Sonntag, 28. September 2014

Stoffspielerei im September: Zeigt her eure Nähfüße - der Säumerfuß

Was mich betrifft könnte das Motto der Stoffspielerei im September auch lauten: Der Nähfuß - das unbekannte Wesen, denn ich habe bei allen meinen Nähmaschinen bisher immer nur drei Nähfüße genutzt: den Standardnähfuß, den Reißverschlussfuß und den Knopflochfuß. Aber in den mitgelieferten Zubehörkästchen liegen ja noch andere Füße mit mir unbekanntem Zweck. Griseldas Aufgabenstellung - unbekannte Nähfüße benutzen und herausfinden, was man damit machen kann oder Lieblingsnähfüße vorstellen - zwingt mich daher mit sanftem Druck, mich überhaupt mal diesen Maschinenteilen zu beschäftigen.

Ich muss aber gleich beichten, dass ich den interessantesten Nähfuß noch nicht ausprobieren konnte, da die Kabel der Gritzner von 1957 derartig mürbe sind, dass ich sie erst austauschen muss, was ich wusste, aber verdrängt hatte. Sobald die Maschine gefahrlos benutzt werden kann, werde ich mich mit dem Applikationsfuß und dem Lochstickereiapparat beschäftigen.

Aber an Nähmaschinen ist hier ja kein Mangel. Deshalb wandte ich mich meiner Hauptnähmaschine zu, einem mechanischen No-Name-Modell ("Royal 2116") von 1990, dessen Bauweise den Singer-Maschinen aus der gleichen Zeit ähnelt. Die Maschine war damals nicht teuer, was bedeutet, dass nicht viel Zubehör dabei ist: Neben Standard-, Knopfloch- und Reißverschlussfuß gibt es nur einen Säumerfuß (auch Rollsaumfuß genannt) und einen Blindsaumfuß. Mit dem Blindsaumfuß (rechts) beschäftigte ich mich nicht, denn unsichtbare Säume habe ich wahrscheinlch schneller und besser mit der Hand genäht, als dieser Fuß auch nur richtig eingestellt ist.


Der Fuß für schmale Säume könnte eine große Arbeitserleichterung sein, wenn's denn funktioniert. Normalerweise nähe ich schmale Säume in zwei Touren: Saum einmal umbügeln, knapp am Bruch entlangsteppen, Stoff entlang der Steppnaht knapp abschneiden, die Kante noch einmal einschlagen, bügeln und noch einmal durchsteppen.


Mit dem Säumerfuß soll das mit einer einzigen Naht gehen - die Stoffkante läuft in eine kleine Schnecke hinein, wird dadurch zweifach umgeschlagen und anschließend festgesteppt. Am Nahtanfang schlägt man am besten den Saum zweifach ein, näht den Anfang fest und benutzt diesen Anfangsfaden, um die eingefaltete Stoffkante in die Schnecke einzuziehen.

Bei den ersten Versuchen mit dünnem Baumwollstoff sah das regelmäßig so aus:


Nach einem guten Anfang hatte der Stoff eine Tendenz, beim Nähen nach links abzuhauen, dann stimmte der Abstand nicht mehr und die Kante wurde nur noch einfach eingeschlagen. Ich las dann bei The sewing loft nach - die Seite hatte Griselda vor zwei Wochen verlinkt, und da stand: erst bügeln.  


Ich bügelte also den Saum erst zweifach schmal um, sicherte den Anfang, fädelte ihn in den Fuß ein und siehe da: der schmale Saum näht sich so völlig problemlos in Nullkommanix, nicht nur erheblich schneller als mit der Zwei-Naht-Methode, sondern auch viel schöner.

Fazit: Fuß bezwungen, viel gelernt, Näherin überzeugt - ich könnte jetzt kilometerweise Dinge schmal säumen. Prima.

Griselda hat sich auch den Rollsaumfuß vorgenommen, schreibt noch eine Menge erhellende Dinge mehr (z. B. wie man Ecken verarbeitet) und sammelt außerdem die anderen Beiträge zur Stoffspielerei. Vor allem vielen Dank für die Idee - ohne diesen Anstoß hätte ich die Füße nie zur Hand genommen.

Freitag, 26. September 2014

Wochenrückblick: Herbstjacken-Sewalong, den Warenkorb selber nähen, Fotografie und neue Schnitte


Der Wochenrückblick kommt heute mit einer Sonderausgabe "Streetart in Lyon". Ich versuche, mir das Urlaubsgefühl noch eine Woche länger zu erhalten, aber es nieselt wie im November, ist kalt und ungemütlich: Sofawetter.

Neulich auf dem Weg zu einer Abendveranstaltung war es um kurz nach sieben zu meiner Überraschung schon dunkel, als ich aus der U-Bahn kam. Eine dunkle Straße entlangzulaufen, entlang beleuchteter Ladenzeilen, das verbindet sich für mich mit der Vorweihnachtszeit. Jedes leuchtende Schaufenster ein Türchen im Adventskalender, ein Stillleben oder eine kleine, zufällige Szene im Guckkasten. Es ist schwer, sich damit abzufinden, dass es jetzt erstmal nicht mehr heller und wärmer wird.

Und damit kommen wir zu den Links der Woche: Mäntel sind ja auch bald wieder von Nöten, und so kam die Frage auf, ob es dieses Jahr wieder einen Mantel-Sewalong gibt. Dankenswerterweise nehmen sich Dreikah und Chrissy des Problems an und veranstalten gemeinsam einen Herbstjacken-Sewalong. Der Zeitplan findet sich hier.

Wusstet ihr, dass man Baumwollstoffe selbst wachsen kann, so dass sie wasserabweisend werden? Ich bisher nicht, daher las ich mit großer Faszination und einem freudig-kribbeligen Gefühl ob der neuen Möglichkeiten von Sinjes Erfahrungen beim Wachsen von Baumwollköper. Da ich knistrige Plastik-"Funktionsjacken" hasse wie eine Verrückte, aber gleichwohl ab und zu einigermaßen wetterfeste Kleidung brauche, sehe ich eine Lösung aller meiner Outdoorbekleidungsprobleme!

