Donnerstag, 4. August 2011

Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf dem Holodeck


Das war schon etwas ironisch: während ich mich beim letzten Nähtreffen auf Mellenis Frage hin ausführlichst über Stütznähte erging - was sie sind, was sie sollen, warum sie gut sind – hatte ich eben jene an diesem Teil vergessen und schaute am Ende meines länglichen Vortrags reichlich bedröppelt auf Armausschnitte, die sich schon auf gefühlt doppelte Größe ausgedehnt hatten. Mit etwas Mühe ließ sich alles wieder zurückschrumpfen, und so bekam ich die Ärmel an diesem Nachmittag doch noch unfallfrei hinein. Die kleine Bluse 101 aus Burda 6/2011 wird nämlich im schrägen Fadenlauf zugeschnitten, was man an Pepitas Kleidversion aus Karostoff viel besser erkennen kann.


Um noch einmal auf die drei W-Fragen in Bezug auf Stütznähte zurückzukommen:

Eine Stütznaht ist eine Naht mit normaler Stichlänge und in einfacher Stofflage, die ausdehnungsgefährdete Stellen sichert, bevor irgendetwas anderes mit dem Schnitteil passiert. Man näht einmal knapp neben der Nahtlinie auf der Nahtzugabe entlang, das ist alles. Das Schnitteil behält dann nämlich bei allen noch folgenden Nähoperationen seine Form, beim Anprobieren, beim Auftrennen, die Stütznaht verringert die Gefahr, dass man an zu verstürzenden Kanten beim Einschneiden der Nahtzugaben übers Ziel hinausschießt und gleich in die Naht hineinschneidet, und außerdem weiß man die ganze Zeit, dass sich die Nahtlinie knapp neben der Stütznaht befinden muss. Kurz: das Leben wird um vieles einfacher.

Bis zu den Burda-Anleitungen ist dieses Wissen noch nicht vorgedrungen, im englischsprachigen Raum gehören Stütznähte alias „staystitching“ aber vielfach zu der ganz normalen Vorgehensweise. (Bei Burda wird stattdessen irgendein Vlieseline-Produkt, z. B. Formband aufgebügelt. Ich führe das auf die Vlieseline-Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft zurück – euch ist doch sicher auch schon aufgefallen, dass Burda-Anleitungen immer immer, egal, ob es sich um die Verschlussblende einer Seidenbluse oder um das Vorderteil eines Wollmantels handelt, immer Vlieseline G785 als Verstärkung angeben – die teuerste Sorte. Womöglich verwandeln sich auf ein geheimes Signal hin alle G785-Bestände eines Tages in etwas anderes, und dann haben wir den Salat.) Aber zurück zum Text: Die Methode Stütznaht ist supereinfach, praktisch kostenlos, und geht viel schneller als Aufbügeln – die größte Schwierigkeit ist, sich bezeiten daran zu erinnern.


Bei dieser Bluse vergaß ich auch gleich die Stütznähte an der Ausschnittblende, daher klappte das Einsetzen bei diesem Hauch von einem Stoff – eine Art feiner Baumwollvoile vom Markt – nicht besonders gut. Um von den ungewollten Kräuselungen abzulenken, nähte ich zuletzt einige schillernde Pailetten auf, die bestenfalls an Perlmuttplättchen, schlechtestenfalls an Hologrammfolie zum Aufkleben erinnern. Ob die bleiben dürfen, weiß ich noch nicht – aufgenähter Glitzer und ich, das ist ein schwieriges Verhältnis. Mit mehr Sonne sähe die Sache vermutlich noch einmal anders aus: So, wie man Wassereis mit Himbeeraroma nur bei dreißig Grad im Schatten genießen kann, so verlangt auch diese Bluse hochsommerliche Temperaturen. Bei der derzeitigen Wetterlage - grauer Himmel, es regnet immer noch – wirkt sie in etwa so deplatziert wie ein Norwegerpullover in der Karibik. Naja, ich bin einstweilen auf dem Holodeck und lasse mir einen perfekten Sommertag erzeugen, dann sehen wir weiter.

25 Kommentare:

  1. oh, da ist ja heute jemand super-sarkastisch ... aber nur weiter so, vielleicht kommt der sommer dann wirklich nach mitteleuropa zurück ;-)))

    lg, catharina

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  2. Du sprichst mal wieder so wahr. Diesen Verdacht mit burda und Vlieseline hatte ich auch schon. Stütznähte sind mir das erste Mal bei einem Vogueschnitt untergekommen und ich war nach anfänglicher Skepsis, dann total begeistert wie gut das funktioniert.
    Mir gefällt das zarte Blüschen sehr gut, klar, Pailletten versprühen keinen Hauch von Luxus (Zitat burda, oder auch nicht), aber ich finde auf dem Foto sieht es hübsch aus.
    Viele Grüße
    Julia

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  3. Danke für einen neuen Geheimtipp! Über die superteuere Vliseline bin ich auch schon irritiert gestolpert.

