Dienstag, 25. März 2014

Wochenrückblick: Heimisch in Neukölln, ein Kulturcafé mit sozialem Anspruch, Netzwerk Mode und die ersten Ostermärkte


Dass sich der Norden Neuköllns mittlerweile ziemlich herausgemacht hat, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, es stand ja schon oft genug in der Zeitung. Auch südlich, in den kleinen Straßen um den Richardplatz herum, die mit Kopfsteinpflaster und putzigen Häusern aus dem 18. Jahrhundert an die dörfliche Vergangenheit Rixdorfs erinnern, entstanden in der letzten Zeit einige nette Cafés. Die Verbindung zwischen Norden und Süden bildet die Karl-Marx-Straße, eine Vorhölle des Autoverkehrs und Straßenschlucht des Wahnsinns, besonders am Freitag Nachmittag, wenn zwischen dem Rathaus Neukölln und dem Richardplatz gar nichts mehr geht. Aber auch hier keimt zwischen Dönerbuden und Handyläden neuerdings hippes Unternehmertum.

Die Galerie im Saalbau Neukölln (Karl-Marx-Straße 141) ist Ort für kleine Ausstellungen, zur Zeit und noch bis zum 6. April für Heimisch, ein Projekt der Schweizer Künstlerin Barbara Caveng in dem kleinen Ort Blankensee-Pampow in der Nähe der polnischen Grenze. Die Kunstgemeinde im doppelten Wortsinn, die erst 2004 durch die Eingemeindung Pampows in Blankensee entstanden war und so weder ein gemeinsames Zentrum noch eine gemeinsame Identität besaß, wurde durch die gemeinsamen Aktivitäten der Bewohner in dem Kunstprojekt zu einem Zuhause. Die Nähgruppe, die  aus alten Stoffen, "in denen sich Geschichte und die Geschichten der Menschen abgelagert haben", Taschen für den Verkauf im Kunstkiosk und Sonnenschirme herstellte, trifft sich bis heute regelmäßig. Die Idee der Sonnenschirme, die im Dorf identitätsstiftende Treffpunkte der Bewohner markieren, greift die Ausstellung auf, indem in einer offenen Nähwerkstatt weitere Schirme aus gepsendeten Materialien aus Neukölln gestaltet werden können - am Mittwoch, 26. März und am 2. April jeweils von 12.00 bis 19.00 Uhr unter fachkundiger Anleitung.  


Nur ein paar Schritte weiter nördlich, in der Ganghoferstraße neben dem Stadtbad Neukölln, eröffete im Februar ein waschechtes Hipstercafe, Umgangssprache: amerikanisch. Aber ich will nicht lästern, denn hinter dem Prachtwerk steht eine Gruppe von zehn Ehrenamtlichen und ein interessantes Konzept, denn hier füllt sich niemand die Taschen: der erwirtschaftete Gewinn des Cafés wird an Hilfsprojekte gespendet. Die beindruckend großen und vor allem hohen Räume sind locker möbliert und vermitteln trotzdem nicht dem Eindruck einer Bahnhofshalle, der Kaffee von Five Elephant schmeckt anderswo zwar kräftiger (vielleicht muss sich das Personal an der Espressomaschine erst einarbeiten?), aber das machen die Damen hinter dem Tresen durch Freundlichkeit wett.

Nebenan im gleichen Haus wird bald auch noch ein Laden für fair gehandelte Produkte enstehen, ein Eine-Welt-Laden in schick, nehme ich an. Während wir mit dem Kaffee am Fenster saßen, schleppten zwei Vollbartträger Balken und Regale. (Und man bekommt selbstverständlich einen ganzen Keks zum Kaffee, ich bin nur eine schlechte Foodbloggerin und hatte schon halb aufgegessen, ehe ich an das Foto dachte. Der Spruch "Gier frisst Hirn" - hier passt er!)     


Nemona, das Netzwerk Mode und Nähen Neukölln, bringt seit 2011 Modedesigner mit Produktionsbetrieben und Schnittdienstleistern zusammen, organisiert aber auch Veranstaltungen, auf denen Neuköllner Modedesigner gemeinsam auftreten. Schon zum zweiten Mal und noch bis zum 5. April gibt es nun im Karstadt am Herrmannplatz einen Pop-Up-Shop, in dem Kleidung kleiner Neuköllner Labels anprobiert und gekauft werden kann. Die hauchzarten Merino-Mohair-Strickpullover von anyonion aus der Bürknerstraße lösen bei mir zum Beispiel schon seit Jahren große Begeisterung aus - irgendwann möchte ich sowas auch haben, nur wie könnte ich mich jemals für eine Farbe entscheiden? Aber auch bedruckte T-Shirts, die für jeden Internetredakteur unverzichtbaren Kapuzenpullis (z. B. von JR Sewing mit der Aufschrift "Is mir egal, ich lass das jetzt so!"), Gürtel und Taschen gibt es. 

