Willkommen zur neuen Ausgabe der Stoffspielerei im Juni! Ich habe mich in letzter Zeit sehr rar gemacht bei der Stoffspielerei, und dann auch noch mit dem Thema Rokoko eine schwierige Aufgabe gestellt, wie mir hier und da zurückgemeldet wurde. Ich kam auf das Thema, weil ich im März an einer Führung durch das Neue Palais in Potsdam und die Postdamer Textilrestaurierungswerkstatt teilnahm. Die Innenausstattung des in den 1760er Jahren gebauten Schlosses, das vor allem für Festiviäten und die Unterbringung von Gästen genutzt wurde, ist noch recht vollständig erhalten.
Die Mode des 18. Jahrhunderts, bei solchen repräsentativen Bauten wirklich keine Oberfläche undekoriert zu lassen, ist uns heute ziemlich fremd. Alles ist gemustert, mit Stoff bezogen, geschnitzt, bemalt, mit Borten, Troddeln oder Quasten geschmückt, gerahmt, vergoldet - sicherlich ein beeindruckender Anblick, wenn sich das Kerzenlicht in den glänzenden Fäden des Brokats, in den Kristallen der Lüster und in den großen Spiegeln brach.
Auch wenn spätbarocke Ornamente heute in der Inneneinrichtung nicht mehr so im Übermaß eigesetzt werden, es gibt sie immer noch - Tapeten, die die seidenen Wandbespannungen aus Schlössen nachahmen, gibt es sogar in ziemlich großer Zahl. Oder vergleicht mal die Seidentücher von Versace mit dem Fußboden im Marmorsaal des Neuen Palais! Barock und Rokoko (grob gesagt etwas zarter, heiterer, mit zarteren Farben und Asymmetrien) sind in der Dekoration erhalten geblieben - das war für mich nach dem Schlossbesuch tatsächlich eine neue Erkenntnis.
Für die Stoffspielerei habe ich versucht, ein Ornament in einer Reverse-Applikationstechnik umzusetzen,die ich schon lange einmal auspr0bieren wollte. Die Mola-Technik wurde ursprünglich nur auf einigen Inseln vor der Küste Panamas ausgeübt. Mittlerweile sieht man Molas manchmal auch auf Kunsthandwerkmärkten zusammen mit anderen Textilien aus aller Welt, und es würde mich nicht wundern, wenn Molas eínzwischen auch in Asien nachgeahmt werden würden.
Bei dieser Technik werden die Applikationsmiotive aus einem Stapel verschiedenfarbiger Baumwollstoffe von oben nach unten herausgearbeitet. Das Motiv wird aufgezeichnet und entlang der Konturen mit etwas Nahtzugabe aus der obersten Stofflage herausgeschnitten. Die Zugaben werden nach unten eingeschlagen und die Kante wird durch alle Lagen festgenäht. Aus der zweiten Stofflage, die nun sichtbar ist, wird ein weiteres Motiv ausgeschnitten, der Rand eingeschlagen und mit der Hand festgenäht, so dass die dritte Stofflage zum Vorschein kommt.
Bei den Näherinnen der Cunas in Panama entstehen so häufig abstrahierte Tiermotive, die durch parallele bunte Linien oder Schnecken strukturiert sind. Über die Technik gibt es ein Buch von Kate Mathews - "Molas", es erschien 1999 auf Deutsch im Haupt-Verlag und ist mittlerweile sehr günstig zu haben. Die Technik ist gut beschrieben, so dass man lernt, eigene Entwürfe umzusetzen, und es sind viele Fotos von Molas aus Panama enthalten. (Die Modelle im Anleitungsteil, oft Kleidung mit Dekor in Mola-Technik, entsprechen allerdings eher dem Geschmack der späten 1980er.)
Die Näharbeit erwies sich als zwar recht kleinteilig-fummelig (das Ornament hätte etwas großflächiger sein können und er verwendete Baumwollstoff vielleicht etwas feiner), aber es ist machbar. Bis zu der dritten Stofflage in Rosa bin ich noch gar nicht vorgedrungen, dazu sind die einzelnen Flächen auch größtenteils etwas zu klein. Die Applikation ist schön plastisch, und die Technik ist eine gute Möglichkeit, relativ filigrane Strukturen aus Stoff nachzubilden - als herkömmliche Applikation, also mit kleinen, aufgesetzten Stoffstücken, wäre es nur schwer möglich, so ein Ornament abzubilden.
Ich bin gespannt, was ihr aus der Vorgabe gemacht habt!
Sabine (Tyches Touch) hat eine Rokokospitze gehäkelt, angelehnt an die Muster von Nymphenburger Porzellan.
Susanne (Nahtlust) hat eine Rokoko-Maske aus Spitzen angefertigt.
Ute (123-Nadelei) ging in Thüringen auf Spurensuche nach dem Rokoko - sehr interessant!
Annelies von der Galerie der Handarbeiten hat verschiedene Rüschenformen - Froschgoscherl und Herzrüsche - ausprobiert.
Vielen Dank allen füs Mitmachen! Ich ergänze die Liste oben noch im Laufe des Tages, sobald ich weitere Beiträge finde.
Auch die Rückseite ist interessant: Es wird immer durch alle Stofflagen genäht |
Die monatliche Stoffspielerei ist eine Aktion für textile Experimente. Sie ist offen für alle, die mit Stoff und Fäden etwas Neues probieren möchten. Der Termin soll Ansporn sein, das monatlich vorgegebene Thema soll inspirieren. Jeden letzten Sonntag im Monat werden die Links mit den neuen Werken gesammelt – auch misslungene Versuche sind gern gesehen, zwecks Erfahrungsaustausch.
