Sonntag, 5. Januar 2014

From a far away place: Inspirationssammlung (Nix für Lemminge 1/1)

Im Jahresrück- und Ausblick hatte ich ja schon davon erzählt, dass die Nix-für-Lemminge-Designchallenge von Alex für mich bisher das einzige fest geplante Vorhaben für das Nähjahr 2014 ist. Kurz gesagt geht es bei der Challenge darum, zu sechs von Alex vorgeschlagenen Themen innerhalb von je zwei Monaten Kleidungsstücke zu entwickeln und herzustellen. Das passt prima zu meinen Plänen, wollte ich doch in diesem Jahr wagemutiger (und bunter!) nähen und Neues ausprobieren. Hand in Hand mit anderen Nähnerds unterwegs zu sein, mindert hoffentlich meine Tendenz, mir einfach einen engen, grauen Rock oder andere, auf Sicherheit und "passt immer" bedachte Kleidungsstücke zu nähen. Ich habe außerdem vor, im Rahmen der Challenge vor allem schon vorhandene Materialien zu verwenden - die Stoffspeicher sind zum Bersten gefüllt.

Bild: Mamamachtsachen.de

Bei der ersten Herausforderung, die heute beginnt, geht es um die Beschäftigung mit einer nicht-europäischen Kleidungssilhouette, deren "Essenz und einzelne Elemente in unser Hier und Jetzt" übersetzt werden sollen, so Alex.

Wir hier in Mitteleuropa sind ja traditionell im großen und ganzen auf eine Sanduhrform des weiblichen Körpers fixiert, die in früheren Zeiten mit Korsetts und Hüftpolstern, Reifröcken oder Krinolinen künstlich hergestellt wurde. Nichts anderes machen auch die zur Zeit so beliebten Petticoats: die Taille erscheint noch schmaler, wenn mehrere Lagen Tüll um die Knie wuscheln. Zwar gab und gibt es auch bei uns ab und zu modische Abweichungen von der Sanduhrsilhouette, zum Beispiel zur Zeit Napoleons in Directoire und Empire, oder aktuell in Neukölln, wo manche Hipstermädchen kastige, gerade pobedeckende Kleidchen tragen, aus denen sehr, sehr dünne Beine in Leggings herausschauen, aber von diesen Ausreißern abgesehen, ist die als ideal geltende weibliche Körperform über die Jahrhunderte hinweg erstaunlich konstant geblieben.  

Ganz anders in großen Teilen Asiens. Ich sah mich für diese Aufgabe in Korea um, weil mich ein gewisses kulinarisches (sehr leckeres Essen) und kulturelles (gute Filme) Interesse mit dem Land verbindet, und nicht zuletzt, weil mir das, was die Bildersuche hinsichtlich koreanischer Textilien zutage fördert, sehr gefällt.

Meine Recherche mit englischen Begriffen ist dabei ungefähr so fundiert, als ob eine begeisterte Selbernäherin aus Seoul, Südkorea, die noch nie in Europa war, ihr Wissen über Deutschland aus dem Kino bezieht und das deutsche, so exotische Essen im Seouler Restaurant Bärlin liebt, im Netz nach deutschen Dirndlkleidern sucht, um sich etwas Ähnliches nachzunähen und zwar so, dass es zu ihr passt und sie es im Alltag anziehen kann. Aber auf die Genauigkeit kommt es hierbei nicht an, es geht um ein generelles Gefühl, eine Stimmung.

South Korea 2010: Jirisan. Foto: Ronengelbert via flickr, unter CC-Lizenz
Gyeonghwon Sanseong (Gyeon Hwon Fortress). Foto: korea.net via flickr, unter CC-Lizenz
Igidae Coastal Walkway. Foto: Lee Phelps Photograpy via flickr, unter CC-Lizenz

In meinem Phantasie-Korea sprudelt kaltes Gebirgswasser über glattpolierte Steine, die dunkelgrünen Pinien an den Berghängen verschwinden im Nebel und auf den Gipfeln liegt Schnee. Es gibt schroffe, felsige Küsten, mit Steinplatten gepflasterte Wege, verborgene Seen und dichte Wälder. Kurzum: ein Land wie in Kim Ki-Duks Film Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Frühling.

