Montag, 12. August 2013
Woche 32
Wieder erträgliche Temperaturen, und ich bin total im Strickfieber. Alles Eskapismus, nehme ich an, denn mit nichts kann ich mich derzeit gedanktlich so gut wegbeamen, vor allem an den verregneten Abenden, die wir jetzt ab und zu hatten. Stricken beruhigt mich, und so muss ich nicht Zigaretten holen gehen und mit gefälschtem Pass in Argentinien ein neues Leben anfangen. (Macht euch keine Sorgen um mich, es ist nur die alte Geschichte "Der Text und ich", den ich nicht mehr sehen kann, der jetzt langsam fertig wird und irgendwie auch zu schnell, weil ich mich fürchte, ihn abzugeben.)
Sprechen wir lieber von erfreulichen Erfolgserlebnissen:
1. Ich habe eine Strickjacke abgekettet.
2. Experimentiert.
3. Eine neue Maschenprobe gestrickt, aus Baby Merino von Drops. Das Muster nennt sich "Schleifenmuster" und wird eigentlich wie in der unteren Hälfte der Probe gestrickt (sofern man das bei schwarzer Wolle erkennen kann), mit normal abgestrickten Umschlägen. Bei dem glatten Garn gefällt mir das Muster mit verschränkt abgestrickten Umschlägen und kleineren Löchern aber auch ganz gut. Welches es wird? Mal sehen. Die Maschenprobe habe ich diesmal kurz durchgewaschen, weil ich irgendwo in einem Blog (war es bei Lucia?) gelesen hatte, dass dieses Merinogarn stark nachgibt. Das kommt mir auch so vor.
4. Mich mit Strickmusternachschub versorgt (darunter zu sehen übrigens Teile des blöden Textes). Die gedankliche Strickprojektliste umfasst nun etwa 15 Positionen, aber keine Angst - das alles werde ich sicher nicht stricken, nur davon träumen. Ich habe ja zum ersten Mal seit Jahren wieder Strickmusterhefte gekauft und bin ganz angetan. Die Modelle können durchaus mit dem mithalten, was man von ravelry aus dem angelsächsischen Raum kennt. Nur Anleitungen für dünneres Garn - also dünner als Nadelstärke 4 - sind immer noch selten. Und es gibt Eulen- und Katzenpullover, ohje. Aber meine älteren Strickzeitschriften sind von 2006, als ich dachte, ich könnte mal wieder was stricken und zwei Verenas kaufte. Letztlich strickte ich nichts daraus, und wenn ich mir die alte Modelle jetzt ansehe, weiß ich auch wieder, warum. Eine Vorschau auf die aktuellen Hefte findet ihr hier: Rebecca Heft 55 und hier: Verena Herbst 2013.
5. Die Besteigung der Eiger-Nordwand mit der Heidi-Jodelgruppe geplant. Susa hat da schon wieder ein Strickmuster entdeckt (aus der Rebecca) und einen schlimmen Rückfall der Heidi-Strick-Jodelitis erlitten (wir erinnern uns). Natürlich wurden wie letztes Jahr wieder zahlreiche Bloggerinnen in Mitleidenschaft gezogen (gehörte ich einer bestimmten theoretischen Richtung der Literatur- und Kulturwissenschaft an, schriebe ich jetzt Mit-leiden-schaft, damit ihr auch ja alle merkt, welche Einzelbestandteile in diesem Wort stecken, und dass es um Leiden und um Leidenschaft und um das Gemeinsame, das Mitfühlen, Verzeihung, das Mit-Fühlen geht und das alles ungeheuer tief und bedeutsam ist), also, es wurden andere Bloggerinnen in Mitleidenschaft gezogen und auch ich, die ich ja nur den Fehler machte, die Kommentare zu lesen, konnte mich dem nicht entgegenstellen, als ich einem Link von Ilsebyl folgte: So ein Strickcape brauche ich jetzt wohl auch! Eine Lawine kann man nicht aufhalten.
Am 1. September gehts los, die weitere Route der Jodelgruppe in Sachen alpenländischer Strickware entnehmen Sie bitte dem Post unserer Expeditionsleiterin Frau Sachenmacherin. Es sind noch Plätze in unserer Seilschaft frei! Mein Motto wird sein: Miss Marple goes Eiger-Nordwand.
5. Die alles beherrschende Strickleidenschaft ist auch Schuld daran, dass ich wollige Links zu empfehlen habe: Bei drops wird es ab etwa Mitte Oktober zwei neue Garne geben: ein flauschiges Alpaca-Seide-Garn, das sehr dünn ist, aber mit Nadelstärke 5 verarbeitet werden soll, und eine Mischung aus Baumwolle und Merino, die ziemlich sportlich aussieht. Besonders auf das Flauschgarn bin ich gespannt, mehr noch auf die Anleitungen dazu - ich finde, dann kann man erst richtig abschätzen, wozu so ein Garn geeignet wäre.
Samstag, 10. August 2013
Loben und Lästern: Burdastyle 08/2013
Ich finde es ist Zeit für eine neue Rubrik hier im Blog! Ich kaufe mir ja Monat für Monat das neue Schnittmusterheft von Burda, finde fast jeden Monat den einen oder anderen Schnitt, den ich un-be-dingt nachnähen will, lästere im Familienkreis über andere Modelle, die ich albern, lächerlich oder missraten finde, lege das Heft dann auf den wachsenden Heftstapel hier und habe bald darauf alles vergessen. Das hat zwei Nachteile: die unbedingt nachzunähenden Schnitte werden nicht genäht, und lästern ist ja in größerer Runde und unter Nähexpertinnen noch viel schöner. Außerdem lese ich gerne die Rubrik revue de presse von Nowak - hier die Besprechung vom Burdastyle-Augustheft- und erinnert sich noch jemand an die grandiosen Burda-Lästereien der Selfish Seamstress, back in the days - zum Beispiel hier, hier und hier? Neben etwas augenzwinkerndem Läster-Spaß erhoffe ich mir mehr Struktur für meine Nähpläne. Oft habe ich ja sogar schon passende Stoffe da, und planen und schwärmen und Ideen ausbrüten ist ja sowieso das Allerschönste am Nähen.
