Seit kurzem schaut mich täglich eine rehäugige Simone d'Aillencourt vom Ausstellungsplakat der Uli-Richter-Ausstellung an, die bis zum 6. 1. im Kulturforum am Potsdamer Platz zu sehen war. Und tatsächlich sprach die Ausstellung das Rehlein in mir an. So Audrey-Hepburn-mäßig zierlich, herzig und mit perfekter Frisur wie die Damen auf den Modefotos, die vor Autos, bisweilen vor Flugzeugen und immer wieder vor der Gedächtniskirche posieren, möchte ich auch manchmal aussehen.
Nüchtern betrachtet waren die ausgestellten Kleider Botschaften aus einer fernen, fremden Welt der sechziger und siebziger Jahre, Mode für Gattinnen, wie sie die taz despektierlich aber nicht ganz zu Unrecht betitelt hat. Complets aus Kleid und Mantel, Abendkleider, Ozelotmäntel und Maihamsterschals, also Kleidung zum Repräsentieren, nicht für Arbeit oder Freizeit.
Aber Rehlein beiseite: In nähtechnischer Hinsicht konnte ich mich für einiges begeistern, auch wenn die Kleidungstücke nicht in mein Leben ohne Staatsbankette passen.
Mein Lieblingsstück war ein gelber Seidenmantel mit Posamentenknöpfen (hier auf dem vierten Bild von unten zu sehen). Die Abnäher und Teilungsnähte wurden außerordentlich geschickt plaziert. Die Ärmel sind angeschnitten, im Vorderteil gibt es Brustabnäher und eine Teilungsnaht, die in die Seitennaht übergeht, im Rückenteil bilden die Ärmel zugleich eine Rückenpasse.
Die gelbe Doupionseide hat eine leichte Rippenstruktur, die durch den schrägen Zuschnitt an der vorderen und rückwärtigen Mitte zusammenläuft.
Wie immer bei solchen Ausstellungen gab es keine Einblicke in Innenleben und Produktion dieser handgemachten Kunstwerke, auch nicht im Katalog zur Ausstellung. Ich wäre neugierig, wie Einlagen und Futter bei diesem Teil aussehen.
Gibt es eigentlich spezielle Schulterpolster für angeschnittene Ärmel? Warum ist der angeschnittene Ärmel überhaupt aus der Mode gekommen? Bei Marlene Esser, Schneidern mit Chic (1966) ist er noch ein Standardschnitt für Mäntel und Winterjacken, heute nur eine Fußnote im Nähratgeber, gerade mal geeignet für einfachste Kinderkleider.
Marlene Esser, Schneidern mit Chic
Vermutlich hat sich unsere Haltung zu Schultern im allgemeinen geändert: sie sollen auch bei Frauen klar definiert sein, außerdem läßt sich der Stoff mit einem zweiteiligen eingesetzten Ärmel wesentlich besser ausnutzen, was für die Konfektion nicht unwichtig sein dürfte. Glücklicherweise geht "klar definiert" im Moment nicht so weit, wie Uli Richter in den achtziger Jahren. Zwei Filme zeigten in der Ausstellung Richter-Modeschauen vom Anfang und vom Ende des Jahrzehnts. Es ist ja immer wieder interessant, dass sich die eigene Haltung gegenüber vergangenen Moden irgendwann, irgendwie, halb unbewusst ändert, aber diese Footballspieler-Schultern, womöglich noch im Fuchspelz - Iwan Rebroff ist nichts dagegen - die werden wohl nie wiederkehren.
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