Mittwoch, 5. Mai 2021

Gefühlte Schwierigkeit: Blazer 112 aus Burdastyle 2/2015

 

Ihr kennt doch sicher alle das Burda-Punktesystem, mit dem der Schwierigkeitsgrad eines Schnittes angegeben wird? Die Schnitte bewegen sich zwischen einem Punkt (Poncho aus zwei zusammengenähten Stoffrechtecken) und vier Punkten (Mantel mit Reverskragen, Paspeltaschen mit Klappe und noch einer Handvoll Extras). Interessanterweise entspricht die angegebene Schwierigkeitsstufe nicht immer meiner gefühlten Schwierigkeit. Ich habe von Trenchcoat bis zum doppelt gefütterten Wintermantel schon alle möglichen Mäntel genäht, darunter auch welche mit Vier-Punkt-Wertung (zum Beispiel den dunkelroten Wollmantel, den ich zuletzt beim MeMadeMittwoch zeigte) - aber mein echter Angstgegner sind Blazer.  


In meiner Nähkarriere habe ich noch nie einen Blazer genäht, der mir dann wirklich gefallen hätte und den ich auf Dauer wirklich angezogen hätte. Das ist natürlich vollkommen absurd, schließlich unterscheidet sich ein Wollmantel von einem Blazer meistens nur in der Länge. Die Schnitte sind gleich aufgebaut, die Passform ist im Prinzip identisch, die Stoffe sind ähnlich - aber irgendwie stelle ich an die Passform von Blazern höhere (oder einfach andere?) Ansprüche als an Mäntel. Und zweitens finde ich es schwierig, bei Blazern die richtige Länge zu finden, die dann auch zu möglichst vielen meiner Unterteile passt.


Dieser Blazer hier, Modell 112 aus Burdastyle 2/2015, könnte vielleicht doch mal ein Teil sein, das ich wirklich trage. Die Anfänge der Jacke konnte ich sogar hier im Blog wiederfinden: im November 2016 hatte ich die meisten Teile zugeschnitten und den Korpus zusammengenäht. Ich glaube ich nahm die Teile im Januar 2017 mit zur AnNäherung, für alle Fälle, falls ich mit meinem Hauptprojekt früh fertig werden würde. Dann passierte lange nichts, die halbe Jacke zog sogar einmal mit mir um (und warf sie nicht weg, obwohl ich das überlegte) und holte sie erst vor ein paar Wochen wieder hervor, zum Online-Nähwochenende, das Muriel und Chrissy organisiert hatten. Eigentlich nur, weil ich nicht dazu gekommen war, etwas Neues zu planen und zuzuschneiden, nicht unbedingt aus Überzeugung, dass das wirklich etwas werden würde. 


Der Zustand nach dem Wochenende, noch ohne Futter, aber mit Kragen, Taschen und Ärmeln war dann wirklich so vielversprechend, dass ich motiviert war, das Futter einigermaßen zügig (für meine Verhältnisse) einzunähen - und dem Blazer das sehr gehütete Sicherheitsnadelfutter zu spendieren, von dem ich leider nur 1,50 Meter habe. Jetzt fehlt nur noch ein Knopf und ein Knopfloch in der Taille und ich bin vorsichtig optimistisch, dass mir diese Jacke wirklich so gelungen sein könnte, dass ich sie wirklich anziehen werde. Über die Kopffrage werde ich noch ein bisschen nachdenken - die Optionen aus der Knopfschachtel gefallen mir alle nicht so richtig. Eventuell beziehe ich einen Knopf mit dem Stoff der Jacke. 


Über Passformfragen bei selbstgenähter Kleidung hatte ich mir 2013 schon mal Gedanken gemacht (in diesem alten Artikel - habe ich selbst mit Vergnügen nochmal gelesen)  - Fazit: besser als Fertigkleidung bekommt man es allemal hin, und wenn man sich das selbst nicht glaubt und im Perfektionismus gelähmt ist hilft es, im Vergleich gekaufte Kleidung anzuziehen, die man mal in dem Glauben angeschafft hatte, sie würde gut passen. 


