zu unglaublich niedrigen Preisen, die noch dazu für die eigenen Maße angepasst werden - kann das funktionieren? Einen Erfahrungsbericht mit einem Schnitt fand ich
hier, und dem Artikel
hier kann man entnehmen, dass die Firma die Lekala-Software benutzt, was auch die Ähnlichkeit vieler Designs mit Schnitten auf der Lekala-Webseite erklären soll. Sehr gut finde ich ja die Möglichkeit, auf der Seite gezielt nach Schnitten für eine bestimmte Stoffart suchen zu können. Die Designapp, in der man die technischen Zeichnungen mit verschiedenen Stoffen hinterlegen kann, um einen Eindruck von dem genähten Stück zu bekommen, ist eine schöne Spielerei obendrauf. Ich bin gespannt, ob wir die Schnitte jetzt häufiger zu sehen bekommen - mir ist das ja fast schon zu viel Auswahl.
Das Label
Oki Style wollte ich euch schon lange vorstellen, seitdem ich einige Schnitte -
hier,
hier und
hier - bei Frau Hild entdeckt hatte.
Oki Style kommt nämlich - haltet euch fest! - aus Frankfurt/Main und widerlegt damit meine These, dass es bei uns keine interessanten kleinen Schnittmusterfirmen gäbe. Denn, wie Frau Hild schon feststellte: diese Schnitte sind interessant. Oder für einige sicher auch "interessant", also im Sinne von "was soll das denn sein, aber wenn es dir gefällt, meinetwegen". Im
Blog von Oki findet man noch ein bißchen mehr zu den Schnitten, und auch mal einen kostenlosen Schnitt zum Testen, wie auch
auf der Webseite. Ich bin ja ganz begeistert von den Mänteln, werde aber zuerst den Rockschnitt Shady ausprobieren.