"Fäden" sind das Thema der Stoffspielerei, das frifris für den Juli vorgeschlagen hatte. Ich probierte diesmal verschiedene Techniken aus, mit gemischten Ergebnissen.
Die erste Idee: ich wollte etwas mit dem glänzenden Viskose-Stickgarn machen, das ich vor längerer Zeit in einem ertauschten Garnpaket bekommen hatte. Bei einer der Stoffmanipulationen vom letzten Jahr hatte ich ein ähnliches Garn schon einmal verwendet und festgestellt, dass Knoten von selber wieder aufgehen, weil es so glatt ist. Die absonderlichen Farben im Fundus - drei kräftige Gelbtöne, Rosa, Dunkelblau und ein komisches Rotbraun - fand ich aber gerade wegen ihrer Absonderlichkeit ganz hübsch.
Ich drehte aus Baumwollgarn eine lockere Kordel und wickelte das Stickgarn eng darum. Der Anfang einer neuen Farbe wurde jeweils mit umwickelt, das Ende mit einer Nadel im schon Gewickelten verstopft.
Ich wollte etwas herstellen, das man wie ein Collier um den Hals tragen kann, aber die bunte Schnur wurde ziemlich steif. Die Garne (im einzelnen: "Decora" von Madeira und "Elvira" und Elga" aus Altenburg) sind unterschiedlich dick und unterschiedlich glänznd, das sieht im Prinzip nicht schlecht aus, aber die Haptik lässt zu wünschen übrig.
Vielleicht besiedele ich die bunte Schnur mit gestrickten Monsterchen wie von Anna Hrachovec? (Dieses hier scheint aber auch nicht zufrieden zu sein.)
Nach diesem Zwischenergebnis dachte ich weiter darüber nach, wie ich weiche bunte Schnüre aus dem Garn herstellen könnte, und probierte es mit Stricken.
Sogenannte I-Cords strickt man mit zwei Nadeln (eine gute Bildanleitung gibt es hier), es kommt so etwas wie eine Stricklieselschnur dabei heraus, aber mit bis zu 10 Maschen. Ja, das ergibt eine Kordel, aber so richtig gefiel mir das auch nicht.
Ich verfiel also auf etwas ganze Absurdes, nämlich auf die Technik, die gerne als Beispiel für besonders nutzlose und/oder hässliche Handarbeit angeführt wird: Makramee. Aus meiner Grundschulzeit kann ich mich noch erinnern, dass bei einigen Klassenkameraden zuhause die heute sprichwörtlich gewordenen Makramee-Blumenampeln oder Makramee-Eulen hingen. Das Problem an diesen Kunstwerken war aus heutiger Sicht vor allem das typische Material: rustikale Jute- oder Sisalschnüre in Erdtönen. Nachdem ich den Gebrauchtbuchmarkt zum Thema Makramee gescannt habe, möchte ich behaupten, dass Makramee in den 1970ern bis in die frühen 80er Jahre fast ausschließlich aus so einer Art dickem Paketband geknüpft wurde, und danach (mehr oder weniger zu Recht) ausstarb.
Mein Lieblings-Referenzbuch, wenn es um alte Handarbeitstechniken geht, zeigt aber, dass es früher ganz anders war: Mizi Donner und Carl Schnebel widmen 1913 in Ich kann Handarbeiten *) dem Knüpfen drei Kapitel, "Die Knüpfflechtarbeit", "Die Makrameeknüpfarbeit" und "Die Posamentenknüpfarbeit". Knüpfflechtarbeit und Makrameeknüpfarbeit entsprechen den Techniken, die heute unter der Bezeichnung Makramee bekannt sind. Allerdings küpfte man zum Beispiel kunstvolle Fransen für Repräsentationshandtücher aus Leinengarn oder verzierte Tischdecken mit feinen, spitzenartigen geknüpften Borten.
Ich knotete eine Zackenborte - "aus der Zeitschrift Die praktische Berlinerin, Modell von Helene Becker, Berlin" nach, die im Original "in stahlgrauer Kordonnetseide in Verbindung mit runden, violett eingefärbten, polierten Holzperlen" geknüpft wird. Bei mir sinds lila Filethäkelgarn und schwarze Glasperlen. Die Einzelknoten werden auf einer Menge Seiten im Netz erklärt, ich verwendete für die Grundlagen das Makramee-Kapitel in Basteln, Werken, Handarbeiten von Jutta Lammér (1980) **).
