Sonntag, 2. August 2015

Die Farben von Erde, Himmel, Wind und Regen: Kimonoausstellung im Bröhan-Museum in Charlottenburg


Der Berliner Westen muss hinter der Museumsinsel immer ein bißchen zurückstecken, dabei findet sich am Charlottenburger Schloss mit dem Museum Berggrün, der Sammlung Scharff-Gerstenberg und dem Bröhan-Museum eine ganz erhebliche Ansammlung von Ausstellungsfläche. Aber ehrlich gesagt schaffte ich es selbst erst vor kurzem zum ersten Mal ins Bröhan-Museum, das auf Kunsthandwerk aus Jugendstil und Art Déco spezialisiert ist. Derzeit läuft dort (und noch bis zum 6. September) eine Ausstellung zeitgenössischer japanischer Kimonos und europäischen Kunsthandwerks aus der Zeit um 1900, in dessen Dekoren sich die damalige Japanbegeisterung zeigt, und den textilen Teil wollte ich auf keinen Fall verpassen.  


Die Kimonos stammen von Fukumi Shimura und ihrer Tochter Yoko Shimura, in Japan mehrfach ausgezeichnete Textilkünstlerinnen. Das Seidengarn für die Stoffe der Kimonos wird von Fukumi Shimura selbst mit Pflanzenteilen gefärbt - vom zartesten, klarsten Blassrosa bis hin zu tiefdunklem, intensiv leuchtenden Violett oder Burgunderrot. In der Welt der Shimuras ist mit dem Färben, den  Pflanzen und den Mineralien in der Beize, die am Färbeprozess beteiligt sind, eine ganze Naturphilosophie verbunden, die Mondphasen spielen beim Färben ebenso eine Rolle, wie die Umgebung, in der eine Färbepflanze gewachsen ist. Einen Einblick in dieses Denken und in den Herstellungsprozess der Kimonos bekommt man in einem kurzen Film in der Ausstellung.   


Mich begeisterten vor allem die klaren, leuchtenden Farben und ich musste an Suschnas Fazit der Stoffspielerei im April nach ihren Experimenten mit wilden Farben denken: Naturfarben sind nicht zwangsläufig nur grau-braun-erdig. Selbst Zwiebelschalen (mit denen ich schon mal fleckige rotbraune Ostereier gefärbt hatte) ergeben auf Seide, und von einer Expertin gefärbt, einen tief leuchtenden Honig- bis Kupferton. Die Seidengarne wurden für die Kimonos auf alten Webstühlen zu schmalen Bahnen verwebt, besonders beeindruckend die Stoffe in Ikat-Technik, bei denen Kett- und Schussfäden vor dem Färben so abgebunden werden, dass sie in verwebter Form ein Muster bilden - im Prinzip so ähnlich wie bei selbstmusternden Sockengarnen.  

Spannend ist auch der zweite Teil der Ausstellung, der die Inspiration durch japanische Dekore und Gestaltungsprinzipien in europäischer Kunst und europäischem Kunsthandwerk um 1900 zeigt, allerdings vor allem anhand von Objekten aus Glas, Porzellan, Keramik und Silber. Textilien sind auch in der Dauerausstellung des Bröhan-Museums kaum vertreten - aber das ist eine andere Geschichte: Für Sammler wie Historiker haben Textilien lange Zeit nicht den gleichen Stellenwert wie Gegenstände aus anderen Materialien gehabt, und vielleicht ist das sogar bis heute so.

Die Kimono-Ausstellung läuft bis zum 6. September. Einen Vorgeschmack (und vor allem sehr schöne Fotos!) liefert die Webseite von Fukumi Shimura, die zur Ausstellungseröffnung im Juni sogar in Berlin war und einen Färbe-Workshop an der UdK gab, wo unter anderem mit Berliner Linden gefärbt wurde - Fotos des Workshops hier.

6 Kommentare:

  1. Danke für den ausführlichen Berivht.,ich war am Freitag auch in der Ausstellung und tief beeindruckt. Da bist Du mir wohl zuvorgekommen.
    LG schurrmurr

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  2. Deine Fotos und der Hinweis auf die Farben u. Philosophie spornt an zum Besuch. Auf dem ersten Bild würde man gar nicht an Streifenstoffe denken. Die Bilder vom Färbeworkshop an der Uni sind ja auch sehr interessant, wie klinisch alles! Und man stutzt bei der Wertschätzung unserer Linden. Am liebsten würde ich in Japan mal einen Färbeworkshop mitmachen, das wäre ein Grund, die lange Reise anzutreten. Also, ich hoffe bald mehr im Bröhan Museum zu entdecken.

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  3. Als ich die Plakate vor ein paar Tagen sah, dachte ich mir gleich, dass Du bestimmt bald von der Kimono-Ausstellung berichten wirst. :-)

    Passend zum Sommer habe ich kürzlich eine nette Doku über die deutschen Seebäder gesehen, da wurde u. a. auch die Strand- und Bademode im Wandel der Zeit erklärt:
    https://www.youtube.com/watch?v=r50AvKUKdQA (Ostsee, Bademode ab min. 9:00)
    https://www.youtube.com/watch?v=T41MJjziO5M (Nordsee)
    Die Titel der beiden Filme sind vertauscht, bitte nicht wundern.

    Viele Grüße,
    Henriette

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  4. Vielen Dank für deinen Bericht!
    Ich hab diesen Post nun schon eine Weile geöffnet in meiner Tabs-Leiste und überlege, wie ich es denn noch zu dieser Ausstellung schaffe... und fürchte, das ich keine Lösung mehr für das Zeitproblem finde. Aber Kimonos und ihre Stoffe sind einfach immer wahnsinnig schön!

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  5. Das würde mich auch interessieren. Hier in Dresden gab es kürzlich eine Austellung mit alten Kimonodruckschablonen. Sehr spannende Technik und wunderbare Muster. Ein paar wenige alte Kimonos waren auch ausgestellt. Die Wirkung der modernen Muster ist sicher eine ganz andere. Naturfarben auf Wolle können ganz leuchtende, kräftige Farben ergeben.
    Herzliche Grüße,
    Malou

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  6. Ich bin leider weit weg von Berlin, aber dein Bericht und der Link auf die Seite der Shimuras sind sehr inspirierend. Ich finde, die Art wie sie mit Farben umgehen, sie verarbeiten und die Wirkung beschreiben hat etwas sehr spirituelles. Vielen Dank für die Infos. Es lohnt sich immer wieder auf deinem Blog vorbeizuschauen.
    L.G.
    Friedalene

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