    Sag mal, trennt man die Stütznähte beim fertigen Kleidungsstück wieder auf?

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  4. Schönes Blüsken! Mit den Stütznähten bin ich aber auch noch nicht so ganz im Reinen, meist bin ich zu faul. Wobei, bei so einem leichten Stoff würde ich mich vielleicht hinreißen lassen...
    Vlieseline aufbügeln, auch bäh. Wobei ich das Formband noch vergleichsweise harmlos finde - wenn man es mit der richtigen Seite aufbügelt (seufz).
    Das mit den Glitzerdingern kann ich gut nachvollziehen, ist auch nicht so meins, aber an anderen gefällt es mir immer gut (auch bei deiner Bluse), komisch.
    Ich habe auch so ein Kaufoberteil mit Pailletten, aber beim Waschen ärgert mich das immer, weil es nicht maschinentauglich ist. Daher wird es wenig getragen...aber dein Stoff muss ja eh in die Handwäsche, also ist das kein Kriterium.

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  5. Das ist schön geworden. So... luftig. Im richtigen Herbst müsste es sich auch mit einer dicken Strickjacke gut machen.
    Ich antworte mal auf Meike (hab ja schließlich was gelernt beim Nähkränzchen): Nein, die Nähte bleiben drin und stützen einfach weiter (sind ja auch in der Nahtzugabe, man sieht sie also nicht).

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  6. Vlieseline-Verschwörung, genau, das ist es!!!! Allerdings habe ich heute ein Kleid begonnen, da sollte auch einen Stütznaht hin, die habe ich ignoriert..... auch keinen Vlieseline genommen, naja ist ein fester Baumwollstoff....
    Deine Bluse ist wunderschön!
    Herzliche Grüße
    Sabine

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  7. Was ist denn mit Dir los? Das Blüschen ist schön geworden, auch mit Pailetten. Und vielleicht ist der nächste Sommer besser! LG, Simone

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  8. Hm, als Studentin hatten wir Zugang zu einer Werkstatt von Maßschneiderinnen, die die verrücktesten Dinge wußten, aber Stütznähte sind mir da auch nicht untergekommen. Die Vielfalt der Vliese gab es noch nicht, da wurde dann eher eine Blende des gleichen Stoffes in normalem Fadenlauf geschnitten und dieses zwei Teile zusammengenäht. Was ja dann so ungefähr Stütznaht ist.Deine beschriebenen variante ist das Optimum davon. ich denek, dass sich schneidetechnisch Dinge mit Sicherheit auch unterschiedlich entwickelt haben,wofür die versch.Verabeitung Frankreich und Deutschland spricht. Danke fürs Erlären.
    Schräge grüße von karen

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  9. Danke für die hilfreiche Erklärung! Nun habe ich begriffen, was die gestrichelten Linien knapp neben der Nahtlinie an heiklen Stellen sein sollen. Ich ärgere mich nämlich seit ein paar Tagen mit einem Butterick-Schnittmuster herum, das angeblich für Anfänger sei, aber mir ein Rätsel nach dem anderen aufgibt. Die miese deutsche Übersetzung taugt nix, die englischen Fachbegriffe kenne ich nicht. Na ja, jetzt sind fast alle Rästel gelöst, morgen wird genäht, notfalls improvisiere ich...

    LG, Julia

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  10. Für die Erinnerung an die Nähte, die ich so "gerne" vergesse vielen Dank ;-)
    Das Blüschen finde ich schön - auch mit den Pailetten. Deine Bedenken deswegen kann ich aber verstehen, an mir selber mag ich sowas auch oft nicht.
    LG Karina

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  11. Oh, ich musste grad wirklich lachen, das mit der Einlagen Verschwörung ist mir auch schon in den Sinn gekommen...
    Danke für deinen Stütznahttip, den merk ich mir! Formband war mir immer schon ein Gräul!
    Deine Tunika sieht übrigens total toll aus! Hoffentlich lockt sie das Wetter!
    glg,dani

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  12. Oh je, höre ich mich wirklich so bissig an? Der Text entstand unter dem Einfluss meiner Schreibtischnachbarin, die gerade die 10-Tage-Wettervorhersagen auf diversen Seiten im Internet checkte und mich mit der Aussicht auf Gewitter und Schauer im Wechsel - und das bis Mitte August - deprimierte. Das vielleicht zur Erklärung. Wie gesagt, bei Sonne sieht es vermutlich alles anders aus.

