"Nähmaschinen-Porn!" kommentierte Alex vorhin, als ich bei twitter ein erstes Foto der neuen alten Maschine im Fuhrpark zeigte. Ja, ich bin auch so eine, die gerne alte Maschinen aufschraubt, säubert und ölt, die an einer Nähmaschine lieber chromglänzende Knöpfe bedient als Touchscreens. Meine Schwiegeroma hatte mir ihre alte Maschine schon lange angeboten, und nun ergab sich kurzfristig eine Transportmöglichkeit nach Berlin.
Es handelt sich um eine Gritzner VZ-Automatic von 1957, eine schwergewichtige Maschine mit Metallgehäuse. "Zwei Monatslöhne vom Opa!" habe die Maschine damals gekostet, erzählt die Oma sehr gerne bei jedem Besuch. Sehr viel Geld, aber einen guten Teil des Anschaffungspreises spielte die Maschine bald wieder ein, denn die Oma half ihrer Nachbarin und Freundin Frau G, Schneidermeisterin, beim Nähen von Aufträgen. Frau G. wohnt immer noch in der Nachbarschaft - vielleicht erinnern sich einige, im März 2009 porträtierte mein Liebster die Werkstatt von Frau G. hier im Blog.
Die Gritzner ist, wie man sieht, in einem zierlichen 50er-Jahre-Schränkchen installiert. Die Deckplatte kann man aufklappen, sie ruht auf der filzgepolsterten Kante der Tür und bildet so eine große Arbeitsfläche. Meinen nächsten Wintermantel werde ich an dieser Maschine nähen. Wahrscheinlich ist sie auch prima fürs Quilten geeignet.
Die Nähmaschinenfirma Gritzner wurde 1872 in Karlsruhe-Durlach gegründet und vergrößerte sich schnell: 1905 wurden schon 120 000 Nähmaschinen produziert. 1931 fusionierte Gritzner mit dem Nähmaschinenhersteller Kayser aus Kaiserslautern zur Gritzner-Kayser AG, 1957 übernahm Pfaff die Aktienmehrheit an dieser Firma. Die grüne Hammerschlaglackierung scheint ganz typisch für die Gritzner-Maschinen zu sein, zeitgleich gab es auch ein etwas einfacheres Modell, bei dem Deckel und Handrad aus cremeweißem Kunststoff sind.
Bei diesem Modell sind nur die Füllungen der Verstellknöpfe aus Plastik, außerdem der Knopf am Hebel zur Stichlängenregulierung (im Bild oben auf der linken Seite) und zwei kleine Rädchen, mit denen die Zickzackbreitenbegrenzung bzw. die Zierstiche eingestellt werden. Die Spulvorrichtung liegt vorne am Handrad. Das ist verchromt, aus Metall, und genauso schwer und solide, wie es aussieht.
Die Schaltzentrale der Maschine. Linker Knopf: Verstellen der Nadelposition links-mitte-rechts. Rechter Knopf: Einstellen der Zickzackbreite - Position "0" ist Geradstich. Hebel unten rechts: Stichlänge. Die eingebauten Grundstiche der Maschine sind Geradstich, Zickzackstich und eine genähte Bogennaht, ähnlich wie ein genähter Zickzackstich. Und unter der Chromplakette mit dem stilisierten Greif ist eine Klappe verborgen, dort befindet sich...
... die Zierstichautomatik. Auf einem Metallstift sitzen auswechselbare Kunststoffscheiben, die über eine Art Abtaster auf rein mechanische Weise die Stichbreite beim Nähen verändern. Fünf Zierstichkurven gehören zur Maschine, damit können 10 verschiedene Zierstiche genäht werden.
Ein Blick ins Innere: Oben in der Mitte das Kunstoffrad, mit dem man in den Zierstichmodus schaltet. Die Maschine war gut in Schuss, als sie hier ankam, sie stand bis zuletzt in einem gut geheizten, trockenen Wohnzimmer. Ich fand so gut wie keinen Staub, ölte sie nur ein bißchen nach. Der Motor und das mechanische Nähgeräusch ergeben einen ganz besonderen, tiefen Sound, sie hört sich vollkommen anders an als meine anderen Maschinen.
Nach meinem Eindruck näht sie sehr präzise - bei meiner Hauptnähmaschine von 1990 habe ich immer den Eindruck, dass die einzelnen Stiche beim Geradstich ein ganz kleines bißchen schräg stehen, bei dieser Maschine nicht. Ich werde das demnächst vergleichen, aber zuerst muss ich mich um etwas anderes kümmern. Beim Ausprobieren wunderte ich mich schon, dass das Gehäuse leicht unter Spannung stand, und dann entdeckte ich gerade noch rechtzeitig das:
Puh. Also erst Kabel auswechseln, dann weiterprobieren.
