Mittwoch, 18. April 2012

Selbstgemacht KW 15






 Eine schöne aber kalte Nach-Osterwoche mit vielen Unternehmungen, fangen wir mal von hinten an:

1. Über den Nowkoelln-Flowmarkt geschlendert. Ja, das Wortspiel ist schrecklich, der Markt aber einer der netteren in Berlin: viele Privatverkäufer, moderate Preisvorstellungen, ein paar Buden mit Essen und Trinken am Kanal, einige Stände mit Selbstgemachtem und Musikuntermalung. Immer am dritten Sonntag im Monat am Maybachufer auf Höhe Nansenstraße.

2. Beim BMQG-Treffen die freie Schneidetechnik ausprobiert: Genial, sag ich euch. Ohne Nachdenken und Planen wahnsinnig kompliziert aussehendes Patchwork produzieren. Da Juli Kirschenkind gerade dazu animiert  hatte, doch auch mal Misslungenes im Blog zu zeigen, hier (3.) wie es weiterging: ich wollte das Gepatchte in stoffmanipulativer Absicht hübsch unregelmäßig und totaaal interessant quilten. Sieht leider nur total blöd aus und ist schon wieder aufgetrennt. 

4. + 5. Bei schlechtem Wetter in Brandenburg gewesen (Rolandsfigur in der Altstadt, Plauer Torturm). Zufällig stolperte ich ins Dommuseum und dort über eine unglaubliche Stickerei aus dem späten 13. Jahrhundert: Das sogenannte Brandenburger Hungertuch ist ein großes Leinentuch, das mit Seidengarn  bestickt wurde. Leider gibt es im Netz keinerlei Informationen über diesen Schatz (ich hatte vorher noch nie davon gehört), hier in diesem Blog wird ein Detailfoto (vergrößert sich durch Anklicken) aus der einzigen Publikation über dieses Tuch gezeigt, das wenigstens einen kleinen Eindruck vermitteln kann.

Das Tuch ist im Halbdunkel hinter einer dicken Glasscheibe aufgespannt, mit Handlampen  kann man die gestickten Szenen ganz aus der Nähe betrachten. Auf den ersten Blick dachte ich, es handele sich um ein Tuch mit eingewebtem Muster, da die Stickerei vorwiegend weiß auf weiß ist und überlegte, wie sowas vor der Erfindung des lochkartengesteuerten Jacquardwebstuhls eigentlich hergestellt werden konnte. Dann dämmerte es mir: Das ist ja gestickt! Mit Seidenfäden, die viel feiner sind, als unser normales Maschinennähgarn. Die Gewänder und Rüstungen der Figuren zeigen ineinandergreifende Flächenmuster im Plattstich. Heiligenscheine, Flügel und Kronen sind durchbrochen gearbeitet. Beeindruckend, und wie ich schon sagte: unglaublich, wenn man die technischen Voraussetzungen des 13. Jahrhunderts in Betracht zieht. Die heutige Handarbeit hat an Kunstfertigkeit viel eingebüßt, da sehe ich Suschnas Beobachtung im Victoria and Albert-Museum bestätigt - und das, obwohl wir heute taghelles Kunstlicht haben, Handarbeitslupen und ganz andere technische Möglichkeiten der industriellen Textilverarbeitung. 

10 Kommentare:

  1. deine woche klingt toll und die schilderung des flohmarkts sehr verlockend:) liebe grüße alex

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  2. Hmmm, ich gehe nicht davon aus, dass bei Punkt 2 "misslungenes auch zeigen" urploetzlich ein Foto von mir erwartet wird, oder?! ;-) :-D (siehe mein Kommentar heute bei Frifris).

