Samstag, 23. Juli 2016

Die Nähmaschinen der Zukunft?

Ich bin ja keine große Gadget- und Nähzubehörkäuferin, aber ein bißchen enttäuscht bin ich meistens doch, wenn ich Nähmaschinenprospekte durchblättere. Echte Innovationen gibt es bei den neuen Maschinen nicht, so mein Eindruck, es geht im Wesentlichen darum, das Nähen durch noch mehr Sensoren und noch mehr elektronisch gesteuerte Voreinstellungen komfortabler zu machen und eine noch größere Auswahl von Zierstichen bereitzustellen. Die Maschinen werden tendenziell immer größer und bekommen neuerdings oft einen Touchscreen zur Bedienung, ansonsten hat sich in Sachen Nähmaschinentechnologie in den letzten Jahrzehnten nicht viel verändert.

Nur Spiegel Sewing und Toyota schlagen andere und jeweils ganz unterschiedliche Wege ein, und ich frage mich, ob einer von beiden wohl die Zukunft der Haushaltsnähmaschinen ist.

Screenshot: Spiegel Sewing
Spiegel - von der Marke hatte ich vorher noch nie gehört - ist quasi sowas wie der amerikanische Quelle-Versand. Zum 150jährigen Firmenjubiläum brachte Spiegel eine Nähmaschine heraus, die die Revolution des Nähens einleiten soll, eine Nähmaschine, die sich ins heimische WLAN einklinken kann.

Mit der so genannten "Stitch Cam", einer integrierten, auf den Nähfuß gerichteten Kamera, kann man das Nähen filmen (mit Ton!) und die Videos direkt in sozialen Netzwerken einstellen. Ein Beispiel für so einen Nähfilm einer Nutzerin findet sich hier bei Instagram - wie zu erwarten ist das nicht sonderlich aufregend, aber Spiegel hat auch noch eine App in petto. Mit dieser App lassen sich Videotutorials zu den Funktionen der Maschine oder zu bestimmten Nähtechniken anschauen, im Appstore "Premiumstiche" für die Maschine erwerben (zusätzlich zu den 350 Stichmustern, die sie schon besitzt), und laut Werbefilm auch Schnittmuster, Stoffe und Nähzubehör über die Spiegel-Webseite. Was einen da genau erwartet, bleibt etwas nebulös, weil diese Angebote ohne die App offenbar nicht zugänglich sind, zumindest konnte ich im Spiegel-Shop nichts finden. Das Prinzip ist aber klar: Es wird der Nähmaschinenbesitzerin möglichst einfach gemacht, bei Spiegel auch noch alles andere zu kaufen, das man zum Nähen benötigt. Die Nähmaschine selbst kostet 296 $ und macht auf Bildern einen verhältnismäßig soliden Eindruck, zum Beispiel hier im Auspack-Video einer Nutzerin.

Ich muss ja zugeben, dass ich die Maschine mit diesen goldfarbenen Leisten furchtbar hässlich finde und die App für mich überhaupt kein Grund wäre, eine Nähmaschine zu kaufen - aber ich kann mir vorstellen, dass das Konzept seine Anhängerinnen finden wird. Das Versprechen, dass Schritt für Schritt ganz genau im Film gezeigt wird, wie die Maschine zu bedienen ist, spricht wenig  wagemutige Neu-Näherinnen bestimmt an. Viele sind davon genervt, Schnitte und Stoffe und Kurzwaren selbst zusammenstellen zu müssen und wollen vor allem die Sicherheit, dass alles zueinander passt und sie keine Fehler begehen. Die App vermittelt das Gefühl, dass nichts schiefgehen kann, schätze ich. 

Die zweite Nähmaschine abseits des Üblichen kommt von Toyota, die bei uns bisher ja eher für günstige und in jeder Hinsicht durchschnittliche Nähmaschinen bekannt sind.


Screenshot: Oekaki Renaissance


Die Nähmaschine Oekaki Renaissance fällt zuerst natürlich mit ihrem schnittigen Design aus dem üblichen weißen Nähmaschineneinerlei heraus: Es gibt sie in rot, schwarz oder grün-grau ("Salbei"). Ihre technischen Eigenschaften entsprechen denen der meisten mittelpreisigen Maschinen, das Nähen wird elektronisch gesteuert, es gibt 50 verschiedene Stiche, darunter drei Knopflöcher und ansonsten recht wenig Schnickschnack.

