Dienstag, 3. September 2013

Alles Jacke wie Hose? Jackett, Sakko, Blazer und Co

Ist ein Jackett eigentlich dasselbe wie ein Blazer, wie ist ein Sakko im Vergleich dazu definiert und wie ist hier das Verhältnis von Männer- und Frauenmode? Das Thema hatten wir unter Nähnerds vor kurzem auf twitter angerissen, nachdem @drehumdiebolzening. festgestellt hatte, dass solche Definitionsfragen auf Wikipedia auch nicht befriedigend geklärt werden, überhaupt ist das Internet nach meiner Erfahrung im Hinblick auf Modebegriffe, Stoffkunde, alte Handarbeitstechniken oft nicht besonders gut sortiert.

Ganz ausgezeichnet sortiert ist aber Reclams Mode- und Kostümlexikon, in vielen Auflagen herausgegeben von Ingrid Loschek. Da ich selbst ständig die Begriffe Blazer, Jackett, Sakko wild durcheinander benutze, interessierte mich auch, wie es denn eigentlich richtig heißt. Ich versuche mal, die Definitionen zusammenzufassen und die Jackentypen abzugrenzen:

1. Das Jackett 


Die Bezeichnung "Jackett" für männliche Oberbekleidung gibt es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (vorher sagte man "Rock" und die "Jacke" war ein weibliches Kleidungsstück). Das Jackett war ursprünglich eine knapp oberschenkellange, einreihige Jacke in dunkler Farbe, die zunächst mit helleren Hosen, ab 1860 mit Hosen aus dem gleichen Stoff getragen wurde.

Um 1867 kam ein neuer Schnitt auf, das Sakko-Jackett, bald nur noch Sakko genannt (dazu kommen wir gleich). Man unterschied nun also zwischen dem Sakkoanzug und dem "als wesentlich kleidsamer empfohlenen Jackett-Anzug. Das Jacket war nun fast knielang, ohne Taillennaht mit starkem, leicht abgerundetem Abstich (insgesamt weniger füllig als der Gehrock) und oft mit paspelierten Kanten. Die Ärmel hatten meist einen festgenähten Aufschlag mit Zierknöpfen." (Loschek 1994: 270)

Aber: heutzutage wird auch der Sakko oft "Jackett" genannt.

2. Der Sakko (in Österreich: das)


Wie schon gesagt, um 1867 aus dem Jackett entwickelt, ursprünglich zweireihig, untailliert, gerade und sackförmig geschnitten. Er wurde immer mit Hosen aus dem gleichen Stoff getragen. Die Details veränderten sich im Laufe der Zeit, mal wurde der Halsausschnitt und das Revers größer, mal kleiner. Um 1900 wurde der Sakko auf Figur geschnitten, und auch der Einreiher wurde nun als Sakko bezeichnet. Kennzeichnend sind außerdem Klappentaschen und eine schräge Brusttasche. Ansonsten änderten sich die Schnittdetails und die Proportionen alle paar Jahre: Die Länge schwankte zwischen oberschenkellang und knapp pobedeckend, der Schnitt war mal an den Hüften anliegend, mal weit, mal wurde die Taille stark betont und wanderte nach oben, mal war darunter eine Weste sichtbar, mal wurden die Schultern gepolstert, mal war das Revers schmal, mal breit. (Loschek 1994: 402-405)

3. Der Blazer (auch Klubjacke)


Der Blazer war ursprünglich eine Herrenjacke in Form eines Sakkos, aber "bewußt als Gegensatz zum bürgerlichen Alltagsanzug aufgemacht" mit einem Clubabzeichen auf der linken Brusttasche und Metall- oder Perlmuttknlpfen. Die Bezeichnung "Blazer" für eine in Sportklubs (Rudern, Tennis) schon vorher gebräuchliche Sakko-Jacke mit dem Emblem des Vereins kam in den 1920er Jahren in England auf. In den 1950er Jahren war die Bezeichnung bei uns gebräuchlich für ein "exklusives Freizeitsakko aus Wollstoff oder Jersey, im Sommer aus Leinen. [Der Blazer] wurde etwa 1963 als sportliche Frauenjacke übernommen." (Loschek 1994: 128f.)