Ist es möglich, sich die gesamte Wintergarderobe selbst anzufertigen? Ella möchte dies probieren und näht ihren Warenkorb jetzt selbst. Ihr pragmatischer Ansatz - feststellen, was fehlt, Stoffe und Schnitte zusammenstellen, mehrere Teile nach einem Schnitt nähen - hat mich begeistert, denn ich gehe im Gegensatz dazu oft so vor, dass ich Schnitte nähe, die mich aufgrund von Details, technischen Schwierigkeiten oder aus anderen Gründen reizen, ich nähe Kompliziertes, während mir das Einfache fehlt. Ich bin gespannt auf die Entwicklung ihrer Wintergarderobenmission und legen allen Nähanfängerinnen außerdem ihren Mutmach-Post ans Herz: Nähen kann man lernen, probiert es aus!

Das fertige Werk muss dann ja auch standesgemäß fotografiert werden - ein kostenloses E-Book im Blog von Bonprix (huch!) gibt einige Tipps, teils banal, teils wirklich nützlich. (via @kwerfeldein

Schnittmusterparade


Die neuen Schnittmuster der letzten Woche: Bei Sew Over it kam eine eine Schluppenbluse namens Pussy heraus, die "Pussy Bow Blouse" (was für ein blöder Name auf Deutsch), eine abnäherlose, langärmelige Bluse mit zwei Ausschnittvarianten. 

Eine Neuentdeckung sind für mich die Schnittmusterpakete von Pattern Anthology. Unter diesem Namen vermarkten vier Schnittmusterdesignerin ihre Entwürfe gemeinsam. So ein Paket von meist vier aufeinander abgestimmten Schnitten ist jeweils 14 Tage zu einem günstigen Preis erhältlich, danach kann man die Schnitte noch einzeln von den Designerinnen direkt bekommen. Bisher erschienen vor allem Schnitte für Kindersachen, das neueste Paket "8 Days a Week" bietet eine Art Grundgarderobe für Damen und besteht aus Jerseyhosen, einem Kleid, einer Jacke und einem T-Shirt. 

Donnerstag, 25. September 2014

Ein Dirndl in Preußen: Das Mieder

"Was wurde eigentlich aus dem preußischen Dirndl?" mögen sich aufmerksame Leserinnen und Leser fragen. "Hatte Lucy nicht von großen Plänen berichtet und Stoff gezeigt? Und dann nichts mehr? Aha!" Also liebe Leserinnen und Leser, nach einigen Startschwierigkeiten ist das Dirndlmieder fertig und ich bin gespannt, ob es den Weg in den Alltags-Kleiderschrank findet.


Ich finde das Tragegefühl sehr ungewohnt, aber interessant. Das Mieder umschließt den Körper wie eine leichte Umarmung, es sitzt eng, aber nicht einengend. Es gibt Form, stellt eine strukturierte äußere Hülle her, die ich ausfülle. Ich habe noch nicht ausprobiert, wie es ist, den ganzen Tag darin zu stecken, ob es an einem normalen Tag zwischen Schreibtisch und Staubsauger nicht doch nervt. Oder ob so eine strukturierte Kleidung zu mehr Struktur führt: vielleicht ist es ja ein Unterschied, ob ich wie jetzt in einer labberigen Baumwollstrickjacke am Schreibtisch sitze, oder ob ich das Mieder anziehe. Das Außen und Innen stehen im allgemeinen ja in einer Wechselbeziehung zueinander, sagt man.

Auch das Nähen fand ich spannend und ungewohnt: Der Schnitt 118 aus Burda 9/2011 hat sehr große Ähnlichkeit mit einem historischen Mieder- oder Korsettschnitt und es ist faszinierend, was für ein plastisches, dreidimensionales Gebilde aus den zweimal sechs Schnittteilen entsteht. Der Beginn des Projekts fiel allerdings mit einer Phase größter Unkonzentriertheit zusammen, was zu allerlei selbstgemachten Problemen bei der Umsetzung führte (so ist DIY: sogar die Probleme werden selbst gemacht!).


Ich hatte ja einen dunkelgrauen Wollstoff mit eingewebten Streifen vorgesehen  und dachte es mir schön, wenn die Streifen der Seitenteile an der Naht schräg aufeinander treffen würden. Den Streifenverlauf bei den anderen Teilen konnte ich mir nicht richtig vorstellen, daher wollte ich das vor dem Zuschneiden testen. Mit ziemlich häßlichem gestreiften Geschenkpapier. Was soll ich sagen: vier Mal schnitt ich eines oder mehrere Schnittteile falsch aus. Zweimal lag die weiße Rückseite oben, ein Teil schnitt ich spiegelverkehrt aus, so dass es nicht zu den anderen passte, und beim allerletzten Versuch (im Bild) schnitt ich zweimal dasselbe Seitenteil zu.   

Immer noch falsch: zweimal dasselbe Seitenteil ausgeschnitten.
Ich entschied dann, dass der obige Test reichen muss, um festzustellen, dass die schrägen Streifen an der Seite großartig aussehen würden! Damit die Streifen an den Seitennähten wirklich zusammenträfen, zeichnete ich den Verlauf auf den Folienschnittteilen ein. Einmal wars verkehrt, aber das merkte ich glücklicherweise, ehe es an den richtigen Stoff ging. An dem Probeteil aus alter Bettwäsche änderte ich ein bißchen herum: nahm in der Taille im Rücken noch etwas weg, setzte den Ausschnitt 1 cm höher und die Träger 1 cm nach innen.

Beim Zuschnitt des richtigen Stoffs dachte ich dann nicht an die extragroßen Nahtzugaben an den Seitennähten, die nötig sind, um das Oberteil wie ein klassisches Dirndl zu verarbeiten, bei dem die Weite leicht geändert werden kann, so wie hier,  also eine kurzfristige Änderung der Pläne: ich würde sämtliche Nähte bei Außenstoff und Futter separat steppen und dann Stoff und Futter links auf links legen.


