Samstag, 2. November 2013

Woche 42, 43

 

Urlaub hat einen entscheidenden Nachteil: danach ist der Lebens-, Arbeits- und damit auch Blogrhythmus durcheinander. Seit der Fahrt nach Franken hänge ich ziemlich hinterher. Vom alten Montagstakt der Wochenrückblicke kann keine Rede mehr sein, ich habe eine Wust gesammelter Links, bei denen ich selbst gar nicht mehr weiß, was das war, und mit der Umstellung zur Winterzeit ist es unmöglich geworden, am frühen Abend nach der Arbeit noch brauchbare Fotos zu machen. Von allem anderen gar nicht zu reden. Aber nie wieder Urlaub ist ja auch keine Alternative.

Was war also los in den vergangenen 14 Tagen? Der Liebste und ich büxten am wirklich allerletzen schönen Herbstttag noch einmal aus und fuhren auf die Pfaueninsel. Perfekt, wenn man noch einmal die Illusion haben will, ganz weit weg von Berlin zu sein. Die Fähre bringt einen in ca. 30 Sekunden hinüber in den Landschaftspark mit Schlösschen, Mini-Landwirtschaft und Gebäuden, die Ruinen oder englischen Landsitzen ähneln. Die namensgebenden freilaufenden Pfaue sind recht verfressen. Im Cafe auf der großen Wiese umkreisen sie die Tische, an denen Kuchen gegessen wird.

Ich strickte noch einmal die wunderbaren Leaving cuffs (ravelry-Link) zum Verschenken und häkelte wie blöd. Die Sechsecke nach dieser Anleitung erinnern mich an Briefbeschwerer aus venezianischem Glas. Es macht einfach zu großen Spaß, neue Farbkombinationen auszuprobieren, und ein paar Minuten für ein Sechseck lassen sich zwischendurch immer einschieben. 

Dann erledigte ich einige Pflicht-Nähaufgaben: ein Kameraband mit rutschhemmendem Silikongummiband restaurieren, ein Mantelfutter austauschen. Besonders bei letzterem bin ich froh, dass ich mich aufgerafft habe: ich habe meinen alten Wintermantel gerettet! Er war so schmuddelig, hing über ein Jahr unbenutzt an der Garderobe, und ich stellte ihn vor die Wahl: entweder Wollwaschgang - oder Müll. Er kam fast wie neu aus der Maschine und bekam daher von mir das neue Futter spendiert. Nach den Pflichtaufgaben konnte ich dann beim Nähkränzchen, über das Monika und Wiebke ja schon geschrieben hatten, ein Spaßprojekt beginnen: einen Rock aus einem Stoff, den fast alle total scheulich fanden.

 Die Selbermach-Links der Woche: 

 

Die Vorschau für die November-Burda ist da - und ich sehe noch mehr Zipfel. Und Hochwasserhosen wie in den frühen Neunzigern. Mit Plateauschuhen aus Lackleder. Oh, ich glaube es wird viel zu lästern geben.

Garmenter.com ist eine brandneue (gestern gestartete!) schwedische Schnittmusterfirma, die mit individuell angepassten Grundschnitten arbeitet: man kauft ein Set, bestehend aus einem bereits auf Nessel gedruckten Schnitt für Kleid oder Rock, näht diesen und passt ihn mit Hilfe gezeichneter Diagramme und eines Videos auf der Garmenter-Webseite an die eigene Figur an. Die geänderten Schnittteile dienen dann als Basis für die Modelle, die mit Hilfe von Tutorials selbst erstellt werden. Ich bin ja skeptisch, ob sich solche Schnitte zum Selberbasteln wirklich gut verkaufen lassen, auch wenn jede mit ein bißchen Nähpraxis irgendwann einsehen muss, dass frau um Schnittänderungen nicht herum kommt.

Und da ich bei Miz Kitty gerade von Schnittbasteleien las und sie in ihrer Liste auch den Punkt "Schneiderpuppe bauen" aufführt: Mir ist vor kurzem dieses Video untergekommen, in dem das Abformen einer Schneiderpuppe mit Nassklebeband wirklich akribisch erklärt wird. Bei Minute 10 wird das richtige Vermessen gezeigt - sehr hilfreich, falls ihr euch wie ich auch schon gefragt habt, wie man die Rückenlänge ermittelt. Davon abgesehen entfaltet der Film mit seinem Sprechertext im Telekolleg-Stil und den Bildern stumm agierender junger Frauen eine seltsame, groteske Faszination. Möglicherweise ist das Kunst, und ich habe es nur nicht gemerkt.

