Eigentlich müsste es bei mir "schwarz auf weiß" heißen, denn als ich letztes Jahr bei der Recherche nach alten Grafiken einen Katalog für Druckstöcke und Schriften entdeckte, fand ich den Inhalt so interessant und dekorativ, dass ich unbedingt etwas machen wollte. Der Katalog "Specimens of type, borders & ornaments, brass rules & cuts" ist von 1897 und kann hier bei archive.org virtuell durchgeblättert werden.
Es lohnt sich wirklich, sich ein paar Seiten anzuschauen, am besten mittendrin: Das Buch fängt sehr langweilig an, mit Preislisten, Schlagwortverzeichnissen, anschließend Linien, Rahmen und Gebrauchsschriften, aber dann kommen die dekorativen Schriften und es wird interessant. Damit man abschätzen kann, wie die Schriften wirken, sind als Beispiele Wörter und Sätze abgedruckt - oft so unsinnig und merkwürdig, dass ich mich frage: Ist das alles Zufall, oder hat sich der Setzer des Schriftkatalogs einen Spaß daraus gemacht, eine verborgene Geschichte in den Katalog hineinzuschmuggeln und ergibt das alles einen Sinn, wenn man die absurden Wortgruppen in der richtigen Reihenfolge liest? "Demolished Christmas Decorations" - "Refused Tickets" - "Graceful Buildíngs" - "Horned, wrecked, Hendersons" - "Brides desire utmost faith" - "Band played march kindhearted golden moments" - das ist doch eine Geschichte, oder?
Aber von diesen faszinierenden Minidramen abgesehen, enthält der Katalog viele schöne Ornamente, dekorative Rahmen und Signets, eben alles, was eine amerikanische Druckerei um 1897 beim Drucken von Zeitungen, Büchern, Handzetteln, Anzeigen, Plakaten, Einladungskarten gebrauchen konnte. Die Ornamente kann man auch für Grafikbasteleien am Rechner gebrauchen, ich wollte versuchen, sie auf Stoff umzusetzen.
Mein ursprünglicher Plan, auch noch ein schwarz-weiß gestreiftes Hemd wiederzuverwerten, das ich dann besticke, ist nichts geworden, weil mir jetzt am Donnerstag die allerletzte Prüfung meines Lebens dazwischengekommen ist, von dem Termin wusste ich noch nichts, als wir die Stoffspielerei-Termine verteilten. Aber ich habe schon mal einen Schriftzug gestickt, und das ging besser als erwartet.
Der Großteil der Bilder aus dem Buch sind hier bei flickr commons als Scan verfügbar. Ich habe den Schriftzug "New Ideas" in einer mittleren Größe ausgedruckt, auf Butterbrotpapier durchgezeichnet und die Zeichnung auf der Rückseite mit dem Bügelmusterstift von Prym nachgezeichnet. Dieser Transferstift sieht aus wie ein Bleistift und verbraucht sich sich gut wie nicht, ich habe meinen seit Jahren. Auf Stoff gelegt und mit mittlerer Hitze gebügelt, überträgt sich die Zeichnung mit blauen Linien auf den Stoff. Ich stecke Papier und Stoff auf dem Bezug des Bügelbretts fest, dann kann nichts verrutschen.
Wir haben uns bei den Stoffspielereien ja schon oft über Übertragungsmethoden von Vorlagen ausgetauscht, für helle, waschbare Stoffe ist der Bügelmusterstift meines Erachtens die beste Möglichkeit. Die Linien verwischen beim Nachsticken nicht, aber sie lassen sich in warmem Wasser mit etwas Waschpulver leicht auswaschen.
