Mittwoch, 16. Juni 2010
Alles Eazy! Tante Burdas flotte junge Nichte
DIY ist gerade in aller Munde, Nähen das Hobby der Stunde bei den Unter-25jährigen, Cut in dieser Zielgruppe ganz erfolgreich – kein Wunder, dass auch der Burda-Verlag mit Angeboten für junge bis sehr junge Nähanfängerinnen experimentiert. Eazy wurde von den diesjährigen Absolventen der Burda-Journalistenschule entwickelt und umgesetzt und ist sozusagen die kompromisslos modische Weiterentwicklung von EasyFashion, dem bisherigen "jüngeren" Schnittmusterheft des Verlages.
Der Modezirkus in einer Collage von Julia Pfaller
Das grafisch sehr schön gestaltete Heft für 8 Euro aus hochwertigem Papier bietet 18 Schnittmuster in voller Größe, fertig zum Ausschneiden, und ein Beiheft mit bebilderten Nähanleitungen, wie man es von EasyFashion kennt. Die Modelle reichen von supereinfach – zum Beispiel der Flatterrock aus geblümtem Liberty Lawn mit Jerseybund – bis zu anspruchsvollen Schnitten, beispielsweise einem weiten Zirkusdirektoren-Frack mit Reverskragen, den es lang, kurz und als Weste gibt.
Als eifrige Hauptstadt-Schaufensterschnüfflerin kann ich versichern, dass die Sachen bis in die Details denen gleichen, die man in hippen Mitte-Boutiquen sehen kann. Ich selbst werde zwar sicherlich niemals einen schulterfreien Overall anziehen (gibt es in kurz und geblümt und in lang und einfarbig mit Schlauchoberteil im Heft), aber in den Läden habe ich genau solche Teile schon gesehen.
Übereinander getragenen Trägershirts in verschiedenen Farben und Längen hat Jane Fonda vor 30 Jahren auch schon gehabt, aber die unversäuberten Säume und Kanten sind neu. Und sehr clever, erstens weil das American Apparel auch so näht, und zweitens weil das Säumen von Jersey mit der Nähmaschine zu einer frustrierenden Erfahrung werden kann. (Alle Modelle aus dem Heft und das Inhaltsverzeichnis hier, einige weitere Heftseiten hier bei B is for Beauty)
Berlin für Selbermacher – Läden, Cafés, Designer, Clubs –, gemischt mit kleinen Interviews mit Kreativen
In Bezug auf die zeitschriftentypischen Infohäppchen muss ich dann aber mal ganz tantenhaft den Kopf schütteln: „Kind, musst du denn so reden?!“ Die sind nämlich in einer kruden Mischung aus (vermeintlicher?) Jugendsprache und Anglizismen getextet - Probe gefällig? "Brockhausen und klug daherscheißen kommen immer gut. Wer also auf hip und bourgeois-intellektuell machen möchte - aufpassen. Diese drei Lifestyle-Trends sind in diesem Sommer Must-Knows." (Seite 13)
Um im gleichen sprachlichen Register zu bleiben: *ächz* Dafür bin ich wohl zu bourgeois-intellektuell. Glücklicherweise gibt es weiter hinten im Heft auch ein paar längere und lesenswerte Artikel, zum Beispiel über zwei erfolgreiche deutsche Strickdesignerinnen in New York.
Fazit: Von stilistischen Fragen mal abgesehen ein sehr ansehnliches Heft, die Schnittmuster sind supermodisch und daher Geschmackssache, anders als Cut richtet sich die Zeitschrift aber ganz deutlich an junge Frauen.
18 Kommentare:
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Ich muss mir das unbedingt anschauen! Sehr interessant. Und im "hier" Link zur burda-Seite hat sich heimtückisch ein zweites http:// eingeschlichen.
AntwortenLöschenglg!
claudia
*gg* ich musste auch grinsen ob der ein oder anderen sprachlichen Peinlichkeit. Gerade bei den kurzen "Schnippseltexten" fand ich es auch betont hip und jugendlich getextet, sowas macht das Ganze aber nicht wirklich cooler, auch wenn es das mit aller Macht sein will.
AntwortenLöschenAber im Großen und Ganzen dennoch inspirierend, auch wenn ich von den Schnitten wahrscheinlich eher wenig umsetzen werde, ist nicht so mein Stil.
Und 8 Euro sind ja auch recht happig.
LG Ute
danke für deine rezension !
AntwortenLöschenhabe es mir auf der homepage angeschaut, mein fazit war : da geht ja mal was ! das finde ich angenehm wenn der "crafty.circus" mal etwas durchgemischt wird ! für mich eher nix...aber für die töchterkinder? mach mich mal auf die suche.....
liebe grüße
stella
Wenn ich ehrlich bin, ich war recht geschockt beim ersten Durchblättern. Die Wortwahl ist teils doch sehr unter der Grütellinie.
AntwortenLöschenMir ist durchaus bewusst, dass ich mit 44 nicht zur Zielgruppe gehöre, aber ist das notwendig, um die Jugend anzusprechen?
Grafisch und haptisch ein Leckerli. Und die eine oder andere Inspiration entdecke ich für mich auch.