    Trotzdem ein schönes Wochenende euch allen!
    Lucy

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  13. Dein Post kommt genau zu rechten Zeit.
    Der gleiche Schnitt mit einem ähnlich dünnen Stoff wartet heute auf mich.
    Bin mal gespannt wie es läuft
    Viele Grüße aus dem wolkigen Süden

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  14. wow! was für eine genial einfache lösung! ich habe mir schon das ein oder andere teil versuat, da mit der weg ins städle zuweit war, diesen vlieseline-mist zu besorgen ... vielen dank!
    lg, mi

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  15. Diese schöne luftige Bluse kann man gar nicht anders als vor der Fensterscheibe fotografieren. Musste schmunzeln ob deiner treffenden Schilderungen und Visionen...
    LG, berry

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  16. Jedenfalls ein ganz entzückendes Ergebnis!

    Wobei was Bügeleinlage betrifft... Kathleen Fasanell von fashion-incubator schimpft ja immer, daß die (amerikanischen) Anleitungen für Hobbynäher idenen so praktische industrietechniken wie die Verwendung von Bügeleinlage vorenthalten und sie deswegen immer nur unprofessionelle und mühsame Ergebnisse bekommen können... *gg*

    Ich benutze beides, in manchen Situationen Vlieseline (wobei Burda auch gelegentlich noch andere Nummern empfiehlt und die G785 tatsächlich verflixt universell einsetzbar ist), in anderen Stütznähte. In den meisten Situationen würde ich sagen ist es recht egal, welche Technik man nimmt, in einigen wenigen hat tatsächlich mal das eine und mal das andere Vorzüge.

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  17. ach du nähst einfach unglaublich schöne kleider,da juckt es mir einfach in den fingern aber noch bin ich beim quilten.zu deinem letzten post :das liegt an der art des papiers schau dir mal auf you tube eine paper piecing tutorial an das hat da jemand mit verschiedenen papieren ausprobiert naturlich war dann spezialpapier xyteuer das beste aber ich denk da muss man einfach ein bisschen nach eienr günstigen alternative suchen.l.g.susanne

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  18. Die Idee von der Vliseline-Verschwörung ist super.

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  19. Nowak, das ist ja interessant - wobei die Meinung von Fasanella, dass nur die industrielle Verarbeitung eine professionelle Verarbeitung ist, ja durchaus auch diskussionswürdig ist. Es hat sicher alles irgendwo seinen Platz, und verschiedene Wege führen zum Ziel.

    Wenn G785 so universell verwendbar ist, könnte es dann sein, dass Burda einfach die Einlage empfiehlt, die mit größter wahrscheinlichkeit geeignet ist? Um überhaupt irgendwas konkretes anzugeben, anstatt, wie es sinnvoller wäre, "verwenden Sie Einlage, die zu Ihrem Stoff passt"?

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  20. Soo schön! Ein Sommertraum! Wenn nicht in diesem Jahr, dann im kommenden. Oder mit drunter und trüber dem Wetter zum Trotz;-) Ist einfach zu schön zum im Schrank hängen, auch mit Pailetten.
    Danke für den Stütznaht-Trick!!
    Viele Grüße, Sabine

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  21. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  22. Sorry, hatte mich vertippt. Hier der zweite Versuch:
    Ach, das heißt "Staystich"... konnte mir bisher nicht erklären was diese Stiche "mitten in der Landschaft" zu bedeuten haben und habe sie bisher weggelassen *schäm* Jetzt weiß ich´s ja besser.
    Danke für die ausführliche Beschreibung.

    Fast hätte ich´s vergessen: Sehr schönes Top, so schön sommerlich und luftig.
    Lieber Gruß, Muriel

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  23. Hab Deinen beitrag ertst heute gelesen, hab direkt aufs datum schauen müssen, da die derzeitige wetterlage schwer der vom august 2011 entspricht!!!! *schmoll* Regen, regen, regen und kein land in sicht!!!!
    so nun zum thema, ich suche nach einer alternative zu v g785 und werde es wie von dir beschriebe mit der stütznaht versuchen. ich mache dieselbe ausschnittfor wie du nur aus der "nähmode" simplicity 02/13
    bin gespannt wies hinhaut!
    ganz vieeeeelen dank für deine ausführliche und unterhaltsame beschreibung!!!

    liebe Grüße
    elke

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  24. Habe auch gerade nach dem Sinn von Stütznähten gesucht und bin auf deine unterhaltsame Aufklärung gestoßen :) Danke dafür! (Und auch ich dachte, dieser Post ist wetterlagenmäßig topaktuell!!!)

    Viele Grüße,
    Frau Mena.

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  25. Habe auch gerade nach dem Sinn von Stütznähten gesucht und bin auf deine unterhaltsame Aufklärung gestoßen :) Danke dafür! (Und auch ich dachte, dieser Post ist wetterlagenmäßig topaktuell!!!)

    Viele Grüße,
    Frau Mena.

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