Dienstag, 22. Mai 2018

Strickgeschichte(n): "Zwei rechts, zwei links" von Ebba D. Drolshagen [Rezension]


Schon seit Wochen liegt das Buch Zwei rechts, zwei links. Geschichten vom Stricken von Ebba D. Drolshagen auf meinem Rezensionsstapel ganz oben, und ich werde es in den nächsten Wochen noch einmal lesen, so viele Geschichten enthält es, die ich gerne weiterverfolgen würde. Und so habe ich eigentlich nur einen Kritikpunkt: Es ist zu kurz! Aus jedem einzelnen Kapitel dieser inhaltsreichen und unterhaltsamen Geschichte des Strickens hätte man ein Buch machen können, oder anders gesagt: Müsste und würde man ein Buch machen, wenn Textilien hierzulande so viel Aufmerksamkeit bekämen wie meinetwegen Lokomotiven oder die Seeschlachten des Ersten Weltkriegs.


Dabei war und ist Stricken so viel mehr als eine Beschäftigungstherapie für Frauen mit zu viel Freizeit - dieses „Salonstricken“ entstand erst im 19. Jahrhundert, und auch ihm ist ein Kapitel des Buchs gewidmet. Die längste Zeit in seiner Geschichte diente Stricken der Versorgung mit Kleidung oder als Lohnstricken dem Lebensunterhalt. Sehr interessant, was Ebba Drolshagen über die Lohn-Handstrickereien in Irland, Norwegen und auf den Shetland-Inseln erzählt. So wurden Shetlandpullover mit den typischen kleinen Einstrickmustern in moosigen Inselfarben auf einmal modern, als der britische Thronfolger Edward (später Edward VIII.) 1921 einen Shetlandpullover geschenkt bekam, ihn auf dem Golfplatz trug und sich sogar in dem Pullover malen ließ.


Ebba Drolshagen rollt die Geschichte des Strickens aber auch aus der Sicht der Strickerin auf: So zeichnet sie zum Beispiel die Geschichte von Mustern wie die des Norwegersterns, der Achtblattrose nach, schreibt über wegweisende Stricktechnikerinnen und -designerinnen wie Elizabeth Zimmerman und landet immer wieder bei der Gegenwart, den erfolgreichen Designerinnen bei ravelry, den Handfärberinnen und -spinnerinnen, den Strickwellen und -moden, den Stricktreffen und -gemeinschaften online wie offline.

Es ist klar, dass auf 250 Seiten viele dieser Geschichten nur angerissen werden können. Ich ertappte mich dabei, wie ich mir beim Lesen Notizen machte, um einige der Geschichten weiterrecherchieren zu können. Bei anderen tat ich es nicht und bedaure das jetzt, denn ich finde sie nicht wieder – wie war das zum Beispiel genau mit der Künstlerin, die eine ganze alte Strickwarenfabrik samt Lagerbestand kaufte? Das Buch hat leider kein Register, so dass es sich zum gezielten Nachlesen weniger eignet (und, dafür kann die Autorin natürlich nichts, es ist schlampig lektoriert – nach dem ersten Drittel häufen sich die Druckfehler, von Suhrkamp hätte ich ja mehr Sorgfalt erwartet). Besser also, man lässt sich von Ebba Drolshagens Plauderton und ihren unterhaltsamen Anekdoten durch die Geschichte des Strickens führen, wie es eben kommt. Das Buch ist ein Vergnügen zu lesen, sehr persönlich und teils ironisch im Ton – eine tolle Ferienlektüre, wenn man am Strand nicht nur stricken, sondern auch lesen will und noch dazu schön gestaltet mit vor (allem alten) Fotos und Illustrationen auf mattem Papier gedruckt.

Morgen am späten Nachmittag kann man im Museum europäischer Kulturen in Dahlem die Autorin erleben - im Rahmen der Ausstellung 100 Prozent Wolle liest sie um 18.00 Uhr aus ihrem Buch.

Ebba D. Drolshagen
Zwei rechts, zwei links. Geschichten vom Stricken.
suhrkamp taschenbuch 4814, Steifbroschur, 251 Seiten
ISBN: 978-3-518-46814-2
18,00 Euro 

[Das Buch wurde mir auf Vermittlung der Autorin vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.]