Das Besondere ist die so genannte "Oekaki-Funktion", ein eingebauter Freihand-Stickmodus. Wie man es vom Freihandsticken kennt, wird der Transporteur versenkt und der Stoff frei in alle Richtungen bewegt. Zusätzlich verändert sich in diesem Modus die Stichbreite, je nachdem, wie stark man auf das Fußpedal tritt. Die Maschine wird dann nicht schneller, sondern der Zickzackstich breiter, den sie näht. Hier in diesem kurzen Film lässt sich erahnen, dass es aber einige Übung braucht, ehe man damit schöne, schwungvolle Schriftzüge fabriziert. In der ganz neu eingerichteten Werkgalerie auf der Oekaki-Webseite finden sich schon sehr schöne frei gestickte Beispiele - aber ich habe den Eindruck, dass die Spezialfunktion des Fußpedals dabei gar nicht so offensichtlich eingesetzt wurde, sprich: Mit Geduld und Können und einem Stickfuß könnte man das alles vermutlich auch auf jeder anderen Maschine sticken.

Trotzdem finde ich die Maschine schon aufgrund des Designs sehr reizvoll - ich mag die Form und ich könnte mich kaum für eine Farbe entscheiden, hätte ich die Wahl. Für das, was sie technisch zu bieten hat, erscheint sie mir aber verhältnismäßig teuer (bei uns kostet sie um die 550€). Eine Revolution des Nähens ist die Nähmaschine von Toyota sicherlich nicht, aber ich wundere mich, dass sie die ersten sind, die in Sachen Nähmaschinendesign die ausgetretenen Pfade verlassen haben.

Ist die Zukunft der Nähmaschine bunt und außergewöhnlich? Oder werden wir bald alle irgendwelche Apps nutzen, die uns die Hersteller unserer Nähmaschine zur Verfügung stellen und die uns beim Nähen an die Hand nehmen? Oder noch ganz etwas anderes?

21 Kommentare:

  1. Ich brauche keine Maschine mit Schnickschnack. Mir gefällt bei keiner einzigen Nähmaschine der kleine Durchlass

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    1. Das ist in der Tat ein Problem, wenn man zB quilten will, das auch die großen Maschinen nicht wirklich lösen. Es müsste eine ganz andere Konstruktion geben als die übliche, damit man einerseits einen großen Durchlass hat, die Maschine andererseits aber auch nicht riesig wird.

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  2. Spiegelnähmaschinen ist glaube ich auch in Australien verbreitet, meinetwegen muss die Maschine nicht stylish sein,ich möchte gar keine in schwarz,die ständig staubig aussieht.
    Ich will schon einige must haves, Wünsche gibts zwar noch, internetfähig muss sie für mich auch nicht sein, aber ich denke wer näh-stickkombis hat, für den wäre das interessant.
    lg
    monika

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  3. Na dann ist wohl ein Come-Back von soliden Maschinen mit mechanischen Teilen aus Metall nicht in Sicht und jeder der solch einen zuverlässigen Oldtimer zu Hause hat hüte seinen Schatz.
    Die Beweggründe zur Ausstattung der ersten Maschine kann ich nachvollziehen, eine Halterung für ein Handy zum Filmen wäre eine Alternative. Irgendwie hat es was von einem Backofen mit App zur Bestellung von Backmischungen.
    Bei der zweiten Maschine stört mich der kleine Durchlass, der kann gar nicht groß genug sein.
    Vielleicht sollten wir Blogger mal auflisten, was für uns an einer Nähmaschine wichtig ist. Spontan fällt mir dazu ein:
    1. mechanische Bauteile aus Metall (nicht aus Plastik)
    2. geräumiger Durchlass
    3. verstellbare Unterfadenspannung
    4. praktischer Zugang für Flusen-Reinigung
    eine Reinigungsautomatik wäre mal was.
    5. optionaler Anschiebe-Tisch, die Einklappfunktion älterer Maschinen ist sehr praktisch.
    LG Ute

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    1. Wahrscheinlich können wir auf solide Teile aus Metall lange hoffen - wenn die Maschine lange hält, ist das nicht im Sinne der Industrie. Eine verstellbare Unterfadenspanung hat doch eigentlich jede Maschine, zumindest jede mit vertikaler Spule und Spulenkapsel, oder ist das auch nicht mehr so?