Los gehts mit dem Burdastyle-Augustheft, wie üblich schon das erste Herbstheft mitten im Sommer, aber als echter Nähnerd kann ich mich eiskalt (haha) mit der Planung der Herbstnähereien befassen, auch bei 30 Grad im Schatten.
Der Rock 130 von Seite 31, ein Wollrock ganz nach meinem Beuteschema: schmal mit Taschen und Anklängen an eine Herrenhose durch die Paspeltaschen im Rückenteil und einem - scheinbar - klassischen Reißverschlussschlitz. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Wickelrock: Ein teilbarer Reißverschluss verbindet vorne die obere und die untere Lage. Wie das ganze genau funktioniert, habe ich beim Lesen der Nähanleitung noch nicht verstanden, aber das erhöht nur den Reiz. Der dicke schwarze Wollstoff mit eingewebten weißen Streifen aus meinem Lager (vom Sonderverkauf bei Thatchers) passt jedenfalls perfekt dazu.
Den Streifenpullover vom Foto finde ich von der Idee her gar nicht so schlecht - aber nicht in dieser übergroßen Passform, die mich sofort wieder ins Jahr 1986 beamt.
Der Mantel 125 von Seite 32, ein schmaler Mantel mit Prinzessnähten und einem einseitigen Kragen. Seitdem ich den sehr tollen, aber wegen mieser Stoffqualität leider unrettbaren Übergangsmantel beerdigt habe, ist der Posten wieder frei, und dieser Kandidat erfüllt alle Anforderungen: knielang, schmal, und ein Schnitt, der sich besser bei mittelkalten Temperaturen als im tiefsten Winter trägt. Und einen wunderbaren dunkel-smaragdgrünen Mantelvelours in ausreichender Menge gibt das Lager auch her. Futter dann am besten himbeerrot.
Auf der Suche nach dem dritten potentiellen Lieblingsschnitt im Heft blätterte ich hin- und her und konnte mich nicht recht entscheiden. Ein Cape wollte ich mir ja schon immer mal nähen, aber Modell 122 frisst über 4 Meter Wollstoff, es handelt sich mithin wohl um eine Jurte, nicht um ein Kleidungsstück. Dann gibt es mit Modell 106/107 ein wunderschönes Jäckchen mit Kelchkragen, aber hier tappe ich in die Blazerfalle: Ich mag solche Jacken, aber ehrlicherweise habe ich derzeit wenig Gelegenheit, sie anzuziehen.
Daher empfehle ich euch als drittes einfach einen Blick auf die Schnitte in großen Größen (Nummer 135 bis 142, hier fast ganz unten). Da gibt es dieses Mal nämlich sehr schöne, etwas retromäßig gestylte Kleiderschnitte, eine aufwendige Wolljacke und eine Hose. Ich finde, die sehen ganz brauchbar aus.
Das Kostüm von Seite 35 aus Jacke 101 und Rock 132, und ich weiß schon jetzt, dass ich mich mit dieser Wahl unbeliebt mache, denn Marion erinnerte das Modell an Raumschiff Orion, und zwar auf die gute Art. Vielleicht verstehe ich es nur einfach nicht: eine ohnehin schon kastige Jacke wird noch kastiger gemacht, indem zwei Lagen Wollflausch in verschiedenen Farben aufeinander gesteppt werden. Dazu noch eine Prise schwarzes Lackleder an den Blenden und für den Vorderteilbeleg, und die Jacke steht auch ohne Inhalt von alleine. Ähnlich beim Rock, auch hier bestehen die blassrosa Felder aus einer zweiten, aufgesteppten Lage Wollflausch. Äh ja, das hält bestimmt schön warm und ist wegen der unüblichen Verarbeitung auch sicherlich sehr interessant zu nähen - aber ich vermisse bei diesem Modell buchstäblich die Leichtigkeit, und das liegt nciht nur am Material, auch an der kilometerlangen knappkantigen Abstepperei, die hier involviert ist.
Auch bei Kleid 133 von Seite 58 fragte ich mich, was das in einem Modeheft zu suchen hat: Roter Pannesamt? Eine Schnürung mit eingeschlagenen Metallösen am Ausschnitt? Dazu Empiretaille und Dreiviertelärmel in einer ganz blöden Länge, die wie herausgewachsen wirkt? Ernsthaft? Ich dachte, müssten nur diejenigen bedauernswerten Besucherinnen von Mittelalterfesten anziehen, die nicht selbst nähen können und irgendwo was aus dem Katalog bestellen müssen.
Und zuletzt die Bluse 114, Seite 19, Motto: Uniformbluse trifft Spitze und viel hilft viel. Hier wurden für einen kastigen Blusenschnitt Stickereibatist in zwei Farben, einfacher Batist, Baumwollspitze, ein Perlenband zum Aufnähen und drei große goldene Knöpfe verbraten. Für ausreichend lange Ärmel war aber trotzdem nicht genug Material da.Wahrscheinlich verstehe ich den Reiz dieser ganzen nostalgisch aufgemachten Jahrhundertwende-trifft-Achtziger-Modestrecke nicht so richtig, denn auch die Kleider und Blusen mit Halskrause (104 und 105), das weiße Spitzenkleid wie aus Tod in Venedig (117) und nicht zuletzt die oben weite, unten enge knöchellange Lederhose (112) waren Anwärter für einen der Top-of-the-Flops-Plätze.
Ob ich mir diese Sachen in ein bis drei Jahren "schöngesehen" habe und sie dann doch ganz gut finde? Lassen wir uns überraschen, denn kein Geschmacksurteil hat ewig Bestand!
Los gehts mit dem Burdastyle-Augustheft, wie üblich schon das erste Herbstheft mitten im Sommer, aber als echter Nähnerd kann ich mich eiskalt (haha) mit der Planung der Herbstnähereien befassen, auch bei 30 Grad im Schatten.
Die Lieblingsschnitte
Der Rock 130 von Seite 31, ein Wollrock ganz nach meinem Beuteschema: schmal mit Taschen und Anklängen an eine Herrenhose durch die Paspeltaschen im Rückenteil und einem - scheinbar - klassischen Reißverschlussschlitz. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Wickelrock: Ein teilbarer Reißverschluss verbindet vorne die obere und die untere Lage. Wie das ganze genau funktioniert, habe ich beim Lesen der Nähanleitung noch nicht verstanden, aber das erhöht nur den Reiz. Der dicke schwarze Wollstoff mit eingewebten weißen Streifen aus meinem Lager (vom Sonderverkauf bei Thatchers) passt jedenfalls perfekt dazu.
