Sonntag, 26. Januar 2014

Stoffspielerei im Januar: Kinderleichte Bargello-Stickerei


Als Suschna für diese Folge der Stoffspielereien das Motto "Kinderleicht" ausgab, ließ ich gedanklich die allerersten Handarbeiten, die ich gemacht hatte, Revue passieren. Ich habe ja mit Taschentücher-Stickpackungen für Kinder sticken gelernt, die ich öfter von meinen Tanten aus Dresden oder Berlin geschenkt bekam. Die fertig gesäumten Taschentücher mit vorgedruckten Mustern und das Stickgarn waren immer sehr dekorativ in einem Karton mit durchsichtigem Plastikdeckel arrangiert. Später folgte eine Gobelinstickerei-Phase (auch dafür gibt es Stickpackungen), wobei ich noch später sogar dazu überging, eigene Muster zu sticken.

Kinderleicht ist das zum Beispiel mit der Bargello-Stickerei oder Florentiner Stickerei, sofern man dicke Wolle und Stramin benutzt. Bei der Bargellostickerei werden graphische Muster, meistens Zacken oder Wellen, aus mehreren, aufeinander abgestimmten Farbtönen auf einen auszählbaren Untergrund gestickt.          


Ursprünglich wurde Bargellostickerei mit Wolle auf Leinenuntergrund gestickt und für Möbelbezüge und Wandbehänge verwendet- dafür gibt es einige Beispiele aus dem frühen 17. Jahrhundert. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden die verwendeten Garne und Stoffe feiner, bestickte Brieftaschen mit Bargellostickerei kamen in Mode. Im Burda Stick-Lehrbuch von 1982 wird die Technik unter dem Namen Florentiner Stickerei beschrieben, nun verwendete man Perlgarn und auszählbare Handarbeitsstoffe. Im deutschsprachigen Netz gibt es aktuell nur wenig Informationen zu dieser Technik, aber wie so oft ist der Eintrag in der englischsprachigen Wikipedia recht ausführlich und bei apartment therapy gab es auch einmal einen Überblicksartikel. Bilder und Anleitungen findet man jedenfalls besser mit englischen Suchbegriffen - bargello stitch, flame stitch oder German brick stitch - zum Beispiel hier.  


Das Nadelkissen und die Nadelmappe stammen noch aus meiner ersten Bargello-Phase.


Jetzt kramte ich die seit Jahren nicht mehr angefassten Garnvorräte heraus, einen Rest Stramin hatte ich auch noch da. Die Stickwolle verwendete ich doppelt, sonst wird der Untergrund durch die senkrecht verlaufenden Stiche nicht komplett verdeckt. Für größere Flächen habe ich früher aber auch ganz normales Strickgarn verwendet, der Kauf von Stickwolle führt nämlich schnurstracks zur Verarmung, das Zeug ist ähnlich teuer wie Druckertinte oder Wimperntusche. Was das Verhältnis von Garnstärke und Untergund betrifft, muss man einfach ausprobieren, was zusammenpasst: hier ist  es Stramin 18/10, das heißt mit 18 "Löchern" auf 10 cm, Wolle mit 90 m Lauflänge auf 50g passt gut dazu. Wahrscheinlich könnte man auch mit Baumwollgarn sticken, mit bunten Resten vom Häkeln, zumindest stelle ich mir vor, dass das eine schöne matte Fläche gäbe.


Ich dachte an robuste Broschen für den Wintermantel und zeichnete mir ein paar Umrisse vor - die rechteckige Stickerei oben rechts ist so groß wie eine Streichholzschachtel. Interessanterweise fand ich das, was ich als "ganz einfach" in Erinnerung hatte, jetzt nach Jahren gar nicht mehr so simpel. Man muss sich vorher schon ein paar Gedanken machen, wie die Zacken verlaufen sollen und welche Farben man nebeneinander setzt.


Den unbestickten Straminrand schlug ich nach hinten um, heftete ihn fest und bügelte dann einmal mit ein bißchen Dampf drüber. Die Stärke im Stramin wird dadurch erst etwas angelöst, trocknet dann wieder und der Stramin hält bombenfest die Form. Eine Filzrückseite und eine kleine Sicherheitsnadel nähte ich von Hand auf.


Was mir erst später auffiel: die unregelmäßigen bunten Zacken der Stickerei passen perfekt zum wildgemusterten Futter meines Mantels! Ob ich vielleicht doch mal wieder etwas Größeres sticke? Es macht schon Spaß, mit bunter Wolle auf Stramin zu malen. Andererseits liegen hier noch zwei größere Stickereien von früher, aus der Gobelin-Phase herum, und ich habe keine Verwendung dafür. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Wollstickerei bei mir nur eine Phase war und wohl auch eine Phase bleibt.