Oha, spannendes Maschinchen :)
AntwortenLöschenToll, einfach toll! Sieht aus, als wäre Dir ein echtes Schätzchen zugewandert. Aber das Grün hat Gritzner nicht allein gepachtet, war das vielleicht Zeitgeist? Meine Veritas, Baujahr 1962, ist auch grün (http://valomea.blogspot.de/2012/06/teflonfu-und-nahmaschine.html)
AntwortenLöschenIch nähe fast ausschließlich alles auf ihr, sie hat einen Lederkoffer und wiegt 17 Kilo!
Der Reiz ist tatsächlich, dass man sie arbeiten sehen kann, alle Räder und Wellen und sie frisst echt Öl. ich öle nach Anleitung regelmäßig 43 Ölstellen.
Viel Freude daran, besonders auch am coolen Sound!
LG
Valomea
Guten Morgen, das ist hochinteressant und faszinierend. Für alte Technik, die robuster und widerstandsfähiger, also heute noch zuverlässig ihren Dienst tut, kann ich mich sehr begeistern. Das ist genauso schön wie alte Uhren, die man früher aufziehen musste und in ihrem Inneren die Rädchen arbeiten sehen konnte.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Ulrike
Du wirst sie lieben.
AntwortenLöschenAuch oder gerade wegen des familiären Hintergrunds.
Meine Pfaff ist BJ 1959, das ist ein ganz anderes Nähgefühl wie mit den neuen Maschinen. Wobei die natürlich auch Vorteile haben, aber für mich (und ich vermute auch für dich) sind so alte, robuste Teile gut geeignet. Analog statt digital.
Aber wie Valomea schreibt- Ölen ist echt wichtig.
(Auch bei den neuen Maschinen, aber nicht in dem Ausmaß)
Wunderschön! Die sieht einfach super aus! Ich bin ja gespannt, ob das jetzt deine Hauptnähmaschine wird. Ich finde das mit dem tiefen schönen Ton an den alten Maschinen einfach wirklich viel schöner als an den neuen, und die Präzision und Durchschlagkraft ist mit dem massiven Metall einfach anders. Eigentlich brauchst du vielleicht höchstens mal neue Kondensatoren oder so und ansonsten wird sie einfach mit dir zusammen alt werden! Hach.
AntwortenLöschenSehr sehr schick. Und ein Tisch ist, finde ich, unschlagbar beim Zuhause nähen.
Liebe Grüße,
frifris
Ich freu mich sehr mit dir! Scharfes Teil!
AntwortenLöschenToll so ein älteres Modell und näht wahrscheinlich richtig professionell. Viel Glück damit
AntwortenLöschenwünscht die häkelnde
schurrmurr
Was für eine wunderschöne Maschine. Und Wahnsinn, wie schnell es in der Nachkriegszeit voran ging. Ich habe eine Gritzer von 1953, komplett mechanisch, Pedalantrieb, nur Gradstich und mit Schiffchen als Unterfaden, also vom Stand der Technik eher Vorkriegsmodell, sie wirkt auch so, als wollte man einfach recht schnell wieder eine funktionierende Maschine verkaufen können und nicht wie das neueste vom Neuen. Aber das schöne Grün hat sie auch.
AntwortenLöschenBin auch ein Freund von älteren Maschinen. Meine 90er-Jahre Privileg benutze ich nur zum versäubern und für Knopflöcher, sonst arbeiten entweder besagte Gritzner oder eine Singer Featherweight von 1948. Bessere Nähte habe ich von noch keiner Nähmaschine gesehen und das trotz ihres fortgeschrittenen Alters.
Und vielen Dank für die Beschreibung der Zierstichautomatik. So etwas hat keine Maschine von mir, aber in einem Zubehördöschen fliegen diese Räder rum. Ich wusste, wofür sie waren, habe so eine Mechanik aber noch nie aus der Nähe gesehen. Jetzt weiss ich, worauf ich achten muss!
Im Maschinenschränkchen lag noch ein Gritzner-Prospekt mit Nähmöbeln und Maschinen, da ist so eine Geradstich-Schiffchenmaschine auch dabei. Das Modell "R", wenn mich nicht alles täuscht (habe den Prospekt gerade nicht hier). Sie wird angepriesen als robust und besonders günstig, also für die Leute, die keine zwei Monatsgehälter ausgeben konnten. Irgendwo habe ich aber gelesen, dass diese Schiffchen-Geradstichmaschinen unschlagbar seien, wenn es um das Vernähen schwieriger Materialien geht, zum Beispiel flutschigen Jersey, wo modernere Maschinen Stiche auslassen. Auch Tretmaschinen sind in dem Prospekt noch drin, bzw. man konnte bei allen Maschinen zwischen Motor und Pedalantrieb wählen. Der Werbetext macht aber deutlich, dass man sich doch für den Motor entscheiden solle - keine Angst, an die schnellere Geschwindigkeit würde man sich gewöhnen!
LöschenWas für ein Schätzchen, viel Spaß damit!!!
AntwortenLöschenOhhhhhh, danke fürs teilen! I liebe alte Nähmaschienen, metall und schwer. Ich selber nähe auch mit einer Alten, Elna Zig Zag
AntwortenLöschenLiebe Grüsse
ilsebyl
Schön, sie ist in Berlin angekommen.