Ja, und zu meiner Überraschung naht im Veranstaltungskalender schon die Osterzeit, und das bedeutet: Märkte. Mir kommt das ja etwas früh vor - stampften wir vor einem Jahr um diese Zeit nicht noch durch den Schnee? Und überhaupt: Ostermärkte drei Wochen vor Ostern? Ist das normal? - aber egal: wenigstens der Ostermarkt im Museum für Europäische Kulturen am nächsten Wochenende findet ja im Museumsfoyer statt. Kälter und damit anstrengender könnte der Ostermarkt in der Zitadelle Spandau werden, für den Nilya schon seit Wochen wie eine Verrückte näht. Ich hoffe die Arbeit lohnt sich!

14 Kommentare:

  1. Haha, über den halben Keks hab ich jetzt herzlich gelacht.

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  2. Zum Glück wohn ich soweit von anyonion weg :-) sieht sehr verlockend aus.
    Lieber Gruß
    Elke

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  3. Danke wieder für den ausführlichen Wochenrückblick. Ich muss ja meinen nächsten Hauptstadtausflug planen. Und "Gier frisst Hirn" merke ich mir... :-)
    Liebe Grüße, Nastjusha

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  4. Ich liebe deine Wochenrückblicke. Gerade versuchte ich mich mal wieder daran, was zu formulieren und lese dann hier deinen ersten Absatz und denke mir wieder wie brilliant Du schreiben kannst.
    Einfach nur genia!
    Das muss jetzt mal so gesagt werden.

    Liebe Grüße
    Julia

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    1. Brillant geschrieben, genau das denke ich mir auch jedes Mal!

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    2. Danke ihr beiden (*soschlechtmitKomplimentenumgehenkann*).

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  5. Vielen Dank für die wie immer sehr lesenswerte Zusammenstellung dessen, was lohnenswert ist. Dann war der Tip mit der Ausstellung ja hilfreich. Ich will mir auch gerne noch die Ladys-Ausstellung nebenan ansehen, ich mag Kühe so gern.
    LG!
    M

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  6. Wenn das Prachtwerk hier in der schwäbischen Provinz wäre würden alle vermuten, dass es da nicht mehr zu Möbeln gereicht hätte.... Großartige Sache, und gegen Hipstercharme ist doch echt nix zu sagen. Da finde ich die hier allgegenwärtigen Skater schlimmer. Und die Eishockeyghooligans in Köln. Hipster sind friedliche Menschen, oder?
    Ansonsten Danke, deine Rückblicke sind super und geben mir meine wöchentliche Dosis Stadt. Irgendwann komm ich euch mal wieder besuchen.

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    1. Haha, "Die haben ja nicht mal Gardinen", die Bemerkung kenne ich auch aus anderen Provinzen. Und Hipster sind lieb und tun nix - aber die Uniformität, die individuell sein will, amüsiert mich schon ein bißchen.

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  7. Danke für die Berichterstattung. Sind bei den Schirmen auch die Gestelle selbstgemacht? Wahrscheinlich doch eher von alten Schirmen, die neu bezogen wurden. Wir wollten hier bei uns in der Nachbarschaft mal einen gemeinsamen Quilt machen, aber das ist in den Startlöchern steckengeblieben. Ist doch schwer zu organisieren. Aber ein Event mit lauter Nähmaschinen auf unserem "Dorfplatz", bei dem wir Schirme nähen, das könnte ich mir vorstellen.

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    1. Ja genau, das sind alte Schirme, neu bezogen. Für die "Tortenstücke" aus denen so ein Bezug besteht, gibt es einen Schnitt, und bei den Nähnachmittagen nähen und verzieren die Teilnehmer einzelne Segmente. Um den Rand des ganzen Bezugs herum wird dann noch eine Borte oder ein Schrägband angenäht. Die Schirme sind wirklich schön und würden sich im Freien noch besser machen. Der Neukölln-Schirm, der schon genäht wurde, besteht aus rotem Stoff, dünnem Jeansstoff und weißer Spitze, die mit Jeans unterlegt wurde.

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  8. Die Schirme haben mich direkt denken lassen, dass unser Monster etwas Auffrischung gebrauchen könnte (die allerdings auch gegen Nieselregen funktionieren muss; Spitze und zu saugfähig wäre da wohl nix). Und die hauchdünnen Strickjacken...hach! Ich suche schon ein Schnittmuster, da ich jetzt weiss, was aus dem (nicht ganz so edlen, aber auch hauchfeinen) Gestrick werden soll, das kurz davor war, in die Winterkiste zu wandern.
    Danke für all die inspirierenden Eindrücke! Und ja, wie immer eine Freude zu lesen.
    LG, Bele

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  9. Hach, so oft kann ich gar nicht nach B. düsen, um das alles in Augenschein zu nehmen.
    Von der Zitadelle gibt es dann auch wieder einen bericht? fFeue mich drauf. VG

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    1. Nach Spandau werde ich es am WE wahrscheinlich nicht schaffen - aber bei Nilya kannst du dann bestimmt etwas darüber lesen.

      Schönes Wochenende! Lucy

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