Fürs Knoten ist es praktisch, die Arbeit irgendwo zu befestigen, z. B. mit einer Sicherheitsnadel auf einem Kissen. Der Rippenknoten, neben dem Kreuzknoten das Hauptelement der Makrameeknüpferei, entpuppte sich als alter Bekannter, nämlich als der Knoten, der auch für Freundschaftsbänder verwendet wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass man mit etwas Einarbeitung in die Knoterei sehr bald dazu kommt, sich eigene Muster auszudenken.
Die Anwendungsmöglichkeiten bleiben aber dennoch der Schwachpunkt dieser Technik: Fransen, kurze Borten, kleine Taschen (=Blumenampeln!) sind möglich. Ein Gürtel wird schon ziemlich kompliziert, weil das Knüpfmaterial etwa die fünffache Länge des fertigen Stücks haben muss, man müsste also mit etwa 5 Meter langen Schnüren losknoten.
Die Stoffspielereien sammelt frifris heute hier - die nächste Spielerei ist am 25. August und wird von Karen ausgerichtet.
Bücher:
*) Mizi Donner, Carl Schnebel: Ich kann Handarbeiten, Berlin 1913 - gibt es als Nachdruck aus den 1980ern und 1990ern, z. B. unter dem Titel "Handarbeiten wie zu Großmutters Zeiten", oft auch sehr günstig antiquarisch.
**) Jutta Lammér: Basteln, Werken, Handarbeiten, Leipzig 1980 - erschien zuerst 1970 und 1977 unter dem Titel Das große Ravensburger Hobbybuch in Ravensburg, die Leipziger Ausgabe ist die "Lizenzausgabe für die sozialistischen Länder", bisher konnte ich noch nicht überprüfen, ob die Ausgabe gekürzt wurde.
Sonntag, 28. Juli 2013
Stoffspielerei im Juli: Bunte Schnüre
Rubriken
Stoffspielerei,
Stricken
21 Kommentare:
Vielen Dank für deinen Kommentar!
Mit Abschicken des Kommentars erklärst du dich einverstanden, dass deine Angaben zu Name, Email, ggf. Homepage und die Nachricht selber gespeichert werden. Kommentare können auch anonym verfasst werden. Blogspot erfasst außerdem die IP-Adresse sowie Datum und Uhrzeit des Kommentars.
Der Kommentar kann jederzeit wieder gelöscht werden oder du kannst ihn durch mich entfernen lassen.
Mit dem Absenden deines Kommentars bestätigst du, dass du meine Datenschutzerklärung sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und sie akzeptierst.
Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, wenn sie Werbung oder Links zu Spam-Seiten u. ä. enthalten.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
die länge der knoten soll dich nicht hindern, was größeres zu knüpfen. wenn du beim aufwickeln der langen fäden nahe am werkstück beginnst, das ganze dann mit ein paar umwickelungen oder gummiband fixierst, kannst du den faden sehr gut bei bedarf herausziehen.
AntwortenLöschenich arbeite in meinem job auch mit makramee und ab und zu findet sich ein sehr nettes werkstück, das nicht verstaubt nach siebziger jahre aussieht!
lieben gruß,
susi
Ehrlich gesagt denke ich ja jetzt seit heute Morgen darüber nach, was das für ein Job sein mag, bei dem man ab und zu mit Makramee zu tun hat...
LöschenSchade, dass das Collier zu steif ist, es sieht sehr interessant aus. Vielleicht müsste man etwas "schlabbrigeres" als Kern finden.
AntwortenLöschenDas Kapitel bei Donner/Schnebel habe ich auch schon oft angeschaut und hätte es gern mal probiert. Aber es stimmt, die Verwendung ist schwierig. Wobei ich vor einiger Zeit mal ganz feines Makramee gesehen habe, aus dem Früchte, Gemüse u.a. hergestellt war, das war faszinierend.
In Schöner Wohnen gab es gerade eine Blumenampel in Makramee-Optil als DIY, in grasgrün. Ich habe vor 30 Jahren unter anderem ein Einkaufsnetz geknüpft, das hätte ich heute eigentlich ganz gern wieder. Gut, dass du das Thema aufgegriffen hast.
