Wie überträgt man Nahtlinien, Abnäher, Ansatzlinien auf die Schnittteile, wenn der Stoff schwierig ist und Kreide oder andere Markierungsstifte nicht halten oder nicht sichtbar sind? Ab und zu waren auf meinen Nähfotos schon Markierungen mit Garn zu sehen, daher möchte ich heute einmal systematisch erklären, wie und warum ich das mache.
Das Durchschlagen (so der Fachbegriff, in Österreich sagt man "schlupferln", so weit ich weiß) macht zwar etwas Arbeit, aber das Anzeichnen von Nahtzugaben mit diversen Stiften oder das Durchrädeln mit Schneiderkopierpapier ist ja auch nicht im Handumdrehen gemacht. Das Markieren mit Faden hat den Vorteil, dass es sich spurlos wieder entfernen lässt und dass die Markierungen garantiert sichtbar bleiben - auch wenn ich die zugeschnittenen Teile ein halbes Jahr liegen lasse, fünfmal wieder auftrenne, mehrmals bügele oder zehnmal von A nach B räume. Kreide und anderes ist dann oft schon lange verschwunden.
Ich schlage also die Markierungen durch
- wenn ich Stoffe wie Bouclé, groben Tweed, Frottee oder Frottier, Chiffon, Samt, Fleece, Walk und flauschige Wollstoffe vernähe, auf denen man nicht mit Markierstiften oder Kreide zeichnen kann
- wenn ich ein langwieriges, kompliziertes Projekt nähe und sicher sein will, dass ich die Markierungen auch sehr viel später noch erkennen kann
- und ich würde durchschlagen, wenn ich sehr empfindliche Stoffe wie Seidensatin vernähen würde, bei denen die Gefahr besteht, dass sich Markierungen mit Stiften nicht mehr entfernen lassen (solche edlen Stoffe kommen hier nicht vor, aber falls doch...)
- es hat eine besonders rauhe Oberfläche, die Garnmarkierungen bleiben daher gut im Stoff hängen und bleiben an Ort und Stelle
- es reißt sehr leicht, so dass man die Markierungen auch gut auszupfen kann, wenn man darübergenäht hat
Billiges Nähgarn in seltsamen Farben, zum Beispiel aus den Garnsets der Supermarktangebote, habe ich aber zum Durchschlagen auch schon verwendet - ich habe sowas ab und zu von netten Menschen geschenkt bekommen, die wissen, dass ich nähe, die sich aber mit Garn nicht auskennen. Doppelt genommen geht das allemal zum Markieren, auch bei dickeren Stoffen.
Das Durchschlagen ist wirklich ganz einfach. Die Schnittmusterteile liegen wie üblich auf einer doppelten Lage Stoff, sind mit Stecknadeln befestigt und schon ausgeschnitten. Einen langen Faden abschneiden, in eine mittelgroße Nähnadel einfädeln und entlang der zu markierenden Linie Heftstiche nähen: immer von oben nach unten und wieder nach oben stechen. Bei jedem Stich wird eine kleine Garnschlaufe stehen gelassen - die Stiche sind etwa 1 cm auseinander, das Garn zwischen den Einstichen ist etwa 2,5 cm lang. Anfang und Ende des Fadens kann man einfach hängen lassen und mit einem neuen Faden weitermachen.
Bei Markierungen wie Abnähern, die mitten in einem Schnittteil liegen, stecke ich Stecknadeln durch den Schnitt und alle Stofflagen durch, so dass man sie auch auf der Rückseite sieht und markiere die Linien dann von der Rückseite aus. Da muss man etwas aufpassen, dass das Schnittmuster nicht mit festgenäht wird!
Punktförmige Markierungen, wie hier zum Beispiel die Ansätze für die Gürtelschlaufen, kennzeichne ich mit vier Stichen, wobei bei jedem Stich wieder eine Garnschlaufe stehen bleibt.
Wenn alles mit Faden markiert ist, ziehe ich die beiden Stofflagen vorsichtig auseinander. Der zusätzliche Faden von den kleinen Garnschlaufen auf der Oberseite wird dabei zwischen die beiden Lagen gezogen. Die Stofflagen können nun auseinandergeschnitten werden.
Die Markierung ist auf beiden Teilen genau gleich, außerdem sieht man auf einen Blick, welches die rechte bzw. die linke Stoffseite ist. Da ich hier die Schnittteile auf die linke Stoffseite gelegt hatte, weiß ich, wenn ich die abgeschnittenen Fadenenden sehe, dass das die rechte Seite ist, während ich auf der linken Seite die Stiche sehen kann. Ein großer Vorteil bei einem Stoff wie diesem (laut Brennprobe ein Leinen-Polyamidgemisch), bei dem sich die beiden Stoffseiten nur wenig unterscheiden.
Ich hoffe die kleine Anleitung hat euch geholfen! Schnitte durchschlagen ist zwar etwas umständlich, aber auf keinen Fall umständlicher, als ständig Teile mit nicht mehr sichtbaren Markierungen mit dem Schnitt vergleichen zu müssen, so dass ich bisher immer froh war, wenn ich mich zum Markieren mit Garn aufgerafft hatte.
Liebe Lucy, darf ich zu zum Thema "Schlupferln" kleine Ergänzungen anbringen?
AntwortenLöschenZuerst, in Österreich heißt diese Tätigkeit schlupferln. Aber das ist nicht das Wichtigste.
Zu Deinem ersten Bild, immer an der Schnittkante beginnen und die Schlupferlnlinien müssen sich immer kreuzen, verliert man ein Schlupferl kann man sich mit den verbeleibenden weiterhelfen.
