Dienstag, 10. April 2012
Der Bastel-Planet in Schöneberg
Das Kreativkaufhaus Modulor am Kreuzberger Moritzplatz über das ich hier schon mal geschrieben hatte, bezeichnet sich selbst in schönster Selbstüberschätzung ja gerne als „Planeten“. Den Gegenentwurf, einen Bastelplaneten ganz anderer Art, eigentlich schon fast ein Sonnensystem, gibt es schon ewig in der Schöneberger Goltzstraße. In mehreren nebeneinander liegenden Läden eines Häuserblocks verkauft das Familienunternehmen Wilhelm Rüther, unter Berlinern als "Bastel-Rüther" bekannt, alles, was nur im weitesten Sinne mit Papier, Basteleien und Hobby zu tun hat: vom Schulheft bis zum kompletten Keramikofen, vom Malen-nach-Zahlen-Set bis zur Tischkreissäge. Wie das oft so ist, hatte ich zwei Trabanten, Rüthers Perlen-Spezialladen und dem Künstlerbedarfsladen auf der Suche nach etwas Bestimmten schon früher Besuche abgestattet, in das Hauptgeschäft ging ich mehr zufällig erst am Ostersamstag.
Damit war mir das beste bisher entgangen. Was sich am Moritzplatz in weitläufigen Gängen ausbreitet, wird hier in die Höhe gebaut. Die labyrinthischen Regalreihen sind bis unter die Decke mit Waren vollgestopft. Die Verkäuferinnen und Verkäufer nicht im mindesten jung und hip, aber authentisch herzlich und vor allem kenntnisreich. Die Preise im Vergleich mit dem Großkreativkaufhaus äußerst konkurrenzfähig, ich würde sagen: meistens günstiger, und Auswahl und die Breite des Angebots hängen manches Spezialgeschäft ab.
Auch für Textilinteressierte wird einiges geboten – weit mehr, als im Onlineshop bestellt werden kann. Neben Materialien für die Seidenmalerei, einem mittlerweile fast vergessenen Hobby, gibt es einen Grundstock an Kurzwaren (Näh- und Knopflochgarn von Madeira, Druckknöpfe von Prym, Reißverschlüsse in den gängigsten Farben und Längen, Handstickgarn von Madeira).
Besonders viel Auswahl hat Rüther aber im Bereich der Textilfarben: Stoffarben als Pulver, in flüssiger Form und als Stift von Deka und Marabu, darunter die Deka permanent Stoff- und Druckfarbe, die sich besonders gut für Stoffdruck eignet. Es gibt spezielle Textilfarben für Kunstfasern, Lederfarbe und sogar Naturfarben zum Färben in der Waschmaschine von der Firma Livos.
Warum ich keines dieser kleinen Naturfarbsets zum Ausprobieren kaufte, weiß ich nicht mehr - es muss die Reizüberflutung gewesen sein, denn im Laden wird ungelogen jeder Quadratzentimeter Wandfläche genutzt. Und wo gerade keine Krepppapierrollen, Laubsägeblätter, Ausstechformen oder Drahtrollen hängen, kleben sorgfältig handgemalte Zettel mit Wünschen und Hinweisen, etwa dass man die Bastelbücher so sorgsam wie eigene Bücher behandeln möge oder dass sich der Preis von Karten und Umschlägen seit fünf Jahren nicht verändert habe.
Gegen Ende meines Rundgangs hatte ich meine fünf Sinne aber so weit wieder beisammen, dass ich die Taschenhenkel in einem Stichgang rechts vom Kerzenzubehör wahrnehmen konnte. Hier, wie bei vielen anderen Artikeln, verkauft Rüther Materialien unter eigenem Namen. Die Taschenbügel sind unschlagbar günstig (kleiner halbrunder Portemonnaiebügel 1,65; großer Taschenbügel 2,45), zu diesem Preis nehme sogar ich sie erstmal mit und warte auf eine Idee, wie ich sie verarbeite.