Beim Sticken muss man dann ausprobieren, ob und wie man von der Vorzeichnung abweicht. Ich habe Umrisse mit Stielstich dreifädig gestickt, teils mit kleinem Langettenstich, um die Schraffierungen des Drucks nachzuahmen, feinere Linien mit zweifädigem Garn (und bin nicht ganz fertig geworden). Bei der Vorlage ist der Hintergrund gesprenkelt, ich werde stattdessen wohl noch die Buchstaben mit Sprenkeln ausfüllen. Es macht großen Spaß, und da mir die Schriften und Ornamente aus dem Buch ungeheuer gut gefallen, werde ich nach Anwendungsmöglichkeiten suchen.
Die schwarz-weißen Projekte der Mitspielerinnen:
Ines - Nähzimmerplaudereien - hat mit schwarzen und weißen Stoffen gespielt und verblüffende Illusionen erzeugt, und sie zeigt auch, wie sie das gemacht hat.
Tyche - Tyche's touch - hat ein älteres schwarz-weißes Projekt wiederbelebt, einen Yukata, das japanische Äquivalent des Bademantels, mit Kreuzstichstickereien und Sashiko.
Textile Werke hat mit Maschinenstickerei auf Mull experimentiert.
Martina - Machwerk - hat schwarzen Stoff mit Bleichgel behandelt und hellen Stoff schwarz bedruckt und zeigt auch ganz ausführlich, wie das geht.
Mond - bimbambuki - hat gelochtes Kunstleder schwarz und weiß experimentell bestickt.
In der Galerie der Handarbeiten gibt es schwarz-weiße Falten.
Gabi - Made with Blümchen - zeigt gleich mehrere Projekte: Blackwork-Stickerei, Knöpfe und ein Täschen.
Karen - Feuerwerk bei Kaze - näht den La-Passacaglia-Quilt in English Paper-Piecing-Technik und zeigt ihren Fortschritt.
Suschna - Textile Geschichten - arbeitet an Stoffbuchseiten im Stil von Louise Bourgeois.
Ute - 123-Nadelei - hat schwarze und weiße Oberhemden zu einer Patchworksdecke recycelt.
Ich danke euch allen fürs Mitmachen, so interessante Sachen sind entstanden! Die Liste ergänze ich im Laufe des Tages, denn ich glaube, da kommt noch einiges. Jetzt muss ich erstmal bei einem Umzug helfen, heute Nachmittag kann ich dann in Ruhe schauen.
Im Juli und August ist ertsmal Stoffspielerei-Sommerpause, weiter geht es am 24. September 2017 bei Siebensachen mit dem Thema: Von der Natur inspiriert. Am 27. Oktober 2017 folgt Ute – 123-Nadelei mit Fäden auf Farbe.
Das sieht super aus! Gerade Schrift auf Stoff ist ja ziemlich schwierig, wenn man keine gute Vorlage bzw. Vorzeichnung hat. Und wenn man sie hat, kann man ganz in Frieden vor sich hin sticken.
AntwortenLöschen(Aus dem Buch habe ich auch schon Symbole verwendet, manchmal baut der Setzer aus Gegenständen komische Gesichter zusammen, da ist klar, dass sie sich einen Spaß erlauben).
Das sieht toll aus. Für was verwendest Du den Schriftzug?
AntwortenLöschenFür größere Vorlagen verwende ich den Bügelmusterstift, für kleinere zeichne ich die Linien wie üblich auf Butterpapier nach und fahre sie dann auf der Rückseite mit dem weichsten Bleistift, den ich bekommen kann, nach. Papier auf Stoff legen mit den Bleistiftlinien nach unten und mit einer dicken Stricknadel die Linien nachziehen. Bleistift habe ich bis jetzt aus allen Stoffen herauswaschen können.
Meinen Beitrag findest Du unter http://www.galerie-der-handarbeiten.de/2017/06/25/stoffspielereien-im-juni/
Was für ein spannender Beitrag. Danke. Ich verwende einen auswaschbaren Zauberstift. Das Motiv lege ich auf eine Glasplatte mit Lichtquelle darunter zum Übertragen. Danke auch für das Thema. Da sind ja wieder vielseitige Projekte entstanden. LG Ute
AntwortenLöschenErst mal Danke für das schöne Thema, erstaunlich wie vielfältig die Ergebnisse geworden sind. Textiles in allen Facetten, wie wunderbar.