Alle kinderleichten Handarbeiten sammelt heute Suschna.

25 Kommentare:

  1. Oh schön, davon wusste ich nichts. Wer braucht da noch Missoni. Deine Nadelmappe ist ja auch toll! Und die historischen Beispiele sind sehr beeindruckend. Das könnte ich mir auch als Außenseite für Hausschuhe vorstellen (die man ja zum Morgenrock bräuchte). Außerdem ist es eine gute Restverwertung für Wolle. Danke für die Entdeckung!

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    1. Stimmt, Hausschuhe! Das ist eine sehr gute Idee - die Stickerei ist nämlich auch echt strapazierfähig.

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    2. Ich habe neulich bei einer befreundeten Familie solche selbstgemachten, bestickten Hausschuhe angehabt und trage mich seither mit der Idee solche herzustellen. Sie waren warm, bequem und sehr schön!

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    3. Das hört sich gut an, musst du mal erzählen, wie die genau waren. Es gibt im Netz viele Schnitte/Stickvorlagen von ganz früher für Pantoffeln, also z.B. 19.Jhd. Das wollte ich auch mal probieren.

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  2. Man lernt nie aus! Also das war mir jetzt wirklich noch nie (bewusst) begegnet. Sehr hübsch, ganz besonders schön finde ich das Nadeltäschchen. Überhaupt, als Taschenklappe kann ich mir so etwas auch vorstellen (wie bei Gobelin), aber die Arbeit! Die Bilder aus dem Handarbeitsbuch sind ja geradezu psychedelisch ;)

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    1. Auf dem Blog der Dutch sisters sieht man solche Handtaschen mit bestickten Taschenklappen. Für's an die Wand hängen finde ich die Motive kitschig bis scheußlich, aber auf Taschen? Das hat was, finde ich.

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  3. Anna maria horner ,eine wunderbare Textildesignerin aus den USA, hat erst letzten Herbst ein Stickerei Buch veröffentlicht wo diese wunderbaren alten Techniken drin sind.
    ich mag so was sehr, aber auszuprobieren hatte ich noch keine Zeit...:-)
    sehr hübsch das alles.Knöpfe könnte ich mir gut vorstellen...

    danke fürs zeigen und mich erinnern !

    liebe grüsse
    stella

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    1. Nach dem Horner-Buch muss ich mal schauen, das ist völlig an mir vorbeigegangen. Danke für den Tipp!

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  4. Die grafischen Muster als Knöpfe finde ich eine gute Einsatzmöglichkeit für diese Technik.
    Das Stickgarn für solche Techniken ist soweit ich mich erinnern kann immer ziemlich wollanteilig mit Hang zum schrumpfen und verfilzen, den Effekt kann man sicher auch nutzen, aber ich habe immer Bange vor ungewolltem Verfilzen. Deshalb habe ich erst neulich einen größeren Posten solchen Stickgarns weggegeben und meinen Stickgarn-Bestand auf koch- und farbechtes reduziert.
    Deine Beispiele machen Laune, mal wieder mehr zu sticken und die Kommentar-Ideen sind verführerisch.
    LG Ute

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  5. Die Nadelmäppchen verbinden sich in meinen Augen gerade zur Gürtelschnalle. Auch andere Accessoires stelle ich mir schön vor: Armbänder, Hutverzierungen, Kettenglieder ... kommt sicher auch schön mit Perlen oder Leder kombiniert.

    Viele Grüße
    Ursula

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    1. Ja, in Richtung Schmuck zusammen mit anderen Materialien werde ich nochmal weiterdenken. Auf die runde Brosche bin ich heute schon mehrmalks angesprochen worden...

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  6. Das Zickzackmuster der Brosche wiederholt sich ja auch in der Struktur des Mantelstoffs. Raffiniert!
    Und ich dachte auch sofort an bezogene Knöpfe, bestickte Jacken- und Mantelkragen, Taschenklappen, kleine Mäppchen/Täschchen, Kofferanhänger...

    Liebe Grüße,
    Henriette

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  7. "Der Kauf von Stickwolle führt nämlich schnurstracks zur Verarmung." Oh ja, das ist mein Zitat des Tages. Die MEZs und Pryms sind ganz schön frech, oder?

    So als Miniatur hat das eine ganz andere Wirkung als in einer großen Fläche. Und erhält endlich die Wertschätzung die es verdient. In einem Bild finde ich das ehrlich gesagt unmöglich, gerade wenn Figürliches ins Spiel kommt. Aber so als Ausschnitt und Zitat- Super.
    Die richtige Dosis macht´s.

    (Aber als Hausschuhe? Ichweißnicht. "Ich sticke mir meine Schlappen passend zum Morgenmantel" ist auch für Handarbeitsnerds too much....)