    Bei Punkt 4./5. :
    Mein Mann aergert sich immer unsaeglich, wenn ihm dann irgend etwas windschiefes und wackeliges zu einem extra hohen Preis verkauft werden soll mit dem Hinweis auf echte Handarbeit 'Fehlerhaftigkeit als spezielles Trademark hierzu'.
    Einmal hat er einem maennl. 'Kuenstler' dann einmal brutal sein Werk 'kraeftigst auf den Austellungs-Tisch zurrueckgestellt" und trocken gemeint "schoen fuer den Anfang, wenn Du's endlich kannst, sag mir Bescheid; vergiss nicht die Qualitaetskontrolle in Zukunft einzuschalten!"
    Das war ein Moment, wo ich vor Schreck wohl keinen Tropfen Blut von mir gegeben haette, selbst wenn mir jemand ein Messer in den Koerper gerammt haette!
    Unsinnig zu erwaehnen, dass wir hinterher - wieder einmal - eine heftige Diskussion ueber 'ruppige Bayern' (ich) und 'hoeflich, diplomatische Oesterreicher' (er) hatten !!! Oh world - what a strange stage!

    Liebe Gruesse,
    Gerlinde

    Btw.: mein erster 'Canadian-smock-attempt' mit feinem Chiffon (erinnere Dich; 'Busen-Volumen-Verdoppelungs-Schwindel-Versuch' bei gleichzeitigem blickdichter machen) ist vorlaeufig als mislungen zu werten.
    1. Problem: Material wohl zuuu fein um mit Spannfaeden 'durch die Gegend' gezogen zu werden
    2. Problem: Selbige Spannfaeden sind noch etwas stark auf der Vorderzeite (durch) zu sehen!
    Ergo: wohl staerkeres Material waehlen und die 'leere Blickdichtigkeit' fuer mehr Oberweite bei Chiffon Anwendung anders hinschwindeln! ;-)
    GsD ist man mit ueber 50 zwar vielleicht mit wenig Busen bestueckt, aber dafuer mit einer gehoerigen Portion Mis(t)trauen, ob geplante Vorhaben auch so funktionieren wie man sich das hintuefftelt. D.h., der Versuch als Versuch ohne Verlust (ausser Zeit) abgelaufen!

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  3. ich finds garnicht so ungelungen...vielleicht hättest du die farben tauschen sollen von stickgarn zu stoff ? schwarz auf rot ist spannend glaube ich...
    schön das du immer wieder über deine stippvisiten berichtest...bei uns gibts nur obst, bier und wein...schade eigentlich....

    und die feinheit und die genauigkeit der "alten " handarbeit bewundere ich auch...zeit haben die gehabt... !da sass man gerne ein jahr dran...in unsrer schnelllebigen zeit und konsumorientiertheit ist sowas unvorstellbar...

    ein blogbeitrag pro jahr..das wär echt wenig ;-))


    liebe grüße
    stella

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    1. ...aber durchaus reizvoll, die Idee: in einem Jahr nur an einem einzigen Teil werkeln und nur darüber schreiben. Ein Kleid aus dem 18. Jh. mit den Methoden des 18. Jh.s nähen, zum Beispiel. Ich kann nicht ausschließen, dass ich das eines Tages mache.

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    2. (Augenroll)

      .... es koennte guuuut sein, dass Du mit einer kompletten Fertigstellung (A-Z; mit Stickereien und 'Co.' ) mit so 'nem STueck ohnehin fast ein ganzes Jahr beschaeftigt bist bevor es komplett zu zeigen ist!
      Das wir Dich aber wohl dazwischen um Teil-Fertigungs-Ansichten pestern werden, ist Dir wohl klar, oder? ;-) D.h., dann besser: heimlich 'brueten' und uns nichts vorher sagen, sondern dann fix fertig servieren! Kannst ja, so selbst Lust auf 'gesichertes Blogmaterial ueber laaange Zeit' interessante Detail-Arbeits-Fotos auf Vorrat (und 'un-gepestert' ;-) machen und dann spaeter 'abspielen' fuer uns. Wer sagt, wie beim MMM, dass die Photos auch an Mittwochen zu machen sind; es ist der 'Mittwoch' 'DER Treffpunktk' im Net dafuer, aber ....... Technik bringt auch Vorteile diesbezueglich (nicht nur die eine oder andere Flucherei ;-) !

