Dienstag, 3. Juli 2012

Warum Burda 122 aus Heft 2/2007 ein guter Schnitt ist, oder: einige Wickelkleid-Geheimnisse entschlüsselt


Heute kommen wir noch einmal zu der technischen Seite des Wickelkleids von Sonntag. In der intensiven Diskussion in den Kommentaren zu den Wickelkleidüberlegungen neulich sind wir dem Geheimnis des Wickelkleids schon ziemlich nahe gekommen, glaube ich. Zumindest kann ich euch genau sagen, was an dem Schnitt von Burda (122 aus Burda 2/2007) gut ist, und was ich geändert habe.



Und zwar:

  •  das Oberteil hat vorne und im Rücken eingelegte Falten anstelle von Abnähern. Es sitzt daher nicht eng anliegend, sondern bietet gerade im Rücken Reserven zum Bewegen, weil die Falten aufspringen und nachgeben können.  Der Kommentar von BuxSen brachte mich darauf, dass das immens wichtig ist: "Ich hatte das Problem, dass der Rücken zu schmal war und die Vorderteile wie bei dir beschrieben aufklafften.", schrieb sie. Eigentlich klar: wenn hinten zu wenig Weite ist, zieht sich das Vorderteil nach hinten, vorne spannt es, und bei einem Wickelkleid springt dann der Ausschnitt auf, weil er es kann. Das passiert natürlich nicht nur, wenn das Rückenteil von vorneherein zu schmal ist, sondern auch wenn durch die Bewegung Zug auf das Rückenteil ausgeübt wird, der sich in die Vorderteile fortsetzt. Die großzügigen Falten im Vorderteil sind natürlich ebenso günstig: auch sie können sich bei Bewegung auseinanderziehen.  

Mellenis (hier, hier und hier) und Christels (hier) Wickelkleider aus Webstoff nach Butterick 5030 illustrieren die Gültigkeit dieser These. Die Kleider haben Abnäher in Vorder- und Rückenteil (eine Schnittzeichnung sieht man hier) und tragen sich nicht besonders bequem. "Das Tragegefühl ist nicht so wie bei ganzen Kleidern", sagte Melleni, Christel bezeichnet ihres als "Zupfkleid".

Ist das Kleid aus nachgiebigem Jersey, ist diese Bewegungsreserve nicht so wichtig, das sieht man zum Beispiel bei Monikas - wollixundstoffx Sommerwickelkleid nach einem Schnitt vom Stoffmarkt: es hat in Ober- und Rückenteil Abnäher.

Buntekleider hat Vogue 8379 schon mehrmals genäht, immer mit Erfolg. Das Kleid hat im Vorderteil eingelegte Falten wie mein Burdaschnitt, der Rücken ist glatt (siehe Schnittzeichnung) - und aus Jersey funktioniert das auch.

Mema hat schon viele Wickelkleidschnitte aus Jersey ausprobiert und im Kommentar und hier in ihrem Blog von ihren Erfahrungen berichtet. Zusammengefasst: Wickelkleider wie Onion 2037, bei denen Ober- und Unterteil in einem Stück, ohne Taillennaht geschnitten sind, sind nach ihrer Ansicht ungünstig für kurvige Frauen. Am besten sitzt bei ihr ein Wickelkleid aus einem Knip-Spezialheft von 2010, hier besprochen. Dieses Schnittmuster, für Jersey gedacht,  ähnelt ebenfalls dem Burdaschnitt. Es hat eingelegte Falten im Vorderteil und an den Schultern, im Rückenteil Abnäher.



