Dienstag, 30. September 2008

Der letzte Spätsommertag


Nicht Südfrankreich, nicht Spanien, sondern Berlin-Köpenick

Am Sonntag noch einmal neben Lavendel und Kübelpalmen Kaffee getrunken, während ein Ahorn seine Blätter auf uns abwirft und da draußen das Weltfinanzsystem zusammenbricht. Der Herbst ist nicht mehr zu übersehen und auch das Futuro 13, das Ufo-Haus vom Strand im Funkpark in der Nalepastraße, ist inzwischen woanders hingeschwebt.



Die zwei Sommerblusen nach meinem Lieblings-Brigitte-Schnitt habe ich in der Woche zuvor vernünftigerweise noch fertig genäht, für den nächsten Sommer. Der Schnitt stammt aus einem der legendären Brigitte-Nähhefte, Modell 57 vom Sommer 2000. Die Hefte erschienen von 1992 bis 2000 einmal jährlich und sind der Grund, weshalb ich als Teenager überhaupt mit dem Nähen von Kleidung angefangen habe. Während ich die Burdahefte damals wegen der spießigen Kostümchen immer nur mit einem leichten Gruseln durchblätterte, gab es bei Brigitte genau die Schnitte, die ich nähen wollte: Leinenkleider, Wickelröcke, Westenoberteile...





Die Brigitte-Schnittmuster sind wunderbarerweise auch kaum gealtert - nur die Hosen trägt man heute etwas länger als damals. Die Schnitte wirkten bei ihrem Erscheinen sehr modern, ich erinnere mich, dass solche Sachen wie im Heft im allgemeinen erst ein Jahr später in den Läden hingen (also in den Läden, in denen ich einkaufen konnte). Brigitte orientierte sich an teuren Designerlabels, aber ohne die modischen Extreme.

Ich blättere die Hefte von Zeit zu Zeit wieder durch und bin jedes Mal überrascht, wie tragbar das meiste heute noch ist, ohne bieder zu sein. Die im Sommer allgegenwärtigen Tuniken zum Beispiel hatte Brigitte auch schon, die langen Röcke kommen jetzt gerade wieder und die Oberteile sind fast alle auch heute noch brauchbar - wenn sie denn in der richtigen Größe dabei sind. Leider (und jetzt kommen wir zum Negativen) sind die Schnitte jeweils nur in einer oder zwei Größen im Heft vorhanden. Es sind zwar Größen von 34 bis 46 vertreten, aber die Chancen stehen gut, dass das Teil, was ich gerne nähen möchte, gerade nur zwei Nummern zu groß oder zu klein zu haben ist. Da heißt es basteln, halt nein, vorher heißt es, den Schnitt aus den außerordentlich unübersichtlichen Schnittmusterbögen herauszukopieren. Die Grafikredaktion hatte offensichtlich die Vorgabe, die Schnitteile für jeweils 80 bis 100 Modelle auf nur vier Bögen unterzubringen und nur rot und schwarz zu benutzen. Nun ja, das ist ihnen gelungen. Dennoch, wenn diese Hürden genommen waren, konnte ich mich meistens über ein gut gelungenes Teil freuen, das ich dann bis zum Auseinanderfallen getragen habe. Der Vorgänger dieser Blusen hat fast acht Jahre gehalten und wird nun dieser Tage im Altkleidersack zur letzten Ruhe gebettet.

Früher war vielleicht einiges besser, die Schnittmusterbögen allerdings nicht

3 Kommentare:

  1. Dein Text spricht mir aus dem Herzen. Die Brigitte-Sonderhefte waren klasse für modische Sachen. Getoppt werden sie nur noch von den alten Ausgaben der Burda International. Die sind zwar nähtechnisch etwas anspruchsvoller, aber nicht so basicorientiert wie die normale Burda. Ich hüte sie wie Schätze und nähe immer noch daraus.
    Kannst du dich noch an die "Neue Mode" erinnern? Und die Carina?
    Die Auswahl an deutschen Zeitschriften war einfach größer.
    Heute schauen wir halt über den Tellerrand und versuchen, mit der Knippie oder einer Patrones zurechtzukommen. Oder Lekala. Oder Anleitungen aus dem Netz.
    Das ist in der Summe ja auch schon was.
    Und achja: Den Raglanmantel hab ich schon vor einem Jahr rauskopiert. Der ist so schön. Ich will das demnächst angehen.
    Für welches Modell hast du dich entschieden?

    grüßle von griselda

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  2. Ich finde ja, dass die ausländischen Nähzeitschriften und Schnitten zum Teil ganz gut für die jetzt fehlende deutsche Auswahl entschädigen. Wahrscheinlich spielt dabei unbewusst auch immer der Faktor "Verfügbarkeit" eine Rolle - besonders wertvoll ist immer das, was ich nicht ohne weiteres bekommen kann. Und so jagen die amerikanischen Näherinnen den Burda-Heften hinterher, und wir versuchen, irgendwo Patrones zu bekommen.
    Wenn ich gewusst hätte, was mich heute interessiert, hätte ich früher die Burda International gebunkert. Neue Mode und Carina habe ich damals leider gar nicht wahrgenommen - als absolute Nähanfängerin und durch das Brigitte-Abo meiner Mutter schon brigittemäßig vorgeprägt.

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