Die offenen Kanten am Ausschnitt und an den Armausschnitten versäuberte ich dann mit Schrägband: rechts auf rechts angenäht, nach innen umgeklappt und von Hand anstaffiert. Anders als bei einem traditionellen Dirndl gibts keine Paspeln am Ausschnitt und in den Teilungsnähten und schon gar keine Verzierungen, ich möchte das Mieder so schlicht wie möglich halten. Der Oberstoff ist komplett mit Klebebatist verstärkt und gibt im Gegensatz zum Probeteil nicht ein bißchen nach. Daher musste ich an den vorderen Teilungsnähten wieder ein bißchen herauslassen, was den sorgfältig ausgeklügelten Streifenverlauf zerstörte.  


Paspelknopflöcher fand ich für so eine Mieder-Weste-Chimäre passend. Ich schob das Nähen zwei Wochen heraus, obwohl es mit dieser Anleitung wirklich einfach ist. Es kommt nur auf das sorgfältige Markieren der Platzierung und der Länge an, das ist alles.


Die Knöpfe stammen vom Flohmarkt, es sind recht alte, halbkugelige Metallknöpfe, schon benutzt, einer ein bißchen eingedellt, die gut zu dem historischen Flair dieses Schnittes passen. Und diesem historischen Flair - das ich mir möglicherweise nur einbilde - möchte ich auch beim Rock treu bleiben: es wird ein gestiftelter Rock aus zwei geraden Stoffbahnen. Bisher war ich mir noch nicht sicher, ob ich nicht doch einen "vorteilhafteren", weil um die Hüften weniger voluminösen Bahnenrock nähe, aber jetzt habe ich sozusagen Blut geleckt: ich möchte wissen, wie ein gestiftelter Rock aussieht, wie er sich trägt, wie er sich anfühlt.

Die anderen Teilnehmerinnen des großartigen Dirndl-sewalongs von Julia haben längst die Ziellinie überschritten - hier geht es in meinem eigenen Tempo weiter. Wer hätte denn gedacht, dass die Dirndlnäherei gleich so ein Selbsterfahrungstrip wird!

Sonntag, 21. September 2014

Nahtzugabe unterwegs in Lyon: Die Stoffgeschäfte

Während des Urlaubs in Lyon schaute ich natürlich auch nach Stoffgeschäften. In Frankreich gibt es ja mindestens genauso viele Nähbegeisterte wie hier, und Lyon ist die Heimat von Nähbloggerinnen, daher war die Recherche der Adressen ziemlich einfach. Ich fand sehr schnell diese Liste und diesen Blogpost und besuchte in den acht Tagen die Läden, die bei unseren Unternehmungen am Wegesrand lagen, also Geschäfte in den Altstadtbezirken. Einige Male hatte ich Pech und stand vor verschlossener Tür: kleine Läden legen oft zwischen ca. 12 und ca. 14/15.00 Uhr eine Mittagspause ein, Montags ist häufig ganz oder teilweise geschlossen, und bei einigen kam ich nur abends mal zufällig vorbei.

Lyon ist im Prinzip nicht schlecht mit Stoffgeschäften ausgestattet (und von Stoffen abgesehen gibt es nach meinem Eindruck sowieso ungeheuer viele Geschäfte in Lyon, zum Beispiel sind fast alle Luxusmarken vertreten, was ich so nicht erwartet hätte - Hannover hat das nicht.) Aber - das klingt sicher nach Hauptstadtsnobismus und nach "zuhause ist es sowieso am schönsten" - ich habe mal wieder festgestellt, dass die Stoffauswahl in Berlin wirklich so gut ist, dass Kaufen woanders schwer fällt.

Lyon 1, Les Terreaux

 


Toto, 80 Place Louis Pradel (an der Ecke des Platzes zur Rhône hin) ist eine Ladenkette, die es in ganz Frankreich gibt, und bei der eine gewisse Ramschigkeit in Angebot und Aufmachung zum Programm gehört. Es wird absolut nichts dekoriert: Die Schaufenster sind mit Plakaten und Angeboten zugeklebt, man geht durch ein Drehkreuz hinein und nimmt einen Einkaufskorb, innen hängen verwirrend viele handbeschriftete Schilder, die Stoffrollen liegen auf großen Tischen und sind grob nach Materialien sortiert, und in jede Ecke ist noch ein Drahtkorb mit irgendwelchen anderen Angeboten gequetscht. 

Neben Bettwäsche, Handtüchern, Koffern und Gardinen gibt es Meterware und Kurzwaren zu günstigen Preisen und noch günstigere Stoffcoupons. Anfang September waren anscheinend gerade die ersten Winterstoffe einsortiert worden, lauter dunkle Wolle-Viskosemischungen mit Streifen, dunklen Karos, leichter Pfeffer-und-Salz-Tweed, Fischgrat, dünner Strickstoff, alles für 6 bis 8 Euro pro Meter. Keine schlechte Qualität, solche Stoffe gibt es im Winter auch immer auf unserem Berliner Markt. Von den Sommerstoffen waren nur noch Restrollen da, ziemlich grob gewebte Baumwollstoffe mit Blümchendruck, die mir nicht gefielen (der Maybachmarkt bietet Besseres), ein bißchen Leinenartiges, etwas Vichykaro, gepunktete und karierte Baumwollstoffe und außerdem Standards wie Jeans in verschiedenen Blautönen und Stärken, Frottier, Faschingssatin, Tüll und natürlich Pannesamt.

Von den Stoffcoupons hatte ich mir mehr versprochen, weil ich mal gelesen hatte, dass dort unter anderem Konfektionsreste zu haben wären. Bei meinem Besuch lagen dort aber genau die gleichen Stoffe, die es auch von der Rolle gab, nur noch günstiger: 3 Meter immer für 10 Euro. Ich konnte mich aber für nichts begeistern: die Sommerstoffe gefielen mir nicht, aber bei 26° Grad ernsthaft Winterstoffe begutachten konnte ich auch nicht, zumal es ja sehr ähnliche Stoffe auch in Berlin gibt.