Der Preis ist für die geballte Information und besondere Aufmachung verständlich, obwohl ich € 8,-- für den Geldbeutel der Zielgruppe doch recht happig finde.
Ich bleibe mal dran und werde über "meine Holpersteine" hinwegsehen.
LG
Sabine
Oh, Danke für den Link-Hinweis, habs korrigiert! Was die Texte betrifft bin ich auch ratlos, ob das bei 16- bis 20jährigen wirklich ankommt - das wirkt doch recht bemüht und möchtegerncool.
AntwortenLöschenviele Grüße, Lucy
Das Magazin ist an sich schon mehr "massentauglich" als CUT. Auch wenn man bedenkt, dass bei CUT ja Leute dahinter stehen, die wirklich für das brennen, was sie tun. Bei EAZY kommen die Macher ja aus verschiedenen Redaktionen. Das merkt man schon, finde ich. Trotzdem finde ich vor allem die Auswahl an Schnittmustern wirklich gut. In der letzet CUT hat mich leider nichts an Schnitten so recht überzeugt.
AntwortenLöschenJa, ächz. Wann wird denn die Marktlücke für die bourgeois-intellektuellen Selbermacher endlich mal geschlossen? Meine Generation der Mitvierziger hat viel mehr Kohle (sagt man wahrscheinlich gar nicht mehr? Schotter?)aber irgendwie wohl keine Lobby bei den Verlegern.
AntwortenLöschenHi, danke für das Lob - und natürlich auch die Kritik. So ein Heft muss sich ja auch weiterentwickeln und das geht nur mit eurer Hilfe. Also immer raus mit der Sprache :)
AntwortenLöschenLG, eine EAZYistin
unversäuberte Säume und Kanten sind ein alter Hut, aber sehen halt ein bisserl sloppy aus. Jungsprech bekomme wir Alten nicht hin, selbst wenn wir EXAKT die gleichen Wörter benutzen (frag meine junge erwachsene Tochter). Ansonsten schöner Text, und DIY ist immer gut, Werbung dafür auch. Meinetwegen in Neonfarben, Hauptsache es wirkt.
AntwortenLöschenStimmt, ursprünglich war wohl Martin Margiela in den Achtzigern der erste, der das Innere der Kleidung nach außen gekehrt hat - aber Jane Fonda wusste damals noch nichts davon.
AntwortenLöschenSuschna, die Mittvierzigergeneration soll das Heft zwar nicht lesen (bloß nicht!), aber sie soll es den Kindern kaufen (oder den Kindern genug Taschengeld geben, damit die es sich kaufen können) ;-)
Ja, das habe ich auch gedacht - das wäre wohl ne Zeitschrift für meine Töchter. Ich werde mal eine kaufen und sie fragen ob das ihre Sprache ist..;-) Gestern habe ich mir auch schon die neue Instyle "reingezogen" *ächz*
AntwortenLöschenHabe gerade Dein Blog entdeckt und bin schwer begeistert. Kommt gleich mal auf meine Blogroll! Bin ab jetzt öfters hier! :)
AntwortenLöschenIch habe die Sache ein wenig mitverfolgt und dachte mir schon die ganze Zeit, dass es wieder eine typische Burda-Kreation werden wird - irgendwie die Szene abgeklopft, aber leider nicht wirklich drin, um Look&Feel authentisch zu vermitteln.
AntwortenLöschenAber für Herrn Burda sind Craftistas und die New Handmade-Szene ja auch lauter -->Aussteiger<--, die sich aus dem Internet mal ein paar Schnittmuster herunterladen (Burda erklärte bei Beckmann, wie das mit Schnittmustern und dem Internet so funktioniert...).
Im Vergleich zur BurdaStyle leuchtet mir der Preis nicht ein - es sei denn, dieser Titel ist gemacht, um der CUT das Wasser abzugraben. Haptisch muss man ja nicht wirklich gleich so hochwertig auffahren; auf den Inhalt kommt es ja immer noch an.
Ja, der Burda-Verlag hat ja ein ganz eigentümliches Verhältnis zur so genannten "kostenlos-Kultur des Internets", das wissen wir ja.
AntwortenLöschenDer Preis ist meiner Ansicht nach ein Testballon - auch das Hauptheft Burda Style wird sich zukünftig weiter nach oben orientieren, vermute ich. Vor kurzem wurde der Preis schon von 4,50 auf 4,90 angehoben. Wenn man bedenkt, dass eine Zeitschrift wie Elle im Verkauf viel mehr kostet, aber viel billiger herzustellen ist als ein Schnittmusterheft - und viel mehr Anzeigen zieht - das ist die Richtung wo Burda hinwill, spekuliere ich jetzt einfach mal.
@Dorfdisko: Immer gerne, danke. Und Dorfdisko ist ja mal ein toller Name.
Danke für die Rezension. Ich hab diese mit sehr großem Interesse gelesen, auch die folgenden Kommentare.
