Mittwoch, 4. März 2020

Endlich seriös: Beryl bomber dress (named clothing) in Nadelstreifen


Vor ein paar Wochen hatte ich bei der Präsentation meines aktuellen Stoff- und Projektestapels ja schon angemerkt, dass ich einen ansehnlichen Vorrat an Herrenanzugstoffen in Grau- und Blautönen besitze. Anzugstoffe sind die Stoffart, die ich mit den Gedanken "wie schön" und "kann man immer brauchen" in den vergangenen Jahren sehr oft ohne einen konkreten Plan gekauft hatte. Schließlich kann man ja auch so gut wie alles daraus nähen: Hosen, Röcke, Kleider, Blazer - unter Umständen auch Mäntel oder gar Chaneljacken. Ich schreibe mit Absicht das unpersönliche "man", denn ich habe bisher wirklich sehr wenig davon verarbeitet. 



Getreu dem Vorsatz, dass 2020 das Jahr werden muss, in dem Vorräte angeschnitten werden, wurde aus einem Nadelstreifenstoff von 2010 ein Beryl Bomber Dress von namedpatterns - ein Kleiderschnitt, der an den Schnitt sportlicher Blousonjacken mit Rippenstrickkragen angelehnt ist. Ich stellte es mir gut vor, den sportlichen Schnitt mit Metallreißverschluss und Gummizügen mit so einem konservativen, eleganten Material zusammenzubringen.


Das Ergebnis finde ich wirklich nicht schlecht, das Kleid passt durch diese Stilmischung mehr oder weniger überall hin, ohne total over- oder underdressed zu sein. Während ich beim Ansa-Kleid vom letzten MeMadeMittwoch oft gefragt werde "ob ich noch etwas vorhabe", fügt sich Beryl besser in den Alltag ein und fällt anscheinend nicht weiter auf - ähnlich wie der dunkle Herrenanzug, der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Uniform des respektablen, fleißigen, bürgerlichen Mannes wurde.


Vielleicht funktioniert diese Assoziationskette vom Stoff zum Charakter ja noch immer, obwohl dunkle Anzüge bei der Arbeit in den meisten Branchen ja nicht mehr üblich sind? Noch dazu trägt sich das Kleid dank Gummizug und der allgemeinen, wenn auch etwas ungewohnten, Weite sehr bequem - und wenn der Stoff noch dazu Seriosität, Fleiß, Rechtschaffenheit und Kompetenz ausstrahlt und diese Eigenschaften auf mich abfärben, soll mir das nur recht sein.

Lauter kompetente, gut gekleidete Frauen versammeln sich wie an jedem ersten Mittwoch im Monat  beim MeMadeMittwoch.

Hier noch einige Details zum Schnitt:


Die Schulterpartie ist bei diesem Kleid sehr interessant konstruiert: Der Strickkragen ist tief heruntergezogen und bildet einen mittelgroßen Ausschnitt. Die Ärmel sind im Prinzip Kimonoärmel, sie gehen in die Rückenpasse bzw. in das obere Vorderteil über. Oben auf Schultern und Ärmeln verläuft eine Naht.


Die großen Taschen sind seitlich aufgesetzt - durch die schräge obere Kante geht auch nicht viel hinein, weil der hintere Teil der Tasche (den man auf diesem Foto allerdings nicht sehen kann) nicht besonders tief ist.


Tailliert wird das Kleid durch einen Gummizug. Die Enden des Gummis verschwinden unter dem Reißverschlussbeleg und werden dort festgenäht. Das ist so ein gut durchdachtes Detail, für das ich die Schnitte von Namedpatterns liebe. Den Tunnel für das Gummiband habe ich aus einem abgekettelten Stoffstreifen genäht - laut Anleitung soll man hier "ein breites Band" aufsteppen, sowas hatte ich nicht zur Hand.


Bei mir sind Taillen- und Ärmelgummiband jeweils 3,5 cm breit, eigentlich sollte das Taillengummi breiter sein. Die genaue Position des Taillengummis bestimmt man am besten ganz zuletzt, wenn das Kleid ansonsten fertig ist - ich habe den Tunnel nach dem ersten Versuch wieder etwa 1 cm hochgesetzt, nachdem ich das Oberteil in Brusthöhe vorher um 1,5 cm verlängert hatte - also eine Änderung, die ich mir hätte sparen können.