Den Streifenpullover vom Foto finde ich von der Idee her gar nicht so schlecht - aber nicht in dieser übergroßen Passform, die mich sofort wieder ins Jahr 1986 beamt.
Der Mantel 125 von Seite 32, ein schmaler Mantel mit Prinzessnähten und einem einseitigen Kragen. Seitdem ich den sehr tollen, aber wegen mieser Stoffqualität leider unrettbaren Übergangsmantel beerdigt habe, ist der Posten wieder frei, und dieser Kandidat erfüllt alle Anforderungen: knielang, schmal, und ein Schnitt, der sich besser bei mittelkalten Temperaturen als im tiefsten Winter trägt. Und einen wunderbaren dunkel-smaragdgrünen Mantelvelours in ausreichender Menge gibt das Lager auch her. Futter dann am besten himbeerrot.
Auf der Suche nach dem dritten potentiellen Lieblingsschnitt im Heft blätterte ich hin- und her und konnte mich nicht recht entscheiden. Ein Cape wollte ich mir ja schon immer mal nähen, aber Modell 122 frisst über 4 Meter Wollstoff, es handelt sich mithin wohl um eine Jurte, nicht um ein Kleidungsstück. Dann gibt es mit Modell 106/107 ein wunderschönes Jäckchen mit Kelchkragen, aber hier tappe ich in die Blazerfalle: Ich mag solche Jacken, aber ehrlicherweise habe ich derzeit wenig Gelegenheit, sie anzuziehen.
Daher empfehle ich euch als drittes einfach einen Blick auf die Schnitte in großen Größen (Nummer 135 bis 142, hier fast ganz unten). Da gibt es dieses Mal nämlich sehr schöne, etwas retromäßig gestylte Kleiderschnitte, eine aufwendige Wolljacke und eine Hose. Ich finde, die sehen ganz brauchbar aus.
Die Flops
Das Kostüm von Seite 35 aus Jacke 101 und Rock 132, und ich weiß schon jetzt, dass ich mich mit dieser Wahl unbeliebt mache, denn Marion erinnerte das Modell an Raumschiff Orion, und zwar auf die gute Art. Vielleicht verstehe ich es nur einfach nicht: eine ohnehin schon kastige Jacke wird noch kastiger gemacht, indem zwei Lagen Wollflausch in verschiedenen Farben aufeinander gesteppt werden. Dazu noch eine Prise schwarzes Lackleder an den Blenden und für den Vorderteilbeleg, und die Jacke steht auch ohne Inhalt von alleine. Ähnlich beim Rock, auch hier bestehen die blassrosa Felder aus einer zweiten, aufgesteppten Lage Wollflausch. Äh ja, das hält bestimmt schön warm und ist wegen der unüblichen Verarbeitung auch sicherlich sehr interessant zu nähen - aber ich vermisse bei diesem Modell buchstäblich die Leichtigkeit, und das liegt nciht nur am Material, auch an der kilometerlangen knappkantigen Abstepperei, die hier involviert ist.
Auch bei Kleid 133 von Seite 58 fragte ich mich, was das in einem Modeheft zu suchen hat: Roter Pannesamt? Eine Schnürung mit eingeschlagenen Metallösen am Ausschnitt? Dazu Empiretaille und Dreiviertelärmel in einer ganz blöden Länge, die wie herausgewachsen wirkt? Ernsthaft? Ich dachte, müssten nur diejenigen bedauernswerten Besucherinnen von Mittelalterfesten anziehen, die nicht selbst nähen können und irgendwo was aus dem Katalog bestellen müssen.
Und zuletzt die Bluse 114, Seite 19, Motto: Uniformbluse trifft Spitze und viel hilft viel. Hier wurden für einen kastigen Blusenschnitt Stickereibatist in zwei Farben, einfacher Batist, Baumwollspitze, ein Perlenband zum Aufnähen und drei große goldene Knöpfe verbraten. Für ausreichend lange Ärmel war aber trotzdem nicht genug Material da.Wahrscheinlich verstehe ich den Reiz dieser ganzen nostalgisch aufgemachten Jahrhundertwende-trifft-Achtziger-Modestrecke nicht so richtig, denn auch die Kleider und Blusen mit Halskrause (104 und 105), das weiße Spitzenkleid wie aus Tod in Venedig (117) und nicht zuletzt die oben weite, unten enge knöchellange Lederhose (112) waren Anwärter für einen der Top-of-the-Flops-Plätze.
Ob ich mir diese Sachen in ein bis drei Jahren "schöngesehen" habe und sie dann doch ganz gut finde? Lassen wir uns überraschen, denn kein Geschmacksurteil hat ewig Bestand!
Montag, 5. August 2013
Live vom Nähtisch II: was weiter geschah
Nur ganz schnell der Stand des Retrokleides nach dem Wochenende: ich muss noch die Belege an den Ärmeln absteppen (präzise um-die-Ecke-Stepperei involviert, dazu brauch' ich ne ruhige Minute oder zwei), Knopflöcher einnähen, Knöpfe annähen und das Kleid säumen.
Samstag Abend warf mich ein Denkfehler in der Anleitung zurück, der mich nötigte, die Schulternähte zum Teil wieder aufzutrennen, um den Kragen anzunähen - das war aber gar nicht so schlimm, weil ich mich durch das Aufdecken dieses Fehlers als Probenäherin von solcher Wichtigkeit durchdrungen fand, dass sich das bißchen Trennarbeit fast wie im Fluge erledigte. Beim späteren Kneipenbesuch kam ich dann auch auf eine nähtechnisch sehr elegante Lösung, wie sich Kragen und Einsatz ohne Handnähte zusammenfügen lassen. Alles in allem also ein sehr erfolgreicher Abend.