AntwortenLöschenIch hatte das Heft auch in der Hand und mein Fazit war, auch wenn ich nicht mehr zur Zielgruppe gehöre (46), bunte Bilder, nicht wirklich interessanter Inhalt. Eines von vielen und nicht unbedingt neu. Ich habe es nach dem ich den Preis gelesen habe, ganz schnell wieder ins Regal gestellt und gedacht:"Ah, die Carina ist nach 30 Jahren wiederbelebt worden. Nur ein anderer Name, ein exorbitanter Preis und etwas viel flacher."
Anfang der 80er gab es eine Nähzeitschrift für junge Frauen (echt eine Nähzeitschrift für junge Frauen, also ein ganz neues Konzept... ;))Carina war der prickelnde Name, genauso aufgezogen, wie die eazy, nur etwas inhaltsvoller. Die Carina (übrigens ein Burda-Produkt!!!!) trumpfte auch mit fertigen Schnitten, dort wurde u.a. das Abschneiden alter T-Shirts und Sweat-Shirts propagiert.Ich hab dies gerne und bis zum Erbrechen getan. Ich hab sogar noch alte Schnittmuster. Sie dienen mir zur Unterlage zum Ausrädeln von neuen Schnittmustern.
Liebe Lucy, ich widerspreche Dir ungerne, aber unversäuberte Kanten an Jersey Shirts sind nicht wirklich was Neues. Es kommt alles irgendwann wieder oder war schon mal da. Manchmal dauert es eben 30 Jahre ;) . Gott, bin ich alt.
Ich muß dazu sagen, dass ich seit 22 Jahren mit Produktdesign und Marketing meine Brötchen verdiene und vielleicht deswegen sehr kritisch bin, besonders gegenüber neuen Printprodukten.
Es muß schon wirklich ein absolut abgefahrenes, absolut neues Konzept sein, dass mich vom Sockel reißt. Dieses Heftchen gehört nicht dazu. Bunte Bilder oder angeblich cooler, gewollt jugendlicher Text hauen mich nicht um.
Doris, Danke für deine Einschätzung! Um die Carina zu kennen, bin ich leider ein bißchen zu jung. Es wäre mal interessant zu erfahren, wie lange es das Heft gab und warum es eingestellt wurde.
AntwortenLöschenDen Punkt mit dem "nicht wirklich interessanten Inhalt", "alles viel flacher" - da bin ich dir wirklich dankbar, dass du das ansprichst, weil ich mich bei Zeitschriften immer frage, ob ich einfach zu hohe Ansprüche habe, und ich jetzt sehe, dass ich damit nicht allein. Ich bin ganz sicher nicht die durchschnittliche Zeitschriftenleserin, daher kann ich immer nur schwer einschätzen, ob das alles nur mir so unerträglich seicht vorkommt. Ich habe ein Brigitte-Heft aus den frühen 80er Jahren hier, da sind noch richtige lange, journalistische Geschichten drin! Die heute übliche Mischung aus Texthäppchen, Kosmetiktipps und Psychotests geht an meinen Ansprüchen so weit vorbei - machen das alle so, weil der Markt tatsächlich nichts anderes hergibt, oder traut sich nur niemand, mal eine anpruchsvolle Modezeitschrift auf den Markt zu bringen? In diesem Eazy-Heft waren immerhin zwei oder drei längere Texte (in normaler Sprache) drin. Ob jugendliche Leserinnen wirklich in so einem verkrampften Jugendslang angesprochen werden wollen, wage ich auch zu bezweifeln. Ich glaube nicht mal Bravo schreibt so.
viele Grüße! Lucy
Die Brigitte der frühen 80er habe ich auch geliebt - obwohl ich damit alleine auf weiter Flur in meiner Klasse war (die anderen waren noch bei Bravo & Co.). Die Handarbeitsanleitungen zum Beispiel waren fester Bestandteil jeder Ausgabe, gut gemacht und recherchiert. Daran kann die Brigitte mit der neuen Generation "DIY-Teil" nicht mehr anknüpfen (auch nicht online).
AntwortenLöschenDass Inhalte so oft reduziert und schnipselhaft daherkommen, ist sicherlich auch eine Kostenfrage. Gute Recherche kostet Zeit. Und dann darf man nicht vergessen, dass sie die Aufmerksamkeitsspanne der durchschnittlichen Bevölkerung (mal ganz platt gesagt, und die Verlage haben diese Stats aus Umfragen...) ganz erschreckend verkürzt hat. Wer liest noch lange, gehaltvolle Artikel oder Anleitungen? Muss ja alles ganz schnell gehen und vor allen Dingen unterhalten (Spassfaktor usw.).
Carina (erstmals übrigens 1977 erschienen) habe ich ab Mitte der 80er auch gerne gekauft, gerade weil sie randvoll mit oft guten Sachen war. Die Zeitung hat, wenn ich mich richtig erinnere, das neue Millennium nicht mehr erlebt.
Dass der kreative/Handarbeitsmarkt sich verändert, hatte Burda schon 2007 festgestellt...
eine wunderbare rezension! :o)
AntwortenLöschenich habe auch früher die carina gelesen und bin wohl auch eindeutig zu alt für die neue "generation" der burda.
das waren schlecht angelegt 8,-€, aber auf dem couchtisch macht sie sich gut. ;o)
liebe grüße, lina