Toto führt außerdem Waxprints, die typischen "Afrikastoffe", die immer in Coupons zu 6 yard (ca. 5,40 m) verkauft werden. In Lyon waren diese Stoffe in einer Ecke hinter einem separaten
Tresen untergebracht, und hätte ich mich nicht gerade an einer Sammelbestellung beteiligt, hier hätte ich schwach werden können. Die Coupons kosteten dort zwischen 15 und 25 Euro, das ist sogar noch etwas günstiger, als wir durchschnittlich für die Waxprints aus London bezahlt hatten. 

An einem weiteren Laden in der Nähe, Tissus des Terreaux, 2 Rue Algérie kurz vor der Brücke fuhr ich nur einmal im Bus vorbei - schade, denn der Webseite entnehme ich jetzt, dass es dort unter anderem Seide und Vintage-Stoffe gegeben hätte. Auch an der rue Paul Chenevard, in der es einen Stoffladen und einen Kurzwarenladen geben soll, kam ich leider nicht vorbei.

Lyon 2, Les Cordeliers



Das Gegenprogramm zu Toto und nur ein paar hundert Meter von der Oper entfernt ist La Droguerie, 4 rue Gentil. Ebenfalls eine in allen großen Städten Frankreichs vertretene Kette, aber französisch geschmackvoll, edel, teuer. Schon der Laden selbst mit seinen frei gelegten Balkendecken und den geweißten Ziegelwänden ist eine Augenweide. Perlen, Schmuckzubehör und Knöpfe stehen sehr dekorativ in durchsichtigen Bonbongläsern in offenen Regalen, Fat quarter liegen in Weidekörbchen, dekorativ abgeschrabbelte alte Kommoden wurden zu Verkaufstischen umfunktioniert.

Der Schwerpunkt liegt bei La Droguerie auf dekorativen Kurzwaren und Perlen, weniger bei den Stoffen. Sehr interessant fand ich die Wollauswahl im hinteren Teil des Geschäfts: es gab  Garnmischungen mit Leinen, Seide und Mohair in sehr schönen satten Farben. Wenn ich das Prinzip richtig verstanden habe, waren die Stränge, die im Laden hingen, lediglich Griffproben - wenn man Wolle kaufen möchte, muss man eine Verkäuferin fragen und bekommt die gewünschte Menge von einer großen Kone abgespult. Da man sich Bänder und Stoffe natürlich nicht selbst abschneidet und auch die Perlengläser nicht geöffnet werden sollen, muss man an manchen Tagen sicher etwas Geduld mitbringen. Materialpakete mit Anleitung gibt es hingegen gleich zum Mitnehmen, schön verpackt in silbernen Blechdosen mit transparentem Deckel, also zum Beispiel Wolle, Knöpfe, Stricknadeln und Anleitung für ein gestricktes Babyjäckchen, oder Perlen, Kordel, Verschluss für ein Collier. Über die Preise decke ich lieber den Mantel des Schweigens - aber sehenswert ist La Droguerie allemal, bei uns gibt es nichts Vergleichbares.    


Lydo Tissus, 42 rue du Président Edouard Herriot liegt nur ein paar Schritte um die Ecke von La Droguerie. Ein hochpreisiger Stoffladen alten Schlags mit einer älteren Besitzerin, die mich als "Mademoiselle" anprach und mir die Materialzusammensetzung der Stoffe erläuterte, auf die ich meinen Blick richtete, während sie gleichzeitig mit einer anderen Kundin plauderte und einer dritten Stoff abschnitt. Das winzige Erdgeschoß mit den vom Boden bis zur Decke gestapelten Stoffballen war mit uns vieren dann auch schon klaustrophobisch voll. Links vom Eingang führt eine steile Treppe ins Obergeschoß und zu weiteren Stoffen.

Ich war nach einem Tag voller Besichtigungen und einem ausgedehnten Stadtbummel schon am Rand meiner Aufnahmefähigkeit, und visuelle Aufnahmefähigkeit und Geduld braucht man in diesem kleinen Laden, denn von den Stoffballen und -rollen bekommt man im Grunde immer nur ein Eckchen zu sehen und zu fühlen. Bei dem Preisschildern, die ich so ausmachen konnte - z. B. Kammgarnstoffe für 69,-€/Meter, typische Baumwoll-Hosenstoffe für 20,-€/Meter - wollte ich nicht anfangen, einzelne Ballen herauszuziehen - Madame hätte das bestimmt missbilligt und zu Recht, womöglich wäre eine Stofflawine niedergegangen. In der richtigen Einkaufsstimmung könnte Lydo Tissus aber der Laden sein, in dem man den einen, ganz besonderen, Herzklopfen verursachenden Stoff findet, den man sich nur gönnt, weil Urlaub ist und den man dann jahrelang nicht anschneidet. 


Ganz bodenständig ist hingegen der Laden Au Liseron, 82 rue du Président Edouard Herriot nahe place des Jacobins. Im Erdgeschoss gibt es Kurzwaren, Stickgarne, Wolle und viele Knöpfe. Eine verspiegelte Treppe ganz hinten führt in den ersten Stock zu den Stoffen. Auch hier waren Anfang September die erste Winterstoffe angekommen und die Sommerstoffe um 50% reduziert, auch hier viele Blümchenmuster auf recht grober Baumwolle.

Für mich fallen solche Stoffe eher in die Rubrik Deko, ich wüsste zumindest nicht, was man daraus nähen sollte, außer vielleicht ein Kinderkleid oder eine Schürze, und ich habe auch nicht so recht verstanden, was der nähende Teil der Franzosen daran findet - auf der Straße und bei Kaufkleidung sieht man solche Stoffe jedenfalls nicht. Möglicherweise waren die guten Sommerstoffe aber einfach schon ausverkauft, und ich hatte hier nur noch mit den Ladenhütern zu tun. Mich sprach jedenfalls kein Stoff besonders an, obwohl hier bei Meterpreisen zwsichen 10 und 20 Euro (und bei den Resten vom Sommer die Hälfte) ein kleiner Einkauf durchaus drin gewesen wäre.    

