Dienstag, 6. August 2019

Entdeckung in der fränkischen Provinz: Das Klöppelmuseum Burg Abenberg und das Fabrikmuseum Roth


Zur Reiseplanung gehört für mich die Suche nach textilrelevanten Zielen unbedingt dazu: Gibt es in der Gegend, in die ich fahre, eine besondere textile Handwerkstradition, bestimmte typische Techniken oder Materialien, gibt es Modeausstellungen, textiles Kunstgewerbe oder Industriemuseen? Die Suche ist oft ziemlich zeitraubend und nicht sehr erfolgreich, weil viele kleinere Museen kein nennenswertes Budget für Öffentlichkeitsarbeit haben und nur kleine Webseiten, die schlecht gefunden werden. Man muss also oft genau wissen, was man sucht - oder aus Zufall darauf stoßen.

Nach Mittelfranken fahre ich seit Jahren regelmäßig zu Familienbesuchen. Vom Klöppelmuseum in Abenberg habe ich trotzdem erst vor kurzem erfahren - wenn ich mich richtig erinnere war in der Lokalzeitung, in der ich bei der Verwandtschaft ab und zu blättere, ein Bericht über irgendeine Veranstaltung in Abenberg, in dem das Museum erwähnt wurde.


Abenberg ist eine Kleinstadt mit (laut Wikipedia) etwa 5500 Einwohnern. Die Burg, deren Ursprünge wahrscheinlich auf das 10. Jahrhundert zurückgehen, thront sehr beindruckend auf einem langgestreckten Hügel über dem Ort und ist schon von Weitem zu sehen. Beste Herrschafts- und Dominanzarchitektur, wobei die Türme (in einem davon ist ein Burghotel untergebracht) im 19. Jahrhundert romantisierend wiederaufgebaut wurden - daher die Zinnen und die Ecktürmchen wie aus einem Dornröschenfilm.

Das Klöppelmuseum ist in einem kleinen Nebengebäude im Burghof untergebracht und ihm gelingt es, mit einer tollen, modernen Ausstellung nicht nur die Technik des Klöppelns und die Geschichte des Klöppelns in der Region zu erklären, sondern auch den Kontext, in dem dieses Handwerk ausgeübt wurde - was geklöppelt wurde, wer die Frauen waren, die klöppelten und unter welchen Umständen sie lebten und nicht zuletzt, wer sich Geklöppeltes überhaupt leisten konnte. In der zweiten Etage gibt es wechselnde aktuelle Ausstellungen, im Moment werden geklöppelte Mantillas aus Spanien gezeigt, ab 22. September zeitgenössische Spitzenkunst.

Metallborten waren das Spezialprodukt der Abenberger Klöpplerinnen

In Abenberg wird seit etwa 1770 geklöppelt, als Zubrot zu der Arbeit auf dem Feld in dieser sehr armen Gegend. Die Klöppelei wurde dabei schon bald mit einem System von Zwischenmeistern organisiert: Die Zwischenmeister boten mit Hilfe von Musterbüchern Borten und Spitzen in großem Stil an und sammelten Aufträge ein, die sie an eine Schar von Heimarbeiterinnen weiterreichten. Die Klöpplerinnen arbeiteten häufig unter großem Termindruck, auch Kinder mussten schon frühzeitig mithelfen. Dazu ging die Arbeit zuhause vonstatten, in den typischen, schlecht beleuchteten fränkischen Bauernstuben mit den kleinen Fenstern. Die Ausstellung enthält einige Interviews mit Klöpplerinnen aus dem Ort, die diese Auftragsarbeiten Mitte des 20. Jahrhunderts noch miterlebt hatten.

Klöppel und Klöppelkissen aus verschiedenen Ländern gibt es im Museum - die Papprolle in der Mitte stammt zum Beipsiel aus Malta.

Da hatten sich die Abenberger Klöpplerinnen allerdings schon professionalisiert: Zum einen spezialisierte man sich in Abenberg Mitte des 19. Jahrhunderts auf das Klöppeln mit feinen Drähten, Lahn (flachgeklopftem Draht) und metallumwundenen Fäden, aus denen Metallborten für lithurgische Gewänder, Trachten und luxuriöse Kleidungsstücke entstanden und bot damit Produkte an, die von Klöpplerinnen andernorts nicht hergestellt werden konnten. Zum anderen wurde mit der Einrichtung einer Klöppelschule die Wissensweitergabe gesichert und die Arbeitsbedingungen der Klöplerinnen verbessert: Sie klöppelten jetzt gemeinsam in den Räumen der Klöppelschule und konnten sich so zum Beispiel die Ausgaben für die Beleuchtung teilen.  


