Dienstag, 15. November 2011

Kaleidoskope oder die Rolle des Zufalls

Wieviel oder wie wenig Improvisation, oder nennen wir es Intuition, ein glückliches Händchen oder gar Zufall, braucht Patchwork, um interessant zu sein? Und wie viel oder wie wenig Planung, um nicht im Chaos unterzugehen? Suschna machte sich vor kurzem Gedanken über diese schwierige Balance.


Das eine Extrem von Planung versus Improvisation, die Papiertüten-Zufalls-Methode – wahllos in den Stoffvorrat greifen und zusammennähen, was einem unter die Finger kommt - funktioniert nur bei vorsortierten Stoffresten, da stimme ich Suschna zu. Der grüne Untergrund für diese Monatsseite vor langer, langer Zeit wurde so genäht. Das andere Extrem wäre, den Zufall und das Spontane möglichst auszuschließen und den Platz für jedes einzelne Stoffstück akribisch vorzuplanen. Könnte funktionieren, aber dazu bin ich erstens nicht in der Lage, zweitens denke ich immer, dass zu viel Überlegung etwas zerstören würde, das nur durch den Flow, durch ein vom Verstand möglichst unbehelligtes Vorgehen entstehen könnte. (Und ertappe mich dabei, einer romantisierenden Kunstvorstellung anzuhängen - Kunst als spontaner, ungefilterter Ausdruck des Wesens des Künstlers, in einem kühnen Wurf undsoweiterundsofort -, obwohl mans doch längst besser weiß.)


Patchwork-Blockmuster sind ja ursprünglich nichts anderes als Strukturen, die helfen sollen, disparate Stoffreste in ein neues großes Ganzes zu verwandeln. Sie geben Formen, Kontraste und Helligkeitswerte vor, und für das Ergebnis gibt es im Englischen das glückliche Wort scrappy, das sich auf Deutsch nur unzureichend übersetzen lässt. (Stoffrestig? flickenhaft?)


Die Kaleidoskop-Kissenbezüge sind scrappy in diesem Sinne. Das Kaleidoskop-Muster war durch den Quiltalong von Don‘t call me Betsy in letzter Zeit im Netz häufig zu sehen, und dann auch bei uns in der Quiltgruppe bei Floh, Miriam und Nilya. Nilyas Interpretation gefiel mir besonders - durch ihre Anordnung der weißen Teile entsteht tatsächlich ein Kaleidoskopeffekt, Sterne und Kreise bilden sich beim Betrachten und lösen sich wieder zu etwas anderem auf, sobald man sie näher ins Auge fassen will.


Diese Anordnung übernahm ich bei den Kissenbezügen. Die gestreiften Teile bei Kissen Nummer eins sind aus zwei sehr ähnlichen Hemden geschnitten, alles andere sind Schnipsel aus der Restetüte, sortiert nach den Schwerpunkten rosa und rot. Ganz mit dem Zufall ging es hier also auch nicht zu. Beim Nähen achtete ich darauf, dass jeder Block für sich einigermaßen ansprechend wirkt, die Anordnung der Blöcke überlege ich mir immer erst, wenn alle fertig sind. Am meisten Spaß macht es, völlig unmögliche Stoffe, großgemusterte Seltsamkeiten oder wie hier einen roten Weihnachtsstoff mit aufgedruckten goldenen Sternen einzuschmuggeln, die im kompletten Kissenbezug gar nicht mehr auffallen.


Das zweite Kissen sollte in Farben gehalten werden die so ausgeblichen aussehen, als hätten die Stoffe ein paar Jahre in der Sonne gelegen. Hier kamen aus der Restetüte vor allem die weißen, cremeweißen und naturfarbenen Reste in verschiedenen Qualitäten von feinem Batist bis zu Leinen zum Zuge, zufällig angeordnet, so wie es sich beim Nähen ergab. Dazu blasse Reste, blockweise nach Farben sortiert.


Ein drittes Kissen, diesmal mit einem perfekt ausgeklügelten Farbverlauf, für das ich dann auch „richtige“ Stoffe angeschnitten hätte, ist über die Planung nicht hinausgekommen. Nicht nur, weil ich keine Lust mehr hatte, das Muster noch ein drittes Mal zu nähen, sondern wohl auch, weil der Zufall und damit das Überraschungsmoment dabei gar keine Rolle mehr gespielt hätte. Dazu passt, was Sherri Lynn Wood, von der das Rezept für Suschnas Floating squares stammte, gerade gestern zur Rolle der Improvisation beim Patchen anmerkte: "Improvisation is about the process not the outcome. It’s about learning from experience and recognizing what’s good enough, not achieving perfection."