Das Kleid unter der Jacke ist Wenona, genäht 2017, von named clothing, ein Schnittmuster, das es leider nicht mehr gibt.  

Damit gebe ich zurück zum MeMadeMittwoch, dem Treffpunkt für Menschen, die ihre Kleidung selber nähen. 

Details auf einen Blick:

Schnitt: 112 aus Burdastyle 2/2015

Stoff: ca. 2 Meter leichter dunkelblauer Wollstoff mit Nadelstreifen

Futter: ca. 1,50 m Polyestercrêpe

Zubehör: dünne Schulterpolster, Ärmelfische. Einlage auf mittleres Vorderteil, Kragen, Belege und Saumumschläge aufgebügelt.

21 Kommentare:

  1. Super, deine Blazernähblockade scheinst du mit dem guten Stück überwunden zu haben und den letzten Motivationsschub kannst du dir noch mit deinem eigenen Post holen, :).
    Der Blauer sieht fantastisch aus und das Futter ist ein Träumchen.
    Herzliche Grüße von Susanne

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    1. Ja, vielleicht ist das jetzt wirklich das Projekt, das in Sachen Blazer alles ändert!

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  2. Was für eine Geschichte zum Blazer. Schön wenn er jetzt eine echte Chance erhält. Das Futter ist ja der Knaller. Bin gespannt wie du dich bzgl. Knopf entscheidest.
    Viele Grüße Elke

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    1. Ich glaube es wird wirklich ein bezogener Knopf - alles, was ich zur Auswahl habe, passt nicht richtig. Ich bin aber selbst erstaunt, dass ich diese Jacke wirklich fertiggenäht habe.

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  3. Der Blazer ist klasse, das hat sich gelohnt das er überlebt hat, da steckt bestimmt ein grösserer Plan dahinter. :-) Er hat gute Proportionen. Lieber Gruß Jeanette

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    1. Haha, ja, es ist höchst ungewöhnlich bei mir, dass ein Projekt, das so lange in einer Kiste lag, doch noch fertig wird.

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  4. Nach so langer Zeit ein Projekt wieder anzugehen, das bewundere ich echt. Ist aber toll geworden! Viel Freude damit... LG Sarah

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    1. Danke! Wenn es das wirtuelle Nähtreffen nicht gegeben hätte, wäre das auch nichts geworden. Ich musste erstmal einen halben Tag Schnittteile suchen und sortieren und mich wieder zurechtfinden - in Gesellschaft ging das ganz gut. Alleine hätte ich das nie angefangen.

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  5. Liebe Constanze,
    der Blazer ist toll geworden! Respekt! Blazer sind auch meine Angstgegner. Bisher habe ich mir eingebildet, dass sie die allerschwierigsten Projekte beim Nähen sind, beim Mantel vertut sich alles nochmal über die Länge und manchmal dürfen sie auch etwas leger sitzen. Ein Blazer muss passgenau passen.
    Aber ich merke grade beim Schreiben, dass ich mir noch mehr schwierige Punkte einrede und höre lieber auf damit.
    Letzten Endes ist es auch "nur ein Stück Stoff", welches zur Not entsorgt wird. Naja.
    Ich hoffe es geht Dir und dem Mann gut "auf den letzen Metern?" Dann steht vielleicht einem baldigen gemeinsamen Kaffee nichts mehr im Wege.
    Liebe Grüße!

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    1. Hihi, ja, deine Meinung zu Blazern im Vergleich zu Mänteln kommt mir bekannt vor - rational ist das ja nicht gerade. Mein letzter Mantel war im Burdaheft auch noch einmal als Blazer drin - der Schnitt war nur entsprechend verkürzt.
      Uns gehts gut. Die letzten Meter haben wir noch nicht erreicht, aber vielleicht können wir uns ja mal draußen mit Abstand treffen, wenn es warm wird.