An Sonntag widmete ich mich dem Reißverschluss und den Belegen an den Ärmeln, letztere eine in meinen Augen eine verhältnismäßig fummelige Angelegenheit mit lauter Ecken. Bisher bin ich von dem Schnitt aber ganz angetan. Ich könnte ihn mir auch in einer Winterversion aus Wolle vorstellen, dann natürlich gefüttert. Das wäre vermutlich sogar einfacher als die fummeligen Belege. Bald mehr, wenn das Kleid fertig ist!
Samstag, 3. August 2013
Live vom Nähtisch: ein ganz besonderes Retrokleid
In Berlin solls heute irre heiß werden, den Wochenendgroßeinkauf haben der Liebste und ich schon erledigt und uns mit kühlen Getränken in der Wohnung verbarrikadiert. Der Liebste überlegt noch, ob er gleich zum Fotografieren in die Hitze hinausgeht - na meinetwegen, solange ich nicht mit muss.
Auf meinem Nähtisch liegt ein ganz besonderer Schnitt, auf den ich schon ganz heiß (haha!) bin, seitdem ich die Modellzeichnung das erste Mal gesehen hatte: ein Sommerkleid aus den 1930er Jahren mit kleinen, angeschnittenen Ärmelchen mit Knöpfen, einem raffinierten Reverskragen, der aus einem viereckigen Einsatz hervorgeht, Hüftpassentaschen und einem Rock, der im Rückenteil stärker ausgestellt ist als vorne. Genauer gesagt - das hier:
Das nähe ich jetzt und versuche parallel dazu life zu bloggen, wie das Meike immer beim Tatort macht. Mal sehen, ob ich letzlich mehr nähe oder mehr schreibe. Näht heute noch jemand anderes, oder seid ihr alle am See?
Also, der Schnitt: den hat eine meiner Mitbewohnerinnen in der Büroetage, die Modedesignerin ist, nach der Zeichnung oben professionell erstellt. Aus der gleichen Serie modernisierter Retroschnittmuster stammt auch das Streifen-Trägerkleid, das Nina vor ein paar Wochen genäht hatte. Das Schnittmuster für Ninas Kleid gibts inzwischen im Nähkontor zu kaufen, das Kleid das ich jetzt nähe, wirds dann dort auch bald geben, sobald der Schnitt optimiert ist. Meine Nachbarin Regine hatte nach der allerersten Schnittversion ein Nesselmodell angefertigt, noch ein bißchen am Design geschraubt, und mir die zweite Version zum Ausprobieren überlassen.
Die Stoffwahl fand ich nicht einfach: der Vorrat gab natürlich nichts Passendes her (bitte nicht lachen jetzt!) und natürlich findet man (also ich) auf dem Markt nichts rechtes, wenn man dringend mal etwas braucht. Ich kaufte einen geht-so-Stoff, eine Art hellblauen Oberhemdenstoff mit einer ganz schönen Webstruktur. Ich befürchte aber, dass ich in einem hellblauen Kleid wie Rotkreuzschwester Hildegard, 1932 aussehen könnte - also kurz gesagt: Kittelalarm droht - und möchte deshalb für den Oberkragen, die Belege an den Ärmeln und möglicherweise die Taschenklappen einen roten Stoff verwenden. Einen helleren oder einen dunkleren:
Ich sinniere noch ein bißchen über hell oder dunkel, während ich den Schnitt ausschneide und die blauen Teile zuschneide.
Puh, Zuschneiden auf dem Fußboden ist etwas mehr Bewegung, als ich mir im Moment wünschen würde. Aber welch ein Luxus, einen für die eigenen Maße optimierten Schnitt zu verwenden! Als ich das Nesselmodell anprobierte, ergaben sich nämlich zwei Änderungen gegenüber der Standard-38: ich brauche an der Brust zwei Zentimeter mehr und ein um 1,5 Zentimeter verlängertes Oberteil. Das wurde in meinen Schnitt gleich eingearbeitet, mit dem Schnittmusterprogramm ist das kein Problem. (Und ich fühle mich bestätigt: das sind genau die Zentimeter, die ich immer bei Burdaschnitten zugebe.) Einfach zuschneiden und nähen, wann hat man das schon mal.
Wie ich sehe bin ich auch nicht ganz alleine: Catherine näht auch, wenigstens ein bißchen, Julia winkt, und ja, Nina, ich nehme den hellroten Stoff. Aber zuerst mach' ich mir ein Schinkenbrot.
Der Liebste hat sich mit unbekanntem Ziel und seiner Fototasche nach draußen begeben - und ich frage mich, jetzt wo alles zugeschnitten ist, warum ich nicht den hellroten Stoff für das Kleid genommen habe. Der ist so schön, ein mattes, überhaupt nicht grelles Rot. Naja. Der Reststoff reicht vielleicht noch für ein Kleid. Manchmal bin ich schon komisch. Und fein, Siebenhundertsachen und Sabine nähen auch mit im virtuellen Nähkränzchen.
Also ehrlich, bei 32° in der Wohnung wie bei Sabine könnte ich nicht nähen! Ich überlege schon jetzt, ob einfach Herumsitzen nicht ne prima Alternative wäre. In der Zwischenzeit habe ich festgestellt, dass
- mein Bügeleisen dringend eine Reinigung vertragen könnte
- ich beim Zuschneiden eines Rockteils übersehen habe, dass die Schnittkante des Stoffes nicht ganz gerade war, nun fehlt an der Stelle ein kleines bißchen an der Saumzugabe
- der selbstgemachte Eistee aus Hagebutte-Hibiskus-Brombeerblättertee, Zitronenschale und -saft und braunem Zucker genau die gleiche Farbe hat wie der rote Stoff
Das Bild vom zusammengenähten hinteren Rockteil ist für Yvonet: Ich glaube nämlich, dass der Rockteil und speziell die Rückenpartie ganz ähnlich ist wie bei dem gestreiften Sommerkleid von Dolce & Gabbana, über dessen Konstruktion wir gerätselt hatten. Das Rockvorderteil ist im Prinzip ein leicht ausgestellter Rock, ganz normal im Bruch zugeschnitten, der hintere Teil besteht aus aus 5 mehr oder weniger keilförmigen Einzelteilen und ist stärker ausgestellt als das Vorderteil. Hätte ich einen Streifenstoff genommen, wäre der Streifenverlauf vermutlich ganz ähnlich wie beim D&G-Kleid. Ich werde das aber anhand der Schnittteile nochmal genauer überprüfen!