Dienstag, 15. Mai 2018

Peak Trompetenärmel (#111 Burdastyle 10/2017)

Drama, Baby!

Wann beginnt ein modischer Trend, kein Trend mehr zu sein? Definiert man "Trend" als eine Entwicklung in eine bestimmte Richtung, dann kann ein Trend wohl als abgeschlossen gelten, wenn das betreffende Trend-Phänomen allgegenwärtig geworden ist und es nicht möglich erscheint, dass es zukünftig noch häufiger auftreten könnte, als es aktuell der Fall ist.

Ein Ärmel ohne Trompete ist kein Ärmel
Der Trompetenärmel-Trend befindet sich nach dieser Definition bereits kurz vor dem Zenit oder vielleicht sogar schon darüber - das dachte ich, als ich vor einigen Wochen einen Kaufhaus-Werbeprospekt aus der Tagezeitung durchblätterte, in dem auf jeder Seite mit Damenmode mindestens ein Kleidungsstück mit Trompetenärmeln zu sehen war: Blusen und T-Shirts mit Trompetenärmeln, Blazer und Strickjacken mit Trompetenärmeln, Übergangsmäntel mit Trompetenärmeln - im Herbst werden vielleicht noch Wintermäntel mit Trompetenärmeln folgen, eventuell Pyjamas und Bademäntel mit Trompetenärmeln, und dann ist das Konzept Trompetenärmel wohl durchgespielt.

Ich malte mir aus, wie der dem Kaufkleidungsangebot ausgelieferte Teil der Menschheit notgedrungen Trompetenärmel mit Trompetenärmel kombinieren müsste, wenn es Jacken nur noch mit Trompetenärmeln gäbe, ebenso wie Blusen und T-Shirts. Man müsste auf schön abgestufte Ärmellängen achten, so dass der rüschige Abschluss des unteren Kleidungsstücks dekorativ aus dem Ärmel des oberen Kleidungsstücks herausquellen könnte - so, wie schon einmal im 18. Jahrhundert, als die Engageantes, üppige Volants oder Rüschen aus Spitze oder besticktem Batist, die ellbogenlangen Ärmel der Kleider schmückten (hier ein französischsprachiger Artikel dazu mit vielen Bildbeispielen).

Im 18. Jahrhundert gab es schon einmal einen Trompetenärmel-Trend

Die Engageantes hatten sich ursprünglich aus dem Unterkleid, der Chemise entwickelt, die am Handgelenk unter dem Ärmel des Oberkleids sichtbar war. Die üppige Form des 18. Jahrhunderts bot eine willkommene Gelegenheit, den Reichtum mit teurer Nadelspitze zu zeigen und die zarten Unterarme und Hände der Trägerin zu betonen, um zu verdeutlichen, dass sie keiner ernsthaften Arbeit mit den Händen nachgehen musste.

Das Top mit Volantärmeln


Den Aspekt "verhindert manuelle Tätigkeiten" kann ich bestätigen, da ich seit einiger Zeit mit Nummer 111 aus Burdastyle 10/2017 ein Oberteil mit einer modernen Adaption der Engageantes besitze: Der Ärmel ist zwar weder beim Tippen am Computer noch beim Abschneiden von Stoff hinderlich, aber schon einfache Haushaltstätigkeiten (Abwaschen, Putzen, ein Brot mit Butter bestreichen) werden ein wenig verkompliziert. Und tatsächlich wäre eine kurzärmelige Jacke (mit Trompete oder ohne, egal!) ganz praktisch, damit der Ärmelvolant unter dem Jackenärmel keinen Knödel am Unterarm bilden müsste.

 
Aber von diesen kleinen Alltagsschwierigkeiten abgesehen mag ich mein neues Trompetenärmeltop - der Volant verleiht auch kleinen Gesten eine gewisse Dramatik und verbessert damit das Leben. Der zugrundeliegende Schnitt ist die Nummer 111 aus Burdastyle 10/2017, gekreuzt mit "Pam" aus La Maison Victor.