Apropos Kunst: Bestrickte Bäume verstehe ich nicht schrieb Stef (gefunden via @kittykoma), und ich stimme ihr zu: mittlerweile hole ich nur noch selten die Kamera heraus, wenn ich irgendwo ein umstricktes Geländer sehe. Urban-Knitting-Installationen, die subversiv auf ihre Umgebung eingehen, die mit Witz und Ironie den Blick auf bestimmte Elemente der Stadt lenken, oder eine Botschaft verbreiten und die nicht zuletzt auch einen minimalen ästhetischen Anspruch verfolgen, die findet man nämlich kaum noch. Meistens scheint es sich um irgendwelche Restwolle zu handeln, die irgendwie verhäkelt oder verstrickt und dann im öffentlichen Raum installiert wurde. Wenn es sich um ein Projekt wie den Tintenfisch-Baum in San Mateo handelt, der einen verwahrlosten Platz aufwertet, oder um eine temporäre Installation wie die Strickkunst in der Würzburger Semmelstraße, bei der die Bewohnerinnen einiger Seniorenheime beteiligt waren, dann lasse ich mir auch umstrickte Bäume gefallen.

Und apropos gestrickte Kunst: Auf ein gestricktes Lebenswerk von 500 Pullovern seit 1955 kann die Niederländerin Loes Veenstra zurückblicken. Alle Pullover wurden von der Designerin Christien Meidertsma in einem Bildband dokumentiert - und in einem Video werden die Werke zum ersten Mal getragen. Hinter der Pulloversammlung steckt aber keine tragische Geschichte, wenn man diesem Artikel glauben darf: Loes Veenstra strickte quasi am Stück und produzierte so über die Jahrzehnte einfach mehr Pullover, als sie verschenken oder selbst tragen konnte.

17 Kommentare:

  1. War gestern erst in der Semmelstraße und hab die Strickkunst angeschaut, ja ist schön wenn man weiß die Senioren hatten Ihren Spaß, aber so richtig schick ist es nur bedingt. Besonders wichtig ist meiner Meinung nach, das es nur zeitlich begrenzt angebracht wird, sonst verliert das irgendwie an Reiz.
    Grüße
    Steph

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    1. Oh, klasse, eine Erfahrung aus erster Hand. Ich hab' das befürchtet, zu dem Semmelstraßen-Projekt habe ich nämlich vor allem Fotos im Netz gefunden, wo es genau so wie diese beliebige Strickerei um Laternenpfähle aussieht, die man mittlerweile ziemlich inflationär überall findet. Wie du gerade sagtest: der soziale Aspekt dieses Projekts ist sicher eine gute Sache. Mit dem, was Guerilla-Strick-KünstlerInnen tmachen, hat es nicht mehr so viel zu tun.

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  2. Lucy, ich mag deine Wochenrückblicke immer sehr gern lesen! Wegen der Infos und auch sonst. Danke dafür an dieser Stelle!
    Die November Vorschau auf dem russischen Blog kannte ich schon und auch das Video zum Thema Clown selbermachen mit Nassklebeband. Aber von diesem 'Garmenter' wusste ich noch gar nichts. Habe mir gerade das Vorstellungsvideo angesehen und musste schmunzeln, weil die 'Jungunternehmerin' wiederholt die Schnuttmusterbögen von Burda einblendet und betont, dass die so kompliziert und irritierend wären.

    Liebe Grüße
    Immi

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    1. Oh, Danke für das Lob, Immi! Ja, was man so als "kompliziert" ansehen kann! Ich hab auch große Zweifel, dass das Konzept von Garmenter am Markt funktioniert, denn die meisten Leute wollen doch wohl eher ein fertiges Schnittmuster, mit dem sie gleich loslegen können. Und wenn man ohnehin den Weg über angepasste Grundschnitte gehen will, dann gibt es keinen rechten Grund, so einen Standardschnitt zum Verändern zu kaufen.

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    2. Na ja... die Frage ist ja am Ende immer was man für sein Geld kriegt. Hier gibt es für rund 40€ einen Schnitt, den Probestoff und die Dienstleistung Schnittmuster bereits auf Stoff übertragen (coole Idee wie ich finde!). Dazu diesen ganzen online-Dienst und die junge, hippe Community. Ich könnte mir vorstellen, dass gekauft wird. Genauso wie ich denke, dass Kollabora (http://www.kollabora.com/) sich auf dem Markt durchsetzten wird, wobei die Zielgruppe bei beiden Firmen ganz klar die jüngeren Generationen (20J-30J) sind.

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    3. Vielleicht hast du recht - ich habe für mich abgespeichert, dass Schnitte seber erstellen aus Grundschnitten nur was für Fortgeschrittene ist, die's wissen wollen - wenn man den Ansatz ohne diesen gedanklichen Ballast anders vermittelt, warum sollte man nicht gleich damit anfangen? Und man muss definitiv das Gesamtpaket sehen - eben auch das Styling, die community, die Verbreitung in social media, wie du schon sagtest.