Zuzsa näht auch! Ich habe übrigens von der Nähmaschine allerbeste Sicht auf durchtrainierte, nur halb bekleidete Männer - im angrenzenden Hof wird ein Gerüst an der Hausfassade aufgebaut. Ich schwanke zwischen Mitleid (die müssen echt arbeiten! am Samstag! bei den Temperaturen!) und Verwunderung: warum haben die alle so forschtbare Tätowierungen?
Stecken, nähen, bügeln, einschneiden, stecken, nähen, bügeln, absteppen - beim viereckigen Einsatz im Vorderteil bin ich etwas ins Schwitzen gekommen. Der Liebste ist draußen verschollen. Falls ihr in Berlin und Umgebung einen Mann im schwarzen Polohemd und mit Fototasche herumirren seht, bitte gebt ihm Wasser!
Bisher fügen sich die Schnittteile prima zusammen. Da jede Naht eine Nummer hat, sieht man auch sofort, was an welches Teil gehört. Die Anleitung ist knapp, aber ausreichend, über die gängigsten Verarbeitungstechniken sollte man allerdings Bescheid wissen.
An den unteren Ecken des Krageneinsatzes habe ich zuerst eine Stütznaht genäht, knapp auf der Natzugabe - die blaue Linie ist die Nahtlinie. Beim Einsetzen wird erst die untere, waagerechte Naht genäht, dann bis zu den Ecken eingeschnitten, umgeklappt, und als nächstes die senkrechten Nähte geschlossen. Beim Absteppen rundherum war mittendrin der Unterfaden alle - alles andere hätte mich auch gewundert!
Der Mann ist wieder zurück, dehydriert, aber unverletzt. Gerade bemerkt, dass es an der vorderen Rockbahn auch so eine Ecke mit Einschneiden und allem Pipapo gibt - und da treffen auch noch die dicke Taschenklappe und zwei Taschenbeutelteile aufeinander. Herrje. Genäht und eingeschnitten ist es - wird den Rest das Bügeln richten? Oder erstmal ein Eis?
Der Mann wirkt apathisch, ich mache mal schnell was zu essen. Die vordere Kniffelstelle an den Taschen war gar nicht so schwierig. Und: die Bügeleinlage, die ich vor kurzem bei Yavas in Charlottenburg gekauft hatte, ist eine Wucht. Ich habe Jahre, wirklich Ja-hre meine Lebens mit Bügeln verschwendet. Bis jetzt. Denn jetzt kenne ich ja das gute Zeug.
Ich weiß noch nicht, ob ich heute Abend weiternähe - eine Nachbarin will eventuell in ihren Geburtstag reinfeiern. Ach ja - und schaut doch mal in den vorigen Beitrag, falls ihr alte Jeans zur Weiterverwertung gebrauchen könnt.
Auf meinem Nähtisch liegt ein ganz besonderer Schnitt, auf den ich schon ganz heiß (haha!) bin, seitdem ich die Modellzeichnung das erste Mal gesehen hatte: ein Sommerkleid aus den 1930er Jahren mit kleinen, angeschnittenen Ärmelchen mit Knöpfen, einem raffinierten Reverskragen, der aus einem viereckigen Einsatz hervorgeht, Hüftpassentaschen und einem Rock, der im Rückenteil stärker ausgestellt ist als vorne. Genauer gesagt - das hier:
Das nähe ich jetzt und versuche parallel dazu life zu bloggen, wie das Meike immer beim Tatort macht. Mal sehen, ob ich letzlich mehr nähe oder mehr schreibe. Näht heute noch jemand anderes, oder seid ihr alle am See?
11.30 Uhr, draußen 30°, heiter; drinnen 24°, optimistisch
Also, der Schnitt: den hat eine meiner Mitbewohnerinnen in der Büroetage, die Modedesignerin ist, nach der Zeichnung oben professionell erstellt. Aus der gleichen Serie modernisierter Retroschnittmuster stammt auch das Streifen-Trägerkleid, das Nina vor ein paar Wochen genäht hatte. Das Schnittmuster für Ninas Kleid gibts inzwischen im Nähkontor zu kaufen, das Kleid das ich jetzt nähe, wirds dann dort auch bald geben, sobald der Schnitt optimiert ist. Meine Nachbarin Regine hatte nach der allerersten Schnittversion ein Nesselmodell angefertigt, noch ein bißchen am Design geschraubt, und mir die zweite Version zum Ausprobieren überlassen.
Die Stoffwahl fand ich nicht einfach: der Vorrat gab natürlich nichts Passendes her (bitte nicht lachen jetzt!) und natürlich findet man (also ich) auf dem Markt nichts rechtes, wenn man dringend mal etwas braucht. Ich kaufte einen geht-so-Stoff, eine Art hellblauen Oberhemdenstoff mit einer ganz schönen Webstruktur. Ich befürchte aber, dass ich in einem hellblauen Kleid wie Rotkreuzschwester Hildegard, 1932 aussehen könnte - also kurz gesagt: Kittelalarm droht - und möchte deshalb für den Oberkragen, die Belege an den Ärmeln und möglicherweise die Taschenklappen einen roten Stoff verwenden. Einen helleren oder einen dunkleren:
Ich sinniere noch ein bißchen über hell oder dunkel, während ich den Schnitt ausschneide und die blauen Teile zuschneide.
12.30 Uhr, draußen sonnig, 32°; drinnen durstig, 25°
Puh, Zuschneiden auf dem Fußboden ist etwas mehr Bewegung, als ich mir im Moment wünschen würde. Aber welch ein Luxus, einen für die eigenen Maße optimierten Schnitt zu verwenden! Als ich das Nesselmodell anprobierte, ergaben sich nämlich zwei Änderungen gegenüber der Standard-38: ich brauche an der Brust zwei Zentimeter mehr und ein um 1,5 Zentimeter verlängertes Oberteil. Das wurde in meinen Schnitt gleich eingearbeitet, mit dem Schnittmusterprogramm ist das kein Problem. (Und ich fühle mich bestätigt: das sind genau die Zentimeter, die ich immer bei Burdaschnitten zugebe.) Einfach zuschneiden und nähen, wann hat man das schon mal.