  • der Verschluss: Nötig sind ein Verschluss für den Untertritt (die unten liegende Kleidhälfte) und für den Obertritt. Das können zwei Bänder sein wie bei Memas Knipkleid, günstiger sind m. E. aber Knöpfe wie bei Malous Weihnachtskleid. "Das Kleid hat an der Taille etwas Spiel, die Knöpfe halten es ausreichend zusammen, schnüren aber nicht ein, so dass es sich wie ein 'normales' Kleid trägt.", schrieb sie dazu. Ich habe daher nicht nur für den Untertritt einen großen Druckknopf angenäht, sondern auch an der Kante des Obertritts, unter dem Bindeband, das dadurch nur noch dekorativ ist. Die Vorderteile sind damit an zwei Punkten fixiert - das Bindeband alleine würde lediglich das oben liegende Vorderteil in Richtung Seitennaht ziehen, es könnte sich aber immer noch nach oben und nach unten verschieben. Die Folge: man schnürt das Kleid immer mehr zusammen, um das Verrutschen zu verhindern und fühlt sich unbehaglich wie eine abgeschnürte Wurst. Mit der zwei-Knopf-Variante sitzt die Taille locker, und das Band wird nur locker geknotet. 
Bei einem Wickelkleid aus Jersey stellt sich auch dieses Problem nicht, denn Jerseybänder geben nach. Warum also nicht ein Kleid aus Webstoff mit Bindebändern aus Jersey versehen? Meistens wählt man dafür ja ohnehin einen Kontraststoff.
  • die Taille des Kleides muss in der natürlichen Taille, also an der dünnsten Stelle sitzen, damit die Statik des Kleides stimmt. Das ist zugleich auch die Stelle des Körpers, wo Bindebänder einen natürlichen Halt finden. Das Gegenteil habe ich nicht empirisch erprobt, aber ich hasse das unbehagliche Gefühl, wenn so eine Taillennaht wie bei Burda-Standard auf der Höhe meiner untersten Rippe baumelt, das muss als Beleg reichen. Die Oberteile sind mir bei Burdas einfach immer 2cm zu  kurz.



  • die Passform an Ärmeln und Schultern. Memas Lieblingswickelkleid von Knip hat enge, gut anliegende Ärmel und Armausschnitte. Beim Heben der Arme wird damit nicht das gesamte Kleid hochgezogen.Die Ärmelpassform finde ich bei Burda häufig problematisch, den Armausschnitt zu groß. Hier habe ich (wie immer) die Schulternaht um 1cm verkürzt und den unteren Bereich des Armlochs in der Achsel um etwa 1,5cm angehoben - das Armloch wird dadurch kleiner und sitzt näher am Arm. Da zum Schnitt ein angekräuselter Puffärmel gehört, musste ich den Ärmelschnitt nicht ändern, ich habe einfach die Kräusel so verteilt und den Ärmel so festgeheftet, dass mir das Ergebnis gefiel.
Auch dieses Problem stellt sich bei Jersey nicht oder nicht so stark, und auch dem gegenteiligen Fall, dass Ärmel zu eng sind, wird man nur selten begegnen. Bei diesem Schnitt fand ich den Ärmelabschluss einen Tick zu eng, nämlich unbequem einengend, wenn ich den Arm beuge, daher  habe ich den Ärmel um genau diesen Tick (ca. 1cm) erweitert.


  • die diagonalen Vorderkanten des Kleides sollten im gewickelten Zustand unter leichter Spannung stehen, das heißt gut anliegen. Michou hatte in den Kommentaren sogar eine einleuchtende schnittechnische Erklärung dafür, warum das bei Fertigschnitten oft nicht der Fall ist, sewing galaxy empfahl eingenähtes Silikongummiband. Stichelbeeres Demonstration, wie man einen Ausschnitt "kneift", um das Abstehen zu verhindern, hatte ich beim letzten Mal schon verlinkt, aber leider selbst nicht beachtet - diese Änderung würde ich unbedingt machen, sollte es eine zweite Version geben.    

Fazit: Wickelkleider aus Webstoffen sind machbar. Wie wir gesehen haben, vermeidet man aber eine Menge Probleme, wenn man Jersey verwendet. Aus Vergleichsgründen werde ich auch noch einen Wickelkleidschnitt aus Jersey testen, sobald mir ein geeigneter Jersey zuläuft.