Ich hielt mich für schlau, die Details des Burda-Schnitts (Ausschnitt, Ärmellänge, Volants) auf die Grundlage von "Pam" zu übertragen, da ich "Pam" schon mal angepasst hatte und der Burdaschnitt für Kurzgrößen gedacht war. Das ist mir nur mäßig gelungen - der V-Ausschnitt ist mir einen Tick zu tief und sitzt äußerst bescheiden, wie man den Bildern vielleicht entnehmen kann. Beim Burdaschnitt besteht das Top aus zwei Stofflagen, die am Ausschnitt miteinander verstürzt werden, so dass man auf einfache Art einen schönen Ausschnitt erhält. Ich habe das Oberteil einlagig genäht und den Ausschnitt mit Schrägband aus demselben Stoff verstürzt und schmal abgesteppt - wahrscheinlich nicht die beste Methode bei dünner Viskose.


Die Ärmel sind aber wirklich ganz lustig - am Ärmelabschluss sind zwei Volants übereinander, die laut Anleitung nicht zum Ring geschlossen werden sollen. Daran habe ich mich gehalten und alle Kanten ganz schmal mit der Maschine gesäumt. Obwohl ich sonst wirklich nicht der Rüschen-Typ bin, finde ich das Top aus der dunkelgrundigen Viskose auch nicht zu niedlich oder zu verspielt.

Schnittmuster: 111 aus Burdastyle 10/2017
Stoff: Leichte gewebte Viskose, 1,50 m
Änderungen: Vorder- und Rückenteil sowie Armkugel des Schnitts mit "Pam" aus La Maison Vistor abgeglichen. Top nur einlagig genäht und den Ausschnitt mit Schrägstreifen verstürzt.

Donnerstag, 3. Mai 2018

Näh-Nachrichten (verkürzte Umzugsedition) - Neues vom Great British Sewing Bee, Louise Bourgeois, das Lillestoff-Festival, ein neues Nähmagazin und mein neues Buch

Der Schreibtisch steht wieder, und abgesehen davon, dass noch nicht alles an seinem Platz ist, bin ich wieder arbeitsfähig. Und es ist so viel passiert!



Die Nachricht, die spontan die meiste Vorfreude bei mir auslöste: The Great British Sewing Bee kommt zurück! Derzeit können sich Hobbynäherinnen und -näher für eine neue Staffel bewerben, gedreht wird im Juli, August und September, so dass man wohl im späten Herbst oder in der Vorweihnachtszeit mit der Ausstrahlung rechnen kann. Die Moderatorin Claudia Winkleman wird nicht mehr dabei sein - an ihrer Stelle übernimmt der Comedian Joe Lycett die Präsentation. Ich weiß, dass einige Zuschauerinnen aufatmen werden, denen Claudias gebrülltes "SEWERS, YOU HAVE SIXTY SECONDS LEFT!!!" sehr auf die Nerven ging - ich mochte Claudia, aber ich bin auch gespannt, wie sich die Sendung mit einer neuen Moderation verändern wird. Patrick Grant bleibt uns wohl als Juror erhalten, und vor allem freue ich mich auf Esme Young und ihren staubtrockenen Humor.

Die deutsche Sewing Bee Geschickt eingefädelt kommt nicht zurück ins Fernsehen, was hier nicht allzu viel Bedauern auslöst. Trotzdem will es Vox noch einmal mit einer Nähsendung für Guido Maria Kretschmer versuchen: "Guidos Masterclass" wurde im März und April in Berlin gedreht. Acht aufstrebende Jungdesignerinnen und -designer müssen in sechs Folgen Designaufgaben lösen, werden von Kretschmer unterstützt und anschließend bewertet. Da Kretschmer die Kandidatinnen und Kandiaten laut Pressemitteilung selbst auswählen konnte, dürfte der Flausch-Faktor hier höher liegen, als bei Geschickt eingefädelt. Vom Konzept her erinnert mich die Sendung ein wenig an Project Runway - wir werden im Herbst sehen, ob auch hier Zickereien zwischen den Kandidatinnen für das nötige Drama sorgen müssen.