4. Das Kostüm


Das Kostüm als Frauenoberbekleidung aus Jacke und Rock, ergänzt durch eine Bluse und/oder eine Weste gibt es seit den 1870er Jahren, es galt vor allem als Straßenkleidung, wobei man die Bezeichnungen Promenadenanzug, Toilette und Tailleur teils auch benutzte. In der zwiten Hälfte des 19.Jahrhunderts waren die Kostüme oft noch ein Fake: Rock und Jacke waren durch ein Chemisette, einen Bluseneinsatz fest verbunden, die Jacke konnte man also gar nicht ausziehen. Heidi-Alpenjodel-Freundinnen aufgepasst: "In den Alpenländern gab es von 1875 an das Trachten-Kostüm aus Lodenstoff mit dunkelgrünen Verzierungen, das sich stets der Mode anpasste."

Die Jacke des Kostüms hatte zunächst nicht so große Ähnlichkeit mit den Herrenanzügen, die Revers waren breit und mit Stickereien verziert, die Ärmel hatten oft dekorative Aufschläge, je nach Mode Ballon- oder Keulenärmel, lange Schößchen oder waren kurz wie ein Bolero. So genannte "Reise-Kostüme, deren Jacken in der des Sakko angepassten Herrenfasson (jedoch antailliert)" geschnitten waren, kamen nach 1907 auf.
Von den 1920er Jahren an konnte aber jede nur erdenkliche Jackenform zur Kostümjacke werden: Ob Wickeljacke, Blouson, Bolero, Smoking oder Frack, und naürlich weite und enge, lange und kurze Jacken mit oder ohne Kragen - in der historischen Übersicht ist wohl schon einmal jede Jacke mit jeder Rockform kombiniert worden.(Loschek 1994:319-321)

5. Das Jackenkleid


Ein Kleid mit zugehöriger Jacke, in den 1930er und 1950er Jahren besonders in Mode. (Loschek 1994: 269)

6. Der Tailleur


Ein auf Taille geschnittenes klassisches Kostüm oder Jackenkleid. (Loschek 1994: 447)

7. Der Hosenanzug     


Den allerersten Hosenanzug für die Frau entwarf 1911 der französische Couturier Paul Poiret. Die Abbildung im Lexikon zeigt, dass es sich um weiche, knöchellange Pumphosen handelte, zu denen eine knapp knielange Jacke mit Pelzbesatz getragen wurde. In den 1920er Jahren gab es Jacken und lange Hosen sowie den Smoking für Frauen. [In den 1930ern und 1940ern denke man an berühmte Hosenanzugträgerinnen wie Greta Garbo und Katherine Hepburn]. Allgemein setzte sich der Hosenanzug aber erst nach 1963 durch: als Alternative zum Kostüm mit Minirock. Auch hier war die Variationsbreite groß: mal doppelreihige Jacken, mal Safarijacken, mal Smokinganzüge, mal Bermudas. (Loschek 1994: 263f.)

10 Kommentare:

  1. ich hätte gedacht das sakko und jackett eben nur in der länge unterschiedlich sind.sakko gerne kürzer während jackett hüftig...so schlecht lag ich gar nicht..

    spannend !

    liebe grüße
    stella

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  2. Da kann ich mal was zu sagen, denn wir waren kürzlich zum Anzug kaufen. Der Verkäufer klärte uns auf, dass ein Jackett eine Anzugjacke ist, ein Sakko (er verwendete, wie ich übrigens auch, den sächlichen Artikel, obwohl tief im Westen der BRD angesiedelt), ein Sakko also eine Herrenjacke sei zu der es keine stoffgleiche Hose gäbe.
    Tailleur kenne ich eigentlich nur als französischen Begriff, der ganz banal ein Damenkostüm bezeichnet. Wie wohl es bestimmt auch hierzulande Läden gibt, die diesen Begriff verwenden, aber die liegen ausserhalb meiner finanziellen Möglichkeiten.
    VG mhs,
    leider nur als anonym unterwegs da bloglos

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  3. Obwohl norddeutsch, sage auch das Sakko, und verstehe es auch als etwas, zu dem keine stoffgleiche Hose gehört - ebenso wie beim Blazer.
    Ich habe die 2011er-Auflage des Lexikons und frage mich gerade, inwieweit da wirklich etwas aktualisiert wurde. Jedenfalls steht da nichts anderes als in deiner Auflage.