Wie ich sehe bin ich auch nicht ganz alleine: Catherine näht auch, wenigstens ein bißchen, Julia winkt, und ja, Nina, ich nehme den hellroten Stoff. Aber zuerst mach' ich mir ein Schinkenbrot.
13.45 Uhr
Der Liebste hat sich mit unbekanntem Ziel und seiner Fototasche nach draußen begeben - und ich frage mich, jetzt wo alles zugeschnitten ist, warum ich nicht den hellroten Stoff für das Kleid genommen habe. Der ist so schön, ein mattes, überhaupt nicht grelles Rot. Naja. Der Reststoff reicht vielleicht noch für ein Kleid. Manchmal bin ich schon komisch. Und fein, Siebenhundertsachen und Sabine nähen auch mit im virtuellen Nähkränzchen.
15.00 Uhr, draußen 32°, bewölkt; drinnen 26°, puh
Also ehrlich, bei 32° in der Wohnung wie bei Sabine könnte ich nicht nähen! Ich überlege schon jetzt, ob einfach Herumsitzen nicht ne prima Alternative wäre. In der Zwischenzeit habe ich festgestellt, dass
- mein Bügeleisen dringend eine Reinigung vertragen könnte
- ich beim Zuschneiden eines Rockteils übersehen habe, dass die Schnittkante des Stoffes nicht ganz gerade war, nun fehlt an der Stelle ein kleines bißchen an der Saumzugabe
- der selbstgemachte Eistee aus Hagebutte-Hibiskus-Brombeerblättertee, Zitronenschale und -saft und braunem Zucker genau die gleiche Farbe hat wie der rote Stoff
Das Bild vom zusammengenähten hinteren Rockteil ist für Yvonet: Ich glaube nämlich, dass der Rockteil und speziell die Rückenpartie ganz ähnlich ist wie bei dem gestreiften Sommerkleid von Dolce & Gabbana, über dessen Konstruktion wir gerätselt hatten. Das Rockvorderteil ist im Prinzip ein leicht ausgestellter Rock, ganz normal im Bruch zugeschnitten, der hintere Teil besteht aus aus 5 mehr oder weniger keilförmigen Einzelteilen und ist stärker ausgestellt als das Vorderteil. Hätte ich einen Streifenstoff genommen, wäre der Streifenverlauf vermutlich ganz ähnlich wie beim D&G-Kleid. Ich werde das aber anhand der Schnittteile nochmal genauer überprüfen!
15.30 Uhr
Zuzsa näht auch! Ich habe übrigens von der Nähmaschine allerbeste Sicht auf durchtrainierte, nur halb bekleidete Männer - im angrenzenden Hof wird ein Gerüst an der Hausfassade aufgebaut. Ich schwanke zwischen Mitleid (die müssen echt arbeiten! am Samstag! bei den Temperaturen!) und Verwunderung: warum haben die alle so forschtbare Tätowierungen?
17.00 Uhr, draußen 32°, leicht bewölkt; drinnen 26°, gefühlt tropisch
Stecken, nähen, bügeln, einschneiden, stecken, nähen, bügeln, absteppen - beim viereckigen Einsatz im Vorderteil bin ich etwas ins Schwitzen gekommen. Der Liebste ist draußen verschollen. Falls ihr in Berlin und Umgebung einen Mann im schwarzen Polohemd und mit Fototasche herumirren seht, bitte gebt ihm Wasser!
Bisher fügen sich die Schnittteile prima zusammen. Da jede Naht eine Nummer hat, sieht man auch sofort, was an welches Teil gehört. Die Anleitung ist knapp, aber ausreichend, über die gängigsten Verarbeitungstechniken sollte man allerdings Bescheid wissen.
An den unteren Ecken des Krageneinsatzes habe ich zuerst eine Stütznaht genäht, knapp auf der Natzugabe - die blaue Linie ist die Nahtlinie. Beim Einsetzen wird erst die untere, waagerechte Naht genäht, dann bis zu den Ecken eingeschnitten, umgeklappt, und als nächstes die senkrechten Nähte geschlossen. Beim Absteppen rundherum war mittendrin der Unterfaden alle - alles andere hätte mich auch gewundert!
18.00 Uhr
Der Mann ist wieder zurück, dehydriert, aber unverletzt. Gerade bemerkt, dass es an der vorderen Rockbahn auch so eine Ecke mit Einschneiden und allem Pipapo gibt - und da treffen auch noch die dicke Taschenklappe und zwei Taschenbeutelteile aufeinander. Herrje. Genäht und eingeschnitten ist es - wird den Rest das Bügeln richten? Oder erstmal ein Eis?
19.45 Uhr
Der Mann wirkt apathisch, ich mache mal schnell was zu essen. Die vordere Kniffelstelle an den Taschen war gar nicht so schwierig. Und: die Bügeleinlage, die ich vor kurzem bei Yavas in Charlottenburg gekauft hatte, ist eine Wucht. Ich habe Jahre, wirklich Ja-hre meine Lebens mit Bügeln verschwendet. Bis jetzt. Denn jetzt kenne ich ja das gute Zeug.
Ich weiß noch nicht, ob ich heute Abend weiternähe - eine Nachbarin will eventuell in ihren Geburtstag reinfeiern. Ach ja - und schaut doch mal in den vorigen Beitrag, falls ihr alte Jeans zur Weiterverwertung gebrauchen könnt.
Woche 31
1. Eine Woche zum Durchschnaufen vor der nächsten Hitzewelle.
2. Sich über ein ganz besonderes Schnittmuster freuen.
3. Eine gegrillte Makrele essen - im Fisch-Kebab-Haus in der Sonnenallee 21.
4. Auch mal zu spät kommen: das Paste-up von Peter Pink sah mal so aus - ich fotografierte es als typisches Neuköllner Gesamtkunstwerk, in das sogar eine abgestellte Matratze von einem Sprayer in die Komposition eingebunden wurde. (Und schaut euch unbedingt auf Peter Pinks Webseite die Kartoffel-Installationen an!)