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    4. Liebe Lucy,
      bei mir ist das mit dem Schnitte selber erstellen aus Grundschnitten abgespeichert als Königsweg für Immi, einfach weil ich sonst die Orientierung verliere. Vielleicht ist es für die Allgemeinheit aber doch der Holzweg? Ich weiss doch auch nicht! ;)
      Auf jeden Fall finde ich es immer spannend zu gucken, wie sich mit das mit der Näherei im Web alles so entwickelt. Deshalb lese ich ja u.a. auch gerne deine Infos hier auf dem Blog.

      Liebe Grüße
      Immi

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  3. Ich mag Deine Wochenrückblicke auch sehr, danke mal wieder für die schönen und interessanten Links.
    Herzliche Grüße
    Sabine

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  4. Whoo- Danke für den Link zur Burda-Vorschau!
    Das ist imho mal ein echt gelungenes Heft, so auf Anhieb hat es einige Weihnachtskleider drin. Und Wasserfallausschnitte in allen Variationen. Der Zipfelwickelrock mit dem vorne liegenden Zip ist endlich mal ein Einsatzgebiet für diese Reißverschlüsse mit Spitzenband. Die Burda kauf ich mir.
    Und bin sehr gespannt, wo genau du lästerst.

    Deine Cuffs sind so herrlich herbstlich- die Farbe scheint mir perfekt für das Muster!

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    1. Der Zipfelrock mit Reißverschluss vorne gehört auch zu meinen Favoriten - wer weiß, so komme sogar ich vielleicht noch zu einem (Prada-)Zipfel.
      Hosen, die knapp über dem Knöchel enden - seit ca. 1998 nicht mehr gesehen - finde ich ganz schrecklich - dachte ich. Denn die letzten Tage habe ich auf solche Hosen geachtet, sie werden hier nämlich schon getragen, und es liegt nicht an der Länge, sondern an den Schuhen. Muss ich an mir aber noch genauer beobachten.

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    2. Seit 1998 warten meine selbstgenähten Hochwasserhosen auf ihren Wiedereinsatz, und nun habe ich bei COS noch eine neu dazugekauft. Ich dachte dort im Laden auch: Ihre Zeit ist also gekommen. Bei Burda sieht es aber schon wieder komisch aus.
      Wolfgang Joop hat gestern im TV so etwas in der Art gesagt: Man soll das machen, von dem man kurz vorher noch gedacht hat, "das ist ja furchtbar".

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    3. Das ist ja kein schlechtes Motto von Herrn Joop. Die Hochwasserhosen gehören definitiv zu den Moden, in die ich mich "einsehen" muss und werde. In einem halben Jahr habe ich mich wahrscheinlich schon vollkommen daran gewöhnt.

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  5. Ha! Ich freue mich schon auf Deine Burda-Rezension :-) Wenn man der Vorschau glauben darf, verspricht das, heiter zu werden....Wobei, wie so oft, nicht nur die Schnitte, sondern vor allem die Model-Bilder Anlass zu Erheiterung geben.

    Liebe Grüße, einen schönen Sonntag,
    Stefanie

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  6. "Möglicherweise ist das Kunst, und ich habe es nur nicht gemerkt." - Einer der besten Sätze, die mir untergekommen sind! Lässt sich auch auf erstaunlich viele Situationen anwenden. Viele Grüße!

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  7. Oh schön, die Pfaueninsel liebe ich auch, zuletzt war ich am 15.6. dort, das weiß ich sehr genau wegen eines "Verlustes", der mich auf dem Weg dorthin traf. Solche Granny Squares möchte ich auch gern häkeln können und bei Karstadt am Hermannplatz kaufte ich am verkaufsoffenen Sonntag das Häkelbuch einer Französin: Cecile Frankonie und hoffe sehr, dass ich es daraus lernen kann.
    Ich finde, wenn man mit diesen Quadraten arbeitet, befasst man sich noch einmal auf eine andere Weise mit Farben und deren Kombination.

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  8. Ich mag Deine Wochenrückblicke auch sehr gerne und entdecke immer wieder Neues und Interessantes. Das Video zur Büstenherstellung mag bizarr anmuten, ist aber fachlich hervorragend. Ich stehe allerdings auch auf den Telekollegcharme...
    Und Dein Abarbeiten von Pflicht-Näharbeiten gemahnt mich an ein ganz dunkles Kapitel in meinem Zimmer. Würde ich da mal ordentlich was wegschaffen, fände sich womöglich Platz für einen rollbaren Kleiderständer neben dem geduldigen Bügelbrett. Zur Entschuldigung kann ich nur meine bewegungsfreudige, unvorsichtige Kinderschar anführen, die für Dauernachschub sorgt.
    LG, Bele

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