Habe den Macramee-Künstler gefunden: Ed Bing Lee, http://www.ignant.de/2011/06/14/ed-bing-lee/
AntwortenLöschenDas ist ja toll. Dreidimensionale Objekte sind eine echte Weiterentwicklung der Technik. Könnte man vielleicht mit Perlen kombinieren und kugelige Anhänger knüpfen.
LöschenDa bekommt man Lust, mal wieder was zu knüpfen. Ich erinnere mich noch gut an die vielen Blumenampeln, welche bei uns zu Hause hingen.
AntwortenLöschenDein Blog gefällt mir sehr gut, sehr inspirierend, da melde ich mich gerne an.
Ich habe schon das eine und andere Geschäft notiert, welches ich während meines Berlin- Besuches aufsuchen möchte. Vielen Dank für die tollen Tipps.
Liebe Grüße von Heike
Aber gerne! Danke!
LöschenDie Halskette könnte man vielleicht als Taschenhenkel verwenden. Nicht gerade für eine schwere Einkaufstasche, aber für ein Abendtäschchen.
AntwortenLöschenDein Band mit den Perlen sieht sehr schön aus.
Ich habe als Kind auch Makramee gemacht und später Freundschaftsbändchen geknüpft. Warum hat man damals eigentlich so viel Paketschnur benutzt? Gab es davon einen Überschuss, der abgebaut werden musste? Senatsreserven? Warum ist niemand auf die Idee gekommen, anderes Material zu verwenden?
Spannendes Thema!
Meine ad-hoc-Theorie zur Paketschnur- und Juteseilverwendung: Selbermachen hatte in den 1970ern und 80ern ja vielfach schon so eine ökologisch-hippieeske Ausrichtung. Es ging bewusst darum, Dinge herzustellen, die sich von Gekauftem unterschieden. Die Verwendung von rauhen Naturfasergarnen war damit ein Statement gegen die Plastikkultur in den Läden. Außerdem passten Wandbilder, Ampeln etc. aus solchen bräunlichen Schnüren gut zur damaligen Einrichtung. Meine Eltern hatten dunkelbraun gestrichene Rauhfaser im Wohnzimmer. Die abgebeizten Kifernholzmöbel kamen auch gerade auf. Heute müsste man eine Blumenampel aus grauem und neongelben Kunststoffseil knüpfen.
LöschenIch muß gestehen, daß ich sowohl das "Einwickeln" liebe und auch Makramee. Erstaunlicherweise fand ich letzteres Ewigkeiten sehr gruselig und altbacken... bis ich dann auf englischen Seiten Ohrringe, Ketten und Armbänder in Micro-Makramee (und großartigen leuchtenden Farben) gefunden hatte. Seitdem bin ich so in Versuchung mir Ohrringe damit herzustellen. Ich habe schon kleine Armbänder letztes Jahr gemacht zum üben der Techniken und die sahen überraschend niedlich aus. Da animierst Du mich das gleich wieder hervorzukramen! :)
AntwortenLöschenMeine Schwester hat ihre Ohrstöpsel für ihren ipod mit Garn eingewickelt und ich gerade gestern passend Ohrringe. Vielleicht könntest Du für Deine Kette eher etwas festeres finden? Ein Metallcollier, das nur noch umwickelt werden muß oder so eine dickere "Gummikette" (kA wie die richtig heißen)?
Ah, das mit den Ohrstöpseln klingt gut! *merk*
LöschenDanke für die Tipps! Ich denke auch, dass etwas Schwereres und dabei Flexibles umwickelt werden müsste - sowas wie dieses Bleiband, das früher in den Gardinensäumen drin war. Eine glatte Kette oder so.
LöschenMicro-Makramee ist auch ein tolles Stichwort, da gibt es ja wirklich schöne Sachen!
Bei dem umwickelten Garn habe ich auch an Taschenhenkeln als alternative Anwendung gedacht, weiß aber nicht, wie sinnvoll das ist, denn Stickgarn ist ja weniger stark gedrillt und man zieht vielleicht leicht Fäden.
AntwortenLöschenDie feine Makramee-Spitze finde ich beeindruckend, war sicher nicht so leicht wie es fertig erscheint. Aus Erfahrung weiß ich, dass sich die langen Enden beim Muster knoten auch verheddern. Je nach Muster verkürzt sich auch ein einzelner Strang schneller und bestimmt das Ende der Arbeit.
Blumenampel hab' ich auch mal aus VEB-Paketschnur geknüpft, vielleicht stelle ich sie mal gelegentlich vor, hab derzeit kein passendes Gewächs.