ChungNo Hanbok Shop. Foto: danielcraig via flickr, unter CC-Lizenz
Hanbok for man and female. Foto: Republic of Korea via flickr, unter CC-Lizenz
Women used to wear jangot when going out of the house. Foto: Republic of Korea via flickr.com, unter CC-Lizenz

Die traditionelle koreanische Kleidung Hanbok besteht aus einem langen, weiten, gekräuselten Wickelrock, dessen Bund sehr hoch sitzt - unmittelbar unter der Brust oder zum Teil sogar darüber. Dazu gehört eine kurze, links über rechts geschlossene Jacke mit meist weiten Ärmeln und einem weißen Streifen am Kragen, darüber kann außerdem ein langer, weiter Mantel getragen werden. Die charakteristische Form die sich daraus ergibt, ähnelt einem Dreieck, die Taille ist kaum vorhanden oder sitzt sehr hoch. Die Tracht wird heute zum Teil noch bei festlichen Anlässen, zum Beispiel Hochzeiten getragen, daher gibt es in Südkorea recht viele Designer, die traditionelle Hanboks oder moderne Abwandlungen herstellen - auf pinterest findet sich eine Menge.  

Was sich aber fast gar nicht finden lässt sind Bilder, die den Rock, Chima, ohne die Jacke (Jeogori) zeigen - einen Eindruck, wie die Einzelteile aussehen, bekommt man am ehesten noch in diesem Video, das das Anziehen von Chima und Jeogori zeigt. Wie man sieht, wird der  Wickelrock hier von Trägern auf den Schultern gehalten und über der Brust gebunden. Bei anderen Beispielen scheint der Rock ein enges, bustierartiges Oberteil zu haben, ähnelt also einen schulterfreien Kleid, und die Kräusel setzen zum Teil erst unter der Brust an. 


Burdastyle 3/2012 stellt mit Modell 106 sogar ein Schnittmuster dafür bereit. Aber Spaß beiseite: das Burda-Modell wir es natürlich nicht! Ich werde mich vor allem mit dem Schnitt des Jäckchens genauer auseinandersetzen. Der Rock dazu wird voluminös, das steht fest, aber sicher nicht bodenlang. Auf historischen Fotografien aus Korea sieht man, dass die bodenlange Variante im Alltag von Frauen, die arbeiten mussten, nicht getragen wurde - die langen Röcke waren Hof- oder Festkleidung. Aber dazu komme ich beim nächsten Termin am 19. Januar noch einmal zurück.


Zum Abschluss ein erster Blick auf die Stoffe, die ich im Auge habe. Von links nach rechts: ein jacquardähnlicher, aber locker gewebter Kleiderstoff (v. a. Viskose) mit metallischem Glanz in schiefergrau. Der Stoff ist für sein Volumen sehr leicht und fällt etwas störrisch. Als nächstes kommt ein moos- bis khakigrüner Wollstoff in Köperbindung, den ich 2012 schon zu einer Jacke nach Pattern magic verarbeitet hatte. Ich habe noch einen großen Rest davon und würde auch die alte Jacke opfern, denn die Schnittform ist nicht besonders bequem und das Teil hängt vor allem im Schrank. Als drittes und viertes folgen ein grün-blau karierter Wollstoff, von dem ich ein paar Reste habe, und ein gemusterter Viskosestoff (auch Rest), der mir aber in diesem Zusammenhang  möglicherweise zu klischeehaft-asiatisch aussieht. Das ist auch erst eine grobe Vorauswahl, ich habe irgendwo noch gestreifte Dupionseide in petto.

Die Farbstimmung geht in Richtung Schiefer, Moosgrün, Kupfer, verwittertes Holz, Lorbeer - eventuell mit einigen bunteren Akzenten. Wichtig ist vor allem der Kontrast zwischen dem glänzenden Jacquard und dem matten Wollstoff, alle anderen Materialien sollten sich dem unterordnen. Mögliche Schnittformen und ein paar Bilder zur Farbstimmung habe ich bei pinterest gesammelt.

Ehe der Text hier zum Roman wird, verweise ich jetzt lieber auf die anderen Teilnehmerinnen, die sich heute bei Alex versammeln. Ich bin sehr gespannt, wie andere die Vorgabe umsetzen werden, vor allem da ich in Alex' Pinterestsammlung auch einige Hanboks entdeckt habe.

20 Kommentare:

  1. Schön, dass du uns ein paar Impressionen aus Korea lieferst. Ein Hanbok ist auch in meinem Moodboard dabei und momentan auch mein persönlicher Favorit. Ich freue mich daher sehr, dass auch du dich für diese Silhouette entschieden hast und bin schon sehr gespannt auf deinen Entwurf.

    Liebe Grüße
    Steffi

    AntwortenLöschen
  2. Von Hanboks wusste ich bisher gar nichts, das ändert sich gerade, sehr gut. Vielen Dank für den Hinweis auf die Aktion, inzwischen sehe ich, dass ich (zumindest mit einem Hausmantel) mithalten kann.