AntwortenLöschenDie Umsetzung von Schrift finde ich außergewöhnlich, vor allem weil aus den glatten schwarzen Linien etwas fragilere Striche werden die fast etwas skizzenhaftes bekommen. Das passt gut zu der "aufgerissenen" Umrandung.
Sieht klasse aus!! Bin gerade von Karen hierher gekommen. Falls der Post nur vom Juni, aber nicht von heute sein muss, hätte ich vielleicht auch was: http://all-taeglich.blogspot.de/2017/06/stoffbild-aus-jette-clover-kurs.html
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Moni
Eine schöne Idee in gelungener Umsetzung! Schwarzer Druck auf weißem Papier ist ja der schwarz-weiß-Klassiker.
AntwortenLöschenDanke für Deine Idee und fürs Sammeln der Beiträge (und nun genießen, dass die letzte Prüfung vorbei ist)
Liebe Grüße
Ines
Deine Grundidee so etwas auf eine Hemd zu sticken, finde ich ganz grandios. Wir sollten Typografie nächtes Jahr als Thema wählen.Den Hintergrund würde ich wohl eher mit Sprenkelen füllen, als die Buchstaben, ich denke es kommt besser.
AntwortenLöschenWie nah das an den heute so ieder beliebeten Kreideschriften und Lelleteringdingen ist, ist schon sehr ertaunlich!
viele Grüße Karen
Eine schöne Idee, man könnte auch die Stickerei vorab mit Textilmalerei kombinieren. Schrift für Stoffspielerei hat wirklich viel Potential, das sehe ich schon als Thema in 2018.
AntwortenLöschenDanke für das schwarzweisse Thema, dafür habe ich ganz viel Stoff.
LG Ute
Was für ein tolles Buch Du da entdeckt hast! Ich habe eine Schwäche für Typographie und gerade einen Blick hineingeworfen, das ist eine wirkliche Schatztruhe. Deine Beispielsätze sind wirklich schön absurd und die Schriftsetzer hatten sicher viel Spaß dabei, ich glaube aber auch gelesen zu haben, dass die Sätze so gewählt wurden, dass Besonderheiten der Schrift, vor allem in den Ober- und Unterlängen, veranschaulicht werden konnten.
AntwortenLöschenViele der Ornamente und Schriften kann man sicher auch wunderbar in Plotterdateien umwandeln, da das Buch ja unter anderem als pdf herunterladbar ist.
So einen Bügelmusterstift besitze ich auch, habe ihn aber beinahe vergessen - danke für die Erinnerung. Und allerherzlichste Gratulation noch einmal zur bestandenen Prüfung! Bist Du Dir sicher, dass es die letzte Prüfung in Deinem Leben war? Vielleicht möchtest Du im Alter noch ein Studium? ;-) lg, Gabi
Ich mag solch gestickte Schriftzüge sehr und bin gespannt, wie Deiner dann fertig aussieht und ob Du ihn weiter verwendest. Er ist so fein geworden und sieht aus, wie mit dünnem Marker auf den Stoff gekritzelt, toll. Danke für den Tip mit dem Bügelmusterstift - ich habe bis her meistens so einen Zauberstift verwendet, der aber äußerst schnell verblasst und manchmal mehr ärgert als nützt.
AntwortenLöschenAch, so viele schöne Arbeiten und ich bin wieder nicht dabei! Aber Anschauen und Bewundern ist auch eine Art Dabeisein. Ich habe ja früher einmal häufiger gestickt, finde aber meine neueren Versuche eher weniger gelungen. Um so mehr freue ich mich, wenn ich Arbeiten wie deine sehe, die mich motivieren, es mal wieder zu versuchen. Das erwähnte Buch ist eine Fundgrube, danke. Und bei meinem nächsten Stickversuch werde ich an den Bügelmusterstift denken.
AntwortenLöschenLG
Siebensachen