Danke auch für die Literaturquellenangaben.
Gruß Ute
Schön, deine Experimente, du warst ja ganz fleißig. Ich finde die Kordel wie gemacht als Lebens- und Befestigungsraum für die kleinen Monsterchen, wenn es schon zu steif für eine Kette ist (schade, denn ich finde das sieht sehr hübsch aus).
AntwortenLöschenMit Makramee bin ich erst wieder (nach einem obligatorischen Wandschmuck in der Grundschule) über die Freundschaftsbändchen meiner Tochter in Kontakt gekommen und wir hatten auch schon Bücher aus der Bücherei dazu ausgeliehen (da gibt es inzwischen wieder ganz neue mit ganz anderen Projekten und nicht diesem kratzigen Seil). Irgendwie ist es dann aber wieder eingeschlafen... obwohl auch ich mir jemanden wünsche, der mir so ein Einkaufsnetz knüpft.
Deine Borte ist ganz toll geworden, schön mit den Perlen! Schön fände ich das als Träger irgendwo. Oder eben als Schlüsselanhänger (ganz Klischee, aber trotzdem).
Danke fürs Mitmachen!
Wenn du dich für Schmuck aus Micro Macrame interessierst, es gibt einen Blog, den ich gefunden habe, der sich nur damit beschäftigt. Ich habe mich auch mal damit befasst - es macht richtig viel Spaß !!
AntwortenLöschenhttp://micromacrame.blogspot.de/
Liebe Grüße
Eva
Oh, Danke für den Link! Das sind wirklich schöne Sachen. Es geht also auch ganz ohne Juteseil.
LöschenErinnerst du dich an diese Scobidoo-Sachen vor etwa 5 Jahren? Das war Makramee ZweiPunktNull.
AntwortenLöschenDie Technik schwappt schon mit schönster Regelmäßigkeit an die Oberfläche. Es ist nicht schwer zu begreifen, man braucht keine Maschinen oder schwierige Zutaten und die Knüpferei gibt nette Geschenke für die liebe Verwandschaft.
ABER: Ich habe Ampeln geknotet, Eulen und ein indianisches Sonnenrad mit einem Meter Durchmesser. Das sind genug Knoten für den Rest meines Lebens.
Deine Umwickeltechnik ist aber wirklich reizvoll, vielleicht ist das aus matterem Garn weicher? Das gefällt mit echt gut.
Du warst ja echt lustvoll am Ausprobieren!!! Die Umwickeltechnik gibt es in Afrika genauso für Halschmuck. Das ist dann schon auch steif und hat Ringcharakter.Mir gefällt das gut .Das Unregelmäßige kommt bei deinem Versuch nur durch das gedrehte Innenleben.
AntwortenLöschenBei den Makramee-Geschichten kann ich nur immer den Hut ziehen vor der Ausdauer des Knotens, aber die Vielfalt in der Nutzbarkeit sehe ich auch nicht so recht.Das Günstigtse fand ich früher noch Einkaufsnetze und als Armschmuck sicher immer wieder aktuell und variierbar.
VG Karen
Ja, diese Blumenampeln kenne ich auch noch und die Makramee-Beutel auch!
AntwortenLöschenDeine Borte ist toll geworden.
Ich hab vor einiger Zeit eine lange Kette geknotet. Da habe ich mit Lederschnüren und verschiedenen Perlen gearbeitet. Das war nicht das klassische Makramee, aber es gab schon verschiedene Knoten.
Liebe Grüße
Katrin
hallo Lucy
AntwortenLöschen... nur so ganz nebenbei: wenn man die knoten bei diesem glänzenden viscose-stickgarn macht und den knoten direkt im entstehungsmoment noch unter zug kurz nass macht (bitte nicht hauen, ganz unverfrorene nehmen dabei jeweils die zunge zu hilfe), dann halten die knoten eigentlich ganz gut. filetknüpfen hat so gut haltbar funktioniert ...
liebe grüsse, eve
Ist ja Wahnsinn, auf was für Ideen ihr bei dem Thema kommt. Hab schon bei Machwerk gesehen, was ihr Euch einfallen last. Sehr cool. An die Erdfabenen Blumenampeln kann ich mich auch noch erinnern. Hatte ich sogar in meinem Jugendzimmer ;-)
AntwortenLöschen