    AntwortenLöschen
  3. Farblich wird das bei mir definitiv in eine andere Richtung gehen. ;-) Super, daß Du so viel zur Geschichte dieser traditionellen Gewandung (ich weiß immer noch nicht den richtigen Artikel) referiert hast. Ich hab gestern Abend drei Absätze wieder gestrichen und dachte heute morgen: Hättest DU sie mal drin gelassen. Aber das kann nun bei Dir nachgelesen werden. U.U. wird es ja ein Projektdrilling, wenn Steffi sich auch noch für Hanbok entscheidet. Ich hätte ja auch gerne mehr Rückenansichten von der Jacke. Weil mir noch nicht ganz klar ist, ob die nun eher anliegend oder eher abstehend gedacht ist.

    AntwortenLöschen
  4. Oh, schön... schade, dass ich dieses Mal die Zeit nicht habe, nächstes Mal wäre ich gerne dabei (Bücher hab ich schon :))
    Die Stoffmischung finde ich auch sehr toll, vor allem die zwei grau in glänzend/nicht glänzend mit dem grün... ach, wirklich auch eine schöne Stoffspielerei...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Achso, ich hatte bei mir auch mal ein paar gepinnt, die waren alle von hier http://newmodernhanbok.tumblr.com/archive - aber an Bildern mangelt es Euch ja vermutlich weniger...

      Löschen
  5. Ja, das Hanbok habe ich noch auf meiner Liste und wie Du schon gewisse Recherche dazu betrieben, allerdings nicht dazu gar nichs im Blog geschrieben. Schön, dass man das bei Dir so wunderbar nachlesen kann.
    Ich bin allerdings noch unschlüssig, ob es das letzten Endes bei mir wird. Unter dem Begriff "modern hanbok" habe ich auch die eine oder andere moderne Version gegoogelt. Das lohnt sich auf alle Fälle mal reinzuschauen und sich Inspirationen zur modernen Umsetzung zu holen.

    AntwortenLöschen
  6. Wie war das? Du wolltest im Zuge dieser Challenge in diesem Jahr wagemutiger und bunter werden? Da musste ich gerade ein bisschen schmunzeln, weil du den einzigen etwas bunteren Stoff aus deiner Vorschlagsliste gleich schon wieder als zu kliescheehaft einschätzt und ausklammerst.
    Dein Posting ist sehr interessant und informativ und die Recherche im Rahmen der Möglickeiten doch recht fundiert.

    Liebe Grüße
    Immi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ertappt, hihi! Das ist auch noch nicht die endgültige Auswahl, etwas Bunteres kommt auf jeden Fall noch dazu. Die beiden Teile Jacke und Rock sollten halt auch zu meinen anderen Herbst- und Wintersachen passen - es soll kein Outfit werden, bei dem man nur die beiden Teile gemeinsam anziehen kann oder gar nicht.

      Löschen
  7. ja - das ist ja mal schön: nicht nur eine umfassende Näherbringung des Themas, sondern auch gleich schon die passenden Stoffe dazu fotografiert. Hut ab.

    AntwortenLöschen
  8. Oh, das ist so spannend und informativ. Interessant ist, dass die weibliche und männliche Silhouette sich sehr gleichen. Ich hätte gerne gewusst woher es kommt, dass gerade diese Silhouette als attraktiv empfunden wird (ich gehe einfach davon aus, dass es so ist) .
    Bin gespannt wie es weiter geht!

    AntwortenLöschen
  9. Ich finde ja diese Hanboks wunderschön, ich kannte sie bis heute gar nicht. Kann mir die beiden erstgenannten Stoffe sehr schön damit vorstellen, den grauen für den Rock und den moosgrünen für die Jacke. Toll, wie viele dieses Thema der südkoreanischen Kleidung aufgegriffen haben, ich bin extrem gespannt, was bei allen daraus wird!
    Liebe Grüße,
    Nastjusha

    AntwortenLöschen
  10. Bunt ist das zwar nicht, aber ich kann es mir gut zusammen vorstellen - vor allem weil farbenfrohes Beiwerk genug Platz hat. Und ich finde es toll, dass Du auch so frei die alte Jacke mitverarbeiten würdest - so schafft man sinnvoll Platz im Schrank!

    Ich bin sehr gespannt auf die Hanboks - scheinen ja einige dabei zu sein und deren Umsetzung! Bei Deiner Bildersammlung gefällt mir besonders das in Gold, Creme und Schwarz - sehr hübsch! :)

    AntwortenLöschen
  11. Ich bin sehr angetan von Deiner Recherche, Lucy! Das scheint ja doch eine interessante Aktion zu werden...
    Bin gespannt auf weiteres!
    M

    AntwortenLöschen
  12. Ich selbst werde nicht teilnehmen, verfolge aber mit großer Freude Ihren Blog. Ich besitze seit einiger Zeit ein Buch: "Stoffe Farben Kleider" von Catherine Legrand, in dem man eine Fülle von Anregungen zum Thema finden kann.
    Alles Gute fürs Neue Jahr
    I. W.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für den Buchtipp! Das hatte ich sogar schon mal vor Jahren in der Hand und durchgeblättert. Wenn mir das mal als Gebrauchtbuch unterkommt, schaffe ich mir das an.