      Zur Unterstuetzung Deines derzeitigen 'Gehirn-Pfurzes' empfehle ich gleich noch Research auf den Gebieten von: Stumpwork, crewel-work. tambour beading, Richelieu STickerei, Hardanger,
      Kloeppeln usw.
      Wenn Du nicht irgendwo auf diesen Schnupper-Touren versumpft bist, hoeren wir von Dir in den naechsten Tagen wieder irgendwas - ansonsten werden wir Dich als 'verschollen im Net' erachten muessen! ;-) ;-) :-D

      Liebe Gruesse,
      Gerlinde

      (auch oefter mal 'Net-verreist/versumpft ;-) )

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  4. Deine Ergebnisse von Sonntag finde ich nach wie vor richtig gut, eigentlich braucht das doch keine zusätzlichen Bearbeitungen mehr? Meine Stoffwahl in dieser Sache würde ich als nicht gelungen bezeichnen, aber mal angenommen, ich würde darüber schreiben, käme garantiert: Das ist doch gar nicht so schlecht! Man muss wohl was haben, was wirklich unsäglich is.
    Deine Schilderungen vom Hungertuch erninnern mich an das Zehdenicker Altartuch in der Nikolaikirche im Nikolaiviertel. Da dachte ich auch zuerst, das ist gewebt. Vielleicht auch mal einen Sonntagsausflug wert? Es gibt dort auch Grabbeigaben zu bewundern (in Schubladen, jawohl!) und auf der Empore kann man auch noch Musik hören.

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    1. Oh, Danke, das Altartuch schaue ich mir demnächst an, davon wusste ich auch nichts.
      Und genau, ich lasse das Genähte jetzt so, wie es ist. Gegen "das ist doch gar nicht so schlecht" ist man nicht gefeit, aber gegenüber dem dominanten Blog-Perfektionismus will ich doch mal zeigen (und ich überlege, das regelmäßig zu machen- "Misslungen am Montag"?), dass ich auch viel versuche und dann wieder auftrenne.

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  5. Der Turm mit den moderne Rausgucktieren ist ja herrlich.
    Kirchen und Klöster sind sicher generell, also die katholischen vorrangig ein Hort exklusiver Handarbeiten.In Krakow fiel mir das so ganz besonders auf.gerahmte Kleinodien in verschiednen techniken, überladen méist, aber das Wie war toll.Auch was getrargen wurde, ist ja immer die Arbeit von Frauen gewesen. Ich weiß nicht, ob es eine Stelle gibt, die liturgische Gewänder aufbewahrt. Vielleicht bekommt man das mal raus.
    Über die feinheit habe ich ja auch schon ein paar mal geschrieben.die Plaunener Spitzenleute im Museum meinten, es gäbe heute niemand mehr, der so feine Garne machen kann.

    Bei dem wilden patch denke ich, dopplet wild funktioniert nicht fürs Auge:wilde Flächen-ruhige gleichmäßige Stiche,gleichmäßige Flächen-dann dürfen die Stiche auch wild sein.

    seidene Grüße, Karen

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  6. Ja, der Blog-Perfektionismus ist ein spannendes Thema. Insbesondere in Einrichtungs-Blogs muss ich mir immer wieder sagen, dass vorher vermutlich viel um- und aufgeräumt wird. Und irgendwann ist es mir auch immer über.
    Ich finde ja mal wieder, dass das Gestickte total schön aussieht. Aber manchmal hat man ja was im Kopf und muss es auch genau so produzieren. Ich habe letztens eines meiner Lieblingskleider mit flüssiger Butter bespritzt. Auch nach Vorbehandeln und Waschen sind die Flecken nicht rausgegangen (sniff) und sollte auch die Reinigung nichts ausrichten, habe ich mir überlegt, sie so zu umsticken, wie ich es bei dir schon häufig gesehen habe (allerdings ohne Flecken). Oder würdest du etwas anderes vorschlagen?
    Liebe Grüße!

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  7. Flecken um- oder übersticken, warum nicht? Kommt halt auf Material und Kleid und Position der Flecken an... Meinst du die Stickerei à la Alabama Chanin, also quasi umstickte Löcher? Dann sollte das Kleid aus Jersey sein. Aber mit der Methode könnte man Flecken wirklich gut in ein Gesamtdesgn einbeziehen ;-)

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