Lyon 2, Bellecour

 


Was ich gerade über die offenkundige Beliebtheit kleingemusterter Blümchenstoffe schrieb, lässt sich noch steigern: Um Liberty lawn, die Blümchenstoffe des Kaufhaus Liberty aus London, gibt es in Frankreich geradezu einen Hype. Nur dewegen ist der Laden 1000 Mercis, 13 rue Francois Dauphin, eine Querstraße von der place Bellecour entfernt, überhaupt eine Erwähnung wert.

Es handelt sich nämlich um einen winzigen Schnickschnack-Laden, in dem sich nach meinem Eindruck kaum Ware befand: Die tollen Kindernähmaschinen aus den 70ern in den oberen Regalfächern waren nur unverkäufliche Deko, in den unteren Fächern lagen recht locker verteilt kleine Reißverschlusstäschchen, Häkeldeckchen, Postkarten, Einkaufsnetze und Kissenbezüge, neben den erwähnten Liberty-Stoffen, von denen der Laden vermutlich lebt. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sich eine Ladenfläche in der Gegend durch den Verkauf von selbstgehäkelten Untersetzern für 3 Euro auf die Dauer erhalten lässt.

(Das Foto ist aus einem seltsamen spitzen Winkel aufgenommen, da man die Straße wegen einer Riesenbaustelle nicht betreten konnte.) 


Die Straßen rund um das Stoffmuseum im südlicheren Teil der Halbinsel sind eine nette Gegend mit vielen kleinen Cafés und Läden, allerdings hatte ich hier mit den Öffnungszeiten überhaupt kein Glück: es war Mittwoch Nachmittag und alle Ladenbesitzerinnen hatten sich gegen mich verschworen. L'atelier des Abécedaires, ein Laden für Patchworkstoffe und Stickzubehör, ist gerade ein paar Häuser weiter gezogen, hat sich vergrößert  und findet sich jetzt 40 rue des remparts d'Ainay. Geöffnet ist nur am Mittwoch Vormittag von 9.30 bis 12.30 Uhr und am Donnerstag von 9.30 bis 12.30 und 14.00 bis 18.30 Uhr, ich nehme an, das ist nur vorübergehend wegen des Umzugs, am alten Standort waren die Öffnungszeiten wohl etwas ausgedehnter.


Auf der Suche nach dem Patchworkladen fand ich an der Kreuzung mit der rue du Charité dieses Geschäft, Le Lyon qui tricote, ein sehr nett ausehendes Strickcafé mit großer Wollauswahl, so weit sich das durch die Schaufensterscheiben erkennen ließ. Denn dieser Laden hat Mittwoch komplett geschlossen. Anscheinend kennt man sich dort auch mit Strickmaschinen aus, man kann Pullover in Auftrag geben, und in der oberen Etage standen sogar einige Nähmaschinen.


Lyon 4, Croix Rousse

 


Lyons viertes Arrondissement ist für seinen großen Lebensmittelmarkt auf dem boulevard de la Croix Rousse bekannt, der außer am Montag jeden Vormittag stattfindet. Am Dienstag Vormittag kommt eine zweite Standreihe mit Bekleidung, Haushaltswaren, Kunstblumen, Schuhen und auch Stoffen dazu, und der Markt zieht sich dann den ganzen Boulevard entlang.

Wer den Berliner Markt kennt, für den ist das ein vertrauter Anblick, auch wenn die Zahl der Stoff- und Kurzwarenstände hier klein ist: ich zählte fünf oder sechs Stoffstände und zwei Kurzwarenstände, einer davon sehr groß, mit vielen alten Knöpfen auf Karten, Gürtelschnallen, Borten und Spitzen. Und die Preise sind tatsächlich genau so wie in Berlin: Undefinierbares für einen Euro pro Meter (siehe Foto), wirklich schönes Leinen gab es für 3 Euro pro Meter. Am boulevard de la Croix Rousse hinter dem Rathaus befindet sich außerdem ein großer Kurzwarenladen.

In dem Lyoner Nähblog werden noch einige andere Märkte mit Stoffständen an anderen Wochentagen aufgeführt, am besten erreichbar für Touristen dürfte der Markt Montag Vormittag am quai Saint Antoine in Lyon 2 sein.   

Lyon 5, Fourvière


Die Adresse von Trésor de Soie, 2 place du gouvernement fand ich über die Stoffladenliste. Leider war auch dort geschlossen (und es war bestimmt noch vor 20.00 Uhr). Durchs Schaufenster wirkte das Geschäft wie ein typischer Touristenladen, aber laut Webseite soll die Meterware ja in einem zweiten Raum zu finden sein. Das wäre möglicherweise interessant gewesen! Tja, aber so geht es mir immer - ein Besuch in einer anderen Stadt ist nie lang genug. Dass ich aber trotz Gelegenheiten ohne ein einziges Stück Stoff zurückkehre, das hätte ich nicht gedacht - wie konnte das nur passieren?

Ergänzung 5. 11. 2014:
Schaut auch in die Kommentare, dort gibts Stoffkauftipps von den Leserinnen.

Mittwoch, 17. September 2014

Eine Wickelbluse (110 Burda 6/2006) und der erste Me made Mittwoch*) nach der Sommerpause


Der Me made Mittwoch*) ist aus der Sommerpause zurückgekehrt - und mit ihm der Sommer! Zum Auftakt trage ich heute zwei bewährte Schnitte: einen grauen Rock aus einer Leinen-Baumwoll-Mischung (106, Burdastyle 5/2012), den ich schon mal gezeigt hatte und der sich mit seiner Neutralität sehr bewährt hat. Ein sehr beliebtes Modell in der Nähblog-Community: zuletzt sah ich ihn letzte Woche beim Beswingten Fräulein. Ich möchte eure Aufmerksamkeit daher auf die Bluse lenken - 110 aus Burda 6/2006 - eine Wickelbluse mit Kragen, die ganz neu ist, bzw. nicht ganz, denn 2006 hatte ich den Schnitt schon zwei Mal genäht.