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  6. Der Blazer hat ja eine spannende Geschichte hinter sich. Mir fällt auf, dass Blazer in diesem Jahr wieder schwer im Kommen sind , wenngleich ein dunkelblauer bestimmt nie aus der Mode kommt. Schade, dass es Wenona nicht mehr git, das Kleid hatte ich bei der AnNäherung schon sehr gemocht. LG Carola

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    1. Ich hatte vor Jahren mal einen Tweedblazer in ungefähr derselben Länge wie diesen hier, den ich sehr viel angezogen habe, daher habe ich das Projekt damals überhaupt in Angriff genommen: endlich gab es mal einen Schnitt, der ungefähr meiner alten Lieblingsjacke entspricht.

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  7. Ich halte auch einen Blazer für ganz große Schneiderkunst, und ja, ein Mantel kann eher ein bisschen oversize sein, da muss ja noch mehr drunter passen als bei einem Blazer. Das mit der Länge ist eine interessante Beobachtung, ich besitze noch eine ganze Palette guter Blazer aus den 90er Jahren (die ich nicht mehr trage), deren Röcke und Hosen überwiegend entsorgt sind, einer der Hauptpunkte, weshalb ich sie für untragbar halte, scheint mir die Länge zu sein. Die wechselte einerseits sehr mit der Mode und andererseits muss sie zum dem Kleidungsstück, das darunter getragen wird, passen, also auch bei einem Rock / Kleid die Gesamtlänge, nicht so einfach zu justieren. LG Anja

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    1. Ja, genau - nachdem ich um das Jahr 2000 herum noch oft Blazer getragen hatte, gab es dann jahrelang keine mehr, die mir gefielen oder bei denen die Länge "richtig" war. Diesen Schnitt hier hatte ich vor allem ausgesucht, weil ich mal einen sehr viel getragenen Blazer in derselben Länge hatte. Ich habe die Hoffnung, dass es daher auch jetzt wieder mit den Proportionen klappt.

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  8. Hat sich gelohnt! Ichtrage auch kaum mehr Blazer, habe auch das Längenproblem. Gerade längere habe mir nie so gefallen, deinen finde ich echt super. Ich glaube, der passt auch zu vielem.
    Liebe Grüße
    Sabine

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    1. Ja, wenn man für jedes Unterteil eigentlich eine andere Blazerlänge bräuchte, damit die Proportionen stimmen, dann wird mir das auch zu kompliziert.

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  9. Der Schnitt ist wirklich klasse - die vielen Linien machen den Schnitt interessant ohne ihn zu überladen und sind dennoch anders als üblich. Sehr sehr chic! Das schöne Futter ist natürlich die Kirsche auf der Torte - echt der Hammer! Viel Freude an dem Blazer, der ist Dir wirklich rundrum gelungen und beweist wieder mal: gut Ding will Weile haben. LG Kuestensocke

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  10. Der ist wirklich toll gearbeitet und sieht durch das Futter auch nicht so streng aus, wie ich es bei Blazern immer im Kopf habe. Bei deinem Gedanken zum Punktesystem der Burda musste ich kurz auflachen, das ging mir nämlich auch schon oft so.
    Viele Grüße
    Inga

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    1. Es ist eben subjektiv, was man als "schwierig" empfindet. Und Danke!

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  11. Erstaunlich, wie lange du das „aushältst“, ein unfertiges Kleidungsstück aufzubewahren.
    Bei mir gibts nur zwei Möglichkeiten:

    1. zügig fertigstellen ( ~ vier Wochen höchstens )
    2. weg damit

    Der Blazer sieht mit dem Hammer-Futter super aus. Ich mag so überraschende Elemente��

    Liebe Grüße
    Eva

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