Die textilen Skulpturen von Louise Bourgeois bekommt man hierzulande nur selten zu sehen. Der Kuratorin des Schinkel-Pavillons, eines privaten Kunstvereins, ist es gelungen, einige Werke aus den letzten zwei Lebensjahrzehnten Bourgeois' nach Berlin zu holen. Die Ausstellung The Empty House läuft bis zum 29. Juli, geöffnet ist Donnerstag bis Sonntag von 12-18.00 Uhr. Ich war noch nicht dort, aber ich denke, das darf man nicht verpassen! Lesenswert auch die Besprechung der Ausstellung in der Berliner Zeitung.


Das Lillestoff-Festival, ein riesiges, wirklich riesiges Wochenend-Näh-Event in Hannover-Langenhagen (über das ich hier und hier schon mal geschrieben hatte), findet dieses Jahr am 8. und 9. September statt, und ich bin wieder mit einigen Workshops dabei: Es gibt zwei Workshops zu  Oberhemden-Upcycling, jeweils einmal am Samstag und einmal am Sonntag, einen Kurs zur T-Shirt-Rettung mittels Applikationen am Samstag und ganz neu auch einen kleinen Workshop zur Stoffkunde am Sonntag, wo wir uns mit der Lupe über verschiedene Stoffarten hermachen werden - denn wer seinen Stoff kennt, kann auch vorhersagen, wie er sich verhält, wenn er ein Kleidungsstück wird.
Alle Informationen zum Festival gibt es bei Lillestoff, meine Workshops können hier gebucht werden und oben unter dem Reiter "Veranstaltungen" findet ihr weitere Informationen zu den einzelnen Workshops.


Die Firma Lillestoff ist übrigens auch unter die Zeitschriftenmacher gegangen: Das Lillestoff-Magazin No1 mit 58 Seiten enthält 12 Schnittmuster auf zwei großen Schnittbögen. Das Heft ist aus schönem, dickem Papier und sehr aufwendig gestaltet: Die Modelle werden an ganz unterschiedlichen Frauen mit tollen Fotos in Szene gesetzt, es gibt Detailfotos der Stoffe und der Schnitte und man erfährt etwas über die Designerinnen der Stoffmuster und die Ideen hinter den Entwürfen.


Die verspielten Zeichungen von Susanne Bochem - als Überschriften, Modellzeichnungen, kleine Akzente, Illustrationen für die Anleitungen - haben mir besonders gut gefallen. Die Nähanleitungen für die Modelle sind sehr ausführlich und einfach gehalten, ohne Nähchinesisch und komische Abkürzungen, so, wie man es auch jemandem erklären würde, wenn man beieinander sitzt und gemeinsam näht.

Entdeckt? Mein Buch "Stoff und Faden" ist auch mit dabei

Ein sehr gelungenes Konzept finde ich - ein Heft, das sich nicht vor der Konkurrenz aus den großen Zeitschriftenverlagen verstecken muss, und das alles wurde mit einem kleinen, hauseigenen Team auf die Beine gestellt. Beeindruckend! Im September wird das zweite Heft erscheinen, ich bin gespannt.


Ebenfalls neu erschienen ist mein neues Buch "Zauberhafte Quilt- und Patchworkideen", ein Buch mit 14 Quiltprojekten - dieses Mal wieder beim Leipziger Buchverlag für die Frau. Das Erscheinen fiel etwas ungünstig mit der heißen Phase des Umzugs zusammen, so dass ich nach dem Durchblättern meine Autor-Exemplare gleich in einer Umzugskiste verstaute, aus der sie erst jetzt wieder aufgetaucht sind.

Kurz vor dem Einsetzen der Umzugspanik habe ich es aber noch geschafft, bei Jane und Steffi, den Damen vom Frickelcast, zu Gast zu sein - die Podcastfolge mit mir findet ihr hier, da erzähle ich ein bißchen, wie es zu dem Buch kam, Jane und Steffi waren nämlich sehr gut vorbereitet und hatten sehr interessante Fragen. Beide haben auch das Buch besprochen, hier Jane alias jetztkochtsieauchnoch und hier Steffi alias Feierabendfrickeleien. Vielen Dank ihr beiden!

Zum Buch gibt es hier bald mehr, ich muss nur erst die Kisten auspacken,wo die Decken aus dem Buch verstaut sind. Bis bald!