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    1. nee, nix too much :-)

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    2. Ich weiß auch nicht, was das für ein Trend zur gepflegten Häuslichkeit hier gerade ist... oder zu dekadenten Häuslichkeit. Wir enden noch alle auf dem Sofa, trinken Absinth und lesen Baudelaire, wenn das so weitergeht.

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  8. Diese Technik habe ich wohl erfolgreich verdrängt, da ich einen Wandhalter für einen Abreißkalender im Handarbeitsunterricht sticken musste. Ich fand dieses Ding einfach nur scheußlich, aber deine Umsetzung bei den Knöpfen finde ich schön.
    LG Mirella

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    1. OMG ja, diese sowohl nutzlosen wie hässlichen Produkte aus dem Handarbeitsunterrricht können einem das Handarbeiten schon dauerhaft vermiesen.

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    2. Oder die eine oder andere Handarbeitslehrerin selbst. Ich wundere mich heute noch, daß ich damals (wie auch heute noch) trotzdem soviel Spaß am Handarbeiten hatte/ habe!

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  9. Schöner Farbklecks am Winter-Mantel! Gefallen mir sehr gut.
    Viele Grüsse, Birgit

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  10. So als Broschen oder Knöpfe gefällt mir die Stickerei ausgesprochen gut!!
    Irgendwie verpasse ich immer die Stoffspielereien.
    Wann weiß man denn, welches Thema das nächste sein wird??
    Herzliche Grüße
    Petra

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    1. Die Sammlung ist immer am letzten Sonntag im Monat, das nächste Mal am 23. 2., und der Ort wechselt immer zwischen Suschna, Griselda, frifris, KaZe und hier. Diejenige, die sammelt, gibt den Themenvorschlag vorher in ihrem eigenen Blog bekannt - das kann einem aber leicht durchrutschen, weil es dafür keinen speziellen Termin gibt, das ist wahr. Aber man kann auf jeden Fall auch andere Sachen zeigen, es muss nicht unbedingt zum Thema sein!

      Da ich das nächste Mal sammele, sage ich jetzt schon mal, dass das nächste Thema "Gewebe" lautet. Ich habe da schon länger was im Kopf, mal sehen, ob ich das bis dahin umgesetzt bekomme.

      Wäre toll, wenn du mitmachst!

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    2. Super Danke Dir, dann kann ich schon mal überlegen...
      Das wäre ganz toll, wenn das neue Thema schon immer am besagten Sonntag feststünde, dann hat man auch ausreichend Gelegenheit, was Ordentliches zu zaubern.
      Liebe Grüße
      Petra

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  11. Danke für den erhellenden historischen Ausflug! So in Minigröße hat es echt das Große Zeug zum Schmuck, Ganz Klasse! Und Hut ab vorm Nadelmäppchen.
    Einen ganzen Sessel, diese Fleißarbeit habe ich zwar schon bei K.Fassett gesehen, aber da könnte ich mich niemals raufsetzen. An gestickte Pantoffeln habe ich aber auch gedacht, Verrückt wie sich das hier gerade konzentriert.Irgendnwo habe ich sogar einen Schnitt dafür.Wie strapazierfähig Wolle dafür, muß man sicher testen.
    Deine Buttons schreien jedenfalls nach mehr!
    ZickZackgrüße von kaze

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  12. Vielen Dank für die wunderbare Seite. Diese Hefte hatte ich früher alle (gesammelt). Lang lang ists her ...., diese neumodischen Worte fehlen in meinem Wortschatz, aber übers Internet kann man sich ja schlau machen. Also ich verwende ausschließlich meine Restewolle und ich habe fast nur Wolle bis zu einer Stärke von 4er Nadeln. Dann orientiere ich mich an der angegebenen LL in diesem Blog (90 m per 50g) und wenn ich Wolle mit LL von 175 bis 185 m verwenden will, wird das berechnet, ich müsste also einen doppelten Faden zum Besticken nehmen. Was ich damit mache? Z.B. verwende ich den 18er Stramin um vor meiner Türe zum Wohnzimmer eine Vorlage zu besticken, im Flur ist Fliese, also kalt, und ich habe einen Schutz für meine Stuhlrücken damit gestickt und, last but not least habe ich einen Puff (runden Sitzhocker aus leeren PET-Flaschen gemacht - zusammengeklebt zu einem Kreis, darüber Volumenvlies und dann die Stickerei, Boden aus Wellpappe überzogen mit Wachstuch). So ist das wenn man viel Zeit im Pensionistenalter hat. :-))

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    1. Danke für deinen netten Kommentar! Das sind interessante Projekte - besonders die Idee, den Unterbau eines Puffs aus PET-Flaschen zu machen, finde ich genial.
      Viele Grüße! Constanze

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