Schnittmuster: 122 aus Burda 2/2007
Stoff: knapp 2,50m fester Baumwollpopeline vom Markt
Änderungen: Armausschnitt ca. 1,5cm höher gesetzt, Taille ca. 2cm tiefer gesetzt, Ärmel am Abschluss um ca. 1cm erweitert

17 Kommentare:

  1. Genial!
    Vielen Dank. Wer weiß, vielleicht probier ich doch auch mal eins (aus Webware in meinem Fall).
    Super Zusammenfassung!

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  2. Tolles Kleid! Und tolle Tipps und Verlinkungen!
    Ida

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  3. Vielen , vielen Dank für Deine so ausfürlichen Betrachtungen wie man die " Wickelkleidkatastrophen " vermeiden kann ! Jetzt werd ich mich auch mal trauen , weil eigentlich sind das ja schöne weibliche Kleider
    Liebe Grüsse Dodo

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  4. Das Kleid sieht toll aus. Der Schnitt scheint mir in einem der geschenkten Hefte Deiner Büronachbarin R. zu sein. Ich fürchte, ich werde dennoch widerstehen, erstmal zumindest. Bin bis auf weiteres geheilt vom Wickelkleid. Das rote hatte ich neulich mal wieder an - ohne Leggings wäre es auf dem Fahrrad ziemlich peinlich geworden... Das Problem hat man mit ganzen Kleidern nicht, eine Lösung für Wickelkleider sehe ich nicht.
    Aber Dein Kleid ist sehr schön - woher ist nochmal der Stoff? - und ich hoffe dass Du es oft anziehst!
    Melleni

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    1. Ja, fahrradtauglich ist das Kleid sicher nicht (das ist bei mir halt keine Anforderung an Kleider). Der Stoff ist vom Markt, und ich hab noch 2 Meter - Interesse? So bald nähe ich mr nichts mehr draus, erst wenn dieses Kleid aussortiert ist.

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  5. Deine tiefgründige Ausführung über die Problematik Wickelkleider ist sehr interessant und aufschlussreich. Ich würde bei Wickelkleidern immer zu Jersey greifen, einfach um die Ausfallquote zu reduzieren. Bisher habe ich mir ein Jersey-Wickelkleid genäht. Ich glaube vor ca. 5 Jahren. Es war Onion 2014. Ich hatte es ganz gerne an, allerdings mußte ich das Bindeband auch gut festziehen, damit oben alles verschlossen blieb.
    Danke für deine Entschlüsselung des Wickelkleid-Geheimnisses. Liebe Grüße Andrea

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  6. Danke fuer Deine gesamten Muehen der Auseinanderklabueserein und dann brauchbaren Auswertungs- Zusammenfassung = gehoerig was zum Nachdenken und verinnerlichen!

    Liebe Gruesse, Gerlinde

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  7. Danke für diesen für mich sehr sehr interessanten Beitrag.
    Ich habe mal eine Art Wickelkleid genäht
    http://seelenruhig.eu/sr/?page_id=1215

    Und finde den Schnitt auch ganz toll - allerdings liegt er sehr figurnah an und da darf man kein Gram zunehmen... (derzeit passe ich da einfach nicht rein... und bereue es sehr, es nicht aus Jersey genäht zu haben!)

    Das motiviert mich aber zu einem neuen Anlauf - so wie bei dir: wenn mir der passenede Jersey zuläuft!

    Herzliche Grüße von Ellen

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  8. Danke für die ausführlichen Informationen! Jetzt werde ich mich auch an mein Wickelkleiderschnitt wagen, das heißt wenn meine Nählust zurückkehrt, die hat zur Zeit Sommerpause;0)
    Dein Kleid gefällt mir sehr,
    LG Anna

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  9. Vielen Dank! Vielleicht nähe ich jetzt doch mal eins - aus Jersey. Mir ist ein schöner Schnitt zugelaufen...