AntwortenLöschenIch finden bei den alten Maschinchen, den Transport immer Hammer. Da hatte ich noch nie das Problem, dass Stiche ungleich lang wurden. Wenn die Maschine erst mals fix und immer einsatzbereit steht wirst Du bestimmt gerne und viel drauf nähen.
Unter Gritzner werden ja heute ältere ursprüngliche Pfaffmodelle verkauft, recht günstig und wie ich hörte, gute Qualität. Weil Pfaff ist ja schon lange nicht mehr Pfaff.
"Verehrte Hausfrau! Nun steht sie vor Ihnen - ..." so beginnt die Bedienungsanleitung. Für eine Schwester deiner Maschine, vielleicht ein kleinbisschen jünger, eine Gritzner GU Zauber-Automatic, ebenfalls in grünem Hammerschlag mit Creme. Ich benutze sie gar nicht, weil ich sie nicht allein aus ihrem Koffer herausheben kann und weil sie auch nicht ganz so zuverlässig näht wie deine, trotz Inspektion. Zauberautomatik ist wahrscheinlich meist eher schlecht. Aber nun will ich der alten Dame noch einmal ein Chance geben. Die Stromgeschichte ist ja fast das einzige Problem dieser alten Maschinen, meine musste da auch repariert werden. Viel Glück bei der weiteren Nutzung!
AntwortenLöschenOoh, die Zauber-Automatic mit Radioskala? Die scheint legendär zu sein, oder zumindest lieben die Maschinensammler die, weil sie einen Drehknopf hat, mit dem man die Zierstiche so ähnlich wie bei der Senderwahl beim Radio auswählen kann. Gritzner stellte gleichzeitig auch Radiogehäuse her, daher kam das wohl.
LöschenIch hatte mal eine Riccar mit so einem Radiodrehrad. Leider war das auch ihr Schwachpunkt. Irgendwann lies sich der Knopf nicht mehr drehen trotz Reinigung und Ölung.
LöschenDie Nähmaschine, auf der ich meine ersten Stücke zusammengerattert habe, war eine gusseiserne, hammerschlaggrüne Adler und ich trauere ihr schon etwas hinterher (auch wenn ich damals manchmal geflucht habe, war sie doch Meisterin des Unterfadensalates). Optisch und haptisch finde ich die alten Maschinen wesentlich sympathischer als neue Modelle. Und dann noch mit so stylischem Nähmöbel!
AntwortenLöschenViel Spaß damit wünscht Bele
Was für ein Schätzchen. Ich habe auch so eine gusseiserne Dame hier stehen. Eine cyanfarbene Singer. Auch mit Programmscheiben. Die gebe ich nie her. Schließlich habe ich vor drei Jahren auf ihr gelernt zu nähen :.)
AntwortenLöschenHallo und herzlichen Glückwunsch. Ich war ganz aus dem Häuschen als ich die tolle Gritzner gesehen habe. Ich habe genau die gleiche Maschine die ich von meiner Mutter übernommen habe.
AntwortenLöschenSie hatte diese in den 60er gebraucht gekauft und in den 80er einen Motor einbauen lassen.
Ich habe da schon sehr viele dinge genäht und möchte meine Gritzner nicht mehr missen. Hat mir bisher, obwohl ich sie sehr beanspruche nie in stich gelassen. Pflege und Hege sie und nähe hauptsächlich nur auf sie, obwohl ich drei andere Maschinen daneben stehen habe.
Viel spaß noch, Gruß
Quikote
Hallo, delightfully would like to share that I just received such a machine as a gift to the Boitumelo Project based in Hillbrow, Johannesburg and the crafters said they do not want to work on such an old machine. I brought it home to test and see if it works, looked up on the internet and found this wonderful blog, wow, thank you.
AntwortenLöschenOh, congratulations! This machine sews wonderfully and will surely last another 50 years or so. I hope your machine works - and thank you for your visit here and your nice words.
LöschenBonsoir, je recherche depuis longtemps la notice de la machine GRITZNER VZ. La votre est superbe. Avez vous le manuel d'utilisation car je ne l'ai pas et je n'arrive pas à me servir de la machine correctement. Si vous pouvez scanner le manuel et me l'envoyer, je serais ravie car je n'ai pas trouvé sur le web. Merci beaucoup. Véronique Pozza France
AntwortenLöschenBonjour Véronique,
Löschenon trouve le manuel pour cette machine ici: Anleitung Gritzner komplett
Viel Glück mit deiner Maschine!
Constanze
Hallo,
AntwortenLöschenich bin ich aus Belgien.
Ich habe die gleiche Maschine.
Ich Begrijp die Cams nicht !
Möchten Sie die Manuel für mich zu kopieren?
Vielen Dank
und beste Grüße
Patricia
Hallo Patricia,
Löschenvon der Anleitung (Manual) gibt es hier eine Kopie:
Anleitung Gritzner
Ich hoffe, das hilft!
Viele Grüße Constanze