Von der Riesenauswahl im Perlenladen und im Künstlerbedarfsladen (Farben, Leinwände, Papier) ein paar Türen weiter haben wir jetzt noch nicht einmal gesprochen - und im Keramik-und Email-Spezialgeschäft im Haus dazwischen war ich bis heute nicht, denn das ist ja nun noch einmal ein ganz anderer Planet.
Hobby Shop Wilhelm Rüther
Goltzstr. 37 und angrenzende Geschäfte
10781 Berlin
Geöffnet Mo-Fr 10-19.00 Uhr, Sa 10-16.00
U-Bahn Eisenacher Str. (U7)
Filialen gibt es in Tegel, Spandau und Prenzlauer Berg, siehe Webseite. Im Geschäft in der Kollwitzstraße war ich sogar schon einmal, er hatte mich aber nicht sonderlich beeindruckt - für das echte Rüther-Gefühl muss man nach Schöneberg.
19 Kommentare:
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Vielen Dank für den Tipp! Wenn ich Zeit hätte, würde ich gleich morgen mal vorbeifahren...
AntwortenLöschenAlles Liebe, Naomi
Du musst nach Schöneberg und ich überhaupt und endlich mal nach Berlin!
AntwortenLöschenWenn es irgendwann soweit ist, muss ich mir wohl einen detaillierten Plan machen. Es gibt eine Menge zu sehen!
Ich wohne leider in einer Großstadt in der Handarbeiten möglicht gemieden werden... jedenfalls gibt es kaum Bastel- und Stoffgeschäfte.
Liebe Grüße
Natascha
Ich war schonmal VOR dem Geschäft, aber nie drin, ist auch schon ein paar Jahre her.
AntwortenLöschenIm ersten Moment las ich eben "e-mail" und wunderte mich über die merkwürdige Schreibweise und warum das überhaupt auf der Fassade prangt... :-)
Danke für den Tip.
Herzliche Grüße
Melleni
Ich musste über mich selbst lachen, weil ich natürlich auch E-Mail gelesen habe, uah. Die Taschenbügel sind wirklich sehr günstig!
AntwortenLöschenLiebe Lucy,
AntwortenLöschenmir kommen die Tränen, wenn ich höre und lese, in welchem Paradies du in Berlin doch wohnst. Und dann erwähnst du auch noch Stofffarben - danach suche ich gerade im Moment. Und Keramikbedarf hat er auch...
Wann sind doch gleich diese langen Wochenenden...?
Lieben Gruß
Siebensachen
Ja,ja, die Atmosphäre, die, sich bei Rüthers einstellt, hast du wunderbar beschrieben!
AntwortenLöschenEs fehlt nur noch die Begegnung mit dem knarzigen Chef im mausgrauen Arbeitskittel (den die Mitarbeiter früher auch trugen), der mir einmal etwas mürrisch eigenhändig Kupferblech abgeschnitten hat. Hoffentlich lebt er noch!
Alles Liebe , Sabina
Danke für den schönen Bericht. In dem Laden war ich schon Ewigkeiten nicht mehr. Das sollte ich ändern.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Anja
Das erinnert mich an die Zeit, als ich am Kaiser-Wilhelm-Platz gewohnt habe. Wie oft bin ich abends oder am Wochenende die Akazienstraße hoch, vorbei an einem tollen Buchladen und einem Geschäft für Küchenbedarf, übergehend in die Golzstraße mit ihren tollen Geschäften, dieser Bastelladen"kette", den Antiquitätenhändlern (was habe ich mir an den Schaufenstern die Nase platt gedrückt!) und Restaurants (gibt es noch "Rani" und "Bahu"?), am Winterfeldplatz mit rechts dem tollen Pommesladen und links "Habibi", wo ich vor 20 Jahren meine erste Falafel gegessen habe, durch die Maaßenstraße, wo ich bei "Maaßen 10" früher immer meine Jeans 2. Wahl gekauft habe, am Nollendorfplatz mit dem tollen Comicladen, der immer alle Ralf König Comics hatte, links um die Ecke und die Eisenacherstraße wieder runter, gemütlich durch das Wohngebiet, über den schönen Barbarossaplatz, dann noch am U-Bahnhof in den Laden mit den Drachen, Geduldsspielen und Escher-Kunst.