Ich habe es nämlich geschafft, meinen Oberteilschwäche - unter Selbermacherinnen anscheinend ein verbreitetes Problem: immer nur Röcke nähen - genauer zu analysieren, zumindest im Hinblick auf Sommeroberteile. Komischerweise sind viele Schnitte für Sommeroberteile so konzipiert, dass sie für gefällige Gesamtproportionen in den Rockbund gesteckt werden müssten. Furchtbar bei wirklich warmem Wetter, weil man dann einen schönen mehrlagigen Stoffwust um die Körpermitte trägt und sich der Blusensaum unter dünnen Sommerröcken abzeichnet. Kein Wunder, dass mir die meisten Oberteilschnitte erst gar nicht gefallen.

Ich dachte also über Oberteile nach, die locker über dem Rockbund getragen werden können und kam auf zwei Lösungsansätze:

1. Schößchenblusen (dieser Lösungsweg wird im nächsten Jahr ausprobiert)
2. die erwähnte Wickelbluse 110 aus Burda 6/2006


Der Wickelblusenschnitt ist dazu noch simpel und recht schnell genäht: die Prinzessnähte im Vorder- und Rückenteil lassen sich gut anpassen, der Kragen besteht aus nur einem Schnittteil, ohne Steg, die Ansatznaht wird mit einem Schrägband versäubert. Die Ärmel haben einfache Ärmelaufschläge, keine Manschetten. Der blaugestreifte Hemdenstoff vom Markt knittert fast nicht und muss nach der Wäsche nur einmal kurz und schlampig überbügelt werden. So mag ich das! 


Das breite, gewickelte und und in der Taille geknotete Band macht Gürtel überflüssig (sehr gut, da ich auch eine Accessoires-Legasthenikerin bin), und durch die zweiteiligen und nicht allzu engen Ärmel ist auch die Bewegungsfähigkeit der Arme gesichert. Also kurzum: für mittelwarmes Wetter wie jetzt die ideale Bekleidung, und ich schließe nicht aus, den Schnitt noch ein paar Male zu nähen - was einer Sensation gleichkäme, da ich kaum jemals einen Schnitt zweimal nähe, geschweige denn drei- oder viermal.

*) Beim Me made Mittwoch geht es darum, selbst gemachte Kleidung zu tragen und dies zu dokumentieren - alle Teilnehmerinnen finden sich heute hier auf dem Me made Mittwoch-Blog.

Dienstag, 16. September 2014

Wochenrückblick: Modeausstellungen, jede Menge neue Schnitte und eine Konferenz

 

Die vergangenen acht Tage ersetzte ich den üblichen trüben Schreibtischblick durch einen strahlenden und streifte bei schönem Spätsommerwetter durch eine andere Stadt. Ich hätte durchaus noch ein paar Tage länger bleiben mögen, zumal das Wetter in Berlin am Freitag schon nach November schmeckte. Ist es wirklich schon wieder Zeit, die Adentskalender rauszuholen?
Natürlich habe ich auch versucht, in Lyon Stoff zu kaufen, dazu wird es bald noch einen Post geben.

Jetzt aber erstmal die Handarbeitslinks der Woche - da hat sich wieder ganz schön was angesammelt.

Zuallererst möchte ich auf den Herbstquilt sew-along bei Marja Katz hinweisen: wenns draußen eklig wird, muss man vorbereitet sein. Der Sew along ist zwar schon bei der zweiten Etappe, der Stoffwahl, man darf aber jederzeit noch einsteigen, auch mit bereits begonnenen, älteren Projekten, die nun endlich fertig werden sollen.   

Wir hatten ja zuletzt in einer größeren Gruppe Nähnerds gemeinsam Wax prints aus London bestellt, das sind die bei uns als "typisch afrikanisch" geltenden bunten Druckstoffe, die ursprünglich aus Holland stammen (und wenn mich nicht alles täuscht, übernahmen die Holländer die Technik aus Indonesien) - Suschna hatte hier ausführlich über diese Stoffe geschrieben. Das Wandern bestimmter Muster durch verschiedene Kulturen und die Modifikationen, die auf dem Weg stattfinden, sind ein faszinierendes Thema. In London gab es im August eine Ausstellung zum Weg des Tartans, des schottischen Karos, durch die Kontinente, insbesondere nach Afrika: Tartan: Its Journey Through the African Diaspora. Das Blog des Victoria&Albert-Museums gewährt einen Blick hinter die Kulissen der Ausstellung. (via @M¡m¡m¡l¡sta™)

Was wäre unser Kleiderschrank ohne Jersey und Gestricktes! Auf jeden Fall viel leerer. Tatsächlich ist Jersey als Oberbekleidung eine relativ neue Erscheinung: erst Coco Chanel verhalf dem Material nach dem Ersten Weltkrieg zum Durchbruch. Eine Ausstellung im Londoner Fashion and Textile Museum beschäftigt sich ab dem 19. September mit den technischen und modischen Aspekten der Strick- und Jerseymode: Knitwear Chanel to Westwood. In der Daily Mail gabs schon einen Artikel darüber. (via Santa Lucia Patterns)    

Um die Mode zur Zeit des Ersten Weltkriegs, in der vieles vorweggenommen wurde, was wir mit der Mode der "goldenen Zwanziger" verbinden, geht es auch in einer neuen Ausstellung in Berlin. Krieg und Kleider zeigt Modeillustrationen, Fotografien und Modezeichnungen aus dem Bestand der Kunstbibliothek im Kulturforum und eröffnet am 25. September.   