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  4. Super spannendes Thema!

    Ich schaue mich ja gerade bei den Stickmaschinen um, und finde es erstaunlich, dass sich WiFi noch nicht durchgesetzt hat. Schließlich muss man im Prinzip bei jeder Benutzung eine Datei auf die Maschine laden.

    Noch krasser wird es bei den Haushalts-Strickmaschinen, die sind auf dem Stand von vor 30 Jahren.

    Also ich hoffe wirklich noch auf ein paar Innovationen in dem Bereich!

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    1. Das ist ja interessant! Ich habe mich mit Stickmaschinen noch nie richtig beschäftigt, daher hatte ich den Aspekt, dass diese Maschinen irgendwoher die Stickdatei bekommen müssen, gar nicht im Kopf. Dafür ist WiFi heutzutage wirklich die beste Lösung - wenn man zB seine Stickmuster in der Cloud speichern und direkt mit der Stickmaschine darauf zurückgreifen könnte. Aber ich schätze, dass nicht nach praktischen Lösungen gsucht wird, sondern man versucht, ein möglichst geschlossenes proprietäres System aufzubauen, damit die Leute Stickmuster kaufen, die sie dann nur mit einem bestimmten Maschinentyp sticken können etc.

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  5. WLAN und Tablett hatte doch auch schon eine Janome, wenn ich mich recht erinnere.

    Ich gebe aber zu, daß ich sowohl das mit der Camera interessant fand als auch die OEKAKI Funktion. Wobei für mich beides dann eher was für eine Zweitmaschine wäre. Für die ich dann wieder keinen Platz habe.

    Wobei ich die Toyota auf einer Messe schon ausprobiert habe, die machte jetzt gar keinen so schlechten Eindruck für den Preis. Und Toyota baut wohl auch schon eine ganze Weile Nähmaschinen. Nur nicht für den deutschen Markt.

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    1. Die Sache mit der Kamera verstehe ich irgendwie nicht. Warum sollte ich den Nähfuß beim Nähen filmen? Was mache ich dann mit den Aufnahmen? Was würdest du damit machen? (Wobei Nähfilme vielleicht eine Alternative zu den schönsten Bahnstrecken im Nachtprogramm sein könnten. Wer weiß, das wird noch das nächste große Ding.)

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  6. In die blaue "salbeifarbene" Toyota-Maschine hatte ich mich spontan verliebt als ich auf der Suche nach einer Maschine für mich war - allerdings hat sie das Budget für meine Anfängermaschine ziemlich geprengt.... Ansonsten komme ich mit meiner W6 und den 16 verschiedenen Stichen auch sehr gut klar *hihi* Wer benutzt eigentlich die 350 Zierstiche? Davon nutzt man doch maximal 10 regelmäßig, oder? Najaa, wenn ich einmal groß bin, gibts vielleicht auch ne Maschine die viele tolle Sachen kann, vorerst reicht mir meine völlig aus ;)

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    1. Ja, die Toyota-Maschine finde ich preislich auch etwas ungünstig positioniert. Als Anfängermaschine tendenziell zu teuer, aber auch keine Maschine, die keine Wünsche offen lässt, wenn ich das richtig sehe. Für mich wäre das auch eine Zweitmaschine wie Nowak sagte, hätte ich den Platz und das Geld dafür. Aber ausprobieren würde ich die ja schon gerne mal.

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  7. Dankeschön für diesen interessanten Post! Spannend.

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  8. Ich kenne mich damit ja nur theoretisch aus, aber die "Spiegel"-Maschine scheint mir der Thermomix der Nähmaschine werden zu wollen, oder?
    Wenn ich mal groß bin und Platz habe, würde ich mir eher eine Industriemaschine zulegen als 350 Zierstiche in gruseligem Gehäuse, bin also eindeutig nicht die Zielgruppe. Die Entwicklung zu verfolgen, finde ich aber allemal interessant und es gibt ja bekanntlich viele bunte Wesen auf Gottes grüner Wiese...
    LG, Bele

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    1. Jaaa, Thermomix! Du hast völlig recht, das war die Assoziation, die mir halb auf der Zunge lag. Wenn Spiegel konsequent ist, dann verkaufen sie auch noch Materialpakete mit Schnitt, Stoff und Kurzwaren, die Anleitung gibts per App. Und wenn man nach Schnitt oder Stoff fragt, bekommt man ein mitleidiges "das kannst du nicht nähen, die Anleitung ist von Spiegel" zur Antwort. Die Maschine müsste bis dahin aber noch fünfmal mehr kosten, sonst klappt das nicht.