5. Mal was aus alten Jeans nähen? Meine Bekannte Carola hätte 5 Kilo Jeans gegen Porto zu verschenken - wie sie mir schrieb handelt es sich um "Jeans in allen möglichen Blau- und Schwarztönen und Strukturen, die unbedingt weg sollen. Die Jeans sind sauber gewaschen, aus einem trockenen Raum und Nichtraucherhaushalt, aber mit Katze!! Alle sind irgendwie kaputt - meistens am Hinterteil/Sitzfläche durchgerubbelt oder am Saum durchgescheuert." Aus dem Stoff könnten Refashionistas aber noch eine Menge nähen - daher fand sie Carola für die Altkleidersammlung zu schade (und man weiß ja sowieso nicht, ob es sinnvoll ist, Kleidung in diese Container zu werfen.) Wer Interesse hat, meldet sich bitte bei Carola per Mail unter cf ÄTT abf1 PUNKT de. (ÄTT ist in der Mailadresse durch @ zu ersetzen, PUNKT durch .) Nicht schüchtern sein - Carola ist froh, wenn sie die Jeans an jemanden loswird, der daraus noch etwas machen kann.
6. Vorfreude auskosten: Die Vorschau auf die Modelle der September-Burda voller Herbstsachen und Mäntel und weißer Blusen ist da! Und - das wurde ja schon gemunkelt - Stoff&Stil eröffnet in (naja: bei) Hamburg sein erstes Ladengeschäft in Deutschland. Am 29. August ist Eröffnung in Halstenbek (via @FrauCrafteln). Fun Fact: ich verbrachte den Jahreswechsel 2000/2001 mit Freunden, wir waren im Haus der Eltern eines der Freunde einquartiert - "in Hamburg", wie es vor der Reise hieß. Das Haus war dann letztlich in Rellingen-Krupunder und damit in fußläufiger Entfernung zu der neuen Stoff&Stil-Filiale.) Nächstes Jahr soll es wohl eine zweite Filiale in Berlin geben - ich bete jetzt schon, dass sie sich nicht Kleinmachnow oder Henningsdorf aussuchen.
Donnerstag, 1. August 2013
Nähen, um sich selbst mehr zu mögen
Ich saß heute ein bißchen kopfschmerzig und verquollen am Schreibtisch und brachte nichts rechtes zustande (die U-Bahn-Baustelle vor der Tür war auch nicht hilfreich), aber ich las die aktuelle Näh-Kolumne von Karen Ball im Netzauftritt des Guardian: "Can sewing change your body image?" (Btw, so eine regelmäßige Kolumne übers Nähen, Stricken oder wenigstens übers Selbermachen im Allgemeinen wünsche mir ja auch in deutschen Tageszeitungen! Dass Handarbeiten und DIY nun "wieder im Trend ist" wurde ja mittlerweile in allen Medien rauf und runter festgestellt, jetzt wäre es an der Zeit, diesem Trend, der alles andere als kurzlebig ist, einen festen Platz im Blatt oder im Webauftritt einzuräumen.)
Aber zurück zu Karen Ball. Sie schreibt über die befreiende Erfahrung, sich beim Selbernähen von herkömmlichen Kleidergrüßen abkoppeln zu können. "Here's the big, liberating secret about making clothes with a needle and thread: you lose any ability to judge yourself by an accepted set of measurements." Während ihr Kaufmode, die nicht passte, ihr das Gefühl des Ausgeschlossenseins vermittelte, lernte sie durch das Nähen, ihren Körper und seine Abweichungen von Idealmaßen differenzierter und sachlicher zu betrachten. Das Maßband sei ein Werkzeug, das sie brauche, um die richtige Schnittmustergröße zu ermitteln, aber die Zahlen darauf implizierten keine Wertung, anders als eine Kleidergröße einer bestimmten Marke.
So habe ich das auch erlebt. Ich konnte mir früher noch so rational sagen, dass eine Kleidergröße nichts anderes als eine willkürlich gesetzte Zahl ist - ein Besuch bei Zara und die Erkenntnis, dass ich dort nur ganz knapp (und manchmal gar nicht) in Größe L hineinpasse, fühlte sich wie eine Niederlage an. Vor ein paar Wochen las ich mit Sympathie und manchmal auch mit Bestürzung die Artikel, die bei der #waagnis-Aktion in vielen Blogs veröffentlicht wurden. Wahrscheinlich habt ihr die Debatte ja auch verfolgt: angestoßen durch einen Artikel von Maike im Blog Kleinerdrei setzten Frauen ihre Waagen aus und dachten über die Folgen jener ständigen Selbstbeobachtung durch Gewichtskontrolle, über das Zweifeln und das Sich-zu-dick-finden nach, das bei uns anscheinend zur Lebenserfahrung so gut wie jeder erwachsenen Frau gehört. (Zusammmenfassung der Aktion und Links zu vielen #waagnis-Artikeln hier).
Als früher immer viel zu dünnes Kind bin ich in meinem Erwachsenenleben von der obsessiven Beschäftigung mit meinem Körpergewicht und mit dem, was ich esse oder gerade nicht esse, verschont geblieben. Das diffuse Gefühl „zu dick“ zu sein kenne ich dennoch, aber es beschäftigte mich glücklicherweise nie dauerhaft. Eine Körperwaage ist im Haushalt nicht mehr vorhanden, seitdem ich vor mehr als 20 Jahren zuhause auszog. Darüber hinaus relativierte sich das „zu-dick“-Gefühl mit den Jahren: ich fühlte mich mit Anfang Zwanzig, als ich dünner war als jetzt, auf genau die gleiche Weise „zu dick“ wie heute. Figur und Gewicht waren also für mich nie ein großes Thema. Ich führe das darauf zurück, dass ich Glück gehabt habe: mit Eltern und Elternhaus, mit den Menschen in meiner Umgebung, ja sogar mit meiner Schule (ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schreiben würde) und vielleicht auch mit einer einigermaßen robusten psychischen Grundausstattung.
Die teilweise sehr offenen Artikel zu #waagnis boten für mich daher einen Einblick in eine mir fremde Welt, und ich kann den Autorinnen nicht genug dafür danken. Durch die Debatte nehme ich Artikel und Aussagen, in denen über die wünschenswerte Körperbeschaffenheit von Frauen geurteilt und diskutiert wird, ganz anders und viel genauer wahr als früher. Ich gewann eine schwache Ahnung davon, wie die Welt für Leute aussehen muss, für die das Thema, nicht den überall präsentierten idealisierten Körperbildern zu genügen, ein wunder Punkt ist – und ich sehe, dass diese Wunde so, wie die Welt beschaffen ist, niemals zuheilen kann.