Um die Verbindung von Mode und Technologie geht es - ebenfalls in Berlin - in einer Konferenz vom 10. bis 15. Oktober 2014. Die MeshCon findet dieses Jahr zum ersten Mal statt - ich bin gespannt!,

Schnittmusterparade


In den letzten zwei Wochen kam noch einmal ein ganzer neuer Schwung Herbstschnittmuster dazu. Im Moment könnte ich jede Woche eine Schnittmusterparade posten, und alle paar Tage entdecke ich noch einen neuen Anbieter. In Australien und Neuseeland tut sich viel, aber dort wird es ja auch gerade Frühling. Aber zuerst bleiben wir in Europa:

Die Designs von Deer&Doe sind wirklich "typisch französisch", das kann ich nach meinem Frankreich-Aufenthalt bestätigen. Zuerst auf die Firma aufmerksam wurde ich durch Frau Bunte Kleider, die schon sehr oft erfolgreich nach Deer&Doe genäht hat. Ganz neu im Programm ist das Hemd Bruyère, eine lange Bluse mit Schößchen. Würde ich schmale Hosen tragen, würde ich mir das nähen wollen - zu schmalen Röcken sähe das Modell wahrscheinlich nicht halb so lässig aus. 

Wie ich auf Iconic patterns aus Sidney aufmerksam wurde, kann ich gar nicht mehr sagen. Die Firma ist jedenfalls noch ziemlich jung und hat gerade einen eleganten Knotenkleidschnitt herausgebracht. Kostenlos zum Testen gibt es einen Schnitt für ein Spaghettiträgerhemd

Die Firma Sewloft Sewing Patterns finde ich ja etwas merkwürdig: ich hatte mir den Link zu einem Kleiderschnitt hier im Postentwurf gespeichert. Dieses Kleid gibt es im Shop nun nicht mehr - komisch, oder? Und wer sie sind und wo sie herkommen sieht man auch nicht auf der Webseite. Also vielleicht lieber erst einen der kostenlosen Schnitte testen - aus günstigem Stoff.

Ganz neu sind auch Muse Patterns aus Neuseeland. Ihr allererstes Modell, den Jenna Cardi, eine kurze Strickjacke mit Schulterpassen inspiriert von Schnitten aus den 30er und 40er Jahren, zeigte @sewMeow schon bei Instagram. Sieht prima aus - ist das endlich der ideale Schnitt für kurze Strickjäckchen aus Jersey, nach dem ich schon so lange suche?   

Auch Jennifer Lauren Vintage macht Schnitte, die an die Designs vergangener Jahrzehnte angelehnt sind. Mit dem neuen Schnitt Dalloway kann ein Kleid oder ein Rock genäht werden, der durch fünf breite horizontale Falten gegliedert ist.

Und nicht zuletzt gibt es bei Thread Theory einen Schnitt für einen Männerpullover mit Kapuze oder mit übereinander geschlagenem Kragen: Finlayson

Samstag, 13. September 2014

Mehr Strickjacken braucht der Schrank - Halbzeit


Beim gemeinsamen Stricken mit Chrissy in Vorbereitung auf den Herbst ist Halbzeit und ich muss zugeben, nicht besonders weit gekommen zu sein. Die dunkelgrüne Strickjacke verharrt noch in genau dem gleichen Stadium wie Ende Juli, und die Schwelle, damit weiterzumachen, liegt jeden Tag ein bißchen höher, denn erstens würde es jetzt technisch kompliziert (Taschen! Verkürzte Reihen beim Kragen!) und zweitens müsste ich mich jetzt in das Grundmuster erst wieder ganz neu reindenken.

Der Takoma-Cardigan aus Drops Karisma ist fast bis unter die Achseln gewachsen. In der letzten Zeit nicht mehr so sehr, denn erst war ich mit Weben beschäftigt, dann fuhr ich acht Tage ohne Strickzeug in den Urlaub. Heute habe ich zum ersten Mal seit drei Wochen wieder weitergestrickt, und langsam kann ich mich mit dem für meine Verhältnisse sehr bunten Muster anfreunden. Noch vor ein paar Wochen, beim Stricken auf dem Balkon, hatte ich nämlich große Zweifel, ob ich so eine bunte (lies: nicht schwarze oder graue) Jacke später gerne anziehen würde. Aber lass' es erstmal so ein trüber Herbsttag sein wie heute, dann wirken die Farben gleich ganz anders! Das wird eine Schlechtwetterjacke, eine Jacke für die lichtlose Zeit, die in Berlin ja scheinbar besonders lang und besonders lichtlos ist. Der krasse Herbsteinbruch (zumindest für mich, da ich ja bis gestern noch im französischen Spätsommer war), hat mir jedenfalls einen Motivationsschub verpasst, beide Jacken in den nächsten sechs Wochen, besser früher, fertigzustricken.

Den Zwischenstand vieler anderer herbstlicher Strickjackenprojekte hier bei Chrissy.

Montag, 8. September 2014

Fully fashioned: Upcycling-Mode-Wettbewerb bei arte creative

Grafik: Perfect Shot Films ©Perfect Shot Films

Upcycling oder Refashion, kurz: das kreative Umarbeiten alter Kleidung, war schon häufiger Thema hier im Blog, zum Beispiel in der Serie Neues Leben für alte Kleider. Einen Fall für den Altkleidersack mit Nadel und Faden zu verwandeln finde ich noch viel befriedigender, als das übliche Nähen mit Meterware und neuen Zutaten. Durch die Beschränkung des Materials ergeben sich oft ganz neue und unvorhergesehene Lösungen, Refashion verbraucht wenig Ressourcen, und dass das Material häufig schon jahrelang ungenutzt im Schrank lag, macht es leicht, einfach mal unbekümmert draufloszuschneiden.
 
Aber auch Upcycling und Mode passen gut zusammen, das zeigt dieses Jahr das Modewochenende des Senders arte. Das Dokumentationsprogramm vom 27./28. September kann sich wie jedes Jahr sehen lassen und wird von einem Upcycling-Mode-Wettbewerb begleitet. 

Upcycling-Tutorial mit Jan-Philipp Gerlach - Foto: Juan Sarmiento ©Perfect Shot Films

Bis zum 29. Oktober können in der Community vorher-nachher-Bilder von kreativ umgestalteten Kleidungsstücken hochgeladen werden, zu gewinnen gibt es neben einer Nähmaschine, Nähpaketen und Burda-Abos auch einen Sommerkurs an der Esmod-Modefachschule in Berlin. Wäre das vielleicht etwas für euch? Auf der Webseite sind schon die ersten Wettbewerbsbeiträge eingegangen, zum Aufwärmen gibt es Video-Tutorials und jede Menge Links zu interessanten und inspirierenden Blogs und nützlichen Ressourcen.