Die Sonderausstellung zeigt zur Zeit Mantillas aus Spanien

Die Klöppelschule gibt es heute noch - und wenn man der Museumsmitarbeiterin glauben darf, ist die Klöppeltradition im Ort noch sehr lebendig. Die Kinder des Ortes lernen weiterhin das Klöppeln, für Zugezogene scheint es zum guten Ton zu gehören, wenigstens einmal einen Kurs besucht zu haben und jedes Jahr im September gibt es ein Klöppelfest (2019 am 22.9.).

In der Ausstellung wurde ich auch auf ein weiteres Museum in der Region aufmerksam: Die Metallfäden, mit denen geklöppelt wurde, wurden nämlich unter anderem in Roth hergestellt - die sogenannte "Leonische Industrie", ein Begriff, den ich noch nie zuvor gehört hatte. Im Fabrikmuseum Roth kann man Sonntags die alten Maschinen in Aktion erleben. Den Besuch in Roth habe ich mir für den nächsten längeren Familienbesuch vorgenommen. Eventuell lohnt sich auch ein Besuch in Allersberg, wo das Gilardi-Anwesen - ein prächtiges Haus aus dem 18. Jahrhundert mit Fabrikgebäude - gerade restauriert wird. Die Gilardis stellten vom 18. Jahrhundert bis ins Jahr 2006 Drahtprodukte her, zuerst die Gespinste zum Klöppeln und für andere textile Techniken, zuletzt vor allem Weihnachtsbaumschmuck. 

Klöppelmuseum Abenberg
Burgstr. 16 91183 Abenberg 

Im März, November und Dezember immer Donnerstag bis Sonntag von 11-17.00 Uhr geöffnet
April bis Oktober Dienstag bis Sonntag von 11-17.00 Uhr geöffnet
Januar und Februar geschlossen 

8 Kommentare:

  1. Danke! Das klingt wirklich sehr spannend. Ich versuche mich ja immer noch von einem weiterne Hobby wie Klöppeln abzuhalten, umschleiche das aber seit Jahren.... ;)

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    1. Die Dame an der Museumskasse erzählte von einer 83jährigen, die dort in der Klöppelschule das Klöppeln gelernt habe. Ich nehme mir das entsprechend auch mal vor.

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  2. Danke. Klöppelspitze sieht einfach wunderschön aus. Im Fränkischen hat man aber keine Mantillas hergestellt, oder? Ist die Spitze wohl auch Teil der Örtlichen Sonntagskleidung geworden? Daa Museum kommt auf meine Liste, hoffentlich liegt es bald mal auf dem Weg.

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    1. Genau, die ausgestellten Mantillas waren alle aus Spanien. Und ich glaube für Klöppelspitze an der Kleidung war die Gegend zu arm, man konnte sich die eigenen Erzeugnisse nicht leisten. Wäre das in die örtliche Tracht eingegangen, hätte man das sicher gezeigt, denke ich. Aber das ist eine gute Frage, die in der Ausstellung nicht explizit beantwortet wurde - dazu würde ich jetzt gerne nochmal die Frau an der Kasse fragen, sie wüsste es bestimmt. Das musst du dann machen, wenn du mal dort bist.

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  3. Liebe Lucy,
    Vielen Dank für den ausführlichen Post! Ich selbst habe als Kind von meiner Mutter das Klöppeln gelernt. Meine Mutter und meine Schwester sind gerade zu einem Klöpprltreffen für einige Tage und frönen dem Hobby. Wenn du mehr übers Klöppeln wissen willst, kannst du ja mal auf der Homepage meines Vaters schauen. Www.busch-hermannsburg.de
    LG Rike

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    1. Danke für den Link - deine Mutter klöppelt ja unglaubliche Sachen! Ich finde es unfassbar, wie man so etwas Komplexes beherrschen kann. Wahnsinn.

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  4. Vielen Dank - das würde ich zu gerne sehen. Klöppeln ist eine Technik, von der ich so wenig weiß, und das, wo ich Spitzen sehr liebe - wie Oya oder gehäkelte.

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    1. Ich kann mit industriell hergesteller Spitze, also den Spitzenstoffen oder -borten aus dem Geschäft nicht so viel anfangen, aber diese handgearbeiteten Spitzen finde ich wirklich faszinierend. Da steckt so unglaublich viel Können und Arbeitszeit drin. Das kann das Museum wirklich gut vermitteln (und das alles dann noch bei Öllampenschein in einer engen Bauernstube geklöppelt!).

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