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  9. Ein spannendes Thema ... mir persönlich würde so ein farbiges Gehäuse (ja ich stehe auf rot) gut gefallen, aber das könnte man mit jeder beliebigen Maschine machen. Aber wirklich toll fände ich auch - wie oben schon genannt - eher so elementare Dinge wie eine gute Mechanik, einen weitern Durchlass, dass man sie gut reinigen kann ... LG Ingrid, die nicht immer und überall das Bedürfnis nach Innovationen hat

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    1. Vielleicht kommen die farbigen Gehäuse ja so langsam - bei Kühlschränken haben wir sie ja schon, das hat aber auch Jahre gedauert.

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  10. Ich habe mir das Video der Spiegel-Näherin angesehen und fand die Glitzer-Fingernägel der Benutzerin beindruckend, die Bildqualität des Videos allerdings weniger. Die Perspektive ist interessant, aber es kommt doch sehr pixelig daher. (Was auch an Instagram liegen könnte.) Die Toyota finde ich sehr stylish, gefällt mir. Aber WENN ich mir eine neue Maschine leiste, dann eine mit breitem Tisch fürs Quilten, mit Kniehebel zum Füßchen heben und mit verstellbarer Nadelstellung (links-rechts). Bis dahin wird's meine alte Privileg (jaja, Quelle...) noch tun müssen. Und spätestens seit ich hier gesehen habe, was eine alte Brasilianerin mit einer mechanischen Singer von 1910 anstellt (ab ca. 3:30 sieht man Produkte), bin ich sowieso der festen Überzeugung, dass großartige Ergebnisse nicht vom technischen Schnickschnack der Nähmaschine abhängen. Liebe Grüße, Gabi

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    1. Das sowieso! Wobei etwas mehr Komfort (Fadenabschneider, Nadeleinfädler zB) schon angenehm ist - aber gerade solchen nützlichen Schnickschnack scheint die Toyota-Maschine ja nicht zu haben.

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  11. Vielen Dank für den interessanten Post. Für professionelle Blogger oder E-Book Designer ist eine Nähmaschine mit Kamera eventuell tatsächlich hilfreich. Aber ansonsten denke ich, dass bei Nähmaschinen eine ähnlicher STand wie bei Fahrrädern herrscht. Es lässt sich nicht mehr inhaltlich verbessern - dann wäre es keine Nähmaschine mehr. "Innovationen" der Hersteller beziehen sich entweder auf das Design oder auf zusätzliche Stiche, aber die Dinge die wirklich mit dem reinen Nähen zu tun haben sind einfach ausgereift. Und nicht zuletzt liest man auch in den Blogs immer wieder, dass sich viele eine funktionale und robuste Maschine ohne Schnick schnack wünschen. Meine Pfaff hat einen Unterfadewächter - war bestimmt eine Innovation, ist aber großer Quatsch, weil beim Signalton noch 8 Meter Faden auf der Spule sind und der Signalton sich auch nicht ausschalten lässt. Etwas mehr Farbe beim Design, da wäre ich für zu haben, das wäre aber kein Grund eine neue Maschine anzuschaffen. LG Kuestensocke

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    1. Ach, ich denke ab und zu, dass es vielleicht nochmal den großen Wurf geben könnte, und etwas anderes als die übliche Nähmaschine dabei herauskommt - aber vermutlich hast du recht, das wäre dann etwas ganz anderes, oder sowas wie das Liegerad: Funktioniert, fährt, aber muss man mögen.
      Dass Unterfadenwächter meistens nicht zufriedenstellend funktionieren - obwohl die Idee dahinter ja wirklich gut ist - habe ich leider schon öfter gelesen. Manche halten die Maschine sogar an und man kann nicht weiternähen und ist aufgeschmissen, wenn der Sensor spinnt.

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  12. Um im Bild zu bleiben: Der Unterfadenwächter ist dann offensichtlich nicht die Rohloff-Nabe der Nähmaschine. Aber vielleicht kommt ja noch etwas anderes...
    Ich finde ja schon eine gute LED- Beleuchtung einen sinnvollen und wünschenswerten Fortschritt...
    LG, Bele

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