AntwortenLöschen15 Jahre ist das schon her. Wäre ich keine arme Studentin gewesen, hätte ich wohl mein ganzes Geld in diesem Karrée ausgegeben...
Danke, dass Du mich daran erinnert hast!
Liebe Grüße,
Henriette
Oh ja, das ist eine schöne Tour! "Rani" gibt's noch, bei dem anderen bin ich mir nicht sicher (sind die eigentlich zu empfehlen? ich suche ja noch nach einem guten indischen Restaurant in Berlin...). Und dne Comicladen am Nollendorfplatz gibts wohl auch nicht mehr - ist mir zumindest noch nicht aufgefallen.
Löschenviele grüße! Lucy
Rani war damals sehr billig, dafür gab es das sehr gute Essen aber im Blechteller. Bahu hat etwas mehr gekostet, hatte dafür richtiges Geschirr und auch gutes Essen.
LöschenDieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenDu hast die Atmosphäre dort genau richtig beschrieben. Herrlich!
AntwortenLöschenIch habe aufgehört in den Laden zu gehen, als ich in Begleitung eines Klenkindes rein mußte- aber jetzt könnte ich ja wieder hemmungslos und zeitvergessen dort stöbern. War schon völlig aus meinem Kopf.
LG
Wiebke
Oh mein Gott, den gibt's noch?? Ich wohne jetzt seit über zehn Jahren nicht mehr in Berlin und hab' dort schon vor 20 Jahren mein Taschengeld hin getragen *lach*. Danke fürs Zeigen, das Bild hat mir gerade mein Herz erwärmt :-)))
AntwortenLöschenWirklich? das ist ja ein Zufall! Wahrscheinlich hat sich der Laden in den letzten 20 Jahren auch nicht sehr verändert. Ich hab leider nichts gefunden, wie lange es die überhaupt schon gibt.
Löschenviele Grüße! Lucy
Ich war letzten Samstag in der Filiale in Spandau. War wirklich toll und auch ziemlich groß. Stoffe gabe es zwar keine, aber einen großen Korb mit Lederresten (1kg für 10€) der das aber allemal wett gemacht hat.
AntwortenLöschenAuch das Angebot an Textilfarben war wirklich gut. :)
Stoffe gibts in der Goltzstraße auch nicht - aber dafür eben so gut iwe alles andere.
LöschenIch glaube, ich muss ganz dringend mal wieder Onkel&Tante besuchen, die wohnen in der Akazienstraße!! Als ich das letztemal dort war, fand ich auch schon das Viertel (Akazienstr., Goltzstr., Winterfeldmarkt...seufz....) tausendmal spannender als die gesamte Innenstadt! Hier im Niemandsland (am Rande der Lüneburger Heide) erscheint einem das wie das Eldorado für Kreative & Leckermäulchen.....
AntwortenLöschenDanke für den Tip!
Danke für den Bericht. Wir haben hier einen Laden, der nicht ganz so traditionell ist, aber es reicht zum Verführen allemal.
AntwortenLöschenTaschenbügel habe ich allerdings nocht nicht entdeckt. Man erfasst sowieso nie alles.Beim nächsten Berlinbesuch gehe ich dort vorbei, mit Sichereheit!
Kramgrüße, karen
Oh ja, der ist toll! (Ja, da war ich schon mal. :) )
AntwortenLöschenDummerweise sind mir die Taschenbügel damals entgangen...