Juli & August: Sommerpause
30.09.2018: „Streifen“ bei 123-Nadelei
28.10.2018: „Seide“ bei Siebensachen
25.11.2018: (Thema noch nicht fix) bei Nähzimmerplaudereien
Dezember: Weihnachtspause
27.01.2019: (Thema noch nicht fix) bei Textile Werke
24.02.2019: „Farbverläufe“ bei Schnitt für Schnitt
31.03.2019: „Geometrie“ bei Feuerwerk by Kaze
Oh, Mola sieht nach einer argen Fummelei aus. Ist aber eine interessante Technik. In dem Sammelwerk "Die ganze Welt der Handarbeit" aus den 80er Jahren habe ich den Hinweis gefunden, daß man noch zusätzliche Stoffstückchen eingeschoben hat, wenn man für eine kleinere Fläche eine andere Farbe haben wollte.
AntwortenLöschenMeine (zum Teil mißglückte) Machwerke zu dem Thema findest Du auf http://www.galerie-der-handarbeiten.de/2018/06/24/stoffspielerei-im-juni. Vielen Dank für Thema und Sammeln der Ideen.
Annelies
Deine Rüschen sind aber spannend, gerade weil die Tücke im Detail liegt Danke fürs Mitmachen!
LöschenDas ist ja eine ganz fleißige Handarbeit. Mola kannte ich noch nicht - vermutlich würde ich das bei einem Nachahungsversuch, dem Rokoko widersprechend, wahrscheinlich eher Ton in Ton machen. Aber so passt das super zum Rokoko. Ich bin an Idee und Zeit gescheitert, so dass ich dieses Mal nichts vorbereitet habe.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Ines
Eine interessante Kombination, überhaupt finde ich Kombinationen haben viel Potential. Ich glaube diese Handarbeiten werden recht flott ausgeführt und man ist bei originalen Molas nicht pingelig. Ich denke vorab schon an die Beanspruchung, Nutzung und eventuelle Wäsche.
AntwortenLöschenDas Buch habe ich auch, ich hatte es als Inspiration für Jersey-Reverse-Techniken gekauft. Die sind einfacher weil das Einschlagen entfallen kann.
Danke für das Thema, zunächst war ich ratlos. Dann habe ich angefangen regional zu suchen und kam gar nicht davon los. Um so mehr ich las, um so mehr wollte ich wissen. Nun möchte ich unbedingt einiges in Arnstadt und Gotha noch mal näher betrachten. Vorher geht es aber nach London, da gibt es sicher auch was zum Thema zu sehen ... V&A.
LG Ute
Ach, das passt mit dem Muster ja sehr gut zum Verspielten Rokoko, liebe Constanze, und ist toll geworden! Das ist gewiss viel Arbeit, so sieht es zumindest aus, aber ich bin sicher, dass es mit den unterschiedlichen Lagen auch richtig cool sein wird, wenn es fertig ist und nach und nach alle Lagen und Muster zu sehen sein werden. Danke für die Vorstellung dieser Technik und für Rokoko als Thema. Lieben Gruß
AntwortenLöschenSusanne
Wirklich toll geworden bei dir.Wenn wir aus unserem Hotel Kastelruth wieder da sind geht es bei mir auch wieder los.Danke für deinen tollen Beitrag.LG Vera
AntwortenLöschenIch habe durchaus was für Südtirol übrig und habe da sogar Familie - Werbelinks als Profil finde ich aber weniger nett.
LöschenAch Gott, der letzte Sonntag im Monat war ja gestern schon! Ich habe immer auf den nächsten Sonntag hingedacht, aber da ist der Juni ja schon vorbei. Naja, ich muss gestehen, auch ich fand das Thema schwierig und Stöbern in Büchern und einschlägigen Internetseiten konnte meine Begeisterung für die damalige Mode mit Mieder und Reifröcken nicht so recht wecken. Am ehesten wäre es wohl auch ein Muster geworden.
AntwortenLöschenMolas kenne ich nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass sie mit grafischen Mustern und geraden Kanten einfacher zu nähen sind und Rokoko-Verschnörkelungen dabei eine besondere Herausforderung darstellen. Sieht jedenfalls aus, als ob man viel Zeit und Geduld braucht. Viel Erfolg beim Fertigstellen! LG Christiane
Ich hatte gedanklich auch erst mit "in einer Woche" gerechnet - und hatte dann (mal wieder) Terminschwierigkeiten. Die Original- Molas sind eckiger, da hast du recht. Vor allem schmal zulaufende Spitzen sind schwierig bei der Technik.
LöschenGanz tolle Umsetzung. Die Molatechnik gefällt mir gut. Sieht entspannend aus, aber sicherlich nichts für Ungeduldige. Diesen Monat musste ich leider aussetzen. Trotzdem danke für das Thema. Spannend wieder, was es Unterschiedliches bei den einzelnen Teilnehmerinnen hervorgebracht hat.
AntwortenLöschenLG Ute
Wie schön! Ich mag die Vorstellung, dass sich das Nähstück erst nach und nach entwickelt und sich vielleicht erst während des Prozesses zeigt, wohin es geht. So mal schnell, schnell geht da sicher nichts - Entschleunigen beim Nähen also ;)
AntwortenLöschenIst die Technik nicht ähnlich der von Natalie Chaning?
LG Friedalene
Liebe Constanze, danke für den Themenvorschlag und deine Rolle als Gastgeberin. Nach meinem Empfinden ist die Mola Technik folkloristisch und steht somit im Kontrast zum höfischen Rokoko Geschmack. Deine Arabesken sind sehr ausdrucksvoll geworden, das Nähen durch die zahlreichen Stofflagen stelle ich mir mühsam vor. Liebe Grüße Tyche
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