Wenn euch der Wettbewerb interessiert, dann findet ihr hier alle Informationen. Ich drücke allen Teilnehmenden die Daumen und bin gespannt auf die Kreationen.

(Die Pressemitteilung zum Wettbewerb, die mir die betreuende Agentur zuschickte, weil die Nahtzugabe unter den Inspirationen genannt wird, verwendete übrigens den Begriff Näh-Nerd - wir schaffen es schon noch, dass diese Wortneuschöpfung in den Duden aufgenommen wird!)

Freitag, 5. September 2014

Nahtzugabe unterwegs: Berlin (Flohmarkt auf der Straße des 17. Juni)


Wenn man schon länger in einer Stadt lebt, hört man ja irgendwann auf,  Touristensachen zu machen. Man besichtigt nichts mehr, man fährt nicht mehr ins Stadtzentrum, wo die Sehenswürdigkeiten sind, man macht keine Bootsfahrten und Stadtführungen schon gar nicht, es sei denn, Besucher von außerhalb wünschen dies. Auch an mir erkenne ich dieses Muster: Unter den Linden nur noch mit Besuch, KadeWe nur noch mit Besuch (da wollte leider schon lange keiner mehr hin), auf die Museumsinsel wird der Besuch alleine geschickt, und von einigen typischen Touristensachen rate ich sogar ab.

Der Flohmarkt auf der Straße des 17. Juni war so eine Touristensache, von der ich schon oft abgeraten hatte, aber, wie ich jetzt zugeben muss, zu Unrecht. Ich hatte nämlich angenommen, Flohmärkte in Berlin seien generell überteuerte Touristenfallen die nur von dem Glauben der Touristen lebten, Flohmarktbesuche gehörten zum typischen Berliner Lebensgefühl. (Die Ursache meiner pauschalen Flohmarkt-Ablehnung liegt wohl beim Markt an der Arena Treptow, in dessen Nähe ich wohne und der in jedem Berlin-Reiseführer online wie offline empfohlen wird: Muffige Hallen, durchzogen vom Geruch nach altem Fett, der von einer schmuddeligen Pommesbude ausgeht, hingeschüttete Haufen alten Hausrats, kein Stück, das nicht schmutzig oder angeschlagen wäre, schlecht gelaunte Händler, die dafür Mondpreise verlangen, und keiner kauft. Ein Flohmarkt mit schlechtem Karma, Hallen, die vor Unzufriedenheit summen. Auch ein Vorurteil? Vielleicht - ich war bestimmt zwei Jahre nicht mehr auf diesem Markt und werde meinen Eindruck demnächst überprüfen).   

Auf den Trödelmarkt, der jeden Samstag und Sonntag auf der Straße des 17. Juni zwischen der Station Tiergarten und dem Charlottenburger Tor stattfindet, schleifte mich der Liebste nun vor einigen Wochen und zwang mich, meine Vorurteile zu revidieren. Uns erwartete ein gut besuchter, aber nicht überfüllter netter kleiner Markt mit einer Mischung aus professionellen Händlern und Gelegenheitsverkäufern. Es wurde viel geredet und gekauft, die Preise, die ich mitbekam, kamen mir nicht überzogen vor - Käufer glücklich, Händler glücklich, und damit ergibt sich gleich eine positiv gestimmte Atmosphäre, ich finde das merkt man. 

Die mich mitriss, denn an einem Stand, wo mehrere Freundinnen Klamotten  verhökerten, erstand ich voller Begeisterung eine sehr niedliche, sehr winzige Abendhandtasche aus den Achtzigern, in die nur ein Geldschein, der Hausschlüssel und ein Lippenstift passt. Ich muss ein Faible für solche unpraktischen Taschen haben, von dem ich bis jetzt noch nichts wusste - beim Heimkommen fand ich in meinem Accessoirekorb, in den ich selten hineinschaue, drei weitere secondhand erstandene Minitaschen vor, deren Existenz ich komplett vergessen hatte. Zugegeben, keine so schön wie die neue. 



Auch für Textilliebhaberinnen bietet der Flohmarkt auf der Straße des 17. Junis so einiges. Es gibt mehrere Stände mit schönen alten Leinenservietten, Geschirrtüchern, gestickten Überhandtüchern und Decken, hier und da mal ein  Nähkästchen oder eine Nähmaschine, und vor allem gibt es (im rechten Gang vom S-Bahnhof Tiergarten aus) einen großen Knopf- und Kurzwarenstand. Ich habe da auch schöne alte Gürtelschnallen gesehen, Karten mit Perlmuttknöpfen, ein paar Garne und Borten, und selbst in den 1-Bund-1-Euro-Kisten liegen sehr brauchbare Jacken- und Mäntelknöpfe, immer fünf bis zehn zusammen aufgefädelt. Hätte ich nicht schon die Tasche gekauft, hätte ich hier noch ein paar Perlmuttknöpfe mitgenommen.

Jenseits des Charlottenburger Tors Richtung Ernst-Reuter-Platz schließt sich ein Kunsthandwerkmarkt an, den fand ich bei unserem Besuch nicht so interessant. Es gab viel "Kunsthandwerk", das zwar sicher auch das Werk kunstfertiger Hände war, aber eben von Händen in China oder Indien, aber auch das mag sich ändern.

Nach dem Schaufenstergucken bei Manufactum in der Hardenbergstraße kehrten wir noch auf Kaffee und Kuchen im Café Hardenberg ein, was mir einen kleinen Nostalgieanfall bescherte, denn in diesem Studentencafé scheint die Zeit seit zwanzig Jahren stehengeblieben. Das gilt für die Einrichtung, fürs Essen gilt das glücklicherweise nicht. Und so erwies sich ein Nachmittag mit typischem Touristenprogramm als ein rundum gelungener Ausflug.

Trödelmarkt an der Straße des 17. Juni
Samstag und Sonntag 10- 17.00 Uhr
Haltestelle Tiergarten (Stadtbahn)