Zum Abnäher: wird, wie Du beschrieben hast an der Linie festgesteckt der Schnitt wird dann zurückgeklappt und dann durchgeschlupferlt. Beim Abnäher ist wichtig das Ende mit einer Querlinie zu markieren ( die ist meist im Schnitt nicht vorhanden) weil auch da ein verlorenes Schlupferl zu ungleichen Abnäherenden führen kann. Mit zurückgeklapptem Schnitt werden auch die Ärmeleinsatzzeichen und andere Querzeichen geschlupferlt.
Vor der ersten Probe entscheidet man sich für eine Garnfarbe, z.B. weiß und nach der ersten Probe werden Änderungen mit einer anderen Garnfarbe, z.B. rot geschlupferlt.
Punkt werden immer auch als Kreuz markiert mit bisserl kleineren Stichen, ca.4cm über kreuz. Wo der Punkt ist kreuzen sich die Linien.
Sonst eine sehr gut Anleitung und ich glaube sie wird für Viele hilfreich sein.
Ganz liebe Grüße
Teresa
Danke für die Ergänzungen, Teresa! "Schlupferln" habe ich jetzt endlich korrigiert. Passzeichen am Rand markiere ich ehrlich gesagt nur duch Knipse - also sozusagen eine Mischform der Markierung. Aber wenn man vielleicht die ganze Nahtzugabe noch braucht, ist so ein Einschnitt am Rand natürlich ungünstig.
LöschenDu hast geschrieben, dass Reihgarn sei locker gedrehtes Garn, dass sich spurlos entfernen lasse. NEIN TUT ES NICHT. Schwarzer Stoff liebt solches Garn, vor allem Schurwolle. Da bleibt es ewiglich drin. Ich empfehle Wash away von Madeira. Das verschwindet spurlos. Sonst geh ich so vor wie du. LG Anja
AntwortenLöschenDanke für den Tipp! Das Problem ist bei mir glücklicherweise noch nicht aufgetreten - aber es kann sogar sein, dass ich bei Wollstoffen bisher immer normales Nähgarn benutzt habe, ganz zufällig. Also vielleicht nur Glück gehabt.
LöschenEine sehr hilfreiche Anleitung! Und der Vorteil mit den gleich aussehenden Stoffseiten ist auch toll, der war mir noch nicht klar. Ich schlage selten durch, aber finde die Technik durchaus sinnvoll und praktisch!
AntwortenLöschenIch nähe sogar manchmal das Schnittmuster fest /v.a. bei den alten gekauften Papier-Schnittmustern, bei denen ich immer die größte Größe ausgeschniten habe. Einfach große Schlaufen stehen lassen und diese dann durchschneiden. Der Stoff kann dann immer noch gut auseinander gezogen werden.
AntwortenLöschenIch habe diese Methode von meiner Mutter gelernt (die hat in den 50er Jahren Nähen gelernt) und ich wende sie zwa rnicht mehr so häufig aber immer noch gerne an.
Liebe Grüße
Ines
Den Schnitt obenauf zu haben, ist sicher praktisch, dann weiß man genau, was welche Linie zu bedeuten hat - aber wenn man dann den Schnitt mit festgeheftet hat, wie näht man die Teile zusammen? Nach dem Auseinanderziehen und Schneiden ist das Papierteil dann doch noch immer an einem Schnittteil befestigt, oder nicht? Oder du meinst es ganz anders und ich habe deine Methode nur nicht richtig verstanden.
LöschenDas Schnittmusterteil kann vorsichtig weggenommen werden, da ja die langen Schlaufen aufgeschnitten werden. Die Fäden bleiben im Stoff - dann ist nichts mehr festgenäht. Im (meist doppelt gelegten) Stoff hängen dann die Fäden. Und die Stofflagen können dann auseinandergezogen und wieder durchgeschnitten werden so dass in jedem zugeschnittenen Teil die Markierung ist. Ich schlage immer mit doppeltem Faden durch, da ist die Chane größer, dass wenigstens ein Fädchen die Nähprozedur überlebt. (Ist das jetzt verständlich?)
LöschenLG Ines
Nachdem ich gestern den ganzen Abend mit Heften verbracht habe (empfindlicher Streifenstrick, den man besser nicht trennt...), kann ich deine Ausführungen (und Teresas Ergänzungen für eindeutige Ecken und Punkte) nur unterstreichen. Manchmal sparen Durchschlagen und Heften sowohl Zeit als auch Arbeit.
AntwortenLöschenLG, Bele
Da ich meine ersten "Nähversuche" als Kind bei meiner Großmutter gemachte habe, habe ich anfangs alle Markierungen durchgeschlagen, als ich wieder angefangen habe zu nähen. Es war einfach der einzige Weg, den ich kannte. Sobald es der Stoff erlaubt, verwende ich heute lieber Kreide, weil ich Durchschlagen immer als zeitraubend empfand. Bei größeren Projekten wie Mäntel lohnt es sich aber auf jeden Fall. Dass sich die Stoffseiten dadurch unterscheiden lassen, war mir nicht bewusst oder entfallen. Vielen Dank für die Anleitung, die neben dem praktischen einen nostalgischen Wert für mich hat.
AntwortenLöschenLG, Manuela
Eigentich kennen ich das nur aus Filmen, bei denen Maßschneider zu Gange waren. Die Dopplung macht es aber doch effektiv, denn ich dachte auch erst, dass es zu zeitaufwändig ist.
AntwortenLöschenVG Karen
Das habe ich vor gut 20 Jahren im Nähkurs auch noch gelernt... allerdings wurde da immer mit doppeltem Faden durchgeschlagen, wahrscheinlich für den Fall, daß mal ein Fädchen entfleucht.
AntwortenLöschenLG
Marlene
In älteren Nähbüchern habe ich tatsächlich beides gefunden. Bei normalem Nähgarn nehme ich meistens einen doppelten Faden, den sieht man besser.
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