    LG, Bronte

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  10. Hallo Lucy,
    vielen dank für die ausführliche antwort.
    allerdings sind mir 2 genannte punkte nicht einleuchtend.
    gleich zu anfang. die breite des rückens hat nicht wirklich auswirkung auf auseinander klaffen, wenn die gefälle der schulter stimmt.
    klaffen kommt für mich aus zuviel länge des ausschnitts + falsches gefälle.
    der zweiter punkt, woi cih auch nciht zustimmen kann- ist notwendigkeit eines abnähers aus der taillenlinie raus. das ist wirklich irrelevant ob falten oder abnäher oder gar kein abnäher und nur brustabnäher.
    wirklich nicht. z.b. das modell aus dem jahr 2006- wurde so oft nachgenäht, leider kann ich dir nicht die ganze galerie mehr bieten, da die arhive zum grossten teil bei burda.ru bei der umstellung verloren gegangen sind.. aber..
    hier kann ich dir noch was zeigen..
    http://www.burdastyle.ru/pattern/2006-burda-9-114

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    1. Du kannst das selbstverständlich sehen (und nähen) wie du willst, ich will niemanden missionieren. Rein empirisch macht es einfach einen Unterschied, ob Falten oder Abnäher - konstruktionstechnisch nicht. Und bei einer Bluse, deren Rücken zu schmal ist, spannt die Knopfleiste - ein Wickelkleid sperrt auf. Aber das habe ich oben ja erklärt. Btw., der verlinkte Schnitt ist doch für elastisches Material?

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    2. steht zwar in der beschriebung drin,aber viele haben es auch ohne elastan genäht. das ging auch sehr gut.wie gesagt, schade,dass ich die galerie nicht mehr zeigen kann:-(.
      ich habe, bytheway, es auch nciht als missionierung gesehen, sondern nur nachgedacht und jetzt disskutiere ich nur.ich stelle deine empirische arbeit nicht in frage!!
      bzgl. bluse und knopfleiste- sind oft ganz andere gründe,die zugrunde liegen,schliesse aber natürlich auch deine version nicht aus. schau mal hier:
      http://sewinggalaxy.blogspot.de/2012/06/regeln-zu-richtigen-knopfaufteilung.html

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    3. damit ich nicht beispiellos und uglaubwürdig bin.
      hier ist dein kleid,was du grade genäht hast.
      die frau ,die das genäht hat hatte,hatte keine probeleme mit passform.
      http://www.burdastyle.de/truemmerfrauen-kleid_crid_20618.html

      und das ist das kleid aus burda 2006 ohne elastan und ohne jersey, sondern aus einem kostüm und winterkleid-stoff.
      http://www.burdastyle.com/projects/purple-wrap-dress

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  11. Schönes Kleid. Und danke, für die Tipps und Tüfteleien. Was mich noch grübeln lässt, sind die Bindebänder auf Taillenhöhe... meine Taille ist recht hoch, da würde das fast ein Empire-Wickelkleid werden ;-) Gibt es sowas??
    LG,
    Constance

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    1. Man müsste das ausprobieren, aber ich stelle mir vor, dass das Bindeband die Tendenz hat, an die dünnste Stelle zu wandern - also wenn man die Taille tiefer ansetzt, dass der Verschluss dann immer hochrutschen will.

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  12. Hallo Lucy!
    Jetzt werde ich doch tatsächlich schon verlinkt..tststs..
    dabei habe ich doch gar keinen Blog!!!
    Ich muss das, glaube ich, endlich und ganz dringend ändern!
    Schön, dass es mit deinem Kleid so toll geklappt hat, und dass du so zufrieden bist!
    Es ist wirklich schön geworden. Und ich sehe, eine solche Blog-Diskussion bringt einen wirklich weiter und vermeidet vielleicht unnötigen Stress beim Nähen- toll!
    Vielleicht nimmst du nochmal die Verlinkung zu meinem Namen raus, dann machen sich deine Leser nicht umsonst Mühe, einen nicht vorhandnenen Blog zu finden.:o)
    Wie gesagt-ich werde das (hoffentlich) ganz schnell ändern.
    LG und einen schönen Sommer!
    BuxSen

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