Schnittmuster: Beryl Bomber Dress von named clothing
Änderungen: Oberteil auf der Brustlinie 1,5 cm verlängert - Taillengummi später aber wieder ca. 1 cm hoch gesetzt
Stoff: 2 Meter Woll-Viskose(?)-Mischung, grau mit Streifen
Zubehör: Metallreißverschluss 60 cm, Gummiband 3,5 cm breit, grauer Rippenstrickstoff

Verlinkt beim MeMadeMittwoch, der monatlichen Verlinkungsaktion für Selbstgenähtes.

22 Kommentare:

  1. Toll geworden, die sportliche Form des Kleides kombiniert mit dem Anzugstoff gefällt mir sehr gut. Das wird dich sicher lange begleiten.

    LG Carola

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    1. Ja, glaube ich auch - das ist ein gutes Alltagskleid.

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  2. Schaut super aus!
    Lieber Gruß
    Elke

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  3. Ich mag solche ungewöhnlichen Stoff-Schnittkombinationen sehr. Bin gespannt auf eine Chaneljacke aus Anzugstoff ;)) liebe Grüße Tily

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  4. Das Kleid ist sehr schön geworden. Bisher sahen die Beryl Dresses wenig spannend aus (für mich). Aber die Kombination aus Stoff, sichtbarem dicken RV und dem Kragen aus Strick ist genial. Gut ausgedacht. LG Anja

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    1. Ich musste mit dem Schnitt auch erst warmwerden, als er damals neu herauskam, fand ich ihn auch uninteressant.

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  5. Die Kombination von klassischen Stoff und moderner Schnitt finde ich sehr gut gelungen. Dein Kleid steht dir ausgezeichnet.

    LG, Heike

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  6. Das ist ja mal ein interessanter Schnitt. Und die Kombination mit dem Stoff sieht super aus.
    LG, Andrea

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  7. Superschönes Kleid und edler Stoff! Keine Frage, darin wirkt frau gleich nochmal kompetenter - das ist ja der ganze Trick hinter der Businesskleidung, was wären die Herren ohne Anzüge ...Jungs ;-)
    Die Details des Schnittes finde ich sehr spannend, schön, dass Du den Schnitt jetzt genäht hast, nachdem die große Welle durch ist - der hat wirklich das Zeug zum Klassiker. LG Kuestensocke

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    1. Ja, ich kann mir auch gut vorstellen, den Schnitt nochmal aus ganz anderem Stoff zu nähen. Ich habe noch eine grünen Jacquard mit eingewebtem Muster, der würde auch dazu passen.

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  8. Ich finde das so toll, die Kombi Stoff und Schnitt. Und es steht dir super.
    Liebe Grüße
    Sabine

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  9. Das Kleid ist sehr schick geworden, seriös aber nicht langweilig. Die Kombination von Stoff, Schnitt und dem groben Strick bringen Spannung hinein.
    Ich finde es interessant, was Du zu den Eigenschaften des Stoffe, also Kompetenz, Fleiß, Seriösität etc. und dem Abfärben schreibst. Geht das Dir auch so, dass Du Dich in "ernsthafter" oder auch "erwachsener" Kleidung anders fühlst und auch anders benimmst? Und wird die Kleidung dadurch zu einer Unterstützung oder zu einem Korsett?
    Liebe Grüße, Stefanie

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    1. Ich empfinde es so, dass ernsthafte Kleidung eher eine Unterstützung für einen selbst ist, kein Korsett. Sie erinnert einen, worum es gerade geht. Und davon abgesehen signalisiert sie nach außen, dass man die Sache/Situation/das Gegenüber ernst nimmt. Das hat dann auch mit Respekt gegenüber anderen zu tun.

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  10. Chanel wäre aber auch seriös. :-) Hihi. Liebe Grüße, Gabi

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    1. Sehr! Ich glaube ich habe bei Chaneljacken auch immer ein Bild von Covo Chanel in ihren letzten Lebensjahen vor Augen, mit Schmuck behängt, Kette rauchend - das bin ich einfach nicht. Ich brauche andere Rolemodels, um dieses Bild loszuwerden!

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  11. Mir gefällt das gesamte Outfit, inkl. Mütze und Schuhen sehr gut. Es wirkt kompetent, aber nicht verkleidet. (Ich finde Frauen in Anzügen sehen manchmal so nach: "Ich mag es nicht, aber ich muss das jetzt tragen, sonst nimmt mich keiner ernst." aus.)

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    1. Danke, ja, in einen Hosenanzug bekommt mich niemand mehr rein (hatte kurz nach dem Studium auch so eine Phase, da habe ich aber auch keine Kleidung genäht).

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