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  4. Über den Artikel bin ich auch gestolpert - ich kenne auch nur "das" Sakko, und das man diesen Begriff eher für ein Jacke nimmt, die nicht Bestandteil eines Anzugs ist. Aber ich wollte (diesmal!) keine Doktorarbeit draus machen und habe mich auf eine einzige Quelle beschränkt. Es gibt noch ein Bekleidungslexikon von Hofer, eigentlich müsste man mal vergleichen, was der dazu sagt.

    Bei den Neuauflagen, auch wenn sie "verbessert" sind, werden wahrscheinlich nur ein paar Daten eingepflegt, z. B. wenn ein Modeschöpfer gestorben ist. Die 1994er-Ausgabe endet bei den Stilbeschreibungen eigentlich in den frühen 80ern.

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    1. Vielleicht benutzen wir den Begriff Sakko ja anders als Fachleute? Deshalb ist es so ein Problem mit Wikipedia. Man müsste jedes Mal quasi eine Doktorarbeit draus machen, kann nicht einfach mal so mit nur einer Quelle dort schreiben. (Jedenfalls wenn man entsprechende Ansprüche hat). Im Ergebnis schreibt man dann lieber gar nichts, zu viel Mühe.

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    2. Aber eigentlich ist es ja so gedacht bei Wikipedia, dass einer anfängt und andere verbessern dann den Artikel mit anderen Quellen. D. h. man müsste sich als Autor anmelden und jetzt erstmal die schon bestehenden Artikel zu Herrenoberbekleidung dort ergänzen. Und vielleicht kommt dann jemand vorbei, der das Lexikon von Hofer hat und weitermachen kann. Bei Themen, die niemanden so richtig interessieren, funktioniert das Prinzip nur nicht so gut. Aber man erfährt dafür alles über Diesellokomotiven.

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  5. Wieder was gelernt. Vielen Dank!

    Henriette

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  6. Es gibt ja zahlreiche Lexika zu diesem Thema, ich habe hier auch diverses Material. Sakko wird dort als italienisches Grundwort aufgezeigt und es gibt sowohl, das und, als auch der Sakko. Angegeben ist dort, dass ein S. allein lebend sein kann oder mit passender Hose. Ein Jackett allerdings immer mit passender Hose auftritt. Blazer und Clubjacke sind Begriffe der Neuzeit.
    Ganz exakt würden das wohl nur noch Herrenmaßschneider der alten Schule bezeichnen können(Z.B in Wien), im allgmeinen Sprachgrauch verflachen und vereinfachen wir ja inzwischen vieles aus Bequemlich- und Unwissenheit.

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    1. Den "Sprachgrauch" finde ich in seiner Mischung aus "grau" und "Rauch" gerade eine wunderbar passende Wortschöpfung für den beschriebenen Umstand! Und ich werde bei Gelegenheit einmal zu einem vorzüglichen Herrenschneider in meiner Nähe gehen und ihn zu seinen Definitionen der Begriffe befragen.

      Abgesehen davon wäre ich tatsächlich dankbar für jeden Artikel auf Wikipedia in unserem Interessensgebiet. Lucy, möchtest Du nicht die hier schon immer wieder erarbeiteten Inhalte dort einstellen? Wie Du ja selbst schreibst, ist das jeweils nur ein zu ergänzender Start, aber es wäre eine sehr guter.

      LG, Bele

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  7. Ich wünschte ich würde selbst nähen können! Dann würde ich mir ein schönes Kleid ganz nach meinem Geschmack oder einen Maßanzug nähen..
    Vielleicht sollte ich einfach mal anfangen es zu erlernen :)

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