Sonntag, 24. Februar 2019

Gezeichnete Mode: Ausstellung in den Reinbeckhallen Oberschöneweide


Mich gibt es noch! Der Januar und vor allem der Februar sind ohne Zweifel die härtesten Monate in Berlin, und nach drei Wochen Herumgeschnupfe und Erkältungs-Pingpong habe ich erst seit kurzer Zeit das Gefühl, dass es wieder aufwärts geht. Im Hintergrund ist aber einiges passiert, bald gibt es von neuen Büchern bei Schnatmyer&Derham zu berichten!


Noch in einem etwas vernebelten Halb-Erkältungszustand besuchte ich vor zwei Wochen eine sehr interessante Ausstellung von Modegrafik aus der DDR - "Zwischen Schein und Sein" - in den Reinbeckhallen in Oberschöneweide, die ich sehr empfehlen kann. Die Reinbeckhallen sind ein Teil des riesigen Industriekomplexes zwischen Wilhelminenhofstraße und dem Spreeufer, ehemals Standort des Kabelwerks Oberspree und der AEG. Vor einigen Jahren wurde in der Gegend die Hochschule für Technik und Wirtschaft angesiedelt, in den alten Hallen gibt es kleine Firmen und immer noch viele freie Flächen. Ein ganzer Komplex am Ende der Reinbeckstraße wird seit 2017 für Ausstellungen, Veranstaltungen und für Ateliers genutzt.


Die Modegrafik-Ausstellung fand ich sehr gut zusammengestellt und erläutert. Die Blätter, vor allem Zeichnungen, stammen von den Mitarbeiterinnen des Modeinstututs der DDR, das zu seinen Anfängen Kollektionen für die Bekleidungskombinate entwickelte. Später, als sich gezeigt hatte, dass die Entwürfe aus Gründen der Rationalisierung bei der Produktion und aus Mangel an passenden Materialien, wenn überhaupt nur vollkommen verwässert in den Handel gelangten, bekam das Modeinstitut einen direkteren Draht zu einigen Bekleidungsfabriken, die die Entwürfe für den Verkauf in Exquisit-Läden umsetzten. Dafür wurden schließlich sogar im Westen Stoffe und andere Materialien eingekauft.

Modellzeichnungen mit Stoffproben von Karin Klinger

An den Zeichungen kann man zum Teil noch erkennen, wie mit ihnen gearbeitet wurde: Angeheftete Stoffschnipsel, von anderen Zeichnungen durchgepauste und eingeklebte Elemente, handschriftliche Bemerkungen zu Steppnähten, Schnittführung und Material.

Zeichnungen von Ursula Fehlig

Andere Zeichnungen geben eher eine Atmosphäre, ein Lebensgefühl wieder. Das mag ich so an Modezeichnungen: Dass nicht wie bei einem Katalogfoto jedes Detail ausformuliert ist, sondern dass die Vorstellung immer ihren Teil dazutun und das Gezeichnete ergänzen muss.Bei Modezeichnungen setze ich meine Vorstellungskraft sehr gerne in Bewegung - während dieser Vorgang bei arg "künstlerischen" Modefotos, auf denen man das Kleidungsstück kaum erkennen kann, für mich meistens nicht funktioniert.

Zeichnung von Dorothea Melis

Ich habe in der Ausstellung jedenfalls viele Entwürfe gesehen, die ich sehr gerne anziehen würde, und es hat mich besonders gefreut, in der Ausstellung über die Designerinnen des Modeinstituts auch etwas mehr zu erfahren. Die Ausstellung läuft noch bis zum 31. März, geöffnet ist immer Donnerstag bis Sonntag, am Freitag ist der Eintritt frei.

Auch die Umgebung der Hallen ist einen Spaziergang wert (wenn es nicht zu kalt ist). Eine durchgängige Uferpromenade führt jetzt bis zum Peter-Behrens-Bau (einst Verwaltung und Produktion der Neuen Automobil-Gesellschaft, 1917, jetzt Hochschule), in dessen fünften Stock es eine Cafeteria mit einem tollen Blick über Schöneweide gibt (Turmcafé Oberschöneweide). Ein paar Schritte weiter am Ufer ist in einem alten Hafenkran das Kranhauscafé. So weit bin ich bei meinen Ausstellungsbesuch in verschnupftem Zustand aber gar nicht gekommen . Da das Café Schöneweile direkt bei der Ausstellungshalle voll war, verschlug es Hern Nahtzugabe und mich in die Kranbar ein paar Schritte weiter (an dem Spazierweg, der zum Kaisersteg führt), und das war ein Volltreffer - sehr guter Kaffee, und so einen locker-cremigen Käsekuchen habe ich selten gegessen. Im Sommer, wenn man draußen sitzen kann, muss es dort traumhaft sein. Also auf nach Oberschöneweide!

Zwischen Schein und Sein
Modegrafik in der DDR 1960-1989

Reinbeckhallen
Reinbeckstr. 17, 12459 Berlin (Oberschöneweide)

noch bis 31. März 2019
Do+Fr 16-20.00 Uhr, Sa+So 11-20.00 Uhr
Eintritt 5€/3€ ermäßigt, freitags Eintritt frei

6 Kommentare:

  1. Klingt super! Herzlichen Dank für den Ausstellungstipp und gute Besserung! Den Käsekuchen würde ich dann auch nehmen... Liebe Grüße Manuela

    AntwortenLöschen
  2. Das klingt sehr spannend. Hoffentlich schaffe ich es noch nach berlin vor Ende März. Vor ca. 10 / 12 Jahren war ich mehrmals beruflich in der Wilhelminenstraße. Damals war es schon interessant, postindustriell, aber vernünftige cafes gab es keine. Meine Freundin aus Friedenau nannte diesen teil immer Oberschweineöde. Danke für den Tipp in jeglicher hinsicht. LG anjA

    AntwortenLöschen
  3. Da werde ich doch glatt am Freitag einen Ausflug machen müssen! Das klingt wirklich gut! Und es ist auch noch fast um die Ecke :)

    Viele Grüße Karo

    AntwortenLöschen
  4. Ich habe den Flyer schon eine Weile hier und sehe es demnächst.Es gab eine gute Ausbildung zu DDR-Zeiten,auch wenn das oft von Unwissenden belächelt wird.Und gute Modegrafik muß man heute einfach suchen.
    Wünsche dir gute Besserung!
    viele Grüße, Karen

    AntwortenLöschen
  5. Ach, DANKE! ... das hätte ich wieder verpasst. Wo es doch direkt vor der Haustüre ist.
    Liebe Grüße,
    Birgit

    AntwortenLöschen
  6. Liebe Constanze
    Das tönt sehr schön, aber ich werde das leider nicht schaffen. Gute Besserung und liebe Grüsse aus Tasmanien Anita üblicherweise aus Basel

    AntwortenLöschen

Vielen Dank für deinen Kommentar!
Mit Abschicken des Kommentars erklärst du dich einverstanden, dass deine Angaben zu Name, Email, ggf. Homepage und die Nachricht selber gespeichert werden. Kommentare können auch anonym verfasst werden. Blogspot erfasst außerdem die IP-Adresse sowie Datum und Uhrzeit des Kommentars.
Der Kommentar kann jederzeit wieder gelöscht werden oder du kannst ihn durch mich entfernen lassen.
Mit dem Absenden deines Kommentars bestätigst du, dass du meine Datenschutzerklärung sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und sie akzeptierst.
Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, wenn sie Werbung oder Links zu Spam-Seiten u. ä. enthalten.