16 Kommentare:

  1. da sieht man mal wieder, das selbe Muster und doch ein anderes Aussehen.


    Grüße Ramgad

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  2. Wow, die sind wunderbar geworden!

    LG
    Anne

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  3. Ja, wunderschön! Den Effekt mit den dünnen Streifen des Hemdenstoffes ist genial.

    Patchwork mit Elementen optischer Täuschungen, das stelle ich mir auch interessant vor. (Gespräch mit mir selbst, Pardon).

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  4. @frifris: genau, man müsste diese M.C Escher-Muster ja als Patchwork nachnähen können. (Aber dann müsste man wirklich jedes einzelne Stoffstück genau planen.9

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  5. ich bin immer wieder begeistert, welche wirkung ganz schlichte streifenstoffe entfalten können, wenn man sie richtig einsetzt. klasse.
    liebe grüße
    bianca

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  6. Ich finde die Wirkung umwerfend. Aber je länger ich darauf gucke, frage ich mich, ob ich heute abend tatsächlich zwei Schnäpse gekippt habe...;-)
    Viele Grüße
    Julia

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  7. Wunderbarer Post, interessante Kissen.

    Was hast Du Dir da aber auch für Arbeit gemacht? Respekt.

    So long,

    Caterina

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  8. Wow, die sind toooootal schön! Ich wünschte, ich hätte auch das Auge und die Geduld dazu. Eine tolle Inspiration.

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  9. soooo wunderschöne Kissen...ein Traum!

    liebe Grüße, Andrea

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  10. Die Ecken aus dem Streifenstoff sind total klasse, dadurch wird das Auge nochmal eingefangen und versucht herauszufinden, was es da sieht.
    Toll geworden!
    Ich liebe es vor allem, wenn die Stoffe wirklich Reste sind und schon gebraucht-gelebt.
    Danke fürs Zeigen.

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  11. Oh, ich hatte noch gar nicht mitbekommen, dass Sherri der Sache einen Eintrag gewidmet hat. Jetzt könnte ich es ja tatsächlich fast bereuen, dass das Ergebnis als Hülle in der Ecke liegt.
    Bei dem einen Kissen mag ich besonders, wie die Streifen zu Quadraten werden und wie sich Grün und Gelb dann doch noch eingeschlichen haben. Bei der ausgeblichenen Version mag ich, dass alles so subtil ist.
    Mit kommt so eine Arbeitsweise, bei der ein Teil der Ausgangskoordinaten (z.B. Material, Form, Menge) vorgegeben sind, entgegen. Der Flow entsteht dann im Idealfall beim Machen.
    "Gut genug" reicht auf jeden Fall.

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  12. Das Grafische der hellen gestreiften Stoffe erinnert mich irgendwie ein Stückchen Op-Art. Gerade in Verbindung mit den starken Farben kommt mit auch Roy Lichtenstein mit den schraffierten Flächen in den Kopf.
    Das alles sind nicht die schlechtesten Assoziationen, die man bei einem Stück in klassischer Patchworktechnik haben kann.
    :)
    Super!!

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  13. Wow, sind die klasse. Man sieht wieviel Arbeit drinnen steckt und wie raffiniert das ganze ist. Ich mag besonders, wie der gestreifte Stoff für sich selbst nochmal Muster bildet.
    Vielleicht hast du ja später noch einmal Lust das 3. Kissen zu nähen, aber ich kann nachvollziehen, wenn du jetzt erst mal eine Pause brauchst.

    Lg Sarah

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  14. Du hast meine volle Bewunderung!
    Zufall? Glaub ich nicht! Ich kann mir vorstellen, dass dich deine Intuitiion wunderbar geleitet hat! Ich stell mir das ziemlich schwierig vor! DIese kleinen Stoffstückchen schneiden und immer das große Ganze im Hinterkopf behalten!

    Liebe Grüße von Ellen

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  15. Die sind wirklich toll geworden, ich hätte da sicher ganz schnell den Überblick verloren!
    LG Mary Blue

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  16. Besonders das pastellne Kissen ist wirklich wunderschön! Diese Farbpalette gefällt mir zur Zeit sowieso besonders gut.

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