      Löschen
  13. Ach was für ein schöner Bericht. Das erinnert mich an meine Kindheit, denn ich bin in Südkorea aufgewachsen. Zu einer Zeit in der man noch sehr viele Menschen in traditioneller Kleidung gesehen hat, vor allem auf dem Land. :)))

    Liebe Grüße, Smila

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das klingt sehr interessant, Smila. Die Kleiderbeispiele, die man jetzt findet, sind ja alles Festkleider, daher nehme ich an, dass man nicht so ganz einen realistischen Eindruck bekommt. Ein altes Foto habe ich gefunden, da sieht man, dass die Röcke im Alltag wohl nicht bis zum Boden gingen (das wäre ja doch ziemlich unpraktisch). Und anscheinend war ein indigoblauer Rock und eine weiße Jacke aus Ramie das Übliche. Ich bin noch dabei, ein flickr-Set mit älteren Fotos aus Südkorea zu durchforsten, aber die meisten Fotos stammen aus Seoul, und auf den Bildern tragen alle westliche Kleidung.

      Löschen
    2. Das ist ja das gleiche mit der bayerischen Tracht. Auf den Bildern sieht man nur die Festtagstracht, die man an hohen kirchlichen Festen oder eben auf Trachtenfesten trägt.

      Ich kann mich auch an alte Frauen aus meiner Kindheit erinnern, die für die Feldarbeit ihre Alltagstracht anhatten. Und das waren einfache Röcke aus einem robusten Baumwollstoff in schwarz oder dunkelblau, dazu eine ebenfalls schwarze oder dunkelblaue Bluse, die manchmal feine Streifen hatte und eine Schürze. Da waren keine Rüschen oder Borten dran, keine weißen Blusen oder Schürzen aus Seidentaft.

      Daher haben wir mit Sicherheit ein falsches Bild davon, was einen Alltags-Hanbok ausmacht. Ob die (Alltags-)Hanboks der einfachen Bevölkerung überhaupt farbig waren, möchte ich sowieso bezweifeln, da man die Koreaner auch als "weißes Volk" bezeichnet hat.

      Löschen
    3. "Weißes Volk", das ist ja interessant - dazu passt ja das alte Foto im neuen Beitrag (vom 19. 1.), die Frauen tragen weiße Kleider und Jacken.
      Im Victoria&Albert-Museum gibt es ein Alltagskleid mit weißer Jacke und indigoblauem Rock: Robe 1980.

      Löschen
    4. Das habe ich mir gleich angesehen, danke für den Tip!

      Und das mit dem weißen Volk hab' ich von hier:
      http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/S%FCdkoreanische_Kultur.html

      Zudem hab' bei meiner Recherche gelesen, dass die Farbe weiss Symbol für einen reinen, bescheidenen Geist ist. Aber ob diese Bedeutung erst später aufkam und der Grund einfach darin lag, dass Farbe teuer war und sich das nicht jeder leisten konnte - wie ich es in einer anderen Quelle gelesen habe, weiß ich nicht.

      Daneben war z.B. die Farbe gelb der königlichen Familie vorbehalten. Dass bestimmte Farben bestimmten Kreisen vorbehalten waren, kennen wir ja heute noch: in der katholischen Kirche dürfen nur Kardinäle und natürlich der Papst Purpur tragen. Auch bei den alten Römern war das so. Purpur war selten und teuer, daher durften ihn nur die Herrscher tragen. Senatoren durften Purpur auch verwenden, aber nur als Streifen an der Toga.

      Löschen

Vielen Dank für deinen Kommentar!
Mit Abschicken des Kommentars erklärst du dich einverstanden, dass deine Angaben zu Name, Email, ggf. Homepage und die Nachricht selber gespeichert werden. Kommentare können auch anonym verfasst werden. Blogspot erfasst außerdem die IP-Adresse sowie Datum und Uhrzeit des Kommentars.
Der Kommentar kann jederzeit wieder gelöscht werden oder du kannst ihn durch mich entfernen lassen.
Mit dem Absenden deines Kommentars bestätigst du, dass du meine Datenschutzerklärung sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und sie akzeptierst.
Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, wenn sie Werbung oder Links zu Spam-Seiten u. ä. enthalten.