Zugleich bin ich zwiegespalten: so sehr ich beispielsweise die Mode liebe, so sehr stört mich ihre ausschließende Attitude. (Wobei es eine andere, gesondert zu diskutierende Frage wäre, ob es so etwas wie „demokratische Mode“ überhaupt geben kann, wenn doch die Distinktion, das Sich-Unterscheiden von den einen, und das Sich-Identifizieren mit anderen, das Bestreben jeder Mode ist.). So sehr stört mich die Imagebildung, die anscheinend zwangsläufig mit dem Verächtlichmachen derer einhergeht, die dem Ideal nicht entsprechen können.
Eine kleine, ungeordnete Zusammenstellung von Beobachtungen der letzten Wochen: Ich hatte hier vor kurzem schon im Wochenrückblick den Artikel von Miss Bartoz über ihre Beobachtungen zur Messe „Curvy is sexy“ am Katzentisch der Berlin Fashion Week verlinkt. Wie jedes Jahr gab es zur Modewoche in Berlin auch wieder die medialen Diskussionen über „zu dicke“ und „zu dünne“ Models (siehe Titelseite oben). Auf der Mode- und Stil-Seite im Wochenendteil der Berliner Zeitung wurde am 6. Juli über die "thigh gap" berichtet, die Lücke zwischen den Oberschenkeln bei sehr schlanken Frauen, auf die nicht so schlanke Frauen hintrainieren - zwar mit kritischem Tenor, aber ich frage mich doch, ob es Anfang Juli wirklich kein relevanteres und interessanteres Mode- oder Stilthema gab? Picknickdecken, die Rückkehr des Bootsschuhs, oder meinetwegen Gartenmöbel? (Zumal der Artikel nicht einmal neu war, sondern fast gleichlautend schon am 14. 4. schon in der NZZ erschien und am 31. 5. im Blog der Autorin). Kaum ist in Großbritannien das königliche Baby da, spekulieren Zeitschriften über Kates Diätpläne, damit sie wieder "in Form kommt". Im Mai kochten die im Grunde seit Jahren bekannten Aussagen Mike Jeffries', des Chefs von Abercrombie&Fitch wieder hoch, der als Kundschaft nur schlanke Menschen haben möchte - unter anderem mit der Begründng, dies seien die beliebten und "coolen" Kids, mit denen die Marke identifiziert werden solle.
Auf der persönlichen Ebene ist das Selbernähen für mich eine Lösung, genauso, wie es Karen Ball im Guardian schreibt. Ich nähe seit meiner Schulzeit mehr oder weniger intensiv und hatte auch einige Phasen, in denen ich wenig oder gar keine Kleidung genäht habe. Rückblickend würde ich sagen, dass ich mich in den Phasen mit selbstgemachter Kleidung am besten und am meisten bei mir gefühlt habe. Der Versuch, eine passende Jeans zu kaufen, setzte bei mir zwar kein unentrinnbares ich-muss-abnehmen-Gedankenkarussell in Gang, besonders gute Laune machte er aber auch nicht. Es ist für mich ganz persönlich ein Zugewinn an Lebensqualität, Kaufklamotten nur noch als Inspirationsquelle zu betrachten und so nicht mehr auf die Inkompatibilität meiner Körperformen mit der Normfigur der Bekleidungsindustrie aufmerksam gemacht zu werden. Und das, obwohl ich, wie gesagt, von der Gewicht- und Körperformenproblematik und der damit einhergehenden Selbstabwertung eigentlich nicht betroffen bin. Denn, das ist das Perfide an der Konfrontation mit Körpernormen: die damit verbundenen Wertungen sind so irrational und so tief verankert, dass frau sich noch so oft "ist mir doch egal" mantramäßig vorsagen kann - es ist ihr eben doch nicht völlig egal. Wäre das Problem durch Nachdenken zu lösen, wäre es gar keins.
Auf der strukturellen Ebene des Problems, bin ich ehrlich gesagt ratlos. Das Vergleichen wird sich dem Menschen nicht austreiben lassen und das Selbernähen, seien wir ehrlich, eignet sich nicht zur Massenbewegung. Dazu verlangt es zu viel Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz und handwerkliches Geschick, und auch wenn ab und zu schon das Ende der Massenproduktion ausgerufen wird, erscheint es mir utopisch, dass unser Kleidungsbedarf auf absehbarer Zeit durch Eigenproduktion und Manufakturproduktion im eigenen Land gedeckt werden wird. Eine echte Massenbewegung müsste das Selbernähen schon werden, um langsam von der Kleidergrößenfixierung und den damit verbundenen Bewertungen wegzukommen. Eine Fixierung, die uns ja nicht allein die böse Bekleidungsindustrie aus Profitstreben eingetrichtert hat, sondern die wir alle mehr oder weniger auch selbst in unseren Köpfen hegen und pflegen.
Was meinen eigenen Kopf betrifft bin ich gespannt, wohin das Nähen mich noch führen wird. Falls ich so alt werden sollte wie Ann Rowley, die 81-jährige Gewinnerin des Great British Sewing Bee, hätte ich noch mehr als 40 Jahre des Nähens vor mir - eine schöne und tröstliche Vorstellung. Denn auch wenn das Selbernähen keinen Weg darstellt, an den Realitäten der industriellen Kleiderproduktion in einem kapitalistischen System und ihren Begleiterscheinungen grundlegend etwas zu ändern, es hilft dabei, sich ihren Folgen zu entziehen und das eigene Wohlbefinden zu verbessern. Wie es Karen Ball formulierte: "Do you still judge yourself by what fashion conglomerates think you should be? Then, you need to stop now. Buy a sewing pattern, enjoy a spontaneous fabric purchase and learn to love your tape measure. Don't judge yourself by your dress size. That's a fool's game." DIY ist zwar keine grundlegende Lösung (aber wann gibt es schon mal grundlegende Lösungen?), aber immerhin das beste, was wir im Moment haben.
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